Stand und Vision des E-Business bei der caatoosee schweiz ag

01. août 2002



Die caatoosee schweiz ag ist eine Tochtergesellschaft des deutschen Unternehmens caatoosee ag. Sie ist in der Schweiz in den Geschäftsbereichen Infrastructure, Solutions und Products tätig. Die Organisation des Unternehmens richtet sich an diesen drei Geschäftsbereichen aus. Die Fallstudie beschreibt, wie Wettbewerbskräfte auf die einzelnen Geschäftsbereiche wirken und wie das E-Business im Unternehmen eingebettet ist.


1. Das Unternehmen

Die caatoosee schweiz ag (caatoosee) ist eine Tochtergesellschaft der caatoosee ag mit Sitz in Leonberg/Deutschland. Während in Deutschland vor allem die Produktentwicklung und der Vertrieb vorangetrieben werden, konzentriert sich die caatoosee schweiz ag auf folgende drei Geschäftsbereiche:


1. Infrastructure: Dieses Geschäftsfeld bietet Infrastrukturdienste von der Evaluation über die Installation, die Integration und die Migration bis hin zum Betrieb und Support und ist in diesem Sinne die Basis für die zwei anderen Geschäftsfelder. Dabei werden ca. 60% des Umsatzes generiert.


2. Solutions: In diesem Geschäftsfeld unterscheidet die caatoosee drei Bereiche: Im Gebiet Processes werden ERP-Lösungen und die Integration mit den Geschäftsprozessen angeboten. Im Gebiet Data bietet die caatoosee Beratung, Konzeption, Realisierung und Betrieb von Datenbankumgebungen, Data-Warehouse-Lösungen und Data-Mining-Lösungen. Das dritte Tätigkeitsgebiet umfasst die IT-Unterstützung der Auftragsentwicklung beim Kunden.


3. Products: Dieses Geschäftsfeld, das sich durch informationslogistische Softwareprodukte (Hauptprodukt: iq-server) auszeichnet, wurde erst im April 2002 gegründet. Mithilfe der Informationslogistik lassen sich zwischen strukturierten und unstrukturierten Daten aus unterschiedlichen Systemen schnell und kostengünstig Zusammenhänge herstellen. Ziel ist, Informationen mit hoher Wirtschaftlichkeit auf den Anwender zugeschnitten zu qualifizieren. Flexible mathematische Ähnlichkeitsmasse bieten dabei hohe Fehlertoleranzen und ermöglichen, der jeweiligen Eingabe automatisch die sinnverwandten Dokumente zuzuordnen. Die zwei Geschäftsfelder Solutions und Products machen 40% des Umsatzes aus[1].




"In der Internetnutzung sind zwei Phasen zu unterscheiden:
Die erste Phase der explorativen Internetnutzung hat zu einer riesigen Informationsflut geführt. In der zweiten Phase steht nun die Informationsqualifizierung im Vordergrund."
(Philipp Oser, Chief Executive Officer, caatoosee schweiz ag)

 




Der Umsatz der caatoosee Gruppe weltweit betrug im Geschäftsjahr 2001/02 knapp über 60 Millionen Franken. Weltweit sind 770 Mitarbeiter/ innen auf folgende Ländern verteilt: In Deutschland am Hauptsitz in Leonberg und in Hildesheim, in der Schweiz in Basel, Bern und Zürich, in Indonesien in Jakarta. In Bali und Rumänien geschieht die Entwicklung von Lösungen in so genannten Entwicklungscamps. In der Schweiz sind 70 Mitarbeiter/ innen beschäftigt.


Philipp Oser war Gründer der Firma DMS Digitale Medien Systeme AG im Jahr 1994. DMS hatte sich auf die Konzeption, Integration und Migration von Kommunikations- und Informationstechnologien für grosse und mittlere Unternehmen spezialisiert. Mit Wirkung zum 22. Dezember 2000 wurde die Firma DMS als 100%ige Tochter in die Firma redtoo ag eingebracht, der Philipp Oser seit dem 1. Februar 2001 als CEO vorsteht. Die redtoo ag firmierte aus marktstrategischen Gründen per 1. Januar 2002 in die heutige caatoosee schweiz ag um.


2. Organisation und Wettbewerb

Die Organisation der caatoosee ist nach drei Geschäftsfeldern aufgebaut. Philipp Oser ist Chief Executive Officer des Unternehmens (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Organigramm caatoosee schweiz ag (vereinfacht).


Abbildung 1: Organigramm caatoosee schweiz ag (vereinfacht).

Das ICT-Marktvolumen 2001 in der Schweiz betrug über 23,3 Milliarden Euro. Davon wurden 4 Milliarden für Hardware, 1,2 Milliarden für Kommunikationsausrüstung, 343 Millionen für Kopierer u.a. Büroausstattung, 1,7 Milliarden für Datenkommunikations- und Netzwerkausrüstung, 2,7 Milliarden für Software, 4,8 Milliarden für IT-Services und 8,4 Milliarden für Carrierservices ausgegeben. Nur Kommunikationsausrüstungen, Software und IT-Services konnten Zuwachsraten von über 5% verzeichnen[2].


Die Wettbewerbskräfte wirken in den einzelnen Geschäftsfeldern unterschiedlich: Im Geschäftsfeld Infrastructure findet, sofern es sich nicht um neue Technologien handelt, ein Verdrängungswettbewerb statt. Aufseiten des Kunden ist der Prozess bis zur Vertragsunterzeichnung deutlich komplexer geworden.


Im Markt der Lösungen gibt es eine hohe Wettbewerbsintensität, weil sich viele Anbieter diesen Markt teilen. Zudem ist das Investitionsverhalten bei den Kunden im Moment stark eingeschränkt. Trotzdem handelt es sich um einen Wachstumsmarkt.


Mit der IQ-Technologie (Informationslogistik) erschliesst sich caatoosee einen neuen Teilmarkt. Gleichzeitig ist es für den Kunden ein neuer Produktmarktbereich, der noch in den Anfängen steckt. caatoosee betreibt hier eine Marktentwicklungsstrategie. Konkurrenten sind teilweise die Anbieter hoch entwickelter Suchalgorithmen wie Autonomy und Verity. Mit der Kombination von Produktgeschäft für Informationslogistik und Projektgeschäft hat caatoosee schweiz ag ein Alleinstellungsmerkmal.


Der Hauptanteil der Kunden über all diese Geschäftsbereiche hinweg sind multinationale Unternehmen bspw. aus der Pharma- oder Versicherungsindustrie. Bei diesen Kunden lässt sich ein Trend zum Tasksourcing feststellen: Die Kunden lagern nur einzelne Aufgaben oder Projekte aus und können so das Controlling sicherstellen. Um diese Grosskunden besser bedienen zu können, bestehen Kooperationen mit Partnern oder gar Wettbewerbern wie IBM, HP-Compaq und Xerox. Neben diesem Kundensegment bedient caatoosee auch KMU. Dort ist sie meist IT-Generalunternehmerin in einem übergreifenden Projekt.


Die Differenzierung gegenüber der Konkurrenz basiert auf dem breiten Leistungsportfolio, das Dienstleistungen und Applikationen kombiniert. Das Projektgeschäft wurde bei der Umfirmierung zur caatoosee schweiz ag um das Produktgeschäft ergänzt. Der grosse Vorteil dabei ist, dass, obwohl in der Schweiz nicht Produktentwicklung betrieben wird, die caatoosee schweiz ag einen direkten Einfluss auf die Weiterentwicklung der Produkte hat, indem das Feedback von den Kunden eingebaut wird.


3. Umgang mit neuen Technologien

Die Vision der caatoosee lautet: "Wir wollen ein IT-Umfeld, in dem die unternehmerische Wertschöpfungskette vollständig und unterbrechungsfrei in beliebigen, dynamischen Strukturen innerhalb und zwischen Organisationen gewährleistet wird. Jede Information muss in jeder gewünschten Form, an jedem Ort, zu jeder Zeit, über jedes Medium verfügbar sein: schnell, profiliert, komfortabel und sicher." Diese Maxime verfolgt caatoosee sowohl gegenüber Kunden als auch intern.


Die Einstellung gegenüber neuen Technologien, abgesehen vom eigenen IQ-Produktebereich, basiert auf dem Market-Pull-Prinzip. Die caatoosee schweiz ag wartet auf ein Zeichen vom Markt, um festzustellen, ob ein echtes neues Kundenbedürfnis da ist. Erst dann zieht das Unternehmen nach. Aus diesem Grund ist caatoosee nicht eigentlicher First Mover, sondern Early Adopter im Vergleich zu den Mitbewerbern. Durch die Analyse von Konkurrenzprodukten sollen zunächst Erfahrungen gesammelt werden, bevor man sich "selbst die Finger verbrennt".


4. Stand und Vision des E-Business

caatoosee unterstützt die Beziehungen zu allen Geschäftspartner mit neuen Technologien. Das eigene Bestellwesen läuft über Sell-Side-Plattformen der Lieferanten. Im Bereich Internet und Intranet ist caatoosee selbst aktiv.


Der Internetauftritt dient in erster Linie der Präsentation des Unternehmens gegen aussen. Da das Mutterunternehmen in Deutschland im Leistungsportfolio andere Schwerpunkte setzt, sind die Websites caatoosee.ch und caatoosee.com nicht deckungsgleich.


Die Vision besteht darin, das Internet in drei Stossrichtungen weiterzuentwickeln:


1. Zur Unterstützung der Beziehungen zu Grosskunden soll eine Sell-SidePlattform implementiert werden, die den Handel mit Verbrauchsmaterial möglichst weitgehend automatisiert. Dies bietet sich an, da die Margen im Handel im Extremfall nur 4% betragen. Die Daten zu den Produkten könnten bei den Distributoren bezogen werden.


2. Die Dienstleistungen und das damit verbundene Know-how können kaum über Internet abgesetzt werden. Der Aufbau einer Plattform mit Erfahrungswerten, Halbfabrikaten, Anleitungen etc. wäre jedoch denkbar. Dadurch könnte dem Kunden etwas vom Know-how und der Kompetenz vermittelt werden. Die Gefahr, dass die Konkurrenz Einblick in neue Einsichten gewinnt, ist klein, da bereits offline ein gegenseitiger Erfahrungsaustausch stattfindet.


3. Auf der Ebene der Produkte wird caatoosee Tools, neue Versionen, Plugins etc. zum Download über die Website anbieten.


Sind diese drei Komponenten einmal realisiert, hat sich das Internet der caatoosee zu einer Transaktionsseite, einer Knowledgeseite und einer Serviceseite weiterentwickelt.


Das heutige Intranet ist eine Kombination von Information-Pull in Form einer Dokumentenablage, auf die alle Mitarbeiter/ innen von überall her zugreifen können, mit Information-Push mit E Mail-Funktion. Regelmässig erscheint ein Newsticker, der die Mitarbeiter/ innen über Neuigkeiten informiert. Hier sieht Philipp Oser massiven Handlungsbedarf, so dass sich das Intranet zu einer Plattform für den Wissensaustausch entwickelt. Heute geschieht der Informationsaustausch meist persönlich. Mit der dezentralen Organisation in Bern, Zürich und Basel ist ein interregionaler Erfahrungsaustausch nötig, damit Synergien realisiert werden können.


5. Organisation des E-Business

Die Leiter der drei Businessunits sind gemeinsam verantwortlich für den Einsatz von Internettechnologien bei caatoosee. Oft kommen ad hoc Vorschläge vom IT-Leiter in den Sitzungen. Die Entscheidung wird in der Geschäftsleitung gefällt, wo auch das Budget genehmigt wird. Es gibt keine institutionalisierten Koordinationsmechanismen. Auch in der Geschäftsleitungssitzung ist E Business nicht unbedingt regelmässig ein Traktandum.


Der Prozess vom Vorschlag bis zur Umsetzung verläuft pragmatisch: Der Vorschlag wird in der Geschäftsleitungssitzung diskutiert, anschliessend wird ein Team zur Analyse, zur Abklärung der technischen Machbarkeit und zur Erstellung eines Projektplans abgestellt.


Die Vorgaben des Mutterunternehmens beschränken sich auf das Corporate Design der Website. Das Vorgehen lässt sich also als Bottom-up darstellen.


Das Budget für Neuentwicklungen beträgt 1,5 Personenjahre, wobei alle Projekte mit internem Know-how umgesetzt werden.


6. Wirksamkeit des E-Business

Die Integration mit dem Mutterunternehmen, die bei caatoosee anstand, war hauptsächlich über persönliche Kommunikation möglich. Hier lassen sich die Grenzen der elektronischen Information und Kommunikation erkennen. Die sozialen und kulturellen Prozesse lassen sich nicht einfach elektronisch abbilden.


Ansonsten ist es aber das Ziel der caatoosee, möglichst viele Prozesse elektronisch abzubilden, um effizienter zu werden. Dabei ist die Wahl der Technologie zweitrangig. Ein angestrebtes Ziel ist die "E Company", wie sie im caatoosee-internen Jargon genannt wird.


Die E Mail ist unterdessen ein Kommunikationsinstrument wie jedes andere und darf nicht fehlen. Sie ist in vielen Fällen besser geeignet als das Telefon oder das persönliche Gespräch, weil sie eine orts- und zeitunabhängige Kommunikation ermöglicht. Der Vorteil gegenüber dem Internet ist, dass die E Mail ein Push-Medium ist, das die Unternehmensinformationen an die Mitarbeiter/ innen heranträgt.


7. Herausforderungen im E-Business

Die grösste Herausforderung sieht Philipp Oser in der Bewältigung der Daten- und Informationsflut sowohl intern als auch bei den Kunden.


Eine Studie der kalifornischen Universität Berkeley hat es ans Tageslicht gebracht: Jedes Jahr werden weltweit zwischen ein und zwei Exabytes (= 1 Milliarde Gigabytes) an Informationen produziert und in Form elektronischer Daten verfügbar gemacht. Gleichmässig verteilt auf die gesamte Weltbevölkerung ergibt dies pro Kopf eine Datenmenge von 250 Megabytes. Angesichts dieser Zahlen versteht sich von selbst, dass vernetzte Datenbanken und das Internet in ihrer Eigenschaft als Informationslieferanten das klassische Medium Print längst überholt und meilenweit hinter sich gelassen haben. Auf Papier werden heute nur noch 0,003% aller weltweit gespeicherten Informationen gedruckt. Das direkt zugängliche WWW enthält bereits heute 2,5 Milliarden Dokumente und wächst immer noch kontinuierlich. Täglich kommen 7,3 Websites hinzu. Auch die private Kommunikation trägt zur Informationsflut bei: Jährlich werden zwischen 610 und 1'000 Milliarden privater und beruflicher E Mails verschickt. Digitale Informationen stellen also jetzt schon den Hauptanteil aller produzierten Daten. Quintessenz der Berkeley-Studie: Wer im ständig wachsenden Datenlabyrinth den Überblick behalten will, muss Informationen selektieren und qualifizieren.


Abschliessend erläutert CEO Oser: "Wir betrachten es als unsere Chance, wenn man dem Kunden vor Vertragsabschluss jeweils den Businesscase der IT-Lösung aufzeigt, um ihn aufgrund von quantitativen Daten von der Wirksamkeit des neuen Systems zu überzeugen. Dadurch steigen nicht nur die Anforderungen an die caatoosee-Mitarbeiter/ innen, sondern es lassen sich auch falsche Erwartungen des Kunden von vornherein klären, und in vielen Fällen kann man dem Kunden noch weiter gehend beratend zur Seite stehen".


[1]Diese Fallstudie basiert auf einem Gespräch zwischen den Autoren und Philipp Oser vom 18. Juli 2002 in Dübendorf. Das Interview dauerte zwei Stunden.


[2]EITO 2002.


Exploitant(s)

caatoosee schweiz ag
Philipp Oser, CEO
Secteur: Informatique et télécommunications
Taille de l'entreprise: Petite entreprisecaatoosee schweiz ag

Auteur(s) de l'étude de cas

Pascal Sieber, Nicole Scheidegger, Thomas P. Aebersold
Sieber & Partners
Gerrit Taaks
Unic AG

01. août 2002
Sieber; P.; Scheidegger; N.; Aebersold; T.; Taaks; G.: Die Organisation des E-Business II; 22 weitere Fälle zu den Trends; den Herausforderungen und dem Berufsbild der Entscheidungsträger Verlag Paul Haupt; Bern; Stuttgart; Wien 2002.

Pour cette étude de cas, aucun attachement sont disponibles.
2129
caatoosee-ch-ag-ps
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/2129-caatoosee-ch-ag-ps
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