IMMO: Einheitliche Auftragsabwicklung im Immobilienmanagement
Die progressive Wachstumsstrategie der Swisscanto Asset Management AG, Teilbereich Immobilien (IMMO), erfordert effiziente und kostengünstige Prozesse. In einem verteilten und heterogenen Umfeld wurden das Auftragsmanagement und die Rechnungsverarbeitung bei verschiedenen Immobilienbetreibern vereinheitlicht. Das Auftragsmanagement wird durch eine zentrale IT-Plattform operationalisiert, die Rechnungsverarbeitung konnte insgesamt zentralisiert werden. Durch die Vereinheitlichung konnte IMMO nicht nur drastisch Kosten sparen, sondern hat nun per „Knopfdruck“ alle Daten in einem einheitlichen Format verfügbar.
Inhaltsverzeichnis
1. Das Unternehmen2. Der Auslöser des Projekts
3. Einheitliche Auftrags- und Rechnungsprozesse
Geschäftskonzept, Pflichtenheft, Prozess, Rechnungseingang, Auftrag, Anwendungssicht, Application Service Providing, Archiv, Technische Sicht
4. Projektablauf und Betrieb
Partnerwahl, Realisierung
5. Erfahrungen
Rentabilität
6. Erfolgsfaktoren
E-Collaboration
1. Das Unternehmen
Die Swisscanto Asset Management AG Teilbereich Immobilienanlage (IMMO) bezweckt das Management von Immobilienvermögen. IMMO betreut verschiedene Immobilienportfolios mit Immobilien-Direktanlagen an über 250 Standorten in der Schweiz und indirekte Immobilieninvestitionen im Ausland.
Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe
Die Swisscanto Asset Management AG ist eine Tochtergesellschaft der Swisscanto Holding, die als Gemeinschaftsunternehmen der Schweizer Kantonalbanken 1993 gegründet wurde. Im Juli 2005 wurden die Immobilienaktivitäten der Swisscanto Anlagestiftung und der Swisscanto Fondsleitung zur Swisscanto Immobilien Management AG (SIMO) zusammengefasst mit dem Ziel, die zuvor getrennt geführten Immobilienaktivitäten der Holding in einem Unternehmen zu bündeln. Dies geschah, um Synergien nutzbar zu machen und eine höhere Effizienz für die Immobilienanleger zu gewährleisten. Neben der Betreuung verschiedener Immobilienportfolios führt sie in ihrem Angebot Immobilienfonds, Sondervermögen der Swisscanto Anlagestiftung sowie direkte und indirekte Beteiligungen an Immobiliengesellschaften. Um die Bewilligung „Vermögensverwalter für Kollektive Kapitalanlagen“ zu erhalten, wurde die Swisscanto Immobilien Management AG (SIMO) per 1. Juli 2007 in die Swisscanto Asset Management AG als Teilbereich Immobilien (IMMO) integriert.
Die vorliegende Fallstudie betrachtet die Problematiken und Lösungen, die sich durch die erstmalige Zusammenlegung der Immobilienaktivitäten der Swisscanto Holding in die SIMO, heute Immo, im Jahr 2006 ergaben.
Mit IMMO verfügt Swisscanto 2007 über ein schlagkräftiges Kompetenzzentrum für Immobilienanlagen und Immobilienmanagement mit einem Gesamtvermögen von rund 3.8 Mia. CHF (2/3 aus der Stiftung und 1/3 aus den Fonds) sowie laufenden Projekten in einem Gesamtwert von 400 Mio. CHF. IMMO zählt 19 Mitarbeitende. Die Immobilien selbst werden von eigenständigen Firmen betreut, den Immobilienbewirtschaftern, die im Auftrag der IMMO handeln.
Unternehmensvision
Im Sinne ihrer Kunden verfolgt IMMO eine konsequente Wachstumsstrategie. Ihre Umsetzung erfordert effiziente Administrationsprozesse. Durch Vereinfachung und konsequenten Einsatz von IT sollen die Prozesse automatisiert und transparent sein. Zudem strebt IMMO eine marktweite Standardisierung der Prozesse an. Die Standardisierung führt nicht nur zu einer Vereinfachung in der gesamten Immobilienmanagement-Branche, sondern schnürt Abhängigkeiten auf und führt zu mehr Wettbewerb. Wenn klar definierte Abläufe und Schnittstellen durchgesetzt werden, können Anbieter sich leichter an mehrere Verbünde in der Immobilienbranche anschliessen. Der eingesparte Aufwand erlaubt es allen Beteiligten, sich auf ihre Kernkompetenz zu konzentrieren. Der Spezialisierungsgrad des Marktes wird gefördert und Kostensenkungen können unternehmensübergreifend realisiert werden.
Stellenwert von Informatik und E-Business
Informatik und E-Business nehmen bei der Verfolgung der Unternehmensvision und der Wachstumsstrategie eine zentrale Rolle ein. Ein Konglomerat von verschiedenen, spezialisierten zentralen IT-Systemen soll in der Lage sein, die Administrationsprozesse zu vereinheitlichen, transparent zu gestalten und zu optimieren.
2. Der Auslöser des Projekts
Ausgangslage und Anstoss für das Projekt
Die Zusammenlegung der Immobilienprodukte in die Swisscanto Asset Management AG zog eine hohe Komplexität nach sich. Im Bereich der Immobilienbewirtschaftung standen IMMO rund 35 eigenständige Immobilienbewirtschafter mit insgesamt 50 Filialen in der Schweiz gegenüber. Für deren Datenbewirtschaftung waren mehr als zehn verschiedene Typen von Bewirtschaftungssoftware im Einsatz. Die Auftragsbearbeitung und Rechnungsverarbeitung fand bei den Bewirtschaftern in individuell unterschiedlichen Prozessen statt. Diese erteilten im Bedarfsfall den Lieferanten Aufträge. Nach Erledigung der Aufträge schickten die Lieferanten ihre Rechnungen per Post an die Immobilienbewirtschafter. Hier wurden sie manuell kontiert. Anschliessend wurden die jeweiligen Rechnungsbeträge von einem Konto abgebucht, das IMMO zu diesem Zweck angelegt hatte.
Die Nachteile dieser Methode – neben dem erhöhten Aufwand zur Steuerung und Überwachung der Dienstleister – waren einerseits, dass weder IMMO noch die Bewirtschafter genau ermitteln konnten, wie viele Aufträge und Rechnungen mit welchen Zahlungsfristen aktuell im Umlauf waren, und andererseits, um welche Summen es sich genau handelte. Diese Informationen benötigt IMMO jedoch, um jeweils über den aktuellen Cash-Flow im Bild zu sein. Der zunehmende Wettbewerb und stetig strengere Bilanzierungsvorschriften erfordern ein Berichtswesen (Reporting), das schneller, zuverlässiger und vor allem häufiger über den finanziellen Zustand des Unternehmens Auskunft erteilen kann. Die zeitnahe und zuverlässige Ermittlung des Cash-Flows ist dazu eine unabdingbare Voraussetzung.
Eine optimierte Auftrags- und Rechnungsverarbeitung setzte darüber hinaus voraus, dass alle erforderlichen (Stamm-)Daten zusammengetragen werden, da diese bislang bei den einzelnen Bewirtschaftern und Filialen verstreut waren. Die Probleme kamen aus der Heterogenität: eine Einheitlichkeit dieser Daten war nicht gegeben und die heterogene Datenqualität tat ihr übriges.
Für die notwendige Vereinheitlichung der Prozesse mit der vorausgesetzten Zentralisierung der Daten bot sich eine E-Business-Lösung an, die alle Beteiligten zusammenführt und IMMO die gewünschte zeitnahe Auskunft über die verschiedenen Immobilienbewirtschafter und Leistungserbringer hinweg verschafft.
Vorstellung der Geschäftspartner
Die Auswahl der Geschäftspartner war lösungsorientiert geprägt: „Auf unserer Suche nach Prozessoptimierung wollten wir das Rad nicht neu erfinden. Wir haben deshalb einen Pool von führenden Spezialisten engagiert und sind so zur perfekten Lösung gelangt“ [Zitat: Karl Theiler, Swisscanto Immobilien Management AG].
Anbieter von Business Software, Implementierungspartner
Die pragmaBAU Treuhand AG stellt ihren Partnern Immobilienverwalter, Architekten, Generalunternehmer sowie Handwerker und Zulieferbetriebe über die Plattform VIAM (Verfahren für integriertes Auftragsmanagement) den Zugriff zu einem Arbeitsprogramm rund um das Auftragsmanagement für die Immobilienbranche zu Verfügung. VIAM ist eine webbasierte Plattform, auf der das gesamte Auftragsmanagement Offertanfragen, Offertunterbreitung, Auftragserteilung, Auftragsbestätigung und Rechnungsstellung elektronisch abgewickelt werden kann. Mit unterschiedlichen Adaptern lässt sich VIAM mit diversen IT-Systemen wie z.B. ERP-Systemen verbinden, die im Bereich der Immobilienbranche verwendet werden. pragmaBAU beschäftigt 2007 sieben Mitarbeitende.
RR Donnelley Document Solutions (Switzerland) GmbH (RR Donnelly) ist ein führendes Unternehmen für Document und Content Management Lösungen in der Schweiz und beschäftigt rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zürich-Urdorf, Genf-Carouge und Wien. Die Spezialisten verfügen über langjährige Erfahrung in der Automatisierung von dokumentbasierten Geschäftsprozessen. Die schweizerische Niederlassung von RR Donnelley ist 2005 durch den Kauf der Astron Cominformatic entstanden. Der in Chicago domizilierte RR Donnelley Konzern ist ein an der NYSE notiertes Unternehmen und beschäftigt weltweit rund 60'000 Mitarbeitende (www.rrdonnelley.com). IMMO lagerte die gesamte Rechnungsverarbeitung an RR Donnelly aus.
3. Einheitliche Auftrags- und Rechnungsprozesse
Geschäftssicht
Anfang 2006 erarbeiteten die Partner gemeinsam mit IMMO einen Anforderungsplan [Pflichtenheft], der genau auf die Bedürfnisse von IMMO zugeschnitten ist. Die gebotene Optimierung der Geschäftsprozesse mit den im Auftrag von IMMO handelnden Immobilienbewirtschaftern hatte folgende Ziele:
- Transparenz: Die Auftragsübersicht und die Rechnungslegung sollen transparent sein und ohne grossen zeitlichen und finanziellen Aufwand erfolgen.
- Vereinheitlichung: Die Prozesse für die Auftrags- und Rechnungsverarbeitung sollen vereinheitlicht und soweit wie möglich zentralisiert werden. Ausserdem sollen Daten, die für die Auftragsbearbeitung, für die Immobilienbewertung und für die Rechnungslegung relevant sind, elektronisch einheitlich aufbereitet werden.
- Zentralisierung: Die Datenhaltung soll zentral erfolgen.
- Schnelligkeit: Die Finanzverantwortlichen sollen jederzeit mit wenigen Mausklicks die gewünschten Berichte abfragen können.
- Vernetzung: Die künftige Lösung soll in eine von Immobilienfachleuten benutzte IT-Plattform integriert werden und diese mit Daten beliefern.
Eine weitere Schlüsselanforderung lag in der Rechnungslegung. Ein wichtiges Kriterium für eine Rechnung ist deren Mehrwertsteuer-Konformität. Im Bereich der Immobilienbewirtschaftung stellt dies eine besondere und äusserst komplexe Herausforderung dar, weil die Mietparteien und deren Gewerbetätigkeiten bei der Berechnung und Umlage der Mehrwertsteuer Berücksichtigung finden müssen. In der Vergangenheit waren Rechnungen nicht immer Mehrwertsteuer-konform, was bei Prüfungen regelmässig zu Problemen und Korrekturen führte.
Mit den Anforderungen wurden die Prozesse der unterschiedlichen Bewirtschafter identifiziert und schematisch geordnet. Die Prozesse wurden nach ihrem Potenzial der Zentralisierbarkeit und Möglichkeiten der Vereinheitlichung hin analysiert. Als dezentrale Aufgaben wurden Prozesse zur Erst- und Wiedervermietung, zur Überwachung und Steuerung der Hauswartung und Renovationsprojekte, zur Reklamationsverwaltung und zur Begleitung von Rechtsfällen identifiziert. Als Prozesse mit Potenzial zur Zentralisierung wurden das Rechnungswesen und die Administration ausgemacht. Das Auftragsmanagement ist zwar dezentral, kann aber durch eine Vereinheitlichung und zentrale Operationalisierung über eine entsprechende IT-Plattform zusammen mit der Rechnungsverarbeitung profitieren.
IMMO selbst kann sich auf die Steuerung und Überwachung konzentrieren. Die Prozesse zur Auftrags- und Rechnungsverarbeitung wurden in weiten Teilen auf die spezialisierten Partner pragmaBAU und RR Donnelly übertragen. RR Donnelly obliegt auch die Archivierung der Rechnungen. Abb. 1 zeigt die neu definierte Zusammenarbeit in einem Business Szenario.
Abb. 1: Übersicht über die Zusammenarbeit bei der Auftragsabwicklung
IMMO setzte die Anforderungen um, indem sie die Prozesse bei den Bewirtschaftern vereinheitlichte und standardisierte. Im Kern wurden die Rechnungsverarbeitung und -archivierung zentralisiert. Das dezentrale Auftragsmanagement wurde für die einzelnen Immobilienbewirtschafter vereinfacht, so dass diese sich nun auf die eigentlichen Kernaktivitäten wie Vermietung, Objekt- und Mieterbetreuung konzentrieren können. Die Auftragsabwicklung wurde auf die zentrale IT-Plattform VIAM der pragmaBAU Treuhand AG ausgelagert. Die Verwaltungsgesellschaften geben ihre Aufträge in das System ein – meist ohne dass die Benutzer wissen, dass sie eine externe Plattform benutzen. Durch die zentrale Auftragsbearbeitung weiss IMMO, wie viele Aufträge aktuell bearbeitet werden.
Nachdem die Auftragnehmer ihre Aufträge ausgeführt haben, werden die Rechnungen entweder elektronisch via VIAM oder papierbasiert direkt an RR Donnelly übermittelt. RR Donnelly stellt IMMO und den Bewirtschaftern zentral ein papierloses Rechnungsverarbeitungssystem bereit. Nachdem die Rechnung durch RR Donnelly formal geprüft und durch die Immobilienbetreiber kontiert wurde, wird sie via VIAM dem zentralen Bewirtschaftungssystem RIMO/R4 als vereinheitlichte Nachricht elektronisch übermittelt. Sowohl VIAM als auch die Immobilienbewirtschafter können damit den zugehörigen Auftrag abschliessen und die Immobilienbewirtschafter können die Zahlungsanweisung auslösen.
IMMO selbst kann sich auf ihre Kernprozesse konzentrieren, die im Wesentlichen aus dem Steuern, Überwachen und dem Reporting bestehen. Über definierte Schnittstellen ist IMMO in der Lage, auf „Knopfdruck“ alle notwendigen Informationen aus den beteiligten Systemen abzurufen, wobei mit einer einheitlichen Terminologie und Systematik sowie einer Zentralisierung der Datenhaltung ein gleich bleibend hohes Mass an Datenqualität garantiert ist.
Prozesssicht
Im Folgenden soll der eigentliche Prozess zur Auftragsabwicklung [Auftrag] und Rechnungsbearbeitung vertieft betrachtet werden. Abb. 2 zeigt den Ablauf zwischen Immobilienbewirtschaftern und Leistungserbringern einschliesslich deren Interaktionen mit den Plattformen VIAM und BasWare.
Die Besonderheit in der vorliegenden Fallstudie ist, dass Teile des Prozesses auf den Plattformen der Partner automatisiert abgearbeitet werden. VIAM von pragmaBAU verwaltet alle Aufträge zentral. Die Immobilienbewirtschafter generieren auf der Plattform VIAM den entsprechenden Auftrag, holen gegebenenfalls Offerten bei ausgewählten Lieferanten ein, erteilen den Auftrag und warten auf den Abschluss des Auftrags durch den Erhalt der Rechnung.
RR Donnelly übernimmt die Bearbeitung der Rechnungen der Leistungserbringer, wobei diese ihre Rechnungen elektronisch über VIAM oder papierbasiert einreichen können. RR Donnelly gleicht die Rechnungsinformationen automatisch mit denen aus der Auftragsbearbeitung ab, allenfalls mit manueller Nachüberprüfung.
Abb. 2: Der Prozess zur Auftragsabwicklung und Rechnungsbearbeitung
Die Finanzplaner bei IMMO und die Verwaltungsgesellschaften haben dadurch deutlich vereinfachte Abläufe: [Rechnungseingang] Papierbasierte Rechnungen werden von den Lieferanten an die RR Donnelly Zentrale in Urdorf geschickt, wo sie für IMMO eingescannt und mittels optischer Zeichenerkennung aufbereitet werden. Anschliessend sind alle Eingangsrechnungen in einem einheitlichen Datensatz repräsentiert. Des Weiteren überprüft RR Donnelly die Rechnungen auf ihre Mehrwertsteuer-Konformität. Erfüllen sie die Anforderungen, werden sie über die in das Immobilienfachnetz integrierte RR Donnelly Lösung an die Bewirtschafter zur inhaltlichen Prüfung weitergeleitet. Erfüllen sie die Anforderungen nicht, werden sie am gleichen Tag mit der Bitte um Korrektur wieder zurück zum Absender geschickt.
Mit wenigen Mausklicks erhalten jetzt alle Berechtigten die gewünschte Information auf übersichtliche Weise. Was früher Wochen dauerte, ist in wenigen Sekunden erledigt. Die Finanzmanager von IMMO wissen nun stets über die laufenden Rechnungen, das Obligo und den Cash-Flow Bescheid.
Anwendungssicht
Neben der Vereinheitlichung der Prozesse strebte IMMO eine Vereinheitlichung und Zentralisierung der Datenhaltung an. Hierzu stellt IMMO seinen Immobilienbewirtschaftern per Application Service Providing (ASP) den Zugriff auf das zentrale, gemeinsam genutzte ERP-System RIMO/R4 zur Verfügung. RIMO/R4 wird vorzugsweise in der Immobilienbranche als spezialisiertes Standardwerkzeug verwendet und verwaltet alle Daten der Immobilienobjekte von IMMO. Da die Bewirtschafter nun auf dem ERP-System von IMMO arbeiten, entsteht ein einheitlicher Datenbestand und die gewünschte Vereinheitlichung von Terminologie und Systematik wird gewährleistet.
PragmaBAU und RR Donnelly setzen für ihren Anteil am übergreifenden Prozess ihre spezialisierten Anwendungen ein. VIAM verwaltet alle Auftragsdaten. Ausserdem schliesst es einen Auftrag ab, wenn die entsprechende Rechnung für den Auftrag eintrifft. Zwecks Auftragsabwicklung werden die Daten zwischen dem zentralen ERP-System und VIAM stetig synchronisiert. Dies betrifft insbesondere die Stammdaten für die Immobilienobjekte.
RR Donnelly setzt zur Verarbeitung der Rechnung ihre auf die Kundenbedürfnisse angepasste Anwendung BasWare ein. BasWare übernimmt die gesamte Verarbeitung der Rechnungen und kümmert sich um die Archivierung dieser Daten. Dies beinhaltet das Einscannen, die Indizierung, die verschiedenen Überprüfungen inklusive der Mehrwertsteuer-Konformität und die Kontierung der Rechnungen. Diese Informationen werden dann via VIAM in das Immobiliensystem von IMMO übertragen und von den Finanzmanagern weiterverarbeitet. Auch hierzu ist neben den elektronischen Rechnungsdaten ein Abgleich der Stammdaten zwecks Überprüfung der Mehrwertsteuer-Konformität zwischen VIAM und BasWare notwendig.
Abschliessend wird die Rechnung elektronisch entsprechend den Anforderungen der Schweizerischen Geschäftsbücherverordnung GeBüV archiviert. Der Zugriff auf archivierte Rechnungen kann über das Webinterface direkt auf das Archiv erfolgen, welches das Finden von Rechnung anhand mehrerer Kriterien erlaubt.
Abb. 3: Übersicht über die beteiligten Anwendungen
Technische Sicht
IMMO lässt das ERP-System RIMO/R4 von der Aareon AG betreiben, alle anderen Anwendungen werden vom jeweiligen Partner betrieben. Obwohl sie untereinander über das Internet kommunizieren, sind die Zugriffmöglichkeiten jeweils sicherheitstechnisch durch eine Demilitarized Zone DMZ geschützt, so dass nur im Fall einer erfolgreichen Authentifizierung eine Verbindung erfolgt. Im Falle der IMMO und RR Donnelly stellen die Gateways Terminalserver dar, über die die jeweiligen Immobilienbetreiber und IMMO sich einloggen und Zugriff auf die Anwendungen erhalten. RR Donnelly stellt darüber hinaus für VIAM ein spezielles Gateway zur Verfügung, über das elektronisch Nachrichten unter den Anwendungen ausgetauscht werden können. Für die Archivierung wird ein spezieller Server bereitgestellt.
Abb. 4: Übersicht über die technischen Systeme
Auf die Anwendungen können Immobilienbewirtschafter und Leistungserbringer mit ihren Computern zugreifen. Entweder wird von einem Terminalclient aus eine Sitzung auf einem Terminalserver eröffnet oder es erfolgt im Falle von VIAM oder BasWare ein Webzugriff mit Standard-Browsern. Den Anforderungen an die Sicherheit wird durch eine VPN-Verbindung oder eine SSL-verschlüsselte HTTPS-Verbindung Rechnung getragen.
4. Projektablauf und Betrieb
Investitionsentscheidung
Bedingt durch die Zusammenlegung zweier Bereiche war eine Optimierung der Administrationsprozesse notwendig. Als Leitmotiv für das Reporting dienten entsprechende Erfahrungen aus anderen Branchen wie dem Gross- und Einzelhandel, wo heute auf Knopfdruck der aktuelle Lagerbestand abgerufen werden kann. Dieses Leitmotiv sollte für IMMO umgesetzt werden. [Partnerwahl] Nachdem die wesentlichen Ziele definiert waren, wurden mehrere Lösungen auch in vergleichbaren Branchen analysiert. Verschiedene Firmengliederungen wie beispielsweise bei einer anderen Immobilien-Aktiengesellschaft, die ausschliesslich in der Schweiz Anlageliegenschaften kauft, und verschiedene funktionale Gliederungen von anderen Firmenverbünden wurden untersucht. Allerdings wurde eine Lösung bevorzugt, die die Prozesse und Daten weitestgehend zentralisiert. Für eine individuelle Lösung konnten PragmaBAU und die RR Donnelley schnell gewonnen werden. Diese verfügten aufgrund ihrer Spezialisierung schon über die notwendigen Erfahrungen und Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung.
Entstehung und Roll-out der Software-Lösung
Die Implementierung [Realisierung] erfolgte schrittweise. Die von den beiden Partnern eingebrachten IT-Lösungen mussten noch angepasst und integriert werden. VIAM erhielt einen weiteren, vereinfachten Zugang für Handwerker, um die Einstiegshürden für Klein- und Kleinstbetriebe so gering wie möglich zu halten. Bei RR Donnelly wurde das System BasWare angepasst. Anhand der Immobiliendaten wird die Mehrwertsteuer-Konfomität kontrolliert. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben für die Immobilienbranche muss entsprechend dem gewerblichen Status der Parteien im betroffenen Immobilenobjekt die Mehrwertsteuer aufgeschlüsselt und umgelegt werden.
Trotz des hohen Komplexitätsgrades war die integrierte IT-Plattform nach zwölf Monaten in vollem Betrieb.
5. Erfahrungen
Nutzerakzeptanz
Aus der Sicht der Leistungserbringer, z.B. Handwerker, etabliert sich die von IMMO eingeführte Lösung als ein weiterer Kommunikationskanal. Nachdem anfänglich eine gewisse Skepsis gegenüber der VIAM Plattform zu bemerken war, konnte die Einfachheit des Zugangs letztendlich überzeugen. Ein Webzugang mit gewöhnlichem Browser und Benachrichtigungen auf den individuell bevorzugten Kanal wie E-Mail, SMS oder FAX reduzierten die Einstiegshürden. Heute wird VIAM als eine Plattform wahrgenommen, über die zusätzliche Aufträge akquiriert werden können. Die Verlagerung der informellen Absprachen in explizite Kommunikation über die IT-Plattform wird nicht als hinderlich, sondern als Bereicherung verstanden.
Die wegen der verlangten hohen Datenqualität erzwungene Zentralisierung hat bei den Immobilienbewirtschaftern eine Umstellung nach sich gezogen. Statt der hauseigenen IT musste in der Zusammenarbeit mit IMMO auf die zentral bereitgestellte ERP-Lösung zurückgegriffen werden. Für einige Immobilienbewirtschafter bedeutete dies eine Umstellung ihrer Geschäftsprozesse. Auf der anderen Seite wurde der Umstieg von IMMO durch die Bereitstellung und Wartung der gesamten IT mittels ASP sehr attraktiv gemacht. Es wird allerdings auch vermutet, dass ein solcher Umstellungsprozess sich vor allem durch die Marktmacht von IMMO durchsetzen liess. Ohne die Präsenz und Führung eines starken Lösungsbetreibers liesse sich ein Umstieg der Immobilienbewirtschafter wahrscheinlich nicht motivieren. Insofern ist eine Übertragbarkeit der Lösung auf andere Branchen nur bedingt möglich.
Zielerreichung und bewirkte Veränderungen
IMMO hat seit der Einführung des neuen Prozessmodells seine Effizienz deutlich steigern können: IMMO konnte den administrativen Aufwand bei den Verwaltungen stark reduzieren und die Kosten erheblich senken. Dadurch wurde mehr Kapazität für deren Kernkompetenzen frei, die Objekt- und Mieterbetreuung sowie die Vermarktung, ohne dass die Verwaltungsgesellschaften zusätzliche Investitionen in neue Hard- und Software tätigen mussten. Die wichtige Mehrwertsteuer-Konformität ist nun gewährleistet. Die letzte Revision der Wirtschaftsprüfer war ein voller Erfolg: Sie attestierten, dass das Rechnungssystem Potenzial zu einer «Best in Class»-Lösung in der Schweiz habe. Augrund der bekannten Problematik der Mehrwertsteuer-Konformität werden Immobilienfirmen in regelmässigen Abständen überprüft. Auch das Ziel verbesserter Transparenz wurde erreicht: mit den neuen Geschäftsprozessen erhält IMMO präzise Daten für die Definition und Kontrolle der eigenen Wachstumsstrategie.
Investitionen, Rentabilität und Kennzahlen
IMMO konnte mit vergleichweise geringem Aufwand die Kosten pro Rechnung erheblich senken. Kostete die Verarbeitung einer Rechnung vor der IT-Einführung in der Vollkostenrechnung etwa 50.- CHF, belaufen sich die Kosten durch den IT-Einsatz zum Auftragsmanagement, durch die Zentralisierung der Rechnungsverarbeitung und die zentrale Datenhaltung noch auf 25.- CHF für eine Rechnung. Die Halbierung der Kosten wurde durch eine Investition in der Höhe von 300'000. CHF und cirka sechs Personenmonate bei IMMO erreicht.
6. Erfolgsfaktoren
Spezialitäten der Lösung
Die in dieser Fallstudie beschriebene Lösung zur Koordination der zahlreichen Beteiligten zeichnet sich durch einen hohen Grad an Zentralisierung aus. Anstatt verschiedene Partner mit ihren jeweiligen individuellen IT-Lösungen zu verknüpfen, wurden die Prozesse durch ein gemeinsam genutztes Konglomerat von wenigen IT-Lösungen optimiert. Der konsequente Einsatz von Internet-Technologien ist dabei eine Erfolgsgrundlage, durch die die Zentralisierung der Prozesse und der Daten erst möglich wurde.
Reflexion der „Business Collaboration“
Die gefundene Lösung kann als ein gemeinsames Outsourcing von verschiedenen Partnern an eine zentrale Instanz betrachtet werden. Eine solche Lösung ist in hohem Masse effizient und zeigt, dass entgegen dem allgemeinen Trend zur Dezentralisierung eine Zentralisierung durchaus den Anforderungen an eine schlanke Wertschöpfungskette gerecht werden kann. Es ist offensichtlich, dass dieses Szenario eines starken Partners bedarf, der die Rolle des Leaders und Systemgebers einnehmen kann und von den Beteiligten als solcher akzeptiert wird.
Lessons Learned
IMMO hat mit der vorliegenden Lösung das Auftragsmanagement und die Rechnungsverarbeitung drastisch optimiert. Neben den Kosten pro Rechnung, die nun im Vergleich um 50 % geringer ausfallen, sind nun alle Daten per „Knopfdruck“ für ein aussagekräftiges Reporting verfügbar. Was bislang Tage oder Wochen dauerte, wird nun in Minuten erledigt.
Während der Entwicklung und Umsetzung der Lösung bewahrheitete sich eine alte Weisheit: Bevor an eine Umsetzung gedacht werden kann, sollten die Anforderungen klar festgelegt werden, vergleichbare Lösungen evaluiert werden und dann – im Falle einer Eigenentwicklung – kompetente und spezialisierte Partner ins Boot geholt werden. Alle Beteiligten sollten frühzeitig in alle Entwicklungen einbezogen werden, um Unstimmigkeiten so früh wie möglich aufzudecken und zu beseitigen. Trotz der ausgedehnten Analysephase konnte das gesamte Projekt in 12 Monaten umgesetzt und produktiv geschalten werden.