Lyreco: Convenience im Bestellprozess durch 1:1-Anbindung von Business Software
Die Firma Lyreco, ehemals Büro-Fürrer/Proffice, ist in der Schweiz eine der führenden Lieferantinnen für Büromaterial. Der seit Anfang 1999 verfügbare E-Shop zeichnet sich durch einen grossen Funktionsumfang und eine starke Personalisierbarkeit aus. 70 % des Umsatzes werden heute über elektronische Bestellungen generiert. Eine spezifische Stärke von Lyreco ist es, elektronische Schnittstellen zu entwickeln, die auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet sind. Auf dieses Weise werden durch B2B-Integration Beschaffungsprozesse optimiert und ein hoher Grad an Kundenbindung erreicht.
Inhaltsverzeichnis
1. Das Unternehmen2. Der Auslöser des Projekts
3. Direktanbindung unterschiedlicher Business Software
Geschäftssicht, E-Shop, Katalog, Beschaffung, Buy-Side, Sell-Side, Prozess, Rechnungseingang, Anwendungssicht, Integration, Technische Sicht
4. Projektabwicklung und Betrieb
5. Erfahrung
6. Erfolgsfaktoren
USP
1. Das Unternehmen
Die folgenden Abschnitte beschreiben das Unternehmen Lyreco, Branche und Produkte sowie den Stellenwert von E-Business im Unternehmen.
Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe
Das französische Unternehmen Lyreco wurde 1926 gegründet und vertreibt heute Büromaterial in 28 Ländern. Die Gruppe beschäftigt weltweit ca. 10'000 Mitarbeitende und erzielte im Jahr 2005 einen Umsatz von 1.785 Mrd. EUR. Das seit 119 Jahren tätige Schweizer Unternehmen Büro-Fürrer wurde im Jahr 2005 durch Lyreco übernommen und in die internationale Lyreco-Gruppe aufgenommen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschliesslich auf die Schweizer Niederlassung von Lyreco.
Die Stärke von Lyreco ist ein modernes Outsourcing-Beschaffungskonzept für Geschäftskunden (B2B). Der Umsatz im Bereich Office Produkte betrug im Geschäftsjahr 2005 ca. 90 Mio. CHF. Lyreco hat 25'000 aktive Kunden, die pro Tag rund 3'000 Bestellungen tätigen, was einer Anzahl von ca. 12'000 Rüstpositionen entspricht. Die Verkaufsorganisation umfasst 30 Aussendienstmitarbeiter, 7 Corporate Account Manager und 25 Innendienstmitarbeiter.
Der Handel mit Büromaterial ist ein grundsätzlich gesättigter Markt mit zunehmendem Konsolidierungsdruck, wie die Übernahme von Büro-Fürrer durch Lyreco illustriert. Es handelt sich bei Büromaterialeinkauf um MRO-Procurement (Maintenance, Repair and Operations) mit einem Grossteil an Kleinstmengenabwicklung. Die Produktgruppe Büromaterial generiert sehr hohe Transaktionsvolumen bei den Bestellungen und den Rechnungen.
Lyreco hat 7'000 Lagerartikel für Bürobedarf bei einer Lieferbereitschaft von über 99 %. Die Bestellung kann bis 17 Uhr erfolgen, um bereits am nächsten Tag ausgeliefert werden zu können. Als Verpackung werden ökologische, wieder verwendbare Mehrwegboxen genutzt. Das Sortiment umfasst Büromaterial, Papier, IT-Verbrauchsmaterial, Drucksachen und Nespresso Kaffee. Der Hauptkatalog umfasst 500 Seiten. Auf Wunsch werden kundenindividuelle Kataloge angefertigt.
Lyreco zählt zu den ersten weltweiten Verteilern von Büromaterial, die sich auf Geschäftskunden ausgerichtet haben. Zielkunden sind alle Unternehmen mit mehr als 3 Büroarbeitsplätzen.
Unternehmensvision
Die Lyreco-Gruppe setzt sich zum Ziel „to be the reference that the business community turns to for office supplies solutions.” Die grosse Herausforderung in dieser Branche ist die seit über einem Jahrzehnt bestehende kundenseitige Verschiebung von einem zentralen Einkauf zu einer zunehmenden Dezentralisierung, bei dem Rahmenverträge aufgesetzt werden und verschiedene Mitarbeiter Kleinstmengen selbst bestellen. Anforderungen durch die Dezentralisierung sind Einfachheit des Bestellvorgangs, hohe Lieferbereitschaft, schnelle Lieferung und ständig verfügbare, aktuelle Daten.
Die sich daraus ergebende Vision des Unternehmens lautete:
Lyreco möchte mit seiner E-Commerce-Applikation dem Kunden die optimale Convenience im Bereich Büromaterialbestellung schaffen.
Stellenwert von Informatik und E-Business
Bereits vor dreizehn Jahren wurde ein Punkt-zu-Punkt-System eingeführt mit dessen Hilfe Kunden über eine Terminalemulation auf das AS/400-Bestellsystem zugreifen und dort Bestellungen tätigen konnten.
Vor acht Jahren antizipierte die Geschäftsleitung von Lyreco, dass auf absehbare Zeit das Bedürfnis an E-Commerce-Lösungen im B2B-Geschäft aufkommen würde. Man setzte sich zum Ziel, den Kunden auf dem Entwicklungsprozess in eine stärker Internet-gestützte Transaktionsabwicklung zu begleiten und unterstützend zu wirken. Die bereits im Einsatz befindliche Punkt-zu-Punkt-Verbindung auf Basis der Terminalemulation war aufwendig, da sie individuell vor Ort installiert werden musste. Für den Zugriff auf die Internet-Lösung sollte neu nur ein Standard-Webbrowser nötig sein, der in der Regel am Arbeitsplatz der entsprechenden Mitarbeiter bereits vorhanden ist. Ziel der E-Commerce-Lösung war die Bestellung durch den Kunden vom Schreibtisch aus [vgl. Schubert 2001]. Damit wurde der Kundenfokus noch stärker ins Zentrum gestellt.
2. Der Auslöser des Projekts
Ausgangslage und Anstoss für das Projekt
Der Grossteil der Kunden, die den elektronischen Bestellkanal nutzen, geben ihre Bestellungen über die Sell-Side-Lösung (den E-Shop) von Lyreco ein. Darüber hinaus gibt es ca. 70 Grosskunden, die spezifische Anforderungen an ihre Beschaffungslösungen haben. Kapitel 1.3 beschreibt das Vorgehen bei einer individuellen Anbindung an die E-Commerce-Lösung der Firma Lyreco am Beispiel des SAP Enterprise Buyer Professional (EBP). Diese Integrationsmöglichkeit ist heute bei diversen Lyreco-Kunden im Einsatz.
Vorstellung der Geschäftspartner
Die Firma Lyreco verfügt über einen hohen Grad an IT-Know-how. Dadurch kann sehr individuell auf Kundenbedürfnisse eingegangen werden. Lyreco kombiniert die Stärken eines Büromateriallieferanten mit denen eines IT-Service-Anbieters. An der Entwicklung der E-Commerce-Lösung waren neben Lyreco zusätzlich die Firmen Lawson und Novanet beteiligt.
ERP-Anbieter/bestehender Informatikpartner
Im Backend-Bereich setzt Lyreco das ERP-System „Movex“ der Firma Lawson ein. Die Movex AG wurde im Januar 1989 in Zug gegründet und später von Intentia Switzerland AG übernommen, die wiederum im Mai 2006 mit Lawson Software fusionierte. Die Schweizer Niederlassung von Lawson hat ihren Hauptsitz in Zug und beschäftigt ca. 100 Mitarbeiter.
Internet Agentur
Die Novanet Internet Consulting AG, Zürich, ist eine Internet Agentur, die sich auf Konzeption und Design von Datenbank gestützten Internetlösungen spezialisiert hat. Ihre Multimediadienstleistungen umfassen das Design und die Entwicklung von interaktiven Websites und E-Business-Systemen. Das Unternehmen verfügt über rund ein Jahrzehnt Erfahrung im Internet Business.
3. Direktanbindung unterschiedlicher Business Software
Geschäftssicht und Ziele
Die Lyreco-Aussendienstmitarbeiter und Corporate Account Manager informieren ihre Kunden in Beratungsgesprächen über die verschiedenen Möglichkeiten für elektronische Bestellabwicklung, darunter auch die individuelle Anbindung von Beschaffungslösungen (Buy-Side-Lösungen) an die E-Commerce-Lösung von Lyreco. Im Vordergrund steht die Optimierung der internen Prozesse des Kunden.
Im Falle der Einführung einer individuellen B2B-Anbindung finden im Vorfeld zunächst einige einmalige Tätigkeiten statt (gestrichelter Kasten in Abb. 1), wie z.B. die Beratung über die mögliche technische Umsetzung. Die gewünschte Leistung wird gemeinsam definiert. Der Rahmenvertrag enthält die geplanten Bezugsmengen und die individuellen Preise für diesen Kunden. Es ist möglich, im elektronischen Produktkatalog nur bestimmt Ausschnitte aus dem Gesamtproduktkatalog anzuzeigen. Die Berechtigungen der Mitarbeitenden werden im System hinterlegt. Dazu gehört auch die Speicherung der Kostenstellennummern der Bestellenden, was eine einfachere Zuordnung bei der Verrechnung ermöglicht.
Während der Bestellabwicklung [Beschaffung] (Abb. 1) zur Büromaterialbeschaffung nutzt der Einkäufer den Katalog auf der Lyreco-Plattform. Dem Bestellenden stehen umfangreiche Suchmöglichkeiten im für den Kunden individualisierten Produktkatalog zur Verfügung. Bei einer Direktanbindung ihrer Business Software Systeme erzielen sowohl Lyreco als auch der Kunde einen Nutzen. Lyreco reduziert den Aufwand für die Entgegennahme von Bestellungen, die Auftragsabwicklung und die Rechnungsstellung. Aufgrund des Aufwands für die Anwendung und die gesteigerte Convenience für den Kunden, wird eine hohe Kundenbindung erreicht. Für den Kunden liegen die Vorteile in der einfachen Bestellmöglichkeit über seine eigene, vertraute Umgebung (Buy-Side), wobei durch den dezentralen Zugriff auf die Applikation von Lyreco die Vorteile einer Sell-Side-Lösung (individuelle Preise und Verfügbarkeitsprüfungen) erhalten bleiben.
Abb. 1: Business Szenario
Die Bestellung wird gleichzeitig bei Lyreco und im Kundensystem erfasst womit die manuellen Erfassungen für spätere Auswertungen und Rechnungsbearbeitungen entfallen.
Prozesssicht
Abb. 2 zeigt einen exemplarischen Bestellprozess beim Kunden. Dabei wird davon ausgegangen, dass kundenseitig ein SAP-System angebunden wird.
Der Benutzer loggt sich in sein hausinternes SAP ein und wählt den gewünschten Lieferanten aus einer vorgegebenen Liste aus. Via OCI-Schnittstelle gelangt der Besteller ohne zusätzliches Login in den ausgewählten Onlineshop (Single-Sign-On), in diesem Fall in den Lyreco Shop. Das Anlegen des Warenkorbes erfolgt im E-Shop von Lyreco und wird nach Erfassung aller benötigten Artikel wieder ins SAP übernommen. Genehmigung und Kontierung erfolgen im SAP-Modul Enterprise Buyer Professional (EBP). Die Bestellung wird intern im SAP angelegt und als XML-Datei über den Business Connector an Lyreco übermittelt. Die Budgetverantwortung kann damit (bis zu einem zu bestimmenden Einkaufsbetrag) an die Bestellenden dezentralisiert werden. Die Abrechnung erfolg auf die entsprechenden hinterlegten Kostenstellen.
Überschreiten einzelne Bestellungen die eingetragenen Betragslimiten, wird ein Workflow für die Genehmigung eingeleitet (die Bestellung muss genehmigt oder abgelehnt werden). Erst mit der Genehmigung wird der Bestellprozess angestossen. Diese zusätzliche Barriere dient vor allem der Plausibilitätsprüfung und somit der Möglichkeit von Rückfragen und zur Fehlervermeidung.
Der Bezahlprozess [Rechnungseingang] wird erst angestossen, wenn die bestellte Ware geliefert, vom Besteller geprüft und im System bestätigt worden ist. Dies ist eine zusätzliche und wichtige Aufgabe, die dem Bedarfsträger (Besteller) zukommt. Entspricht die bestellte Ware dem Wareneingang, wird sie vom Besteller im SAP EPB gebucht. In der Praxis zeigte sich, dass die Wareneingänge vielfach von den Bestellern nicht im System eingegeben wurden obwohl die Lieferung korrekt erfolgte. Dadurch entstanden grosse Aufwände bei der Rechnungsprüfung und Zahlung. Die Problematik wurde so gelöst, dass bei Lieferungen mit einem Warenwert bis zu 300 CHF automatisch ein Wareneingang gebucht wird. Somit konnten 90 % aller manuellen Wareneingangsbuchungen automatisiert werden.
Die Rechnungsbuchung erfolgt automatisch durch die Wareneingangsbestätigung und führt zur periodischen Zahlungsfreigabe aller fälligen Rechnungen. Der Kunde kann sich auf der Lyreco-Plattform eine detaillierte Monatsrechnung anzeigen lassen und diese als CSV-Datei (Excel) herunterladen. Die Rechnungen können auch als XML-File elektronisch über die OCI-Schnittstelle direkt ins SAP-System übermittelt werden. So können Wareneingang und Rechnungseingang in SAP R/3 überwacht werden und die Rechnungsprüfung kann sich auf Stichproben beschränken. Lyreco verschickt zusätzlich Papierrechnungen, um die Mehrwertsteuerkonformität zu gewährleisten.
Abb. 2: Der Bestellprozess als Kooperation zwischen SAP EBP und dem Lyreco-E-Shop
Im Gegensatz zur reinen Nutzung der Sell-Side-Lösung, findet die Benutzerverwaltung im Fall der Anbindung des Enterprise Buyer Professional nicht bei Lyreco statt. Der Kunde administriert seine Benutzer selbst im eigenen SAP-System. Gleichzeitig wird aber auch der Nachteil von üblichen Buy-Side-Lösungen mit einem beim Kunden abgelegten Produktkatalog vermieden. Der Katalog ist im E-Shop bei Lyreco integriert und wird dort auch laufend aktualisiert. Die Aufgabenverteilung ist klar geregelt: Der Kunde unterhält sein eigenes System und Lyreco sorgt für den Unterhalt des Katalogs. Lyreco hostet und verwaltet den Onlineshop, der die Grundlage für den Produktkatalog ist.
Anwendungssicht
Die E-Commerce-Lösung von Lyreco umfasst einen stark individualisierbaren E-Shop (Sell-Side-Lösung). Wie in der Prozesssicht gezeigt, ist es eine besondere Stärke des Shops, dass neben dem Sell-Side-Angebot verschiedene B2B-Integrationen in Buy-Side-Lösungen grosser Kunden möglich sind. Damit integrierte Lyreco Kunden mit Desktop-Purchasing-Lösungen. Über 20 flexible Steuerfunktionen (Sortimentsberechtigung etc.) können individuell pro Mitarbeiter definiert werden. Informationen über Lagerbestand, individuelle Kundenpreise, Bestellstatus, Umsätze, Adressdaten etc. sind zu jeder Zeit verfügbar.
Abb. 3: Anwendungssicht
Kundenlogos und individuelle Informationen als Text oder PDF-Datei können in das Design der Lyreco-Applikation eingebettet werden, so dass es aussieht, als ob es sich um eine kundeneigene Applikation handelt. Geräteabhängiges Zubehör kann gesucht werden (z.B. nur die Tonerkartuschen, die zu einem ausgewählten Drucker passen). Kostenstellen können kundenspezifisch vorgegeben werden. Der Mehrwert für den Kunden besteht häufig in der Reduktion des Angebots und nicht in der Vielfalt. Die Sortimentbreite wird auf Unternehmensebene vorgegeben.
Der Transfer von Bestellungen, Sortimentsupdates, Kundenmutationen etc. zwischen den beiden Lyreco-internen Systemen, dem ERP-System und dem E-Shop, erfolgt vollautomatisiert. Movex wird intern zur Verwaltung und Eingabe von Bestellungen eingesetzt. Daneben gibt es weitere, selbstentwickelte Applikationen, die z.B. Funktionen wie Stammdatenverwaltung sowie Transfer von Stamm und Bewegungsdaten ausführen.
Technische Sicht
Als Betriebssystem wird serverseitig OS/400 eingesetzt – sowohl für das ERP als auch für den E-Shop. Die Daten sind in DB2/400-Datenbanken gespeichert.
Abb. 4: Technische Sicht
Neben den ERP-Daten von Movex (MVX-RDBM) wird auf iSeries 820 eine zusätzliche Datenbank verwaltet. In dieser Datenbank sind Bilder und Zusatzinformationen (Langtexte, Kundensortimente, Shop-Steuerungen) für den E-Shop gespeichert. Zwischen den Systemen findet ein regelmässiger Datenaustausch statt. Die im E-Shop eingehenden Bestelldaten werden nicht realtime in das ERP-System gespeichert, sondern fliessen in eine eigens dafür konzipiert Datenbank ein. Diese wird mehrmals stündlich mit dem Movex-System abgeglichen. Es wird keine Applikationslogik des ERP-Systems genutzt. Der E-Shop basiert auf net.data und Apache von IBM. Um die Systemsicherheit zu gewährleisten, befindet sich der E-Shop in einer demilitarisierten Zone (DMZ) und ist vom internen System getrennt (vgl. Abb. 4).
4. Projektabwicklung und Betrieb
Die E-Shop-Lösung ist seit Anfang 1999 operativ. Die folgenden Abschnitte erläutern den Entwicklungsprozess, die Softwarelösung und die Architektur des Gesamtsystems.
Projektmanagement und Changemanagement
Zu Beginn des ursprünglichen Internetprojekts gab es ein Dreiecksverhältnis in der Kooperation mit den Partnern. Dies erwies sich als umständlich. Die Projektorganisation wurde später geändert, so dass heute IBM Hauptansprechpartnerin ist und die Leistungen ihrer Partner koordiniert.
Entstehung und Roll-out der Software-Lösung
Das Grobkonzept des E-Shops, die Schnittstellen sowie das Datenbankdesign wurden von internen Mitarbeitern entwickelt. Die Programmierung des E-Shops auf Basis net.data wurde von der Novanet übernommen, die das nötige Internet-Know-how einbrachte. Der E-Shop basiert auf einer offenen Scriptsprache für DB2 (Net.Data). Die Scripts, die für den E-Shop entwickelt wurden, sind betriebssystemunabhängig. Sie sind sowohl unter RS6000, UNIX als auch unter OS/400 und Windows lauffähig.
Als der E-Shop bereits erfolgreich eingeführt war, wurde zusätzlich ein neues ERP-System (Movex) der Firma Lawson eingeführt. Die Schnittstellen zu Movex sind offen definiert, so dass beide Systeme optimal aufeinander abgestimmt werden konnten (vgl. Abb. 4). Die Informatikabteilung konzipierte und programmierte die Schnittstellen zwischen Movex und dem E-Shop.
Die sechs Mitarbeiter der Informatikabteilung unterhalten die Systeme und sichern den laufenden Betrieb. Das ERP-System Movex ist eine leicht angepasste Standardapplikation. Der E-Shop ist eine Individualsoftware und wurde speziell für Lyreco programmiert. Alle dazwischenliegenden Schnittstellen wurden von Lyreco selbst konzipiert und programmiert. Die Movex-Datenbanken sind offen beschrieben und können direkt auf Datenbankebene angesprochen werden. Schnittstellenhandling ist eine der Kernaufgaben der Informatik bei Lyreco. Die Visual Basic Applikationen für die Pflege der zusätzlichen Daten für den E-Shop wurden ebenfalls selbst programmiert. Die Batchverarbeitung ist in RPG/Cobol geschrieben.
Laufender Unterhalt
Der E-Shop wird von Lyreco selbst gehostet. Der Hardwaresupport wird durch IBM Schweiz gewährleistet. Der E-Shop wird von der Novanet unterstützt und bei Bedarf um zusätzliche Funktionalitäten erweitert. Probleme im laufenden Betrieb aller Systeme werden – soweit möglich – von Lyreco Mitarbeitenden selbst gelöst.
5. Erfahrung
Nutzerakzeptanz
Die Kunden von Lyreco wünschen neben guten Preisen auch gute Leistung. Ohne einen E-Shop wäre das Geschäft als Vollsortimenter in dieser Branche nicht mehr denkbar. Mitarbeiter wie auch Kunden profitieren von Zeiteinsparungen, die Lyreco in vermehrte Kundenberatung investiert. Die Aussendienstmitarbeitenden ergänzen die technische Umgebung als persönliche Berater vor Ort. Sie erkennen Kundenbedürfnisse, die in die kontinuierlichen Anpassungen einfliessen und dadurch zur erhöhten Benutzerakzeptanz beitragen.
Zielerreichung und bewirkte Veränderungen
In den letzten Jahren wurden eine Reihe unterschiedlicher Direktanbindungen an Procurement-Lösung von Kunden vorgenommen. OCI ist in diesen Projekten heute in der Regel die Standardschnittstelle. Beispiele für Softwarepakete auf Kundenseite sind der oben genannte SAP EBP, Ariba Punchout, Oracle Punchout und Conextrade. Die Erfahrung zeigt, dass das jeweils erste Implementierungsprojekt für eine solche Software aufwändig ist. Ab der zweiten Einführung kann man auf bereits entwickelte Module zurückgreifen und eine weitere Kundenanbindung ist eigentlich nur noch Customizing.
Veränderungen
Lyreco spart heute mindestens drei Tage Arbeit im Monat, da die Rechnungen nicht mehr speziell für die Kunden aufbereitet und auf CD gebrannt werden müssen. Diese interne Aufwandseinsparung wird vom Kunden sogar geschätzt, denn sie bewirkt zugleich erhöhten Kundennutzen (Customer Self Service). Der Kunde hat einen verbesserten Zugang zu Auswertungen und kann Rechnungen selbst einsehen und elektronisch in das eigene System einspielen. Beliebige Informationen zu getätigten Bestellungen können bis auf ein Jahr zurück abgerufen und lokal gespeichert werden. Lyreco bietet damit in der Schweiz einen in der Branche einzigartigen Service an.
Investitionen, Rentabilität und Kennzahlen
Über 70 % des Umsatzes pro Jahr (resp. über 30'000 Bestellungen pro Monat) werden heute über die E-Business Lösung automatisiert abgewickelt. Der Anteil der Einkäufe über Schnittstellen mit Direktanbindungen liegt bei rund 15 %. Für die Entwicklung des E-Shops sind von 1999 bis heute ca. 2.5 Millionen CHF an externen Kosten angefallen. Dieser Betrag beinhaltet Hardware-, Software- und laufende Kosten. Die Verantwortlichen gehen davon aus, dass noch einmal der gleiche Betrag an internen Kosten angefallen ist. Vor allem die Vermarktung war kostenintensiv.
Eine direkte Rentabilitätsrechnung für den Internetkanal ist schwierig. Der E-Shop ist ein Teil des operativen Geschäfts. Er war bei Lyreco in diesem Sinne kein neuer Vertriebskanal, sondern die Ablösung eines bereits bestehenden Punkt-zu-Punkt-Systems. Es wird davon ausgegangen, dass diese moderne Kundenschnittstelle wesentlich dazu beigetragen hat, dass man Kunden binden konnte bzw. sogar neue dazu gewonnen hat. Sowohl bei Lyreco als auch beim Kunden können so Prozesskosten gespart werden. Der E-Shop bildet heute einen wichtigen Teil des operativen Geschäfts und ist in diesem Sinne gar nicht mehr wegzudenken.
6. Erfolgsfaktoren
Der folgende Abschnitt listet die Faktoren auf, die hauptsächlich für den Erfolg der Internetlösung von Lyreco verantwortlich sind.
Spezialitäten der Lösung
Die E-Shop-Lösung wird vom ganzen Unternehmen und nicht nur von einem kleinen Spezialistenteam getragen. Auch die Sachbearbeiter identifizieren sich mit der Internetlösung. Call Center Mitarbeiter arbeiten auch gleichzeitig an der Hotline für die Unterstützung des E-Shops. Die Lösung ist nie eine Bedrohung für existierende Arbeitsplätze gewesen. Der elektronische Kanal ist historisch gewachsen. Auch die interne Informatik steht voll hinter der Internetlösung und war wesentlich an der Entwicklung beteiligt.
Darüber hinaus sind folgende Faktoren für den Erfolg verantwortlich:
- Hoher Grad an Individualisierung für den Kunden
- Verfügbarkeitsprüfung bei Bestelleingabe
- Leistungsstarker Aussendienst, Kundenschulungen vor Ort
- Verbesserte Prozesse: 80 % der Bestellungen laufen nach Abgleich mit den Plausibilitätskontrollen ohne manuellen Eingriff ins System
Eine Spezialität der Lösung ist die Anbindung an SAP EBP, Ariba und IBM Pro Inter. Dadurch werden vor allem Grosskunden optimal mit elektronischen Informationen bedient. Der E-Shop hat hinterlegte Kompatibilitätslisten, mit denen z.B. nur die passenden Accessoires zu einem Drucker angeboten werden. Das ERP-System kann dies nicht.
Darüber hinaus gibt es weitere Spezialitäten:
- Massgeschneiderte Einkaufslisten
- Individueller Shop (individuelle Kundenkataloge, individuelle Preise)
- Aktuelle Übersicht über Verfügbarkeit und Lieferstatus
- Automatisierte elektronische Abrechung (Download Rechnungsdaten)
Reflektion der „Prozessexzellenz“
Die USP der E-Commerce-Lösung von Lyreco ist die klare Ausrichtung auf 1:1-Beziehungen zu den Kunden. Die individuellen Bedürfnisse werden vom Aussendienst abgeklärt und dann kundenspezifisch implementiert. So wird, durch eine vollständige Ausrichtung auf die Organisations- und Prozessbedürfnisse des Kunden, ein hoher Individualisierungsgrad erreicht. Lyreco kombiniert die Leistungen eines Büromaterialanbieters mit denen eines IT-Serviceproviders – und löst damit Kundenprobleme aus einer Hand.
Durch die hohe Individualisierung der B2B-Integrationslösung kann beim Kunden ein durchgängiger, transparenter und systemkonformer Prozess von der Beschaffung bis hin zur Rechnungsprüfung geschaffen werden. Durch die integrierte Bestellabwicklung über das Internet ergibt sich in der Regel eine Reduktion der Durchlaufzeiten. Bei einem exemplarischen Kunden, der Firma Bühler, lag dies bei schätzungsweise 30 % [vgl. Möslein/Daxenberger 2002]. Durch die vom System vorgegebene Lieferantenauswahl erfolgt ein interner Bündelungseffekt, der von den einzelnen Bestellern nicht umgangen werden kann. Dieser Bündelungseffekt macht sich in der Regel auch durch höhere Bestellmengen bei Lyreco bemerkbar. Die Produktanzahl kann auf ein speziell ausgewähltes Kundensortiment reduziert werden.
Lessons Learned
Die Einführung von E-Commerce in der Form des E-Shops war keine revolutionäre Entwicklung. Das bereits seit Jahren vorhandene Punkt-zu-Punkt-System mit Hilfe von Terminalemulationen ist fliessend in das neue Internetsystem übergegangen.
Das Stellenprofil der Mitarbeiterinnen im Customer Service, die die Bestellungen per Telefon entgegennehmen, hat sich stark verändert. Die meisten Customer Service Mitarbeiterinnen sind ausgebildete Papeteristinnen, die heute über ein zusätzliches Internetwissen verfügen.
Eine Schwierigkeit der hohen Individualisierung ist das Management der Komplexität aufgrund der vielen unterschiedlichen elektronischen Schnittstellen. Der persönliche Kontakt mit dem Kunden nimmt bei Bestellungen über den Onlineshop ab. Die stetige Automatisierung hilft aber auf der anderen Seite, die Prozesse effizienter zu gestalten. So bleibt den Mitarbeitenden im Aussendienst und im Customer Service mehr Zeit für den persönlichen Kontakt mit den Kunden. Die Kundennähe bleibt trotz der gestiegenen Technologieabhängigkeit weiterhin der klare Fokus des Unternehmens.
Vorteile sind Aktualität der Informationen, individuelle Preise, Fehlerreduktion, Kostenreduktion und die effiziente Abwicklung des Bestellvorgangs (Outsourcing an den Kunden). Darüber hinaus hat die konsequente strategische Ausrichtung auf neue Technologien zu einer Art Aufbruchstimmung im Unternehmen geführt. Der E-Shop wirkt auf diese Weise als Motivator im Unternehmen.
Als bis heute richtige Strategie hat sich ergeben, dass das Informatik-Know-how im eigenen Unternehmen gehalten und nicht fremdvergeben wurde. Die Geschäftsleitung sieht dies auch im Nachhinein als grossen Vorteil an, da die internen Mitarbeiter die Branche und die Bedürfnisse der Kunden kennen.