Bei der Tonet AG lernt der Print-Katalog vom Web-Shop

01. September 2003



Die Tonet AG ist Schweizer Marktleader im Handel mit Geräten, Betriebsmitteln und Verbrauchsmaterial zur Behandlung von Holzoberflächen. Die Fallstudie berichtet darüber, wie es der Tonet gelingt, mehrere Instrumente des Verkaufs miteinander abzustimmen und sich dadurch noch stärker auf die Kunden auszurichten.


1. Die Tonet AG

Die Tonet AG ist Schweizer Marktleader im Handel mit Geräten, Betriebsmitteln und Verbrauchsmaterial zur Behandlung von Holzoberflächen. Mit 23 Mitarbeiter/-innen, wovon 9 im Aussendienst arbeiten, deckt die Tonet die ganze Schweiz und das Fürstentum Lichtenstein ab. [1]

Die Märkte der Tonet sind stark zersplittert. Hersteller, Grosshändler und Detailhändler beliefern die Endkunden je nach Produktgruppe direkt und indirekt. Gleichzeitig nimmt die Vielfalt an Produkten zu. Sie stehen zudem immer öfter in einer systemischen Abhängigkeit zu einander. Der richtige Lack, die richtige Wahl der Spritzpistole und die richtige Anwendung führen erst zur nötigen Qualität in der Oberflächenbehandlung. Die Tonet reagiert auf diese Veränderungen. Sie richtet sich auf die Beratung der Kunden aus. Der Handel wird gleichzeitig für den Kunden so bequem wie möglich gestaltet. Mit Automation und Individualisierung gelingt es der Tonet die Qualität und die Effizienz zu steigern.


„Sie müssen die Kommunikationskanäle miteinander synchronisieren,
damit Ihnen die Kunden zuhören.“
(Rico Tonet, Geschäftsführer, Tonet AG)


Bruno Tonet hat die Tonet AG 1959 gegründet. Seither konnte das Sortiment stetig ausgebaut werden. Rico Tonet leitet heute das Unternehmen. Das Angebot umfasst alles, was die Behandlung von Oberflächen erleichtert.


2. Alte Idee

Rico Tonet ist sich sicher: E-Business darf nur etwas kosten, wenn die E-Business-Anwendungen synchron zu anderen Massnahmen laufen.

Die Möglichkeiten des Internets für das eigene Unternehmen hat die Tonet vor zwei Jahren erkannt. Damals wurde deutlich, dass Chancen erschlossen werden können.

Die individuelle Beratung jedes Kunden war schon immer ein wichtiges Prinzip der Tonet. Seit je her war es aber problematisch, die Kunden mit Produktinformationen zeitnah und aktuell zu versorgen. Die Produkte und deren Preise ändern sich sehr häufig. Die Tonet bedient 8'000 Kunden mit einem Sortiment von über 1'000 Produkten. Die durchschnittliche Bestellmenge liegt bei 380 Franken. Es ist deshalb unwirtschaftlich, die Kunden regelmässig mit aktuellen, gedruckten Unterlagen zu versorgen.

Das Internet bietet sich dagegen als Chance an, aktuelle Information allen Kunden jederzeit zur Verfügung zu stellen. Für Rico Tonet war deshalb schnell klar, dass sich auch grössere Investitionen auszahlen würden. Dabei sollte die alte Idee der direkten Kopplung des Warenwirtschaftssystems mit einem verkaufsorientierten System weiter verfolgt werden. Nur so ist die Vision der synchronen Bewirtschaftung mehrerer Verkaufskanäle denkbar.


3. Individuell, automatisch und jederzeit präsent

Der Erfolg im Verkauf hängt wesentlich davon ab, ob die Kunden zum richtigen Zeitpunkt mit Bestellmöglichkeiten erreicht werden können.

Tonet stand vor zwei Herausforderungen:

  1. Die besondere Fähigkeit der erfolgreichen Aussendienstmitarbeiter/-innen ist es, die Kunden zum richtigen Zeitpunkt zu kontaktieren. Sie notieren auf der Kundenkarte die Besuche, die Bedürfnisse und die Bestellungen. Dies hilft ihnen bei der Planung der Besuche. Dieser Prozess lässt wenig Spielraum, um zwischen Kunden mit grossem und Kunden mit kleinem Beratungsbedarf zu unterschieden. Die Tonet suchte deshalb nach einem Instrument, das dem Aussendienst die Differenzierung ermöglicht: Kunden mit grossem Beratungsbedarf sollten sie besuchen können, um möglichst grosse Bestellmengen zu erhalten. Kunden mit Routinebestellungen sollten rationeller bedient werden können.
  2. In der Branche gelten die Mitarbeiter/-innen von Tonet als Spezialisten für die Oberflächenbehandlung. Es besteht die Gefahr, dass sich die Kunden von der Tonet beraten lassen, anschliessend aber bei Billiganbietern bestellen. Die Tonet brauchte also ein Instrument, das den Kunden derart viele Vorteile bringt, dass sie treuer werden.

4. Kundenspezifische Kommunikation ist online möglich

Bei der Planung zur Einführung von E-Business-Anwendungen zur Verkaufsunterstützung achtete die Tonet darauf, dass die Beratung der Kunden trotzdem möglich bleibt und die spezifischen Bedürfnisse der Kunden im Zeitablauf richtig erkannt werden.

Von Anfang an war klar, dass das Potential des E-Business nur mit grundsätzlichen Überlegungen zu den Geschäftsprozessen erschlossen werden kann. Die Tonet hat deshalb eine Reorganisation gestartet. Durch die noch laufenden Veränderungen begleitet sie das Institut für angewandte Betriebsökonomie der Fachhochschule beider Basel.

Im Zuge der Einführung der E-Business-Anwendungen werden organisatorische, personelle und technische Massnahmen aufeinander abgestimmt.

Organisation: Eine detaillierte Prozessanalyse aller Online-Prozesse führte auch zu Veränderungen in den bestehenden Prozessen beispielsweise der Logistik.
Es wurde eine neue Stelle geschaffen: Die Webmasterin. Elvira Jäggi nimmt die Aufgaben dieser Stelle wahr. Sie pflegt die Internetseiten, betreut die Anfragen der Kunden und Mitarbeiter/-innen, gleichzeitig nimmt sie aber diverse Aufgaben des Innendienstes wahr. Beispielsweise nimmt sie Bestellungen auf, was sie zu einer zusätzlichen verkaufsorientierten Kraft im Unternehmen macht.
Personal: Insbesondere beim Aussendienst musste gezeigt werden, dass die neue Technologie keine Bedrohung, sondern eine Chance darstellt. Der variable Lohnanteil im Aussendienst wird auf dem Gebietsumsatz berechnet. Dadurch bestehen auch finanzielle Anreize, die Kunden zu effizienten Bestellwegen zu motivieren.
Technologie: Der Aufbau des gesamten Systems wurde in enger Kooperation mit der Firma Dynasoft durchgeführt. Ihr Warenwirtschaftssystem ist um den WebShop ergänzt worden und alle Schnittstellen wurden auf die spezifischen Bedürfnisse der Tonet angepasst.

 



Abbildung 1: Klassischer Verkauf und Online-Verkauf bei Tonet

Abbildung 1: Klassischer Verkauf und Online-Verkauf bei Tonet



Heute gelingt es der Tonet, die Daten aus dem Warenwirtschaftssystem auf ihre Kunden zugeschnitten in den WebShop zu publizieren. In der Abbildung 1 sind die Personen und Systeme dargestellt, die dazu zusammenarbeiten. Im Warenwirtschaftssystem sind die Produktdaten inklusive den Beschreibungen und den Bildern sowie die Kundenprofile gespeichert. Im WebShop werden diese Daten übersichtlich dargestellt.

Ein wichtiger Schritt im Zuge der Einführung des WebShops ist die Struktur der Kundendaten. Sie ist derart gestaltet, dass jeder Kunden nach dem Login in den WebShop seine persönlichen Preise und bevorzugten Produkte sieht.


5. Gedruckte, individuelle Kataloge für die totale Synchronität

Das Internet erschien mit dem WebShop und dessen Kopplung mit dem Warenwirtschaftssystem als nützliches Instrument. Es ermöglicht der Tonet die Kunden für wiederkehrende, nicht beratungsintensive Bestellungen effizient und individuell zu bedienen. Daraus entsteht den Kunden ein Nutzen, der sie an Tonet bindet.

Weiterhin fehlte aber ein Instrument, das bei den Kunden jederzeit die Tonet als unbestrittenen Lieferanten für die Oberflächenbehandlung präsent hält.

Als geeignetes Instrument dafür setzen viele Händler gedruckte Kataloge ein. Die grosse Anzahl an Produkten sowie stark unterschiedliche Kundenbedürfnisse haben den Aufbau eines Katalogs in der Vergangenheit mehrmals scheitern lassen. Ein Versuch im Jahr 1985 kostet die Tonet gegen 150'000 Franken. Aktualisierungen wurden unregelmässig durchgeführt, weil es zu teuer war.

Die Ausgangslage erschien jetzt aber als viel komfortabler: Die Profile der Kunden sind zentral abgelegt, Informationen über das Bestellverhalten aller Kunden sind auf Knopfdruck verfügbar. Es fehlte nur noch die Möglichkeit, diese Angaben zu nutzen, um einen gedruckten, individuellen Katalog herzustellen. Die Vorteile des WebShops sollten also mit den Vorteilen des Drucks kombiniert werden können.

Dazu hat die Tonet das Produkt X.print der Firma meierXmedia mit dem Warenwirtschaftssystem Tosca der Firma Dynasoft integriert. X.print ermöglicht die Verarbeitung der Daten zu druckfertigen Katalogseiten.

Jetzt ist es möglich, die Kundenprofile zu verwenden, um individuelle Kataloge, Spezialangebote und individuelle Preislisten für die Kunden zu drucken. Zur Präsentation der individuellen Kataloge hat die Tonet einen Ordner gestalten lassen. Die gedruckten Blätter werden in den Ordner gelegt und dem Kunden geschickt (vgl. Abbildung 2).



Abbildung 2: Individuelle Kataloge
Abbildung 2: Individuelle Kataloge



Den Ordner stellen die Kunden erfahrungsgemäss in ihrer Werkstatt auf. Er dient den Mitarbeiter/-innen als Nachschlagewerk. Die Tonet erreicht also die beiden Ziele: Der gedruckte Katalog ist für die Kunden nützlich, weil er individuell ist, und die Tonet hat ein weiteres Verkaufsinstrument, das beim Kunden zum täglichen Arbeitsinstrument wird.


6. Nutzen

Rico Tonet spricht von der Synchronisation der Kanäle. Mit dem WebShop und X.print gelingt es, alle Verkaufsaufgaben gleichgerichtet auf den Kunden abzustimmen. Die Aussendienst- und die Inndienstmitarbeiter/-innen nutzen den WebShop gleich wie die Kunden. Bestellungen, die sie persönlich entgegennehmen, sind somit im Profil der Kunden abgelegt. Wählt sich der Kunde in den WebShop ein, hat er auf diese Daten Zugriff. Stellt Tonet einen gedruckten Katalog her, so entsteht er wiederum unter Berücksichtigung derselben Angaben. Dies ermöglicht es beispielsweise, kundenspezifische Aktionen auf allen vier Kanälen gleichzeitig mit denselben Preisen und denselben Produkten voranzutreiben.

Die Automation der individuellen Kundenbetreuung hat bei der Tonet zwei Stellen frei gemacht. Eine in der Logistik und eine im Innendienst. Die beiden Stellen wurden nicht aufgelöst, sondern mit neuen Aufgaben betraut. Sie betreuen Bestellungen über das Internet und unterstützen den Aussendienst sowie weitere Mitarbeiter/-innen der Tonet im Umgang mit der neuen Informatik-Infrastruktur.

Informationen über die Produkte sowie über Rabatte und sogar individuelle Angaben zu den Kunden sind jetzt für den Aussendienst, den Innendienst und für die Kunden gleichermassen verfügbar. Die Qualität der Informationen ist höher – und wiederum gilt: es herrscht Synchronität in allen Kanälen (vgl. Abbildung 3).



Abbildung 3: Synchronisierter Verkauf bei Tonet

Abbildung 3: Synchronisierter Verkauf bei Tonet



Der Distanzverkauf kann mit der neuen Infrastruktur mit weniger Kapazität im Aussendienst abgewickelt werden. Dies erhöht die Rentabilität und bietet der Tonet die Chance, Grosskunden zu akquirieren und intensiver zu betreuen. Rico Tonet stellt bereits fest, dass dieses „Projektgeschäft“ als neues Geschäftsfeld erschlossen werden kann.

Der Verkauf über das Internet beträgt heute 5% des Umsatzes. Die Aussendienstmitarbeiter/-innen zeigen den Kunden laufend vor Ort, wie sie mit dem WebShop umgehen können. Durch diese Massnahme kann die Zahl der Online-Kunden schnell gesteigert werden.

Die Daten aus dem Aussendienst sind zentral verfügbar. Die Geschäftsleitung hat dadurch viel schneller den Überblick über die Entwicklung der Verkäufe pro Produkt, pro Branche, pro Kundensegment und pro Region. Umgekehrt haben auch die Aussendienstmitarbeiter/-innen Zugriff auf Daten aus dem gesamten Unternehmen. Sie sehen, welche Produkte sich gut verkaufen und können Rückschlüsse für ihr Verhalten ziehen.


7. Herausforderungen

Der synchronisierte Verkauf über die vier Kanäle kann nur erfolgreich funktionieren, wenn die Daten über die Kunden sowie über das Sortiment aktuell sind. Dazu braucht es die Disziplin aller Beteiligter. Die Tonet hat Schritt für Schritt die Prozesse umgestellt und beginnt nun auch Schritt für Schritt mit den neuen Möglichkeiten zu arbeiten. Geplant sind beispielsweise direkte E-Mail-Aktionen. Wiederum profitiert die Tonet von der Verfügbarkeit der Kundendaten. Es können individuell gestaltete E-Mails verschickt werden, die jedem Kunden ein Angebot machen, das zu seinem Bedürfnis passt. Auch dabei gilt wieder: Die E-Mail-Aktion läuft synchron zu anderen Massnahmen. Der Aussendienst ist also darüber informiert, welche Angebote seine Kunden per E-Mail erhalten, und er weiss auch, welche seiner Kunden auf das Angebot reagiert haben. Dies hilft ihm bei der Planung und Ausführung des nächsten Besuchs.


8. Fazit

Das Beispiel zeigt, wie der technologische Wandel von einem KMU in einer eher konservativen Branche aufgenommen werden kann, um die Wettbewerbsvorteile auszubauen.

Die Tonet AG besetzt eine Nische. Sie handelt mit Produkten, die für die Kunden zwar unerlässlich sind, die Abhängigkeit zwischen den Kunden und der Tonet ist aber gering. Es ist deshalb eine besondere Herausforderung ihre Treue zu gewinnen.

Die Tonet macht dies primär mit exzellenter Beratung. Beratung ist aber teuer. Es ist deshalb besonders wichtig, dass die Tonet entscheiden kann, wann sie angebracht ist. In der Vergangenheit waren der Bestellprozess und der Beratungsprozess aneinander gekoppelt. Der Aussendienst hat bei den Kundenbesuchen einerseits Beratung geleistet und andererseits die Bestellungen aufgenommen. Mit den beschriebenen Technologien gelingt es, diese Prozesse zu entkoppeln. Beratung kann dann angeboten werden, wenn sie möglichst viel Nutzen stiftet, ohne dass der Aussendienst dabei vor allem auf den Abschluss zielen muss. Bestellungen können dagegen über die vier Kanäle jederzeit aufgenommen werden, ohne dass gleichzeitig der teure persönliche Kontakt mit dem Kunden geschlossen werden muss. Die Individualität ist trotzdem gewährleistet.

Mit der Ergänzung durch den individuellen, gedruckten Katalog kann die Tonet den Kunden nun auch abgestimmte Information in handlicher und jederzeit zugreifbarer Form liefern. Das unterstützt das immer gleiche Ziel: Jeder Kunde wird individuell bedient, mit Beratung und Bestellmöglichkeiten sowie hoher Verfügbarkeit.


[1] Die Fallstudie basiert auf Interviews mit Elvira Jäggi und Rico Tonet zwischen dem 6. und dem 31. August 2003.


Betreiber der Lösung

Tonet AG
Rico Tonet, Geschäftsführer
Elvira Jäggi, Webmaster
Branche: Holzverarbeitung/Papier und Karton, Oberflächenbehandlung
Unternehmensgrösse: MittelunternehmenTonet AG

Lösungspartner

Stephan Pua, Projektleiter
meierXmedia

Autoren der Fallstudie

Pascal Sieber, Nicole Scheidegger
Sieber & Partners
Gerrit Taaks
Unic AG

01. September 2003
Scheidegger; N.; Sieber; P.: Die Organisation des E-Business III; Verlag Paul Haupt; Bern; Stuttgart; Wien 2003.

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1715
tonet-ps-case
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1715-tonet-ps-case
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