E-Procurement-Lösung für direkte Güter der Inficon AG

08. August 2004



INFICON ist ein Unternehmen der Halbleiterindustrie. Ein kritischer Erfolgsfaktor des Unternehmens ist eine voll funktionierende Logistikkette, die durch eine geeignete E-Business-Lösung in den Bereichen Beschaffung und Vertrieb unterstützt werden sollte. Die Fallstudie stellt die E-Procurement-Lösung für direktes (und indirektes) Material vor, die auf einer standardisierten Marktplatz-Technologie von io-market beruht. Die Marktteilnehmer sind über eine einheitliche Schnittstelle an die Plattform angeschlossen. Das Beschaffungsportal ist spezifisch für INFICON konfiguriert. Kleineren Lieferanten erlaubt es den Zugang über ein Webportal, was diesen die Kosten für die Entwicklung einer eigenen elektronischen Schnittstelle spart. Die realisierte Lösung funktioniert einwandfrei und bringt den erwarteten Nutzen.


1. Das Unternehmen

INFICON ist ein führender Entwickler, Produzent und Anbieter von innovativen Vakuuminstrumenten, hochpräziser Sensortechnologie und Prozesskontrollsoftware für die Halbleiterindustrie und verwandte Branchen. Das Unternehmen ist in vier Geschäftsbereiche mit weitgehender Selbstständigkeit gegliedert. Zwei davon sind in Syracuse in den USA angesiedelt. Dort befindet sich auch der weltweite operative Hauptsitz. Je ein Geschäftsbereich befindet sich in Köln und Balzers. Neben diesen drei Produktionsstandorten hat das Unternehmen zudem Niederlassungen und Servicecenters in China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Japan, Korea, Liechtenstein, Singapur, Schweiz, Taiwan und den Vereinigten Staaten. Die Unternehmensbereiche sind unter dem Dach einer Holding zusammengefasst, die ihren Sitz in Bad Ragaz hat. Der Konzern hat weltweit ca. 700 Mitarbeitende und erzielt einen jährlichen Umsatz von ca. 150 Mio. USD. In Liechtenstein beschäftigt INFICON ca. 220 Mitarbeitende.

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die INFICON AG, Balzers (Liechtenstein), die für ihre Produkte für Forschung & Entwicklung, Produktion, Qualitätswesen sowie für den Umwelt- und Sicherheitsbereich vollumfänglich selbst verantwortlich ist (im Folgenden nur noch als INFICON bezeichnet). Unter dem Namen Balzers Instruments wurde dieses Unternehmen erstmals im Februar 1994 nach der Norm ISO 9001 zertifiziert. INFICON hat die Produktion in den letzten Jahren komplett auf eine Fliessfertigung (DFT = Demand Flow Technology) umgestellt. Ein entscheidender Faktor für die Materialversorgung der DFT-Linien ist eine gut funktionierende Supply Chain. Mit der Gestaltung des neuen Betriebsgebäudes in Balzers schuf INFICON im Wirtschaftsraum Rheintal ein innovationsförderndes und attraktives Umfeld für die Mitarbeitenden und Lieferanten.

  • Hintergrund

Die Firma INFICON wurde im Jahr 2000 gegründet und entstand aus einem Spin-off aus der Unaxis-Gruppe. Die ehemalige Division der Unaxis BLI Balzers Leybold Instrumentation entstand 1999 beim Zusammenschluss von Balzers und Leybold aus den beiden Instruments-Bereichen.

Die Produkte von INFICON aus den Bereichen Analytik sowie Mess- und Regeltechnik sind für grosse Anlagenbauer und Endverbraucher von entscheidender Bedeutung bei der komplexen Herstellung von Halbleitern, Flachbildschirmen, magnetischen und optischen Speichermedien sowie Präzisionsoptik. INFICON liefert darüber hinaus Instrumente für die Lecksuche und Analyse von toxischen Gasen, die in der Kälte- und Klimatechnik sowie im Umwelt- und Katastrophenschutz verwendet werden. INFICON beliefert primär grosse Endkunden (OEMs), Vertriebspartner (Privat-Label-Partner) und Halbleiterkunden.

  • Unternehmensvision

Die Unternehmensvision spiegelt sich in den folgenden Punkten wieder:

  • INFICON will in all ihren Geschäftsfeldern weltweit die Nr.1 sein.
  • INFICON führt ein Portfolio technologisch anspruchsvoller Geschäfte im Vakuum- und Analytikmarkt und will die Produktivität der Prozesse ihrer Kunden durch innovative Produkte und Dienstleistungen auf Basis von Wissen und Technologie erhöhen und den Shareholder Value langfristig maximieren.
  • INFICON strebt nach Marktführerschaft in globalen Märkten mit hohem Wachstum, in denen durch technologische Innovationen neue Marktpotenziale mit hohem Wachstum geschaffen werden können.
  • INFICON verpflichtet sich zu integrer und ehrlicher Geschäftsführung sowie der Einhaltung von ethischen und rechtlichen Normen.
  • INFICON entwickelt die beruflichen und persönlichen Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden aktiv, damit ihre Kreativität, ihre Begeisterung und Leistungsbereitschaft darauf ausgerichtet sind, eine Organisation zu schaffen, die finanzielles Wachstum für die Mitarbeitenden und das Unternehmen ermöglicht. INFICON unterstützt das Engagement der Mitarbeitenden in öffentlichen Aufgaben.

2. E-Business-Strategie

Auf der Beschaffungsseite hat sich INFICON entschieden, zusammen mit einem IT-Partner eine eigene E-Procurement-Lösung zu realisieren. Der IT-Partner übernimmt dabei die Schnittstellenverwaltung und das Entwickeln und Betreiben des Portals. Entsprechend den unterschiedlichen Bedürfnissen für die Beschaffung von Betriebsmitteln, C-Teilen und Zeichnungsteilen/Baugruppen für die Produktion sollen dabei angepasste Lösungen zum Einsatz kommen. Dieses B2B-Geschäft wird mit Lieferanten angestrebt, die ein hohes Umsatzvolumen und eine hohe Anzahl Transaktionen aufweisen. Auch für kleinere Lieferanten soll die Möglichkeit bestehen, ohne grössere Investitionen an dieser E-Procurement-Lösung teilzunehmen.

Da das Transaktionsvolumen von INFICON bei den direkten Materialien höher ist als bei den C-Gütern, startete INFICON zuerst mit der elektronischen Unterstützung der Beschaffung direkter Materialien. Im Focus lagen primär Lieferanten, die jährlich ein hohes Transaktionsvolumen (über 100 pro Jahr) aufweisen. Schrittweise erfolgt der Einbezug weiterer Lieferanten und in einem nächsten Schritt auch die Unterstützung des Einkaufs von indirektem Material. Dazu wurde mit demselben IT-Partner eine Katalogmanagement-Lösung entwickelt.

Bedingt durch die von INFICON gewählte Marktstrategie sind auf der Vertriebsseite vor allem grosse Kunden angeschlossen, die ERP-Systeme wie z.B. SAP R/3 einsetzen. All diese Systeme verfügen von Haus aus über definierte Schnittstellen, weshalb hier in der Regel eine direkte Anbindung (1:1-Anbindung) implementiert wird. Im Weiteren sollen in definierten Kundenbereichen VMI-Lösungen (Vendor Managed Inventory) zum Einsatz kommen. Die VMI-Lösungen basieren in der Regel auf den Plattformen der Kunden und sind kombiniert mit der elektronischen Bestellübermittlung.

  • Stellenwert von E-Business in der Unternehmensstrategie

INFICON hat schon früh erkannt, dass eine gut funktionierende Logistikkette ein wichtiger Faktor für den Unternehmenserfolg ist. In diesem Bereich sollen kontinuierliche Verbesserungen (auch Kosteneinsparungen) erzielt werden. E-Business ist eines der Werkzeuge, das dafür eingesetzt wird – sowohl auf der Beschaffungs- als auch auf der Vertriebsseite.

  • Zusammenspiel von ERP-System und E-Business-Software

Grundsätzlich sah INFICON zwei Möglichkeiten, um ihr E-Procurement aufzubauen. Die erste Möglichkeit war die Erstellung und der Betrieb eines eigenen Portals, wie es zum Beispiel Siemens anbietet. Die zweite Möglichkeit war die Anlehnung an ein bestehendes Portal, über das sämtliche Informationen und Transaktionen laufen; ein Beispiel dafür ist io-market. Eine weitere Variante ist die direkte SAP-SAP-Verbindung. Die Verbreitung von SAP ist bei den Lieferanten von INFICON jedoch sehr gering. Wo vorhanden, wird diese Art von Anbindung geprüft.

Das Betreiben eines eigenen Portals setzt eine Neuentwicklung der Plattform, das Betreiben eines eigenen Webservers und die Pflege und den Unterhalt des gesamten Systems (Hardware und Software) voraus. Es müssen ein Betriebskonzept und Spezifikationen für die Software erstellt werden. Mit jedem Lieferanten ist die Frage der Schnittstelle zu diskutieren und festzulegen, wobei in der Regel auf beiden Seiten Programmierkosten anfallen. INFICON entschied sich aufgrund dieser Nachteile gegen eine Neuentwicklung.

Grössere Unternehmen versuchen in der Regel, ihren eigenen Standard gegenüber den Lieferanten durchzusetzen. Das bedeutet, dass das einkaufende Unternehmen eine bestimmte Schnittstelle definiert und alle Teilnehmer diese eine Schnittstelle benutzen müssen. INFICON erachtete dies als nicht sinnvoll. Man wollte für sich und die eigenen Lieferanten mit möglichst geringem Aufwand ein Maximum an Nutzen erzielen. Dies ist nach Meinung der Verantwortlichen dann der Fall, wenn eine bestehende Schnittstelle problemlos von vielen Parteien benutzt werden kann. Die Lösung sah man in einem offenen Portal mit integriertem Marktplatz. Über ein solches bietet sich für INFICON auch die Möglichkeit, das C-Teile-Management (oder einen Teil davon) und die Beschaffung von Betriebsmitteln über die gleiche Schnittstelle abzuwickeln.

INFICON entschied sich für die Realisierung der Lösung auf Basis eines ASP-Modells (Application Service Provider). Als Partner wurde die in Triesen ansässige io-market ausgewählt. Konkret hiess dies, dass INFICON ein eigenes Portal unter ihrem Namen auf Basis der io-network-Technologie einrichten liess. INFICON kann sich so auf das eigene Geschäft konzentrieren und hat durch den Einsatz nur einer Schnittstelle geringere Initial- und Fixkosten. Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit, mit dem gleichen Partner weitere Lösungen innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette anzugehen.

  • Partner


ERP-System
INFICON setzt SAP R/3 für die Unterstützung der Geschäftsprozesse ein. Für die Anbindung an io-market konnte daher der SAP Business Connector genutzt werden. Für die Realisierung wurden die SAP-Spezialisten der INFICON einbezogen, die schon früher für die Anbindung eines Grosskunden eine Lösung zwischen zwei SAP-Systemen realisiert hatten.

Internet-Agentur/Dienstleister
io-market ist ein noch junges, dynamisches und innovatives IT-Dienstleistungsunternehmen. Die Firma wurde im Juni 2000 mit Firmensitz in Triesen, Liechtenstein, gegründet. io-market optimiert Geschäftsprozesse von Unternehmen mit Hilfe von zukunftsgerichteten Internettechnologien. Das Unternehmen beschäftigt ein Team von über 15 Mitarbeitenden, die als Vollzeit-/Teilzeit-Angestellte und als Freelancer tätig sind. Die strategische Marktpositionierung der io-market-Dienstleistungen konzentriert sich auf das KMU-Umfeld mit Fokus auf mittelgrosse Unternehmungen. Grundsätzlich sind die Lösungen auch für Grossunternehmen einsetzbar. Das von io-market betriebene „io-network“ weist bereits einen Stamm von über 2'500 Firmen auf, die aktiv in verschiedene Geschäftsprozesse eingebunden sind. Die Kernkompetenz der io-market liegt in der Erstellung von umfangreichen, kundenspezifischen Plattformen und Portalen in den Bereichen Beschaffungs-, Vertriebs- und Organisationsmanagement. Künftig werden auch Lösungen im Bereich Billing und Logistik angeboten. Damit deckt io-market alle Teile der Wertschöpfungskette vom Hersteller über den Händler bis zum Endkunden ab.

Geschäftspartner
Für das Pilotprojekt wurden die beiden Lieferanten Argo in Chur und die Stiftung Arwole in Sargans ausgewählt, die ca. 8 % des gesamten Bestellvolumens des Einkaufs von INFICON ausmachen. Beide Firmen sind Behindertenwerkstätten, die für INFICON diverse Baugruppen herstellen. Zudem kommissionieren sie diverse kundengerechte Verpackungseinheiten für INFICON.

Partnerwahl
Es wurden verschiedene Lösungen mit verschiedenen E-Business-Partnern analysiert. Entscheidend für das Pilotprojekt mit io-market waren die hohe Flexibilität und die Bereitschaft, die Ansprüche von INFICON optimal umzusetzen. Zudem war es die kostengünstigste Lösung. Auch die geografische Nähe war hilfreich.
Weitere Punkte waren:

  • Technisches Risiko ist bei io-market
  • Offener Standard für Schnittstellen
  • Eine Schnittstelle für mehrere Lieferanten: nur einmal Schnittstellenkosten
  • Minimaler Aufwand von internen Ressourcen bei INFICON und den Lieferanten
  • Möglichkeit der Erweiterung (Katalogmanagement, MRO-Güter)
  • Mit SAP-System keine vergleichbare Lösung realisierbar.

3. E-Procurement-Lösung mit Marktplatz

  • Geschäftssicht

INFICON erwartete zunächst vor allem einen Nutzen für den Beschaffungsprozess. Dieser umfasst:

Strategischer Einkauf: 7 Mitarbeitende
Disposition: 9 Mitarbeitende
Beschaffungsvolumen/Jahr: 40 bis 50 Mio. CHF
Anzahl direkte Artikel: 9'200
Anzahl direkte Artikel E-Proc.: 2'300
Bestellpositionen/Jahr gesamt: 17'000 bis 25'000
Bestellpositionen/Jahr E-Proc.: ca. 10'000 (Tendenz steigend, neue Lieferanten)
A-Lieferanten: 50, davon 15 ins E-Procurement integriert
Transaktionen E-Proc.: 3'500

 

  • Prozessabwicklung

Im Fokus der E-Procurement-Lösung steht die Beschaffung direkter Güter, die für die Herstellung der Produkte der INFICON verwendet werden.

Abbildung 1 Prozessabwicklung über io-market


Abbildung 1 Prozessabwicklung über io-market

Dies betrifft die Bestellungen für klar definierte Artikel (mit Zeichnungsindex) mit definierten Lieferfristen und Preisen. Abbildung 1 zeigt den Prozessablauf.

Es wird keine Auftragsbestätigung erstellt, da dies aufgrund getroffener Vereinbarungen nicht nötig ist. Die Rechnungsabwicklung ist zum Zeitpunkt der Erstellung der Fallstudie noch in Vorbereitung, da sie aus mehrwertsteuerrechtlichen Gründen den Einbezug eines Billing-Partners und eines elektronischen Archivierungs-Systems erfordert. Grundlage der Transaktionen sind Rahmenverträge mit standardisierten Lieferfristen. Im Falle von Terminproblemen wird die Situation per Telefon geklärt. Auch Kanban-Bestellungen sind möglich. Bei der Prozessimplementierung beschränkte man sich bewusste auf das Nötigste (z.B. keine Übermittlung des Lieferscheins).

  • Anwendungssicht

Das io-network bildet eine zentrale Datenintegrations- und Kommunikationsplattform (vgl. Abbildung 2). Die Plattform ermöglicht einen integrierten Datenaustausch zwischen den Partnerunternehmen und deren betriebswirtschaftlichen Applikationen.

Abbildung 2: Unterstützung der Wertschöpfungskette mit io-network


Abbildung 2: Unterstützung der Wertschöpfungskette mit io-network

io-market bietet mit dem zentralen Portal „io-network“ das Bindeglied zwischen den verschiedenen Plattformen und Systemumgebungen und verbindet die Geschäftspartner miteinander. Durch diese Integration kann der Austausch von Informationen vollautomatisch und ohne Medienbruch erfolgen. Der Vorteil für den Kunden liegt in der Durchgängigkeit bzw. im Zusammenspiel aller angebotenen Lösungen und in der hohen Integration der bestehenden Systeme und Geschäftsprozesse. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die einmalige Anbindung (Schnittstelle) an das io-network, womit eine Kommunikation mit mehreren Geschäftspartnern ermöglicht wird, ohne dass weitere Schnittstellen erstellt werden müssen. Dadurch werden Kosten eingespart und das technische Risiko für den Kunden minimiert.

Der aktuelle Trend liegt in der Erstellung von firmenspezifischen Beschaffungsplattformen, über die Lieferanten elektronisch angeschlossen werden. Der Vorteil eines firmenspezifischen Beschaffungsportals liegt in den einfachen Erweiterungsmöglichkeiten von Anwendungen innerhalb der Wertschöpfungskette. Dies sind zum Beispiel erweiterbare Anwendungen für:

  • interne Beschaffung von indirekten Gütern über ein Multikatalogsystem
  • lieferantenseitige Steuerung der Nachschub-Logistik durch ein Vendor Managed Inventory System (VMI)
  • Teamprozess-, Community- oder auch Groupware-Systemlösungen
  • Vertriebs- und Handelslösungen.


Abbildung 3 zeigt den Aufbau des io-network:

Abbildung 3: Aufbau des io-network


Abbildung 3: Aufbau des io-network

Abbildung 4 zeigt die Anwendungssicht mit den spezifischen Komponenten für den Datenaustausch (Schnittstellen). Auf der Seite von INFICON, die SAP einsetzt, geschieht dies mit Hilfe des Business Connectors (BC). Die Plattform von io-market setzt ein Modul namens io-Data-Exchange-Manager (io-DExM) ein.

Abbildung 4: Anwendungssicht mit Datenschnittstellen



Abbildung 4: Anwendungssicht mit Datenschnittstellen

Die Daten werden über eine definierte Schnittstelle (Daten-Exchange-Manager, io-DExM) in das io-network eingelesen. Die Übermittlung erfolgt dabei mehrheitlich über eine FTP-Verbindung. Beim Einlesen werden die Daten neu strukturiert im io-Data-Warehouse abgelegt. Diese Daten werden auf dem Online-Portal zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wird eine Datei für die Weiterleitung an den Empfänger systemspezifisch erstellt. io-market stellt nach Absprache weiteren Partnern die Daten in einer geeigneten Form zur Verfügung. Zusätzlich werden sicherheitstechnische Massnahmen getroffen, die zur Rückverfolgbarkeit und zur Datenübermittlung notwendig sind.

Bis heute wird die SAP-Schnittstelle zu io-network nur bei INFICON eingesetzt. Die Entwicklung neuer Schnittstellen erfolgt im Auftrag des Kunden und wird von den anzuschliessenden Geschäftspartnern selbst bezahlt.

  • Technische Sicht

Bei INFICON werden SAP R/3 und der SAP Business Connector eingesetzt. Für die zukünftige Dokumentenarchivierung (u.a. Bestellungen, Lieferscheine, Rechnungen) kommt ab dem 3. Quartal 2004 eine Software von iXOS zum Einsatz.

Bei io-market werden die Applikationssoftware Coldfusion von Macromedia für Webanwendung, das Microsoft SQL Datawarehouse sowie das Schnittstellen-Management-Tool io-DExM (eine Eigenentwicklung mit dot.net) eingesetzt.


4. Implementierung

  • Projektmanagement und Redesign der Prozesse

INFICON war Treiber und Nutzer des Projekts. Das Partnerunternehmen io-market hatte die Aufgabe, den Aufwand für das „Schnittstellen- und Transaktionsmanagement“ zwischen INFICON und ihren Lieferanten zu minimieren.

Kick-off des Pilotprojekts war am 22. November 2001. Ungefähr eine Woche später wurden die Lieferanten Argo und Stiftung Arwole eingeladen, um sie über das Vorhaben zu informieren und die Vorteile aufzuzeigen. Während dieser Gespräche kamen die zwei Lieferanten zu der Überzeugung, dass mit der geplanten Lösung Kosten eingespart werden könnten. Somit war eine gute Basis für den Start des Pilotprojekts gegeben. Nach den technischen Gesprächen zwischen INFICON und io-market wurde das Tool installiert und nach diversen erfolgreichen Tests konnten die E-Procurement-Prozesse Ende März 2002 erfolgreich in das operative Tagesgeschäft integriert werden. Inzwischen sind weitere Lieferanten an dieses System angebunden, einer davon mit einer direkten SAP-SAP-Anbindung.

Neben der Lieferantenseite musste auch bei INFICON intern Überzeugungsarbeit geleistet werden. Für die langjährigen Mitarbeitenden im Einkauf war es ungewohnt, dass plötzlich kein Papier mehr vorhanden war und sie somit eine Bestellung nicht mehr physisch in den Händen hielten. Das anfängliche Misstrauen gegenüber der elektronischen Übermittlung bezüglich Sicherheit wich erst, als die Lösung mehrere Monate ohne den Verlust einer einzigen Bestellung in Betrieb war.

  • Softwarelösung/Programmierung

In einem ersten Schritt wurde für INFICON ein Beschaffungsportal inklusive Schnittstellenanbindung an io-network, dem zentralen Portal der io-market, eingerichtet. Über die vorhandene Schnittstelle des io-DExM wurden die zwei auserwählten Lieferanten an das io-network angeschlossen. Nach anschliessender Aufschaltung von weiteren Lieferanten und den daraus erzielten Erfahrungen musste festgestellt werden, dass die Bereitschaft der Lieferanten für eine direkte Schnittstellenanbindung geringer war als erwartet. Deswegen wurden die Erweiterung der Beschaffungslösung um ein Webinterface und die damit verbundene Umsetzung eines eigenen INFICON-Portals auf Basis des io-networks forciert.

Die Beschaffungslösung wurde so gewählt, dass sie unabhängig vom Lieferanten und dessen technischen Stand ist. Es ist den Lieferanten freigestellt, welche Kommunikationsart sie bevorzugen. Wichtig ist, dass notwendige Rückmeldungen (wie Auftragsbestätigung, Lieferanweisung, Rechnung, etc.) an den Portalbetreiber in elektronischer Form übermittelt werden. Dies wird gewährleistet, indem die Rückmeldungen in elektronischer Form entweder über die definierte direkte Lieferanten-Schnittstelle übermittelt oder über das Beschaffungsportal eingegeben und die Daten über das io-network an den Besteller übermittelt werden.

Die Applikationsentwicklung erfolgte auf Basis des io-networks, worin die Grundfunktionen wie Datenübernahme, Datenverarbeitung und Datenweiterleitung sowie die grundlegenden Portalfunktionen bereits bei Projektstart vorhanden waren. Es waren nur noch kundenspezifische Anpassungen wie zum Beispiel das Datenmanagement (Schnittstelle zu SAP, Workflow, etc.), erweiterte Portalfunktionen und das Design anzupassen.

Mit diesem Ansatz verfolgt io-market das Ziel, für INFICON innerhalb kürzester Zeit eine kundenspezifische, funktionsfähige Beschaffungslösung zu realisieren (ab definiertem Pflichtenheft dauert dies in der Regel ca. ein bis vier Wochen). So profitieren die Unternehmen schneller vom angestrebten Einsparpotenzial bei der Beschaffung und zudem von einem interessanten Kosten/Nutzen-Verhältnis, was sich wiederum positiv auf den ROI auswirkt.


5. Erfahrungen aus dem Betrieb

  • Anwendung und Unterhalt

Das System läuft einwandfrei und zuverlässig. Die internen Widerstände sind gesunken. INFICON hat kaum noch Aufwand (höchstens bei einem neuen SAP-Release).

Der Überzeugungsaufwand für die Aufschaltung weiterer Lieferanten ist kleiner geworden, da die Einbindung über das Webportal ohne zusätzliche elektronische Schnittstellen möglich ist. Allfällig neu geschaffene, lieferantenseitige Schnittstellen bezahlt der Lieferant (er hat dann auch den Nutzen für weitere Kunden).

Die wiederkehrenden Kosten teilen sich in eine Support- und in eine Transaktionsgebühr, die entweder pro Transaktion oder über volumenabhängige Gebühren verrechnet wird. Diese Gebühren beinhalten das Hosting (Unterhalt Infrastruktur, Backup, Security, etc.) und die automatischen Updates der Software.

  • Zielerreichung

Die Beteiligten sind zufrieden mit dem Erreichten. Vier Monate nach dem „Go“ seitens INFICON konnten die ersten Bestellungen über den neuen Kanal abgewickelt werden. Alle Termine wurden zuverlässig eingehalten und die Schnittstellen liefen auf Anhieb, so dass nur noch kleine Anpassungen nötig waren. Dadurch konnte auch der geplante Kostenrahmen eingehalten werden.

Auch bei den Pilotpartnern ist die neue Bestellabwicklung auf ein positives Echo gestossen. Bei beiden werden die Bestellungen nun direkt in deren System eingelastet. Insgesamt wurden von den Mitarbeitenden von INFICON wie auch von den Lieferanten die hohe technische Kompetenz und der Support seitens io-market gelobt. Die anfängliche Skepsis einzelner Personen ist durch den problemlosen Start einer positiven Einstellung gewichen.

Das Investitionsvolumen für INFICON betrug ca. 45'000 CHF (io-market ca. 35'000 CHF, eigener beziehungsweise SAP-Aufwand ca. 10'000 CHF). Der Aufwand für die Pilot-Lieferanten betrug durchschnittlich ca. 20'000 CHF für io-market (ohne den internen Aufwand bei den Lieferanten, der aber nicht gross war). Darin eingeschlossen war die komplette Beratung sowie Programmierung und Implementierung der Schnittstelle in das jeweilige ERP-System.

Die Einbindung weiterer Lieferanten braucht etwas Zeit, wenn eine neue Schnittstelle erstellt werden muss (Aufwand ca. 5'000 bis 20'000 CHF pro Lieferant). Zusätzliche Kosten entstehen, wenn ein eigenes Portal (auf Basis der io-network-Technologie) gewünscht wird (wie dies bei INFICON der Fall war).

Durch den Einsatz der neuen E-Procurement-Lösung konnten bei INFICON erhebliche Einsparungen realisiert werden. Die Durchlaufzeit für eine Bestellung konnte um ca. 50 % reduziert werden. Die Qualität der Daten im System ist heute deutlich besser als früher. Da das System vor der Erfassung der Bestellung bereinigt wird, kann die Überprüfung der Bestellung vor dem Ausdrucken entfallen. Durch die erhöhte Datenqualität konnte auch die Qualität der Bestellungen gesteigert werden, was wiederum die Rückfragen und Fehler bei den Lieferanten vermindert.

Die gesamten Beschaffungskosten (Einkauf und Materialmanagement) konnten seit Ende 2000 um über 20 % reduziert werden und dies bei gleichzeitiger Ausdehnung der Tätigkeiten. Die Einkäufer haben heute Zeit, sich um die Beschaffungsmärkte und das Lieferantenmanagement zu kümmern. Dies zeigt sich auch durch einen deutlich höheren Einkaufserfolg (durch Verhandlungen und aktives Beschaffungsmarketing erreichte Einsparungen). Der ROI betrug deutlich weniger als ein Jahr.


6. Erfolgsfaktoren

  • Veränderungen

Die vorliegende Lösung führt im Procurement von direkten und indirekten Gütern zum papierlosen Beschaffungsablauf. Mit beschränktem finanziellem Aufwand wurde eine volle E-Procurement-Lösung realisiert, die pro Teilnehmer nur eine (elektronische) Schnittstelle erfordert. Damit erhält jeder Teilnehmer indirekt auch Zugang zu neuen Kunden und Lieferanten ohne weitere Investitionen.

INFICON erreichte reduzierte Beschaffungskosten, weniger Fehler und eine höhere Lieferantenbindung. Ein wichtiger zusätzlicher Nutzen ist die allzeit aktuelle Information über die Auftragsabwicklung.

Die internen Widerstände waren höher als erwartet; sie haben aber das Projekt nicht gefährdet. Die erfolgreiche Durchführung erforderte aber Überzeugungsaufwand.

  • Lessons Learned

Besonders gut funktionierte die Zusammenarbeit zwischen INFICON und io-market. Die Implementation der Rechnungsabwicklung erwies sich schwieriger als erwartet, da die rechtlichen Verordnungen für die Mehrwertsteuer eine Archivierungssoftware und Billing-Partner erfordern (vgl. auch Ausführungen zum AbaNet im Fachbeitrag Myrach, S. 107). Die elektronische Abwicklung der Rechnungen soll bis Ende 2004 erfolgen.

INFICON hatte vor vier Jahren den Mut, eine Beschaffungslösung für direkte Güter zu realisieren, obwohl das damals von einigen involvierten Parteien als nicht möglich und nicht sinnvoll erachtet wurde. Leider wird auch heute diese Ansicht teilweise noch vertreten, wodurch das Einsparpotenzial in diesem Gebiet teilweise ungenutzt bleibt. INFICON hat bewiesen, dass Einsparungen in der Beschaffung von direkten Gütern mit einer passenden E-Procurement-Lösung möglich sind. Das Resultat bestätigt, dass das konsequente Festhalten an dieser Zielsetzung sich für INFICON gelohnt hat.


Betreiber der Lösung

INFICON AG
Werner Vetsch, Purchasing Agent, Projektleiter
Branche: Elektro-/Elektronikindustrie/Optik, Halbleiterindustrie, Vakuuminstrumente, Sensortechnik, Prozesskontrollsoftware
Unternehmensgrösse: GrossunternehmenINFICON AG

Lösungspartner

Daniel Kohler, Geschäftsleitung
io-market AG

Autoren der Fallstudie

Werner Lüthy
Zentrum für Prozessgestatlung Aargau

08. August 2004
Lüthy; Werner (2004): Fallstudie INFICON; in: Schubert; Petra; Wölfle; Ralf; Dettling; Walter (Hrsg.) (2004): E-Business mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware - Einsatz von Business Software in der Praxis; München; Wien: Hanser Verlag; 2004; S. 129-142.
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
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inficon-iomarket
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1881-inficon-iomarket
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