E-Fulfillment im Buchhandel bei Lesen.ch

01. September 2001



Lesen.ch ist eine erfolgreiche, rein virtuelle Buchhandlung. Die schnelle Reaktion auf die Gegebenheiten im Markt und die mutige Integration verschiedener Softwarebestandteile zu einer firmenspezifischen Gesamtlösung erlauben es Lesen.ch, die Kunden durchgängig zu unterstützen. Die virtuelle Integration der Lager ihrer Lieferanten ist bei Lesen.ch der entscheidende Aspekt des Fulfillments.


1. Das Unternehmen

Lesen.ch startete am 9. Februar 1998 als erste rein virtuelle Buchhandlung der Schweiz mit dem Verkauf von Büchern. Die beiden Gründer, Christoph Bürgin und Armin Luginbühl, haben sich drei Monate Zeit genommen, um sich auf den Markteintritt vorzubereiten. In dieser Zeit ist die erste Website sowie die Planung des Betriebs entstanden.


Hintergrund
Lesen.ch beschäftigt heute 4 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich vorwiegend mit buchhändlerischen Aufgaben beschäftigen. Der Unterhalt der IT-Infrastruktur, die Lagerhaltung und der Transport sind ausgelagert.


Als ehemalige Führungskraft eines bedeutenden Buchhändlers der Schweiz, entschied sich Christoph Bürgin zum Schritt in die Selbständigkeit und gleichzeitig zum virtuellen Buchhändler vor allem deshalb, weil die Anpassung an die Möglichkeiten des Internethandels bei traditionellen Anbietern aus seiner Sicht unvertretbar langsam ablief.


Den Schritt wagte er, obwohl zu der Zeit bereits virtuelle Buchhandlungen von ungleich finanzkräftigeren Unternehmen bestanden. Er ist davon überzeugt, dass auch im Internet Nischenstrategien möglich sind. 2001 hat Lesen.ch den KMU-Oscar der FDP erhalten. Damit wurden das Engagement und der Erfolg ausgezeichnet.


Branche, Produkte, Zielgruppen
Lesen.ch verkauft Bücher, Videos und DVDs sowie Software an Endkunden. Damit ist das Unternehmen vergleichbar mit der Mehrzahl der Detailhändler im Büchermarkt. Durch die fehlende physische Präsenz werden z.B. Kurzentschlossene, die vor der Abreise in die Ferien ein Buch zur Unterhaltung kaufen möchten, nicht erreicht. Die starke virtuelle Präsenz erschliesst im Gegenzug diverse Kundengruppen, die den Konkurrenten verschlossen bleiben.


Lesen.ch befindet sich, wie andere virtuelle Händler auch, in einer Doppelrolle. Einerseits sind ihre Konkurrenten im Markt für Bücher zu finden, andererseits aber auch im Markt für Softwarelösungen zum Betrieb von Verkaufsportalen.


Der Büchermarkt der Schweiz ist noch immer geprägt von einer faktischen, vertikalen Preisbindung. Die Endverkaufspreise sind deshalb bei allen Buchhändlern identisch. Das Marktvolumen stagniert seit Jahren bei ca. 800 Mio. CHF. Derzeit realisieren ausländische virtuelle Buchhändler ca. 2.5 % dieses Umsatzes. Insgesamt dürfte der Anteil des virtuellen Handels bei 15 % liegen. Der Markt ist also stark vom stationären Handel dominiert. Dort sind Überkapazitäten festzustellen, die zu einem Konzentrationsprozess führen. Der traditionelle Versandhandel ist mit einigen Vertretern eine ernst zu nehmende Konkurrenz, gegen die sich Lesen.ch durch Differenzierungsmassnahmen abgrenzt.


Der Markt für Softwarelösungen zum Betrieb von Verkaufsportalen ist im Gegensatz dazu noch in der Pionierphase. Vor allem fehlende Standards zur durchgängigen Gestaltung von Geschäftsabläufen im Internet, aber auch der erhebliche Reorganisationsbedarf führen dazu, dass Unternehmen mit funktionierenden Lösungen immer wieder Geschäftschancen wahrnehmen können.


Nachts und am Wochenende verkauft Lesen.ch vorwiegend an Privatkunden (B2C), tagsüber dagegen an Firmen, Institutionen und Verwaltungen (B2B). Die Kunden von Lesen.ch sind grundsätzlich keine Schnäppchenjäger. Sie bauen auf sicheres Fulfillment bei fairen Preisen und guter Beratung. Trotzdem bietet Lesen.ch regelmässig Sonderangebote an (z.B. 5 Bücher von verschiedenen Schweizer Autoren zu einem Vorzugspreis). Lesen.ch verzichtet darauf, ein eigenes Bonusprogramm zu gestalten. Damit die Kunden trotzdem belohnt werden, wenn sie möglichst häufig bei Lesen.ch einkaufen, wurde mit dem Qualiflyer-Programm eine Partnerschaft eingegangen. Interessanterweise ist diese Partnerschaft äusserst erfolgreich. Die emotionalen Aspekte des Reisebonusprogramms sind nach Einschätzung von Armin Luginbühl beachtenswert.

Etwa 60 % der Bestellungen stammen von Kunden, die bereits in der Vergangenheit bei Lesen.ch eingekauft haben. Die meisten bestellen aus der Schweiz.


2. E-Business-Vision und E-Business-Strategie

Christoph Bürgin und Armin Luginbühl haben eine klare Vision für Lesen.ch:


"Wir wollen Buchhändler im Netz sein, kein Gemischtwarenhaus."
Beide sind der Meinung, dass sich die Konzentration auf den Buchhandel auszahlen wird, auch wenn viele andere virtuelle Händler eine andere Strategie verfolgen.


Strategie
Es ist ein wichtiger Aspekt des Fulfillments, dass die Kunden automatisch und persönlich kompetente Beratung erhalten. Wenn ein Titel nachgefragt wird, dann ist er bei Lesen.ch in der Regel auch verfügbar, weil die Fachleute diverse Mittel einsetzen, um den Bedarf vorherzusehen und innerhalb weniger Minuten die am schnellsten verfügbaren Exemplare über die Grosshändler zu bestellen.


Wichtig ist aber, dass unter dem Produkt Buch nicht nur die gedruckte Form verstanden wird. Ein Buch ist, teilweise bereits heute und wird es in Zukunft noch vermehrt sein, manchmal auch eine Datei oder eine CD-ROM. Lesen.ch ist Spezialist für den Verkauf des Inhalts. In welcher Form dieser gehandelt wird, spielt keine Rolle. Neue Technologien werden jeweils so schnell adaptiert, wie sie von den Kunden als nützlich empfunden werden. Das Sortiment von Lesen.ch verändert sich also immer im Gleichschritt mit den Trägermedien dessen, was wir heute als Buch bezeichnen.


Die Marketingstrategie stützt sich auf den Kundennutzen als wichtigsten Pfeiler: "Wir haben noch nie darüber diskutiert, ob wir eine Funktion in die Website übernehmen sollen, die von unseren Kunden nachgefragt wurde. Wir haben sie immer ohne zu zögern, sofort programmiert." Dasselbe gilt für die Lieferbereitschaft. Dagegen hat man schon vor längerer Zeit aufgehört, daran zu glauben, dass man die Nachfrage mit einer informierten Selektion besonders lesenswerter Bücher beeinflussen kann.


E-Business-Konzept des Anbieters
Die Web-Strategie ist bei Lesen.ch sehr wichtig, weil das Web einerseits als Hilfsmittel und andererseits als einzige Verkaufsplattform dient. Auch dieser Teil der Strategie ist auf den Kunden ausgerichtet. Ziel ist es, die schnellste und am einfachsten zu bedienende Internetseite aufrechtzuerhalten, die aber gleichzeitig "buechig" sein muss. "Buechig" heisst, dass den Kunden aktuelle und wertvolle Inhalte präsentiert werden, die weit über die Produktbeschreibungen hinausgehen. Als Massnahmen zur Umsetzung dieser Strategie stellt Lesen.ch den ersten integrierten Katalog für die Schweiz zur Verfügung. Datenbankabfragen können dadurch viel schneller erfolgen als bei vielen Konkurrenten, die bei jeder Abfrage auf die Daten der Grosshändler zugreifen. Im Hintergrund wird mit Hilfe einer Individualsoftware ein hoher Integrationsgrad erreicht. Die Daten aus den fremden Katalogen werden täglich synchronisiert. Eigene Daten, z.B. Bücher, die im Selbstverlag der Autoren erschienen sind, fügt Lesen.ch bei Bedarf hinzu.


Leistungsumfang
Lesen.ch stellt eine typische E-Commerce-Lösung zur Verfügung. Die Kunden greifen entweder direkt auf www.lesen.ch zu oder werden über dritte Websites in die Such- und Bestellabläufe geführt.


Die E-Commerce-Lösung besteht aus einem Produktkatalog, aus den üblichen Funktionen zur Registrierung und Bestellung sowie der Bestellverfolgung. Darüber hinaus sind bei Lesen.ch viele Funktionen realisiert, die der Kommunikation zwischen und zu den Kunden zuträglich sind. Dazu gehören Newslisten, Bestsellerlisten, elektronische Postkarten u.v.m. Besonders erwähnenswert sind die Optimierung der Abläufe auf der Website und in der Datenbank für das Suchen und Finden von Büchern sowie die vielfältigen Bestellmöglichkeiten. Einem wiederkehrenden Benutzer gelingt es, innerhalb von 20 Sekunden eine Buchbestellung abzuschliessen. Erstkunden oder solche, die sich nicht registrieren lassen wollen, haben die Möglichkeit, Bestellangaben auch einzeln einzugeben.


Partner
Lesen.ch hat sich anfangs auf die Erstellung der Website konzentriert und viele Aufgaben ausgelagert, die nicht direkt mit dem Internet zusammenhängen. Heute ist das Unternehmen stärker vertikal integriert. Alle bestellten Bücher gelangen beispielsweise zuerst zu Lesen.ch und werden von dort an die Kunden weitergeleitet. Bis vor einigen Monaten wurde die Auslieferung teilweise direkt von den Lieferanten (Grosshändler) übernommen. Christoph Bürgin ist heute überzeugt, dass die ganze Kundenbetreuung, also auch jene nach der Bestellung, zu den Kernkompetenzen von Lesen.ch gehören muss, um erfolgreich zu sein. Die Auslagerung der physischen Lieferung hat verschiedentlich zu Problemen geführt. Beispielsweise konnten Falschlieferungen und mangelhafte Waren nicht abgefangen werden. Auch die kundenspezifische Verpackung und Sortierung waren nur beschränkt möglich.


Fulfillment-Partner
Unter Fulfillment verstehen die Gründer von Lesen.ch alle Aufgaben, die dazu beitragen, dass der Kunde genau das Bedürfnis befriedigt kriegt, das er mit der Bestellung geäussert hat. Dazu gehört Folgendes:

  • Nicht plausible Bestellungen werden mit den Kunden besprochen.
  • Die Waren kommen zur versprochenen Zeit, in einwandfreiem Zustand beim Kunden an.
  • Die Rechnungsstellung oder die Kreditkartentransaktion erfolgt erst nach vollständigem Erhalt der Waren.
  • Lieferverzögerungen werden dem Kunden genauestens und sofort mitgeteilt.
  • Kundenanfragen per E-Mail werden innerhalb weniger Minuten beantwortet.
  • Bemerkungen auf den Bestellformularen werden immer berücksichtigt.
  • Es werden immer mehrere Grosshändler angefragt, um für den Kunden die kürzeste Lieferzeit zu erreichen.



Um diese Versprechen einhalten zu können, arbeitet Lesen.ch mit dem Buchzentrum Olten (SBZ), Koch, Neff und Oetinger Stuttgart (KNO) und vielen kleinen Verlagsauslieferern und Zwischenbuchhändlern zusammen.


Der Versand der Bücher erfolgt schliesslich durch die Post AG oder durch den Deutschen Paket Dienst GmbH & Co. KG (DPD). DPD wird insbesondere dann bevorzugt, wenn der Kunde die Bestellung entgegennehmen kann und die Paketgrösse ausserhalb des Postmonopols liegt.


ERP-Anbieter
Für die innerbetriebliche und die zwischenbetriebliche Informationsverarbeitung arbeitet Lesen.ch mit der Standardsoftware Eurobook der eurosoft Informationstechnologie GmbH. Der Schweizer Vertriebs- und Implementierungspartner ist die Comelivres AG, die auch bei Lesen.ch die Installation und die Integration mit dem Buchhaltungsprogramm übernommen hat. Bestellungen können so direkt in das interne betriebliche Informationssystem übernommen werden, wo die Rechnungsstellung und die Debitorenbewirtschaftung erfolgen. Zudem ist es bereits mit einigen Grosshändlern möglich, die Verfügbarkeit ohne Umwege direkt aus Eurobook abzufragen.


Internetagentur
Das Konzept und die Gestaltung der Website stammt von der Webagentur Side by Side. Armin Luginbühl ist Gründer und Leiter dieser Agentur, so dass die Kommunikation mit der Webagentur sehr effizient ist.


Die Module Artikeldatenbank, Shoppingsystem, Kundenkonto und Administration wurden von der Firma Lombardini Software AG als Individualsoftware entwickelt. Dank der engen Zusammenarbeit mit der Webagentur konnte der Shop sehr genau auf die Bedürfnisse von Lesen.ch zugeschnitten werden. Anpassungen an der Navigation sowie des Designs werden direkt durch die Webagentur ausgeführt.


Partnerwahl
Bei der Wahl der Partner für die Lagerhaltung entscheiden grundsätzlich das Sortiment und die Möglichkeiten der informationstechnischen Verknüpfung der Applikationen. Im Einzelfall ist die Verfügbarkeit der Titel entscheidend. Immer wichtiger werden die Öffnungszeiten. Seit einigen Wochen ist es beispielsweise beim SBZ möglich, bis 17.00 Uhr zu bestellen, wenn die Waren am nächsten Tag ausgeliefert sein müssen.


Bei der Auslieferung spielt der Preis eine wichtige Rolle. Unterschiede zwischen den Anbietern bestehen aber auch in der Häufigkeit von Rücksendungen. Es werden deshalb Partner ausgewählt, die die Zielperson mit grosser Sicherheit auch bei ungenauen Adressangaben finden.


3. Fulfillment-Lösung

Art der Fulfillment-Leistung [Fulfillment-Prozess]
Grundsätzlich wird der Prozess der "Erfüllung" auf zwei Arten angestossen: Im häufigsten Fall sendet ein Kunde eine Bestellung über die Website von Lesen.ch ab. Im weniger häufigen Fall entsteht eine Bestellung durch das Weiterreichen eines Kunden einer der Partnerwebsites von Lesen.ch. Beispiele dafür sind www.telefonbuch.ch (Verweise in den Warenkorb), www.lexikon.ch und www.kaffeezentrale.ch (syndizierte Lösungen). In beiden Fällen beginnt der Prozess damit, dass eine Bestellung bei Lesen.ch eingeht.


Die Bestellung wird von Lesen.ch auf ihre Plausibilität geprüft. Danach sendet Lesen.ch Verfügbarkeitsanfragen an die Grosshändler. Innerhalb von 30 Minuten sind die Rückmeldungen da, auf deren Basis die optimale Lieferantenwahl getroffen wird. Oftmals kommen für einzelne Positionen einer Bestellung unterschiedliche Lieferanten zum Zug.


Die ausgelagerten Aspekte des Fulfillments sind der Transport und das Warehousing. Mit ihrer Softwarelösung ist es Lesen.ch möglich, die Lager der Grosshändler virtuell zu integrieren. Dadurch gelingt es, die Verfügbarkeit für über 90 % der Bestellungen auf zwei Arbeitstagen Lieferzeit zu halten.


Die Bezahlung der Artikel erfolgt entweder über die Rechnungsstellung oder über Kreditkartenabrechnungen. Kreditkarten werden im Moment noch nicht automatisch belastet.


Lösungen der Fulfillment-Partner
Für die virtuelle Integration benötigt Lesen.ch mehrere Lösungen (vgl. Tab. 3.1).
Bei ComelivresNet handelt es sich um eine Dienstleistung, die den Buchhändlern der Schweiz bereits seit längerer Zeit angeboten wird. Es ist eine Branchenspeziallösung zum elektronischen Datenaustausch. Ähnlich einem EDI-Mittler übernimmt ComelivresNet die Konvertierung der Daten.
Eurobook ist ein Warenwirtschaftssystem, dessen Hersteller (eurosoft) sich auf den Buchhandel spezialisiert haben. KNO, einer der bedeutendsten Grosshändler, ist an eurosoft beteiligt. Eurobook ist eine Standardsoftware. Funktionen, die für einen Kunden realisiert werden, sind jeweils im nächsten Release auch allen anderen Kunden zugänglich.


SesamNT ist eine Standardsoftware zur Buchhaltung. Die Version, die Lesen.ch einsetzt, nimmt auf die Bedürfnisse von kleineren Unternehmen Rücksicht.


Für die physische Auslieferung wird ohne Integration von Softwaresystemen [Softwareintegration] gearbeitet. Es findet eine manuelle Auftragsvergabe an die Transportunternehmen statt.


Tab. 3.1: Lösungen der Fulfillment-Partner

Tab. 3.1: Lösungen der Fulfillment-Partner

4. Implementierung

Prozesse
Der Geschäftsprozess "Bestellungsbearbeitung" bei Lesen.ch ist bereits nach den ersten Erfahrungen neu gestaltet worden. Anfangs war es opportun, die Auslieferung der Waren direkt vom Grosshändler durchführen zu lassen, um die Lieferzeit möglichst kurz zu halten. Lesen.ch hat, damit dies möglich wurde, in Zusammenarbeit mit einem wichtigen Grosshändler, dem SBZ, dieses Outsourcingangebot getestet. Unter dem Namen BookIt bietet das SBZ heute diese Dienstleistung auch Dritten an.


Nach der Einführung von Eurobook hat Lesen.ch aber die Möglichkeit, sehr schnell denjenigen Lieferanten zu finden, der die bestellte Ware am schnellsten liefern kann. Dadurch spart Lesen.ch derart viel Zeit, dass die Verzögerung von einem Arbeitstag durch die Auslieferung über Lesen.ch überkompensiert wird. Der wichtigste Vorteil des neuen Geschäftsprozesses ist, dass Lesen.ch die Waren prüfen kann, bevor sie zum Kunden geschickt werden. Zudem besteht auch immer die Möglichkeit, Sonderangebote und Zugaben kundenspezifisch vorzunehmen. Solche kundenindividuellen Leistungen sind Bestandteil der Differenzierung von Lesen.ch. Deshalb ist die Reintegration des Versandes in Lesen.ch sowohl taktisch wie strategisch zielführend (vgl. Abb. 4.1).
[Geschäftsprozesse]

Abb. 4.1: Teilprozess Fulfillment vor und nach dem Redesign.
Abb. 4.1: Teilprozess Fulfillment vor und nach dem Redesign.



Softwarelösung
Die Gesamtlösung besteht aus Teilen von Eurobook, ComelivresNet, SesamNT und für Lesen.ch spezifisch programmierten Komponenten (vgl. Abb. 4.2).
Lesen.ch nutzt von Eurobook die folgenden Funktionalitäten:

  • Verfügbarkeitsabfragen und Bestellungen werden mit Hilfe von Eurobook an ComelivresNet gesendet.
  • Rechnungen und Lieferscheine können direkt generiert und gedruckt werden.
  • Eurobook hält, von jedem Arbeitsplatz aus einsehbar, die Kunden- und Lieferanteninformationen bereit.



ComelivresNet ist eine Dienstleistung der Comelivres AG. Es handelt sich dabei um ein System von Konvertierungsprogrammen. Bestellungen von Lesen.ch aus Eurobook gehen bei ComelivresNet in einem einheitlichen Datenformat ein. ComelivresNet entscheidet aufgrund von mitgelieferten Parametern, bei welchem Lieferanten die Bestellung platziert werden soll. Je nach der Infrastruktur beim Lieferanten wird die Bestellung daraufhin per Fax oder per FTP weitergeleitet. Die Rückmeldungen der Lieferanten erfolgen wiederum zu ComelivresNet und werden dort wieder in das einheitliche Datenformat umgewandelt. Lesen.ch erhält schliesslich eine Übersicht über die Bestellung und kann diese in Eurobook wieder abfragen. Derselbe Vorgang wird für die Verfügbarkeitsabfragen benutzt.
[Systemarchitektur]

Abb. 4.2: Softwarelösung.
Abb. 4.2: Softwarelösung.



Über SesamNT wird die Buchhaltung abgewickelt. Im Fulfillmentprozess spielt diese Komponente lediglich für die Debitorenkontrolle eine Rolle.


Folgende Eigenentwicklungen werden durch die Lombardini Software AG realisiert:

  • Artikeldatenbank für die Anzeige auf der Website und Synchronisation mit den Artikeldatenbanken der Lieferanten über proprietäre Datenformate mit täglichem Update (automatisiert, Batchbetrieb).
  • Shoppinglösung für die Website und Export der Warenkörbe in Eurobook per E-Mail mit XML-Body (automatisiert, realtime).
  • Admin-Tool zur Verwaltung der Bestellungen, die automatische Information der Kunden über die Lieferzeiten sowie die manuelle Datenerfassung besonderer Artikel.
  • Funktion, mit der die Kunden ihre Bestellungen verfolgen können.



Herr Lombardini hat die Erfahrung gemacht, dass die Schnittstellen zu Eurobook einfach handhabbar sind, weil mit modernen Standards gearbeitet wird. Dagegen ist die Integration der Datenbanken der Lieferanten aufwendig, denn jeder Lieferant benutzt für die Datenlieferung eine eigene, teils recht komplexe Semantik.


Technische Plattform
Die Website von Lesen.ch läuft auf Basis des Internet Information Servers 4.0. Die Datenbank von Lesen.ch und auch Eurobook sind in MS SQL 7.0 umgesetzt und jeweils auf einem NT-Rechner installiert.

Abb. 4.3: Technische Plattform.
Abb. 4.3: Technische Plattform.



Bei Lesen.ch ist ein Ethernet mit 10 MB/s Übertragungsrate verlegt, über das alle PCs und Macs auf das Internet zugreifen. Der Webserver wird von TIC The Internet Company AG betrieben. In der Abb. 4.3 ist das Netzwerk aufgezeichnet, wobei die Hardware bei den Externen nicht vollständig aufgeführt ist.


5. Betrieb

Unterhalt
Eurobook wird ständig weiterentwickelt. Alle Kunden, auch Lesen.ch, äussern ihre Bedürfnisse. Diese werden in die Releaseplanung aufgenommen. 3 bis 4 Mal pro Jahr wird den Kunden ein Update zur Verfügung gestellt.


Die Schnittstellen von Eurobook zur Eigenentwicklung sowie zu ComelivresNet sind äusserst einfach zu handhaben. Die Integration ist innerhalb einiger Tage erfolgt. Die Pflege dieser Schnittstellen wird im Rahmen von kleineren Projekten bei Veränderungen im Angebot der betroffenen Partner durchgeführt.


Die Pflege der eigenen Datenbank, des Admin-Tools sowie der Website macht den grössten Teil der Unterhaltsarbeiten aus. Die Lombardini Software AG übernimmt als Softwarelieferant die Wartungsarbeiten an der Kerntechnologie. Die Website wird von Lesen.ch und Side by Side selbst gepflegt.


Rentabilität
Finanzierung
Lesen.ch finanziert die Lösung sowie den übrigen Teil des Betriebs über laufende Einnahmen. Ein Bankkredit, der über Sicherheiten innerhalb von Lesen.ch gesichert wurde, und das Stammkapital haben den Start ermöglicht.


Kosten des Betriebs
Tab. 5.1: Kosten des Betriebs

Tab. 5.1: Kosten des Betriebs

Die Kosten des Betriebs der Softwarelösung werden von Lesen.ch lediglich insgesamt bekannt gegeben. Wie gross der Anteil der Fulfillment-Lösung ist, muss also Schätzungen vorbehalten bleiben (vgl. Tab. 5.1).


Lesen.ch rechnet heute mit Aufwendungen von ca. 130'000.- CHF für den Unterhalt der Systeme.


Umsatz/Ertrag
Der Jahresumsatz für 2001 ist mit 1.8 bis 2.2 Mio. CHF budgetiert. Das Wachstum seit Februar 1998 beträgt 9.84 % p.m. In Spitzenmonaten beträgt es bis zu 34 %, in den schlechtesten Monaten sind Rückgänge von 4 % zu verzeichnen. Der Jahresvergleich für den Monat Juni zeigt, dass zwischen 2000 und 2001 ca. 50 % Wachstum realisiert werden konnte. Die Gewinnschwelle wird in diesem Jahr erreicht, auch wenn man das sehr grosse zeitliche Engagement der Gründer einbezieht. Mit einer Conversion-Rate von knapp 6 % und lediglich knapp 10 % Bestellabbrüchen liegt Lesen.ch an der Spitze der Branche.


Beachtenswert ist, dass die Spitzenmonate (Januar und November) nicht dieselben sind wie im stationären Buchhandel. Dies gibt Hinweise auf die Unterschiedlichkeit der Zielgruppen und auf Synergiepotentiale.


6. Erfolgsfaktoren

Der Erfolg von Lesen.ch ist neben den finanziellen Aspekten vor allem darauf zurückzuführen, dass es gelungen ist, mit dem Verkauf von Büchern beständig am Markt zu operieren. Erfolgsfaktoren sind dabei:

  • Langsames/organisches Wachstum und seriöse Geschäftspolitik
  • Kompetenz im Buchhandel kombiniert mit Kompetenz im Webdesign
  • Kompetenz im Guerillamarketing und schnelle Anpassung an die Nachfrage

Die Investition für die Software hätte, wenn sie früher gemacht worden wäre, eher zur Produktivität beitragen können. Obwohl Lesen.ch sehr früh mit der Automation der Geschäftsprozesse begonnen hat, beurteilt Christoph Bürgin sein Investitionsverhalten bezüglich der Software rückblickend als zu zögerlich.


Heute profitiert Lesen.ch mehrfach vom frühen Einstieg ins Internet (First Mover Advantage). Die bereits grosse Erfahrung der Manager mit den Dienstleistern der Branche sowie mit der Technologie und mit den Kunden konnte in den Anfängen der Internetzeit sehr kostengünstig gemacht werden.


Spezialitäten der Lösung
Die Website von Lesen.ch hebt sich nach der eigenen Beurteilung besonders dadurch von den Konkurrenten ab, dass sie von Buchhändlern für den Büchermarkt gemacht ist. Sie ist, wie die beiden Gründer betonen, "buechiger" als alle anderen.


Unique Selling Proposition
Lesen.ch differenziert sich von den Konkurrenten durch einen guten Service (individuelle Betreuung der Kunden), die schnelle Bestellmöglichkeit auf der Website, die Aktualität der Website, die Anbindung an das Qualiflyer-Programm, die gute Positionierung in den Suchmaschinen und gutes PR.


Der USP von Lesen.ch ist im Moment die virtuelle Integration der Lager zur Abfrage über die Website und zum Fulfillment (Verfügbarkeit, Optimierung der Lieferzeiten). Diese Ressource ist nicht ganz so einfach kopierbar, wie dies scheinen mag. Die Investition in eine derart spezialisierte Lösung und die Anbindung an die externen Datenbanken ist erheblich. Lesen.ch ist als First Mover in einer guten Position.


Lessons Learned
Aus der Sicht von Lesen.ch sind die wichtigsten Lerneffekte aus dem Projekt noch nicht abschliessend zu nennen. Beide Unternehmer betonen, dass es "jetzt erst angefangen hat".
Heute sind beide überzeugt, dass die Integration zum bestmöglichen Fulfillment ein Schlüsselfaktor ist. Christoph Bürgin betont, dass sie ganz normale Buchhändler sind, deren Erfolg zum grössten Teil von herkömmlichen Managementpraktiken ausgemacht wird. Das Internet ist der Verkaufskanal von Lesen.ch. Deshalb wird es auf allen Ebenen (Beschaffung, interne Verarbeitung, Verkauf) nach bestem Wissen genutzt.


Lesen.ch hat bisher nicht viele Ressourcen für die Positionierung des Unternehmens eingesetzt, sondern von Anfang an mit Akribie und Beständigkeit umgesetzt, was für den Markt interessant ist. Jetzt haben die Vordenker damit begonnen, die Konsolidierung in den Internetmärkten mit verstärkten Anstrengungen zur klaren Positionierung vorwegzunehmen.


Betreiber der Lösung

lesen.ch
Christoph Bürgin, Geschäftsführer
Armin Luginbühl, Partner
Branche: Gross- & Einzelhandel, Buchhandel
Unternehmensgrösse: Kleinunternehmenlesen.ch

Lösungspartner

Natal Müller, Projektleitung E-Commerce
Comelivres AG
Klaus Depenbrock
eurosoft Informationstechnologie GmbH
Guido Lombardini, Entwicklung Shoppingsystem
Lombardini Software AG

Autoren der Fallstudie

Pascal Sieber
Sieber & Partners

01. September 2001
Sieber; Pascal (2001): Fallstudie lesen.ch; in: Dettling; Walter; Schubert; Petra; Wölfle; Ralf (Hrsg.; Fulfillment im E-Business - Praxiskonzepte innovativer Unternehmen; S. 143-157; München; Wien: Hanser Verlag; 2001.
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
1829
lesen
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1829-lesen
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