Pasta Premium AG: Kundenorientierung in der Logistik

13. September 2005



Im Juni 2004 übernahm die Pasta Premium AG durch einen Management Buyout den Teigwarenbereich der Hero Gruppe. Die Fabrik in Frauenfeld ist der einzige Produktionsstandort. Mit einer auf Premium-Qualität ausgerichteten Strategie wollen die beiden Eigentümer, Markus Kick und Beat Grüter, in neuen Märkten wachsen. Sie übernahmen von der Hero ein bestehendes Kunden- und Lieferantennetzwerk, das sie weiter ausbauen. Zur Reduktion der Komplexität und aus Vertraulichkeitsgründen stellte sich die Aufgabe, eine Hero-unabhängige Softwarelösung einzuführen. Pasta Premium zeigt, wie ein kleines Unternehmen mit Hilfe der IT die Wettbewerbsvorteile Qualität und Flexibilität ausbauen kann. Den hohen Anforderungen in der stark vernetzten und von den Abnehmern dominierten Branche wurden dabei mutige Entscheidungen und eine konsequente Umsetzung gegenüber gestellt.


1. Das Unternehmen

Hintergrund
Pasta Premium produziert und vertreibt Eierteigwaren mit verschiedenen Eigehalten, Teigwaren aus verschiedenen Griesssorten, Spezialrezepturen für die Gastronomie und die weiterverarbeitende Industrie sowie Suppeneinlagen und Flädli (Omelettestreifen). Die Produktionsmenge beträgt rund 11'000 Tonnen pro Jahr. Die knapp 60 Mitarbeitenden erwirtschaften einen Umsatz von 35 Mio. CHF pro Jahr.

Pasta Premium entstand 2004 durch einen MBO. Es wurde der Teigwarenbereich der Hero ausgegliedert. Markus Kick, damals noch Betriebsleiter der Teigwarenfabrik, fand mit Beat Grüter, einem langjährigen Freund, den Financier, um den Schritt ins Unternehmertum zu wagen.

Obwohl die Firma noch jung ist, besteht die Teigwarenkompetenz seit fast 150 Jahren. Schon immer hat man sich für die Schweizer Qualitätsproduktion eingesetzt. Die Qualität der Produkte fängt beim Auswählen der richtigen Rohstoffe an. Pasta Premium setzt auf hochwertigen und 100 % reinen Durum-Weizen aus den besten Anbaugebieten, auf Eier aus Freilandhaltung und bestes Schweizer Wasser.

In der Nahrungsmittelbranche der Schweiz spielen die traditionsreichen Teigwaren von Pasta Premium eine wichtige Rolle. Sie werden unter den Marken Bschüssig, La Chinoise, Ami, Ernst und Trattoria verkauft.

Die Herstellung läuft seit 1998 auf fünf neuen Fertigungslinien. Vom Basissortiment bis zum Premium-Segment decken sie mit über 120 Formaten mit verschiedenen Rezepturen alle Bereiche ab. Das Sortiment wird durch eine flexible Produktion im 3-Schicht-Betrieb ermöglicht und nimmt Formen an wie Buchstaben, Hohlnudeln, Spiralen, Müscheli, Sternli, Krawättli, Spätzli, Lampions, um nur einige zu nennen. Das Unternehmen ist nach dem BRC-Standard zertifiziert (British Retail Consortium). Es unterliegt dadurch strengsten Hygiene- und Prozesssicherheitsvorschriften. Damit sorgt Pasta Premium auch für die Konstanz in der Qualität, die von den Lebensmitteldetaillisten und von der weiterverarbeitenden Industrie verlangt wird.

Branche, Produkt und Zielgruppe
Pasta Premium beliefert drei Kundengruppen im In- und Ausland:

1. Lebensmitteleinzelhandel
2. Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung
3. Lebensmittelindustrie

Im schweizerischen Lebensmitteleinzelhandel kann sich Pasta Premium mit der Sortimentsvielfalt, der flexiblen Produktion und der Wirkung am Verkaufspunkt positionieren. Die Teigwarenprodukte sind in den Regalen von Volg, Manor, Globus, Pick Pay, Primo/visavis, Jumbo, Denner, Spar, PAM, Chaillet & Saltz, Valrhône zu finden.

In der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung hat Pasta Premium aufgrund hochwertiger Qualität und bestem Preis-Genussverhältnis einen Marktanteil von 35 %. Sie ist damit Marktleaderin.

In der Lebensmittelindustrie, bei der Verwendung von Teigwaren als Rezeptbestandteil oder in Fertigmenüs, werden Pasta-Premium-Teigwaren wegen ihrer Qualität, Sicherheit, der Rückverfolgbarkeit in der Produktion und den kundenspezifischen Trocknungsgraden besonders geschätzt.

93 % des Umsatzes erzielt Pasta Premium in der Schweiz und 7 % im weltweiten Vertrieb.

Unternehmensvision
Pasta Premium führt eine lange Teigwarentradition weiter und setzt dabei auf Schweizer Qualitätsprodukte und Originalrezepte. Mit dieser Strategie will Pasta Premium in neuen Märkten wachsen und das Wachstumspotenzial in den nächsten Jahren konsequent ausschöpfen.

Die Ziele für die Zukunft heissen:

1. Zugang zu einem der Grossverteiler (allerdings nicht um jeden Preis)
2. Festigung und Ausbau der Position in der Gastronomie auf 45 % Marktanteil
3. Ausbau der Exporttätigkeiten von heute 7 % auf gut 20 % in den nächsten zwei bis drei Jahren

Insbesondere auf dem deutschen und auf dem österreichischen Markt besteht Wachstumspotenzial. Markus Kick schätzt den Markt für qualitativ hochwertige Trockenteigwaren auf ca. 10 % des Gesamtmarkts. Pasta Premium will längerfristig die Hälfte dieses Markts beliefern. In dieses Wachstum hat Pasta Premium bereits investiert: Der Ausstoss kann dank den neuen Produktionsanlagen und den etablierten Beziehungen zu den Lieferanten auch kurzfristig um 10 % gesteigert werden.

Bei diesen Schritten wollen die beiden Unternehmer das Markenportfolio einerseits überdenken und andererseits traditionsreiche Schweizer Marken modernisieren und wieder stärker bekannt machen. Entsprechende Kampagnen sind bereits geplant.


2. Der Auslöser des Projekts

Die organisatorische Entflechtung von der Hero AG machte es zur Reduktion der Komplexität und aus Vertraulichkeitsgründen notwendig, eine eigenständige Business Software einzuführen. Gleichzeitig hat Pasta Premium damit auch das Ziel verbunden, im Nischenmarkt für qualitativ hochwertige Trockenteigwaren an Flexibilität und Effizienz zu gewinnen.

Das Unterfangen wurde als komplex eingestuft: Immerhin geht es um eine ERP-Lösung für ein produzierendes Unternehmen, mit bestehendem Netz zu Lieferanten und Abnehmern. Dies erfordert ein höchstes Mass an Zuverlässigkeit und Sicherheit des Systems. Gleichzeitig müssen die Kosten gering bleiben, was beispielsweise einen aufwendigen Parallelbetrieb in der Phase der Ablösung des alten Systems der Hero verunmöglichte. Für die Planung, Realisierung, den Test und die Inbetriebnahme standen zudem nur knapp fünf Monate zur Verfügung.

Stellenwert von E-Business in der Unternehmensstrategie
Das E-Business-Konzept von Pasta Premium ergibt sich aus den komplexen Anforderungen der Logistikprozesse und den Kommissionierungswünschen ihrer Partner. Pasta Premium unterscheidet allerdings nicht zwischen ERP- und E-Business-Software. Markus Kick spricht von der Anbindung der Kunden für die elektronische Datenübermittlung. Die Anforderungen im Lebensmittelhandel verlangen den elektronischen Datenaustausch, sowohl seitens der Lieferanten wie auch der Grossabnehmer und der Logistiker.

Die Vernetzung der Geschäftsabläufe erfährt allerdings zwei Grenzen:

  1. Die Maschinensteuerung in der Produktion wird nicht automatisch aus der Produktionsplanung mit Daten beliefert. Der Produktionsleiter druckt die Produktionspläne aus. Seine Erfahrung mit Rüstzeiten und Durchlaufzeiten ermöglichen es in diesem manuellen Schritt, die Flexibilität auch bei Ausnahmen in den Abläufen durch kurzfristige Zusatzbestellungen zu wahren. „Der Kunde ist König. Auch wenn wir kurzfristig Zusatzbestellungen erhalten, tun wir alles, um in der gewünschten Zeit liefern zu können.“ (Markus Kick)
  2. Bestellungen und Bestätigungen sowie Lieferscheine werden zwar elektronisch übermittelt, die Rechnungen wird aber immer noch per Post an den Kunden übermittelt. Markus Kick ist der Meinung, dass dies einerseits für den Kunden bequemer ist, und andererseits mit der elektronischen Übermittlung bei Pasta Premium kein Effizienzgewinn realisierbar wäre.


Partner
Als Realisierungspartner für das ERP-Projekt wurde die Firma Informing AG aus Stans evaluiert. Informing wurde 1987 in Stans gegründet, ist ISO zertifiziert und beschäftigt 50 Mitarbeitende. Sie unterstützt mittelständische Unternehmen mit betriebswirtschaftlicher Software und weiteren IT-Dienstleistungen. Ihr selbst entwickeltes System IN:ERP vernetzt alle Informationen im Unternehmen und macht sie intern wie extern selektiv zugänglich. Daten werden möglichst an ihrer Quelle nur einmal erfasst. Damit können sämtliche betriebswirtschaftlichen Systeme (z.B. Fibu, Bebu, Lager) bedient werden. Durch entsprechende Strukturierung und Visualisierung können selbst äusserst komplexe Prozesse intuitiv und einfach via Windows oder Weboberfläche bedient werden. Informing bietet seit Ende 1988 eigene ERP-Lösungen an. Auf Basis von mehr als zehn Jahren Erfahrung wurde mit IN:ERP eine neue Produktgeneration entwickelt und Mitte 2001 als ERP-II-Lösung auf den Markt gebracht. Neben den technologischen Merkmalen bietet die Standardlösung ausgeklügelte Customizing-Werkzeuge, die viel Flexibilität und hundertprozentige Release-Fähigkeit garantieren.


3. Flexible und effiziente Belieferung dank weitreichender Vernetzung

Geschäftssicht
Pasta Premium nutzt IN:ERP für die primären und sekundären Prozesse des Unternehmens, angefangen bei der Materialwirtschaft über die Auftragsbearbeitung, Produktion, CRM bis hin zum Rechnungswesen und Controlling. Im Einkauf betrifft dies die Lieferanten für Verpackungsmaterial und Rohstoffe.

Wöchentlich werden zwischen 200 bis 250 Tonnen Hartweizengriess angeliefert. Alle 5-7 Tage werden in Tankwagen 20 Tonnen Flüssigei geliefert, die bei 3° Celsius gelagert und innerhalb von 6 Tagen verarbeitet werden müssen. Die gut 650'000 Eier dafür stammen aus Freilandhaltung. Die Qualitätsrückverfolgung wird über das Internet sichergestellt. Pasta Premium weiss somit jederzeit, woher die Eier jeder einzelnen Lieferung stammen. In Stichproben lässt Pasta Premium die Eier in Labors auf Cholesterin und Salmonellen testen, obwohl der Lieferant eine gleichartige Qualitätsausgangskontrolle ebenfalls durchführt.

Verpackungsmaterial wie Folien und Karton werden ebenfalls einmal in der Woche angeliefert.

Abb. 1: Geschäftsnetzwerk der Pasta Premium AG.


Abb. 1: Geschäftsnetzwerk der Pasta Premium AG.

Im Verkauf betrifft dies die Belieferung der Industrie mit Halbfertigfabrikaten und den Detailhandel sowie die Gastronomie mit Fertigfabrikaten. Pasta Premium bietet zwei Logistikprozesse an:

  1. Die Lieferungen von Grossmengen werden im Lager in Frauenfeld kommissioniert und von einem Transporteur zum Kunden gebracht, es sei denn, der Kunde möchte die Ware auf Wunsch mit einem eigenen Transporteur abholen.
  2. Die Lieferungen von Kleinmengen werden einem Logistikpartner übergeben, der die Feinkommissionierung und den Transport im Auftrag von Pasta Premium durchführt.


An die Industrie liefert Pasta Premium die Halbfabrikate direkt. Den Transport übernimmt ein Transporteur, der die Ware in Frauenfeld abholt.

Den Detailhandel beliefert Pasta Premium je nach Grösse und Kundenwunsch direkt an die Detailhandelsstandorte oder an die Verteilzentren. In den meisten Fällen wird an die regionalen Verteilzentren geliefert. Für diese Lieferungen arbeitet Pasta Premium mit einem Transporteur zusammen.

Auch die Gastronomie wird über beide Wege beliefert: Grössere Kunden wie Spitäler mit mehreren Standorten können mit dem gleichen Prozess beliefert werden wie der Detailhandel. Kleinere Betriebe werden über den Logistikpartner beliefert.

Lieferungen ins Ausland gehen in jedem Fall direkt von Frauenfeld mit dem Transporteur zu den Verteilzentren und Produktionsstätten der Kunden.

Mit dieser Aufteilung in die zwei Logistikprozesse hat Pasta Premium zwei Vorteile: Sie kann selbst kleine Bestellmengen aus der Gastronomie effizient verarbeiten. Und sie bleibt bei grossen Bestellmengen flexibel, indem auf jeden Kunden auch in Ausnahmefällen individuell reagiert werden kann.

Prozesssicht
Viele Kunden von Pasta Premium bestellen regelmässig ähnliche Mengen und Produkte. Dies ermöglicht einen effizienten Datenaustausch auf elektronischem Weg. Im Folgenden sind zwei Prozessvarianten von der Bestellung bis zur Rechnungsstellung zusammenfassend beschrieben. Es handelt sich um die zwei wichtigsten Kernprozesse von Pasta Premium. Mit jedem Kunden besteht ein Vertrag, der die Zusammenarbeit regelt.

Variante 1: Grossmengen
Mit dieser Prozessvariante werden Grossaufträge für Schweizer Kunden im Detailhandel, in der Industrie sowie Kunden im Ausland bedient. Die gelieferten Produkte können bedarfsgerecht vorproduziert sein (Leaderprodukte) oder auf Bestellung produziert werden. Die Nachfrage nach den Leaderprodukten ist regelmässig derart gross, dass es sich lohnt, an Lager zu produzieren. Pasta Premium plant die Produktion der Leaderprodukte so, dass das Lager täglich zu 100 % umgeschlagen wird. Schliesslich soll die volle Laufzeit der Haltbarkeit der Teigwaren dem Kunden zu Gute kommen. Wird auf Bestellung produziert, ist dies ohnehin der Fall.

Der Prozess wird durch eine Bestellung[Bestellprozess] angestossen: Der Kunde schickt via EDI eine Auftragsanforderung an Pasta Premium. Dort löst dies im IN:ERP ein Verkaufsdokument des Typs Auftragsbestätigung aus (vgl. Abb. 2). Der Kunde kennt die Lieferfristen. Bestellt er Leaderprodukte, kann er am darauffolgenden Tag mit der Lieferung rechnen. Er gibt das Lieferdatum aber in jedem Fall an. Dies ermöglicht es ihm auch, eine Vorbestellung zu tätigen. Handelt es sich um Eigenmarken, Halbfabrikate für die Industrie und aussergewöhnliche Aktionsmengen, die in keinem Promotionsplan geführt sind, so löst dies bei Pasta Premium einen Grossauftrag aus. Die Lieferung kann 15 Tage nach Bestellungseingang erfolgen.

Im Fall der Leaderprodukte erfolgt die Auftragsbestätigung jeweils auf allen Bestellungen mit Lieferdatum „morgen“ automatisch via EDI, und am Folgetag wird die Ware ausgeliefert. Ein Grossauftrag löst dagegen ein indirektes Vorgehen aus. Die Auftragsbestätigung kommt in einen Zwischenstatus und erzeugt ein Signal an die Produktion. Der Produktionsplaner prüft die Realisierbarkeit der Menge und des Termins. Dazu muss er das Vorhandensein der erforderlichen Rohstoffe inklusive Verpackungsmaterial sicherstellen. Kann der Planer den Termin einhalten, gibt er die Auftragsbestätigung frei, andernfalls macht er eine Vorschlagsliste. Die Auftragsbestätigung wird dem Verkauf als Pendenz gemeldet. Der Verkauf kann nun dem Kunden via EDI die Auftragsbestätigung zustellen. Die Auftragsbestätigung mit interner Produktionsabklärung geschieht innerhalb zweier Tage. Der Kunde erfährt in der Bestätigung in jedem Fall das Liefer- oder Abholdatum und die Menge. Weicht das Liefer- oder Abholdatum vom Wunschtermin des Kunden ab, wird der Kunde vom Verkauf extra darauf hingewiesen. In der Regel verlässt die Ware 15 Tage nach Auftragseingang das Werk in Frauenfeld.

Abb. 2: Auftragsabwicklung Grossaufträge Schweiz, Industrie und Export.


Abb. 2: Auftragsabwicklung Grossaufträge Schweiz, Industrie und Export.

Bereits rund 80 % der Bestellungen treffen elektronisch ein. Den Rest erhält Pasta Premium per Telefon oder Fax. In diesen Fällen werden auch die Bestätigungen manuell ausgelöst (Fax) oder getätigt (Telefon).

Die Rhythmen der Bestellungen sind im Allgemeinen bekannt. Ein Kunde bestellt beispielsweise regelmässig am Dienstagabend. Diese Bestellung erreicht Pasta Premium via EDI. Am Mittwoch überprüft der Produktionsplaner die Bestellung auf Menge und Termin und bestätigt die Bestellung und den Liefertermin. 15 Tage später wird die Ware geliefert. Der Kunde unterzeichnet den Lieferschein. Die Rechnung wird am darauffolgenden Tag verschickt.

Variante 2: Feinkommissionierung
Mit dieser Prozessvariante werden Aufträge aus der Gastronomie und teilweise aus dem Detailhandel der Schweiz bedient. Die gelieferten Produkte sind Leaderprodukte. Sie werden in dieser Prozessvariante nicht bei Pasta Premium in Frauenfeld gelagert, sondern beim Logistikpartner, der die Feinkommissionierung übernimmt (vgl. Abb. 3).

Abb. 3: Auftragsabwicklung mit externer Feinkommissionierung (z.B. für Gastronomie).


Abb. 3: Auftragsabwicklung mit externer Feinkommissionierung (z.B. für Gastronomie).

Der Prozess wird durch eine Bestellung angestossen: Der Kunde schickt via EDI eine Auftragsanforderung an Pasta Premium. Die Auftragsanforderung trifft per EDI mit dem Dokumententyp Order bei Pasta Premium ein. Im IN:ERP wird ein Verkaufsdokument vom Typ Auftragsbestätigung erstellt. Die Auftragsbestätigung geht als Rüstauftrag per EDI-Typ ORDER an den Logistikpartner. Dieser kommissioniert die Artikel (Artikelnummern, Chargen und Verfalldatum) in seinem System. Hat er fertig kommissioniert, geht an Pasta Premium mit EDI eine Nachricht vom Typ Dispatch Advice zurück. Im IN:ERP wird der Auftrag in den Verkauf kopiert. Automatisch wird daraus der Lieferschein erstellt und verbucht. Der Kunde erhält via EDI (Typ Dispatch Advice) ein Avis, mit der Nachricht, dass die Ware unterwegs ist. Hat Pasta Premium die Rückmeldung der ausgelieferten Ware vom Logistikpartner erhalten, wird die Rechnung verschickt.

Anwendungssicht
Die durchgängige Unterstützung durch IN:ERP ist bei Pasta Premium in der Variante Grossmengen und in der Variante Feinkommissionierung umgesetzt. Sämtliche Daten werden jeweils einmal erfasst und entlang dem Geschäftsprozess weitergereicht, auch über die Grenzen der Unternehmen hinweg (vgl. Abb. 4).

Der Verkauf ist für alle Datenübermittlungen an die Kunden verantwortlich. Die Mitarbeitenden in dieser Abteilung sehen den Status der Abwicklung jederzeit und können den Kunden auch zwischen den Prozessschritten Auskunft geben.

Der Produktionsplaner nimmt insbesondere bei der Bestellung von Grossmengen eine wichtige Rolle ein. Er übernimmt die Verantwortung für die Machbarkeit und liefert dem System die Lieferdaten zu jeder Bestellung.

Ebenso spielt die Rolle des Produktionsleiters im Bereich Verpackung mit: Dort wird sichergestellt, dass die Ware korrekt verpackt, auf Paletten gestapelt und für den Transportpartner bereitgestellt wird.

Die interne Spedition organisiert je nach Prozessvariante den externen Transporteur und bedient den externen Logistikpartner.

Sämtliche Daten für den Kunden und vom Kunden werden entweder über das EDI-Clearing-Center der IBM übermittelt, oder es besteht eine direkte Anbindung an das Informationssystem des Kunden (in Ausnahmefällen).

IN:ERP wird über eine Client-Anwendung auf den PC-Arbeitsplätzen der Mitarbeitenden bedient. Es steht auch eine Webschnittstelle zur Verfügung. Diese könnte in Zukunft für den Aussendienst wichtig werden. Derzeit wird sie vom Modul IN:BI (Business Intelligence) verwendet. IN:BI ist ein Management Informationssystem über das die Geschäftsleitung auf die Stammdaten und eine Fülle von Auswertungen Zugriff hat. Markus Kick schätzt die Webschnittstelle zu IN:BI sehr. Sie gibt ihm die Möglichkeit, seine Reisen für Kundenbesuche und die Akquisition von Neukunden ohne den Verzicht auf den vollen Zugriff auf das Rapportwesen durchführen zu können.

Abb. 4: Anwendungssicht, ERP II-Lösung der Pasta Premium AG.


Abb. 4: Anwendungssicht, ERP II-Lösung der Pasta Premium AG.

Technische Sicht
Hinter den Anwendungen laufen die standardisierten und parametrisierten Module der ERP-II-Lösung von Informing. Da die Module auf neusten Technologien aufbauen, konnten auch die direkte Anbindung des Kommissionierungssystems des Logistikpartners (derzeit SAP R/3) und die indirekte Anbindung der ERP-Lösungen der Kunden über EDI in kürzester Zeit realisiert werden (vgl. Abb. 5).

Abb. 5: Technische Sicht: ERP II-Lösung der Pasta Premium AG.


Abb. 5: Technische Sicht: ERP II-Lösung der Pasta Premium AG.

Mit IN:ERP wäre auch eine weiterführende Kopplung der Systeme möglich. Dies würde es beispielsweise ermöglichen, dass die Kunden keine Bestellungen mehr auszulösen hätten. Sie könnten, basierend auf Rahmenverträgen, in ihrem ERP-System die Lagerbestände führen. Sinkt bei dieser Variante der Kopplung der Lagerbestand unter die abgemachte Menge, wird im IN:ERP von Pasta Premium automatisch eine Auftragsanforderung ausgelöst. Diese Art der Arbeitsteilung zwischen Kunde und Lieferant ist bei international tätigen Detailhändlern bereits stark verbreitet. Man spricht von Vendor Managed Inventory. In der Schweiz wird dies von einem der grössten Lebensmitteldetailhändler bereits praktiziert.

Pasta Premium bereitet sich unter anderem mit dieser Technologieoption auf den Ausbau ihres internationalen und nationalen Geschäfts vor.


4. Implementierung

Die Umsetzung des Projekts kann als sehr direkt bezeichnet werden. Informing arbeitete mit zwei bis drei Mitarbeitenden bei Bedarf vor Ort. In der Konzeptphase sprachen sie mit den Mitarbeitenden von Pasta Premium im Detail über die Abläufe und Anforderungen. Nach der Installation der Software, wurden die Anpassungen wiederum direkt im Team mit Pasta Premium umgesetzt. Für die Mitarbeitenden von Pasta Premium war diese Art der Zusammenarbeit neu. Sie waren aus früheren Projekten vor dem MBO gewohnt, dass man nach der Einführung und Anpassung der Software durch andere Personen vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Im Projekt mit Informing war es ihnen im Gegensatz dazu möglich, ihre Anforderungen zuerst konzeptionell und später bis ins kleinste Detail umzusetzen. Die neue ERP-Lösung ist jetzt ein Hilfsmittel, das sie gerne und produktiv nutzen.

Die Notwendigkeit zu dieser Detailarbeit war Pasta Premium allerdings nicht von Anfang an bewusst. Mit dem Kauf der Software dachte man, ein vollständiges Produkt gekauft zu haben. Die Mitarbeitenden waren zu Beginn etwas überrascht. Sie benötigten mehr Betreuung von Informing, bis ihre spezifischen Bedürfnisse korrekt in den Parametern erfasst werden konnten. Den ersten Meilenstein erreichte man im September 2004 mit einer zweiwöchigen Verspätung. Markus Kick organisierte darauf hin die Mitarbeitenden für das Projekt neu. Sehr motivierend wirkte, dass er selbst an wichtigen Teilen des Projekts mitarbeitete. Er ging mit gutem Beispiel voran und zeigte damit, wie wichtig die Arbeit ist, und wie nützlich sie für jeden sein kann.

Bereits den zweiten Meilenstein erreichte das Projektteam in der geplanten Zeit. Ende Dezember konnten die Daten aus dem alten System migriert werden und ab dem 1. Januar 2005 lief das neue System wunschgemäss. Trotz der bekannten Risiken, wurde auf den Aufbau eines Parallelbetriebes für die Übergangsphase verzichtet. Seit der Einführung hat Pasta Premium intern keine Ausfälle zu verzeichnen. Die einzigen Unterbrüche entstanden bei der Netzbetreiberin. Dies war allerdings lediglich während zwei mal zwei Stunden der Fall. Weil das System für jede Übermittlung auf eine Empfangsbestätigung wartet, führten die Ausfälle nicht zu Datenverlusten und beeinträchtigten den Betrieb nur kurzzeitig.


5. Erfahrungen aus dem Betrieb

Anwendung und Unterhalt
Durch die aktive Mitarbeit der Pasta Premium in der Entstehungsphase betrachten die 18 User das System heute als ihre eigene Lösung und nutzen es entsprechend.
Damit auch in Ausnahmefällen und bei unvorhergesehenen technischen Schwierigkeiten schnell eine Lösung für jeden Einzelnen gefunden werden kann, hat Pasta Premium eine Mitarbeiterin besonders mit dem System vertraut gemacht. Sie gilt als Poweruserin und sorgt intern für den First Level Support. Zusätzlich prüft sie bei einem Release-Wechsel das System vorgängig auf der Testversion. Schliesslich überwacht sie die Datensicherung. Dafür benötigt sie ca. 30 % ihrer Arbeitszeit.

Zielerreichung
Pasta Premium verfolgte drei Ziele:

  1. Ablösung des 1996 bei Hero eingeführten SAP R/3 Systems durch ein unabhängiges System mit mindestens derselben Funktionalität:

    Dieses Ziel wurde in Rekordzeit (5 Monate) erreicht. Heute betreibt Pasta Premium ein modernes ERP-System mit direkter B2B- und EDI-Schnittstelle zu den Geschäftspartnern.

    Zusätzlich konnte die Absatzplanung verbessert werden. Die lückenlose Rückverfolgbarkeit vom verkauften Endprodukt bis zu den kritischen Rohstoffen (besonders Ei) und ihren Lieferanten ist gewährleistet. Der Lagerbestand an Fertigprodukten konnte trotz steigender Absatzmengen reduziert werden. Zudem verläuft die Disposition der Transportaufträge reibungsloser, so dass bereits weniger Leerfahrten anfallen.
  2. Stärkung der Flexibilität und der Effizienz:
    Durch den Einbezug der Mitarbeitenden in die Planung und Parametrisierung des Systems sowie wegen der einfach bedienbaren grafischen Hilfsmittel zur Parametrisierung konnte eine Anwendung realisiert werden, die zwar auf Standardmodulen basiert, die Erfahrung von Pasta Premium aber trotzdem abbildet. Tritt ein Spezialfall ein, kann Pasta Premium trotzdem flexibel reagieren.
  3. Die Kosten müssen gering bleiben:
    Die Gesamtkosten für das Projekt betrugen 300'000 CHF, wobei sie im Vergleich zur Offerte um 1'500 CHF überschritten wurden.

6. Erfolgsfaktoren

Zwei Elemente der technischen Lösung können als Besonderheit hervorgehoben werden:

  1. Das Projekt wurde in kürzester Zeit ohne Zeitüberschreitung, ohne Kostenüberschreitung und zur vollen Zufriedenheit des Kunden realisiert.
  2. Die Integration des externen Logistikpartners ist kein Standardfall. Es handelt sich hierbei nicht um eine einfache Datenübertragung. Der Logistikpartner erhält über die realisierte Lösung in seinem Kommissionierungssystem die vollständige Sicht auf alle Angaben. Dies war insbesondere eine Herausforderung für Informing, weil auch die Chargenrückverfolgung vollständig gewährleistet werden musste. Das realisierte System muss zudem eine Reihe von Ausnahmen berücksichtigen. Rücknahmen beispielsweise müssen der Qualitätssicherung neu zugeführt werden können, bevor sie wieder an Lager gehen. Wird ein Mangel festgestellt, muss er über den Logistikpartner in die Produktion und zurück zu den Lieferanten verfolgt werden können.


Informing argumentiert, dass diese Herausforderungen bewältigt werden konnten weil

  1. das IN:ERP vollständig objektorientiert ist, auf neusten Technologien basiert, mit sehr viel Erfahrung als Nachfolgesystem einer bereits etablierten Lösung umgesetzt wurde und ein schnelles Customizing ermöglicht,
  2. die jahrelange internationale Branchenerfahrung der Informing-Berater genutzt werden konnte (Bsp. EDI, Chargenverfolgung/EU178),
  3. die IN:ERP Einführungsmethodik eine schnelle und sichere Implementierung der Lösung erlaubt,
  4. auf Kundenseite dem Projekt die nötige Priorität beigemessen wurde.


Lessons Learned
Pasta Premium hat in die neue ERP-Lösung 0.8 % ihres Jahresumsatzes investiert. Damit hat sie Unabhängigkeit vom früheren Mutterhaus erlangt und sich fit für ein beträchtliches Wachstum gemacht.

Im Verlauf des Projekts hat Markus Kick einige Entscheidungen getroffen:

Er hat Informing als Lieferanten ausgewählt, ohne eine aufwendige Evaluation des Systems (IN:ERP). Die Referenzen und das Verhalten des Anbieters haben ihn von den Fähigkeiten der Menschen und der technischen Lösung überzeugt. Markus Kick ist sehr erfahren in der Branche, meint dazu aber trotzdem: „Manchmal darf man das Glück auch ein wenig herausfordern.“ Nach unserer Beurteilung war dies nicht leichtfertig, sondern ein Entscheid, der angesichts der technischen Entwicklung immer häufiger erfolgsversprechend ist. Entscheidend ist weniger, was eine Software alles kann, sondern was man in der Lage ist, mit ihr zu unternehmen.

Er hat bei der ersten Verzögerung im Projekt sofort und mit Nachdruck reagiert. Derartige Projekte sind für Unternehmen wie Pasta Premium erfolgsentscheidend. Genau so sollten sie auch von der Geschäftsleitung wahrgenommen werden. Wenn es das persönliche Engagement des Geschäftsführers braucht, ist es gut investiert.

Ähnliches gilt für Informing: Sie hat bei der Verzögerung im Projekt nicht einfach mehr eigene Mitarbeitende auf das Projekt gesetzt, sondern die bereits bezeichneten Spezialisten noch stärker involviert. Sie haben vor Ort für den Turn-around im Projekt gesorgt und damit die Mitarbeitenden von Pasta Premium für die Sache gewonnen.

Diese Fallstudie zeigt deshalb auch, wie wichtig neben einer guten Strategie die konsequente Umsetzung ist.


Betreiber der Lösung

Pasta Premium AG
Markus Kick, Geschäftsleitung
Branche: Herstellung Konsumgüter, Lebensmittel, Teigwaren
Unternehmensgrösse: MittelunternehmenPasta Premium AG

Lösungspartner

Felix A. Honegger, Delegierter des Verwaltungsrats
Informing AG

Autoren der Fallstudie

Pascal Sieber
Sieber & Partners

13. September 2005
Sieber; Pascal (2005): Fallstudie Pasta Premium AG: Kundenorientierung in der Logistik; in: Wölfle; Ralf; Schubert; Petra (Hrsg.)(2005) Integrierte Geschäftsprozesse mit Business Software; München; Wien: Hanser Verlag; 2005; S. 95 - 110.
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
2071
premium-informing
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/2071-premium-informing
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