Automatisierung des Beschaffungsprozesses für C-Artikel bei den Basler-Versicherungen

01. Juni 2002



Die Basler Versicherungen sind einer der führenden Anbieter von (Risiko-) Versicherungen und integrierten Finanzdienstleistungen für Vorsorge und Vermögen in der Schweiz. Im Zuge einer Prozessoptimierung hat die Unternehmung eine integrierte E-Procurement Lösung eingeführt, um Kosten in der transaktionsstarken C-Artikel Beschaffung zu senken. Die eingeführte Lösung berücksichtigt das vorhandene SAP R/3 Warenwirtschaftssystem und ermöglicht die Anbindung an die B2B Handelsplattform Conextrade . Die Lösung ist seit Oktober 2000 produktiv und seit Mai 2002 mit dem Partner Büro Waser als Lieferant für Büromaterial via Handelsplattform der Conextrade in Betrieb. Das System gestattet die vollintegrierte Produktdatenübernahme von Büro Waser in die intranetbasierte Bestellapplikation der Basler, die elektronische Bestellübermittlung sowie die elektronische Rechnungsübernahme über die Plattform Conextrade.


1. Hintergrund

Die Basler Versicherungen als Traditionsunternehmen und viertgrösste Allbranchen-Versicherungsgesellschaft der Schweiz bieten Privat- und Unternehmenskunden ein umfassendes Angebot an Versicherungslösungen und Dienstleistungen für Vorsorge und Vermögen an. Kunden finden Beratung in 60 Generalagenturen mit rund 1000 Kundenberatern und gleichzeitig ein umfassendes Onlineangebot im Internet.


Die Basler Versicherungsgesellschaft und die Basler Lebensversicherungsgesellschaft sind beides hundertprozentige Töchter der Bâloise-Holding (vgl. Abbildung 1). Die hier beschriebene Lösung wird im Moment in diesen zwei Gesellschaften eingesetzt.

Abbildung 1: Vereinfachtes Organigramm der Bâloise Holding.


Abbildung 1: Vereinfachtes Organigramm der Bâloise Holding.[1]



Die Bâloise-Holding konzentriert sich auf verschiedene europäische Märkte und positioniert sich in den Bereichen Versicherung, Vorsorge und Vermögensbildung. Die Holding besteht zusätzlich zu den im obigen Organigramm aufgeführten Gesellschaften auch aus solchen in Deutschland, Belgien, Österreich, Luxemburg sowie in Kroatien. Diese haben aber für diese Fallstudie eine untergeordnete Bedeutung.


2. E-Business Strategie

Die Unternehmung zeigt sich sehr innovativ in der Umsetzung von E-Business Lösungen. So werden entsprechende Technologien in allen vier Hauptbereichen von Geschäftsprozessen (Beschaffung, Leistungserstellung, Absatz, und After-Sales-Service) eingesetzt. Die nun folgende Aufzählung soll eine kurze Übersicht geben, ist jedoch nicht als abschliessend zu betrachten.


In der Beschaffung geht die Basler neue Wege, indem sie das in dieser Fallstudie beschriebene Desktop Purchasing System (DPS) eingeführt hat und mittels Conextrade über einen virtuellen Marktplatz C-Artikel beschafft.


Innerhalb der Leistungserstellung ist die Groupware Applikation Lotus Notes im Einsatz sowie diverse Intranetapplikationen. Vorbildlich ist die Ausstattung der Versicherungsagenten mit Laptops, die den Versicherungsabschluss vor Ort ermöglichen.


Im Bereich Absatz ist sowohl die Möglichkeit, Versicherungen direkt online im Internet abzuschliessen, zu erwähnen, als auch deren Positionierung im Internet an Orten, an denen sich die relevante Kundschaft aufhält, wie beispielsweise bei AutoScout24.ch.


Im Bereich After-Sales-Service besteht für die Kunden der Basler neben den herkömmlichen Möglichkeiten wie Telefon, Brief und Fax die Möglichkeit, Schadensmeldungen und Adressmutationen direkt im Internet zu melden. Im B2B Bereich steht für Transportkunden die Extranet-Lösung BalCert 2000 zur Verfügung.


3. Problemstellung

Bei C-Artikeln handelt sich um Waren des alltäglichen Bedarfs, die nicht unmittelbar in die hergestellten Produkte der Unternehmen einfliessen. Sie repräsentieren den geringsten Einkaufswert, benötigen aber wegen der Vielzahl der Bestellungen und der vielen involvierten Lieferanten einen enorm hohen Aufwand (vgl. Abbildung 2) . Bedarfe sind gekennzeichnet durch hohe Bestellfrequenz, niedriges Beschaffungsrisiko, geringen Einzelwert, Standards und Normen, eindeutige Funktion und einfache Identifizierbarkeit.


ABC-Analyse

Abbildung 2: ABC-Analyse mit Lorenzkurve


Abbildung 2: ABC-Analyse mit Lorenzkurve [2]

Es liegt daher die Vermutung nahe, dass in einem Dienstleistungsbetrieb wie der Basler grosse Einsparungen möglich sind, wenn der Prozess der C-Artikelbeschaffung optimiert wird.


Prozess vor der Optimierung:
Der vorherige Beschaffungsprozess war ungenügend automatisiert sowie unbefriedigend in die bestehende Systemlandschaft integriert. So nahm die Bestellabwicklung einen zu grossen Teil der Arbeitszeit der Mitarbeiter in Anspruch, und die zentrale Einkaufsabteilung sowie die zentrale Zahlstelle wurden unnötig mit administrativen Tätigkeiten blockiert.


Bereits früh bestand zwar ein selbst entwickeltes System, das C-Artikelbestellungen mittels Lotus Notes Formularen erlaubte. Dieses System war aber suboptimal und wies deshalb Stabilitätsprobleme auf. Auch konnte man in dieser Phase noch nicht von einem integrierten Bestellprozess vom Besteller über die Warenlieferung bis zur Bezahlung sprechen.


In der nun folgenden Prozessübersicht soll exemplarisch derjenige Fall herausgegriffen werden, in dem vom Bedarfsträger bei einem Lieferanten bestellt wird und dieser direkt den Bedarfsträger beliefert (vgl. Abbildung 3)

Abbildung 3: Bestellung mit Lotus Notes Applikation.

 

Abbildung 3: Bestellung mit Lotus Notes Applikation.[3]

Was in Abbildung 3 auffällt, sind die vielen Medienbrüche, die meist einen Übergang von einem Informationssystem zum nächsten markieren. Medienbrüche verlangen immer manuelle Nachbearbeitung, was sowohl zeit- als auch kostenaufwändig ist.


4. Lösung

E-Business Konzept:
Als einen Teil ihrer Geschäftsphilosophie bezeichnet die Unternehmung das organisatorische Ein-Stellenprinzip. Die Idee dahinter ist, dem einzelnen Mitarbeiter die Arbeit zu erleichtern, indem er mittels zusätzlichen Kompetenzen Beschaffungsentscheide im Bereich der C-Artikel selber auslösen kann, und daraus resultierende Prozesse weitestgehend automatisch erfolgen, ohne dass weitere Personen involviert werden. Manuelle Nacherfassungen von Bestellungen und Rechnungen im Warenwirtschaftssystem sollen damit der Vergangenheit angehören und zeitraubende manuelle Visierungsvorgänge wegfallen.


Zusätzlich sollten die zu bestellenden Artikeldaten direkt vom Lieferanten übernommen werden können, und vor allem die Abrechnung sollte elektronisch erfolgen. Es zeigte sich wiederholt, wie zwar relativ einfach Artikeldaten übernommen werden können, jedoch aber auch, wie wenig die elektronische Rechnungsstellung ausgereift und verbreitet ist.


Um diese Ziele zu erreichen, wurde im Oktober 2000 in einem ersten Schritt das SAP R/3 Modul BBP eingeführt. BBP steht für Business-to-Business-Procurement und meint die elektronische Anbindung von Lieferanten. Im vorliegenden Fall soll das Modul dazu verwendet werden, obige Ziele für den täglichen Bürobedarf zu erfüllen. Erst in einem zweiten Schritt zirka ein Jahr später konnte dann die Anbindung an den Marktplatz Conextrade vorgenommen werden.


Der Vorteil einer Markplatzanbindung besteht darin, dass Anbieter und Nachfrager nur noch eine einzige Schnittstelle unterhalten müssen. Nämlich diejenige zum Marktplatzbetreiber (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4: Geschäftsbeziehungen im Marktplatzumfeld.


Abbildung 4: Geschäftsbeziehungen im Marktplatzumfeld.

Der Grund, wieso die Anbindung an Conextrade erst ein Jahr nach der BBP Einführung erfolgte, lag einerseits im Wunsch der Basler, den Markt die wirtschaftlich stabilste Marktplatzlösung herauskristallisieren zu lassen, und andererseits in der Umsetzung der Basler IT Sicherheitsstrategie, welche die Inbetriebnahme erheblich erschwerte und verzögerte.


Der optimierte Prozess:
Im Folgenden soll der heutige Bestellprozess der mit BBP und Conextrade Unterstützung läuft beschrieben werden (vgl. Abbildung 5 )

Abbildung 5: Vollintegrierte Bestellung mit BBP und Conextrade.[


Abbildung 5: Vollintegrierte Bestellung mit BBP und Conextrade.[4]

Der hier gezeigte Prozess ist informationstechnisch voll unterstützt. Der Bedarfsträger kann die jeweiligen Beschaffungen effizient durchführen und hat stets einen aktuellen Katalog zur Verfügung. Die ganze Abwicklung des Prozesses im Übergang zwischen den beteiligten Informationssystemen wird nun durch BBP resp. Conextrade mittels Konnektoren ermöglicht. Die Bestellung vom ERP des beschaffenden Unternehmens geht direkt in das ERP des Lieferanten und löst dort sowohl den Versand auch als den elektronischen Rechnungsmechanismus aus. Ist die Ware vom Empfänger geprüft und als gut befunden, löst die zentrale Zahlungsverrechnungsstelle (ZV) die Bezahlung der elektronischen Rechnung vollautomatisiert aus.


Leistungsbeschrieb:
Der Nutzer des Systems erledigt sämtliche Aufgaben über seinen Internetbrowser im firmeninternen Intranet. Zuerst ist es nötig, die entsprechende Einstiegsseite anzuwählen und sich darauf mittels Login und Passwort zu authentifizieren.


Braucht der Benutzer eine kurze Erläuterung zu einer bestimmten Funktion, so kann er eine kontextsensitive Hilfe mittels entsprechendem Button aktivieren.


Nun kann der Benutzer einen neuen Einkaufskorb anlegen. Um Produkte auswählen zu können, muss ein Katalog ausgewählt werden. In diesem Beispiel stehen die Kataloge "Waser" und "Basler Generalagentur" zur Verfügung (vgl. Abbildung 6).

Abbildung 6: ScreenShot BBP Katalogauswahl.

 

Abbildung 6: ScreenShot BBP Katalogauswahl.



Mittels der Software Bugseye von Requsite ist es möglich, eine Volltextsuche über den ausgewählten Katalog zu starten. Der Benutzer kann alternativ auch durch den gesamten Produktindex navigieren. Die "Einkaufswagen" -Funktion ermöglicht es, vorherige Bestellungen ganz oder teilweise nochmals auszuführen, was bei oft wiederkehrenden Bestellmustern eine grosse Erleichterung bringt.


Wenn es nicht möglich ist, den gewünschten Artikel zu finden, so kann ein vorstrukturiertes Bedarfsanforderungsformular (BANF) ausgefüllt werden, welches an eine vordefinierte Einkäufergruppe geleitet wird.


Wurde die Bestellung einmal abgeschickt, kann deren Status nun laufend vom Besteller selber überprüft werden (vgl. Abbildung 7). Wird ein Einkaufskorb nicht genehmigt, kann er vom Auftraggeber nochmals bearbeitet werden.


Abbildung 7: ScreenShot BBP Tracking & Tracing.

Abbildung 7: ScreenShot BBP Tracking & Tracing.



Ist der Wareneingang korrekt beim Besteller erfolgt, so muss dies in der Anwendung bestätigt werden. Ist die Ware nicht korrekt angekommen, muss die Ware an den Lieferanten zurückgesandt und ein Vermerk an die Abteilung Einkauf geschickt werden. Erfolgt die Lieferung vom unternehmenseigenen Lager, wird die Bestätigung bereits dort durchgeführt.


Softwarelösung:
BBP ist eine Bestellapplikation zum bestehenden Warenwirtschaftsystem SAP und dessen Module (z.B. MM, etc.). Erfolgt die Kommunikation über den Marktplatz Conextrade, so geht diese über den Market Set Connector im XML Format.


Der Sicherheit wurde sehr viel Beachtung beigemessen und eine Reverse-Proxy Umgebung realisiert.


Aus Gründen der Skalierbarkeit und wegen internen Richtlinien der Basler wurde versucht, viele Teile der gesamten E-Procurement Lösung auf UNIX, d.h. Sun Solaris, laufen zu lassen. Trotzdem waren einige Softwareteile auf entsprechende Windows NT Komponenten angewiesen.


5. Realisierungspartner

Bei der Realisierung ist zwischen der Einführung des SAP E-Procurement Moduls und dessen anschliessender Conextrade-Anbindung zu unterscheiden.


Bei der Einführung des SAP E-Procurements wurden zwei Projektteams eingesetzt. Das eine bestand aus Spezialisten der SAP Schweiz, das andere aus verschiedenen Funktionsträgern der Basler Versicherungen (Einkauf, Lager, SAP Customer Care Center Basler, etc.).


Bei der anschliessenden Anbindung des Conextrade Marktplatzes waren neben internen und externen SAP Fachleuten auch die Fachleute der Conextrade gefragt. Conextrade bot vor allem Hand bei den konzeptionellen Arbeiten. So war Conextrade Ansprechpartner bei Fragen der Systemsicherheit und bei der Koordination der Lieferanten.


Der Aufgabenschwerpunkt der SAP Fachleute bestand darin, Datenkonnektoren zu entwickeln, die mittels Market Set Connector der Conextrade die Verbindung zum virtuellen Marktplatz herstellen. Die Entwicklung solcher Konnektoren stellte hohe Anforderungen an die vorhandenen SAP Spezialisten, und es wurde bei der Umsetzung deutlich, wie schwierig solch spezifisches Know-how im Moment noch zu bekommen ist.


6. Betrieb

Nutzung:
Die Lösung verrichtet im Moment ihren Dienst für ungefähr 4000 Mitarbeiter. Es haben aber nicht alle 4000 Mitarbeiter selber einen Zugang zum System. Es wurden sorgfältig 250 Mitarbeiter ausgewählt, die meist schon bis anhin für die C-Artikelbeschaffung zuständig waren. Der Lernaufwand, Lizenzkosten und die allzu geringen Bestellmengen eines jeden einzelnen Mitarbeiters würden es laut Aussage von Herrn Rohe schwer machen, die Stärken des Systems optimal auszunutzen. Viel eher erzielt da oft die formlose Mitteilung eines Bedarfs an den Beschaffungsverantwortlichen einer Bürogemeinschaft die gewünschten Effekte.


Das Ein-Stellenprinzip gilt in diesem Fall also nur für einen vordefinierten Personenkreis, dessen Mitglieder vorwiegend Mitarbeiter des Innendienstes sind. Jeder dieser Beschaffungsverantwortlichen hat ausserdem einen Stellvertreter vordefiniert, der auch über eine BBP Lizenz verfügen muss. Diese beiden Mitarbeiter bilden zusammen eine Beschaffungseinheit.


Die Zufriedenheit der Bedarfsträger wurde bisher nicht auf empirisch-quantitativer Basis durchgeführt. Es wurden zwar Mailings mit der Bitte um ein Feedback verschickt, ein konkreter Fragebogen oder ähnliche Mittel wurden jedoch bisher nicht eingesetzt. Man verlässt sich auf eher spontanes ereignisbezogenes oder informelles Feedback. Aus diesem eher qualitativen Rücklauf wird jedoch eine allgemeine Zufriedenheit der User ersichtlich.


Betreuung:
Die Datenbetreuung der Lösung ist die Aufgabe des Zentralen Einkaufs. Diese Abteilung entscheidet, welche Artikel von welchem Lieferanten in den Katalog aufgenommen werden. Woher weiss aber der Zentrale Einkauf was die Mitarbeiter überhaupt bestellen wollen? Die Erklärung liegt in der so genannten BANF, der manuellen Bedarfsanforderung, die zwar eine Struktur für die Bestellung vorgibt, jedoch viel Freiheit für deren Inhalt lässt. Ist ein Artikel also nicht im BBP Katalog vorhanden, kann der Bedarfsträger diesen auch direkt online als BANF erfassen. Es liegt im Ermessen des zentralen Einkaufs, ob ein solcher Artikel bei zunehmender Transaktionsstärke in den Katalog aufgenommen wird.


Bei der Systemeinführung war keine explizite Schulung notwendig. Es wurde von der Basler ein gut dokumentiertes Manual erstellt und den Bestellern mit BBP Login zugestellt. Dieses Manual enthält auch Anweisungen darüber, wer im Falle von Fehlfunktionen oder Fragen genau zu kontaktieren ist (Hotline).


Wartung:
Die SAP R/3 Lösung bietet eine automatische Fehlerberichterstattung für die technischen Administratoren. Diese Berichtererstattung ist sehr ausgereift und kann zur genauen Analyse verwendet werden, wo und warum welche Daten- oder Bestelltransaktion fehlschlagen.


Vorschläge für Verbesserungen des Systems treffen vorwiegend per Mail bei der im Manual bezeichneten Stelle ein. Laut Aussage des Projektleiters waren dabei teilweise sehr nützliche Anregungen zu finden. Andererseits gab es dabei auch etwas allzu visionäre Vorschläge, deren Umsetzung aus technischer Sicht heute noch nicht - oder nur unter unverhältnismässigen Aufwand möglich ist.


7. Nutzen und Kosten

Art und Umfang des Nutzens und der Kosten:
Die tatsächlichen Kosten konnten nach Abschluss der Einführung ziemlich genau bestimmt werden. Sie setzten sich zusammen aus:

  • BBP Lizenzen einmalig
  • BBP Lizenzkosten (p.a.)
  • Marktplatzanbindung (p.a.)
  • Kosten pro Invoice (Conextrade)
  • Anteil Hardware Frontend & Backend
  • Projektkosten (ohne Sachkosten, nur personelle Ressourcen)
  • Administrationskosten



Den grössten Anteil machen die Projektkosten, gefolgt von den einmaligen BBP Lizenzen und den Administrationskosten, aus.


Beim optimierten Prozess wurde von einem Aufwand von Sfr. 49.10 pro Bestellung ausgegangen. Der Aufwand des herkömmlichen Prozesses mit allen Medienbrüchen wird von der Basler nach eigenen Angaben vorsichtig auf 120 Franken pro Transaktion geschätzt. Die Einsparung pro Bestellung beträgt somit ca. 70 Franken.


Generell lässt sich der Nutzen schwerer bestimmen als die Kosten. Je nach Ort, wo der Nutzen entsteht, ist dies mehr oder weniger einfach möglich:


Gerade bei Arbeiten, die nicht zum Hauptaufgabengebiet eines Mitarbeiters gehören, ist es sehr schwierig festzustellen, wie viel die Prozesskosten vor und nach der Optimierung betragen. Mangelnde statistische Signifikanz bei der Beobachtung ist aber nicht die einzige Hürde. Das Nutzeninkasso im Sinne von frei werdenden Personalressourcen wird nämlich kaum je sichtbar. Kann ein Mitarbeiter in einer dezentralen Beschaffungseinheit dank des Redesigns 5% seiner Arbeitszeit einsparen, wird er diese selbständig in andere Tätigkeiten investieren. Dadurch kann sowohl die Qualität als auch die Quantität der übrigen Arbeitsleistung zunehmen, aber ein eindeutig vorzeigbares monetäres Einsparungspotential ist eher unwahrscheinlich.


In der Organisationseinheit "Zentraler Einkauf" ist der Nutzen leichter erkennbar. Die Mitarbeiter werden von Routinearbeiten entlastet und haben somit mehr Zeit, sich um Aufgaben wie Vertragverhandlungen, Leistungsberechnungen etc. zu kümmern [5]. Indirektes Nutzenpotential, wie beispielsweise tiefere Preise durch bessere Vertragsverhandlungen, dürfte aber auch hier kaum klar zuordenbar sein.


Die Geschäftsstellen profitieren direkt von einem vereinfachten Bestellprozedere sowie günstigeren Einstandspreisen (Rahmenverträge Einkauf) [6].


Am Hauptsitz wird weiterhin ein zentrales Lager geführt. Dieses alimentiert die Geschäftsstellen und Fachbereiche mit Drucksachen und Formularen (>3000 Artikel) sowie mit bedruckten Büroverbrauchsmaterialien und anderen hochwertigen Gütern. Eine "Just in time" Bewirtschaftung dieser Artikel ist zur Zeit ohne Mehrkosten nicht machbar. Im Zuge der Umstellung des Berichtswesen auf die Regeln der IAS (International Accounting Standards) sind Bestrebungen im Gange, diese Lagerbestände zu aktivieren. Die hierzu notwendige Inventur wird durch die neue Beschaffungslösung vereinfacht.


Verbesserte Transparenz ist ein weiterer Nutzen, der durch die nun vollumfängliche Zuordnung zur richtigen Kostenstelle entsteht.


Durch die erhöhte Zentralisierung und das Pooling von Aufträgen entsteht eine grössere Einkaufsmacht, was zu niedrigeren Einkaufspreisen der Güter führt. Dadurch entsteht eine bessere Lieferantenbindung und Potential für Gegengeschäfte.


8. Erfolgsfaktoren

Zwei Projektleiter und Einbezug aller involvierten Mitarbeiter
Projektleiter Jürgen Rohe beurteilt die Vorgehensweise mit zwei Projektleitern als sehr positiv. Ebenfalls sehr erfolgreich war der Einbezug von Mitarbeitern aus allen Stufen des Beschaffungsprozesses.


Sicherheit bedeutet Aufwand
Die Informatikabteilung und die Gesamtprojektleitung mussten während der Marktplatzeinbindung mit den Problemen, die eine umzusetzende Basler IT Sicherheitsstrategie mit sich brachte, kämpfen. Der Implementierungsaufwand solch hoher Standards wurde von allen Beteiligten wiederholt unterschätzt, und somit kam es zu einer Verzögerung der Einführung um fast ein Jahr.


Datenqualität ist wichtig
Die Qualität der R/3 Daten ist von zentraler Bedeutung. Da historisch bedingt viele Mengeneinheiten nicht ISO-konform vorlagen, führte dies zu Problemen mit den via BBP in R/3 produzierten Belegen.


Auch die Lieferanten müssen mitmachen wollen
Da sich die angestrebte Win-Win Situation zwischen Kunde und Lieferant im E-Procurement erst dann einstellt, wenn beide Unternehmen die Datenflüsse vollständig und ohne Medienbrüche integrieren können, muss die entsprechende Technologie auch von den Lieferanten unterstützt werden. Solche Partner zu finden, erweist sich auch heute noch in der Praxis als schwieriger als erwartet. Ursache dafür sind oftmals unbegründete Existenzängste der Partner.


[1]Die vollständige Version ist unter folgender Adresse auffindbar:
http://www.baloise.com/website2/chbs706d.nsf/KS?ReadForm (Stand 22. Juni 2002).
[2] Vgl. Rohe (2001), S.12.
[3] Vgl. Rohe (2001), S.22.
[4] Vgl. Rohe (2001), S.26.
[5] Vgl. Rohe (2001), S. 36.
[6] Vgl. Rohe (2001), S. 36.


Betreiber der Lösung

Basler Versicherung
Rudolf Sollberger, Projektauftraggeber
Jürgen Rohe, Projektleiter E-Procurement
Branche: Banken/Versicherungen/Allfinanz, (Risiko-) Versicherungen und Finanzdienstleistungen
Unternehmensgrösse: GrossunternehmenBasler Versicherung

Autoren der Fallstudie

Martin Gutmann
Universität Bern

01. Juni 2002
Gutmann; Martin (2002): Fallstudien zur Internetnutzung in Schweizer Unternehmen; Lizentiatsarbeit an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern; Institut für Wirtschaftsinformatik.

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1705
c-artikelbschaffung-basler-versicherung
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1705-c-artikelbschaffung-basler-versicherung
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