E-Business Development bei der Converium Group

01. août 2002



Die Converium Group ist eine global tätige Rückversicherungsgesellschaft. In der vorliegenden Fallstudie wird die Rolle der Managers E-Business Development der Converium beleuchtet. Neben der Koordination der verschiedenen E-Business Aktivitäten stehen Information und Sensibilisierung der Mitarbeitenden im Vordergrund. Es ist das Ziel, eine E-Culture zu entwickeln. Die Herausforderung liegt hierbei in der Abstimmung von Technologie, Aufgabenstruktur, Bedürfnisse und Qualifikationen der Mitarbeitenden aufeinander.


1. Das Unternehmen

Die Rückversicherung ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen einem Rückversicherer und einer Versicherungsgesellschaft, einem Zedenten bzw. einem Broker. Der Rückversicherer stimmt darin zu, alle oder Teile der Versicherungsrisiken des Zedenten zu übernehmen. Im Gegenzug erhält der Rückversicherer vom Zedenten eine Prämie für das versicherte Risiko. Versicherungsgesellschaften haben 1998 Prämien von ungefähr 120 Milliarden US-Dollar an Rückversicherer überschrieben.


In diesem Umfeld ist die Converium tätig. Sie ist eine unter dem Dach der Converium Holding global tätige Rückversicherungsgesellschaft. Die Converium entstand aus der Fusion von verschiedenen Rückversicherungseinheiten der Zurich Financial Services. Der Börsengang erfolgte am 11. Dezember 2001. Der Marktanteil der Converium (nach Prämien) beträgt ca. 2% bis 3%. Das Unternehmen ist von drei Regionalzentren aus aktiv: Zürich, New York und Köln.


Gemessen an den Prämien belegt die Converium Rang acht unter den führenden Rückversicherern und beschäftigt weltweit 750 Mitarbeiter/ innen, rund 300 davon in der Schweiz.

Für die vorliegende Fallstudie wird die Rolle des Managers E Business Development der Converium beleuchtet. Stephan Eugster ist in dieser Funktion verantwortlich für die Koordination der E Business-Aktivitäten, für Information und Sensibilisierung der Mitarbeiter/ innen, mit dem Ziel der Entwicklung einer E Culture [1].



"Die Kultur ist insofern homogen, als dass man auf allen Hierarchiestufen sowohl IT-freundlichen als auch eher IT-skeptischen Meinungen begegnet."
(Stephan Eugster, Manager E-Business Development, Converium Group)


2. Organisation und Wettbewerb

Innerhalb der drei Regionalzentren teilt sich die Converium in vier Geschäftssegmente auf (vgl. Abbildung 1):


1. Converium Zürich ist verantwortlich für das Nichtleben-Rückversicherungsgeschäft in Westeuropa, im asiatisch-pazifischen Raum, in Latein- und Zentralamerika sowie in Südafrika und zudem globales Kompetenzzentrum für Luft- und Raumfahrt, Kredit und Kaution, Transport und technische Versicherungszweige.


2. Converium Reinsurance (North America) ist für alle Nichtleben-Rückversicherungssparten und die Unfall- und Krankenrückversicherung in den Vereinigten Staaten und in Kanada verantwortlich. Converium North America hat sich ausserdem zum Kompetenzzentrum für die Rückversicherung von Agrarschäden entwickelt.


3. Converium Cologne ist als Geschäftsbereich zuständig für sämtliche Nichtleben- und Unfall-Rückversicherungssparten in Deutschland, Nordeuropa, Zentral- und Osteuropa, Nordafrika und im Mittleren Osten.


4. Converium Life ist weltweit für das gesamte Leben-Rückversicherungsgeschäft zuständig.


Über diese Regionalzentren hinweg gibt es globale Dienste wie Kommunikation, Recht oder IT, die Leistungen für alle Regionalzentren erbringen.


Insgesamt verfügt die Converium über eine sehr flexible Struktur ohne starre Hierarchien. Die Flexibilität, schnell und effizient auf Marktveränderungen zu reagieren, ist so gewährleistet.


Der Wertschöpfungsprozess bei der Converium sieht grob folgendermassen aus: Auslöser ist der die eigenen, finanziellen Verhältnisse übersteigende "Risikoappetit" eines Erstversicherers. Mit diesem Bedürfnis gelangt der Erstversicherer an die Converium. Die Risikoabschätzung unter Berücksichtigung einer ausgewogenen Diversifikation ist eine der Kernkompetenzen der Converium. Nach der Preisfindung und der Definition der Vertragskonditionen wird der Rückversicherungsvertrag zwischen dem Erst- und dem Rückversicherer abgeschlossen. Die vertikale Integration bei der Converium beträgt fast 100%. Das heisst, in der Wertschöpfungskette erbringt die Converium den Grossteil der Leistungen selbst und zieht selten externe Spezialisten bei.


Die Hauptkunden der Converium sind so genannte Erstversicherer. Wachstum steht für die Converium nicht im Vordergrund, die Profitabilität hingegen schon. Die Converium geht davon aus, dass durch die Ablösung von Zurich Financial Services zusätzliche Kunden angesprochen werden, die zuvor aus Konkurrenzgründen keine Geschäfte mit der Converium tätigten. Die Rückversicherungsindustrie befindet sich zurzeit in einem günstigen, sich verbessernden (Prämien-)Umfeld. Converium dürfte mittelfristig von beiden Aspekten profitieren.

Abbildung 1: Struktur Converium.

Abbildung 1: Struktur Converium.



Die Konkurrenten sind unter den zehn Marktplayers zu finden, die sich ca. 60% der weltweiten Kapazität im Rückversicherungsgeschäft mit der Converium teilen. Daneben gibt es kleinere Rückversicherer, die sich teilweise auf eine bestimmte Versicherungsbranche spezialisiert haben.


Durch die vertikale Integration von fast 100% ist die Converium kaum auf Lieferanten für die direkte Leistungserstellung angewiesen. Die Converium ist bestrebt, das im Markt nachgefragte Know-how dem Kunden flexibel und rasch zur Verfügung zu stellen.


Die Wettbewerbskräfte sind in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Wettbewerbskräfte Converium.

Abbildung 2: Wettbewerbskräfte Converium.


3. Umgang mit neuen Technologien

Das Rückversicherungsgeschäft ist ein konservatives Geschäft, bei dem persönliche Kontakte zu den Kunden wichtig sind. Die Kundengewinnung über das Internet ist schwierig. Diese Situation bringt es mit sich, dass viele Mitarbeiter/ innen der Converium die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zwar als notwendig erachten, aber keine Leaderrolle übernehmen wollen. Trotzdem wurde in den letzten Jahren viel in neue Technologien investiert, so dass insgesamt moderne Technologien zur Verfügung stehen.


Die Geschäftsleitung bietet in ihren Strategien und Planungen keinen expliziten Ansatz für die E Business-Tätigkeiten. Die Ableitung von Massnahmen im E Business erfolgt implizit aus der Unternehmensstrategie.


Die Funktion von Stephan Eugster besteht vor allem in der Sensibilisierung und dem Abbau von unberechtigten Ängsten. Dabei unterstützt ihn die Geschäftsleitung vor allem im Rahmen von Einzelinitiativen wie bspw. beim Internetauftritt oder bei der Beteiligung an externen Handelsplattformen.


4. Stand und Vision des E-Business

Die Converium nutzt das Internet zur Kommunikation mit den Kunden und zur Informationsbeschaffung (Internet) und erleichtert den Mitarbeiter/ innen damit die Zusammenarbeit (Intranet). Der Austausch mit den wenigen Lieferanten steht dagegen nicht im Zentrum der E Business-Nutzung (Extranet).


Internetlösungen: Der Internetauftritt dient als Kundenbindungs- und Marketinginstrument. Hauptziel ist, Informationen zur Verfügung zu stellen und so den Kunden einen Zusatznutzen zu verschaffen. Mit www.converium.com wurde Ende 2001 der erste Schritt gemacht. Im nächsten Schritt befragt man zurzeit die Kunden bezüglich ihrer Erwartungen. converium.com soll, basierend auf den erhobenen Kundenbedürfnissen, verbessert werden. Auf ihrer Website stellt die Converium dem Kunden eFac sowie ConveriumClaims zur Verfügung. Mit eFac hat der Kunde die Möglichkeit, Rückversicherungsdeckung für fakultative Risiken online einzukaufen. Mit ConveriumClaims kann der Kunde den Status der Schadenbearbeitung auf elektronischem Wege abfragen. Insbesondere ConveriumClaims stellt einen Zusatznutzen für den Kunden dar und dient der Differenzierung von der Konkurrenz.


Durch die Mitgliedschaft bei zwei
Handelsplattformen, inreon und eReinsure, will die Converium erstens Erfahrungen mit diesen neuen Transaktionsmodellen sammeln und zweitens bereit sein, um evtl. Kundenbedürfnissen effektiv und effizient entgegenzutreten. Die Entwicklung dieser Marktplätze verläuft jedoch stockend. Es gibt nur wenige solcher Plattformen. Die Handelsplattformen registrieren zwar nicht wenige neue Mitglieder, doch viele Rückversicherer und Erstversicherer sind noch in der "Testphase" und wollen sich nicht auf einen einzigen Onlineabsatzkanal beschränken. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Die Qualität und die Anzahl der angebotenen Risiken stimmt nicht.
  • Die Akzeptanz der Mitarbeiter/ innen ist verhalten bis positiv, u.a. weil es keine Integration in die eigenen Informations- und Kommunikationssysteme gibt.
  • Die Plattformen arbeiten mit unterschiedlichen Standards. Diesbezüglich gibt es seit 25 Jahren Initiativen, die sich um die Standardisierung des Datenaustausches in der Rückversicherungsindustrie bemühen. Zum Durchbruch hat es bisher noch keine geschafft.



Für die Zukunft erwartet Stephan Eugster eine Konsolidierung der Handelsplattformen. Eine Integration in die internen Systeme erachtet er erst als sinnvoll, wenn ausreichend Geschäfte in genügender Qualität über eine Plattform gezeichnet werden. Erst dann sind Kosteneinsparungen möglich.


Intranetlösungen: Die drei bestehenden Intranets von Converium Zürich, Converium North America und Converium Köln wurden nach dem IPO zusammengeführt, indem man einen globalen Intranetlayer über die drei lokalen Intranets legte. Über diesen globalen Layer ("one and only Intranet entry point") können die Mitarbeiter/ innen aller Standorte auf die lokalen Intranets zugreifen. Auf dem globalen Layer werden globale Informationen publiziert und globale Applikationen zur Verfügung gestellt. Zurzeit werden die lokalen Intranets bzgl. "look and feel" und bzgl. "Content" überarbeitet. Für Zürich wird ein Content-Management-System eingeführt. Dasselbe wird zu einem späteren Zeitpunkt auch für New York und voraussichtlich für Köln gemacht. Das Intranet dient zurzeit als Informations- und Applikationsplattform. Der globale Datenaustausch erfolgt weitgehend über E Mails oder über einen Server mit globalem Directory. Der Know-how-Austausch geschieht vor allem im Rahmen von persönlichen Kontakten. Die "Intranetvision" besteht darin, mit dem Intranet Geschäftsprozesse bedürfnisgerecht zu verbessern, die Daten effizienter und strukturierter bzw. standardisierter auszutauschen und später sogar Wissen darüber zu verteilen. Der kritische Punkt liegt im Vorliegen von unstrukturierten Daten und nicht standardisierten Prozessen. An einem Rückversicherungsvertrag arbeiten verschiedene Abteilungen zum Teil parallel, zum Teil sequentiell. Zwischen diesen verschiedenen Abteilungen werden die Informationen oft unstrukturiert und wenig standardisiert ausgetauscht. Ziel ist, die Prozesse so weit als möglich zu standardisieren. Die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen soll durch IT so unterstützt werden, dass Friktionen minimiert werden. Ein Kollaborationssystem, das einfach zu bedienen ist, könnte diesem Zweck dienen.


Extranetlösungen: Die Zusammenarbeit mit den wenigen externen Partnern wird minimal elektronisch unterstützt.


Die Converium verfolgt bei all ihren E Business-Aktivitäten einen Step-by-Step-Approach. Basierend auf Erfahrungen soll das Angebot auf dem Intranet und dem Internet laufend ausgebaut und erweitert werden.


5. Organisation des E-Business

Aufbau: Die IT als globale Querschnittsfunktion ist regional verankert, indem es eine IT-Abteilung in New York, Zürich und Köln gibt. Der IT-Leiter sitzt in New York, wo auch mehrheitlich die Entwicklung von Anwendungen durchgeführt wird. Die IT-Abteilungen in Zürich und Köln konzentrieren sich auf den Betrieb.


Die E Business-Aktivitäten sind dem IT-Leiter in New York unterstellt. Stephan Eugster ist als Manager E Business Development verantwortlich für die "I*net-Aktivitäten" sowie alle Prozesse im Zusammenhang mit Handelsplattformen. Er selbst ist direkt dem IT-Leiter in New York unterstellt. Um diese zwei Personen organisiert sich ein "virtuelles" Team mit Mitarbeiter/ innen in Zürich, New York und Köln. Das Team setzt sich je nach Bedarf aus 5 bis 7 Personen zusammen. Diese Personen, die sich nicht zu 100% mit E Business beschäftigen, kommen vorwiegend aus den Bereichen Kommunikation oder IT.


Die E Business-Aktivitäten, die von diesem Team angestossen und umgesetzt werden, sind unterschiedlich finanziert und budgetiert. Ein Teil stammt aus der IT, ein Teil aus den Corporate Services und ein Teil aus der E Business-eigenen Kostenstelle.


Orientierung: Stephan Eugster orientiert seine E Business-Aktivitäten an den Bedürfnissen der Stakeholders. Seine Vorhaben diskutiert er regelmässig mit dem IT-Leiter und im E Business-Steering-Committee.


Grundsätzlichen Einfluss auf seine Tätigkeiten haben die Unternehmensstrategie und die IT-Strategie, wobei das Gewicht der IT-Strategie durch die Eingliederung der Funktion in die IT-Abteilung zunimmt. Unter diesen Vorgaben formulierte Stephan Eugster eine E Business-Strategie.


Koordination: Die Koordinationsmechanismen sind formeller und informeller Art: Alle zwei Monate tagt das E Business-Steering-Committee. Die Kommunikation mit dem IT-Leiter hingegen ist nicht institutionalisiert, sondern erfolgt sporadisch in Telefongesprächen oder Sitzungen. Auch mit den Linienverantwortlichen besteht mit Ausnahme der Abteilung Corporate Services kein institutionalisierter Kontakt. Die Zusammenarbeit erfolgt meistens projektspezifisch. In der Geschäftsleitung ist E Business kein ständiges Thema auf der Traktandenliste.


Insgesamt nimmt die Converium E Business als keinen wesentlichen Erfolgsfaktor für das Unternehmen wahr. Das Onlinetrading von Rückversicherungen spielt eine marginale Rolle, da das traditionelle Rückversicherungsgeschäft ein "People-to-People Business" ist.


6. Herausforderungen im E-Business

Die Herausforderung besteht für Stephan Eugster auf der sozialen Ebene in der Schaffung einer E Business-freundlicheren Kultur. Dies will er erreichen, indem er Rücksicht auf die Mitarbeiter/ innen und deren Bedürfnisse nimmt. Das Ziel ist, ihnen Funktionalitäten zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen können. Dabei ist er nicht nur Vermittler zwischen Business und Technik, sondern auch zwischen Kulturen. Sowohl intern (Intranet, converium.com) als auch auf externen Handelsplattformen steht der Bedarf nach Strukturierung und Standardisierung im Vordergrund, um die Potentiale von E Business auszuschöpfen.


7. Fazit

In jedem Unternehmen finden fast ständig technische und organisatorische Innovationen statt: Neue Technologien werden implementiert, neue Organisationsformen eingeführt. Mit jeder Innovation sollen bestimmte Ziele erreicht werden wie Produktivitätssteigerungen oder Kosteneinsparungen. Organisation und Technik werden dabei häufig mehr oder weniger unabhängig voneinander gestaltet. Der soziotechnische Ansatz propagiert dagegen eine integrierte Optimierung des technologischen und sozialen Teilsystems. Technologie, Aufgabenstruktur, Bedürfnisse und Qualifikation der Mitarbeiter/ innen sind dabei aufeinander abzustimmen Soziotechnisches System

Abbildung 3:Soziotechnisches System
Abbildung 3:Soziotechnisches System [2]

Die Converium steckt mitten in der Phase der Sensibilisierung der Mitarbeiter/ innen für das Thema E Business. Genau in diesem Spannungsfeld zwischen Optimierung des technischen und sozialen Teilsystems befindet sich Stephan Eugster (vgl. Abbildung 3). Die Integration beider Anforderungen und die laufende Information an die Mitarbeiter/ innen trägt massgeblich zur Förderung der Akzeptanz bei. Dadurch können die Potentiale von E Business, die bei der Converium in der Optimierung von Prozessen liegen, effizienter umgesetzt werden.


[1] Diese Fallstudie basiert auf einem zweistündigen Interview mit dem Manager E-Business Development von Converium, Stephan Eugster, das am 27. Juni 2002 stattgefunden hat.


[2] Vgl. Ulich, E.: Arbeitspsychologie, Zürich, 1994.


Exploitant(s)

Converium Group
Stephan Eugster, Manager E-Business Development
Secteur: Banques/Assurances/Activités financières
Taille de l'entreprise: Grande entrepriseConverium Group

Auteur(s) de l'étude de cas

Pascal Sieber, Nicole Scheidegger, Thomas P. Aebersold
Sieber & Partners
Gerrit Taaks
Unic AG

01. août 2002
Sieber; P.; Scheidegger; N.; Aebersold; T.; Taaks; G.: Die Organisation des E-Business II; 22 weitere Fälle zu den Trends; den Herausforderungen und dem Berufsbild der Entscheidungsträger Verlag Paul Haupt; Bern; Stuttgart; Wien 2002.

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1796
converium-group
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1796-converium-group
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