Online-Kundenservice für die BKW FMB Energie AG

21. Dezember 2009



Die BKW FMB Energie AG (BKW) versorgt mehr als eine Million Menschen mit Strom. Zusammen mit 140 Energiepartnern führt BKW die Strommarke „1to1 energy“ als einheitliche Marke für private Haushalte und Geschäftskunden. Diese Fallstudie zeigt, wie die BKW gemeinsam mit dem Internetdienstleister Unic einen Online-Kundenservice für Privatkunden aufbaute, um über eine Einbindung des Kunden in die Prozesse der BKW die Kundenbindung zu steigern und gleichzeitig die Prozesse im Kundenservice zu rationalisieren. Ein herausragendes Merkmal der Lösung ist die Wiederverwendbarkeit für andere Stromversorger der Marke „1to 1 energy“.


1. BKW FMB Energie AG

Der Ursprung der Bernischen Kraftwerke geht auf die Gründung des Elektrizitätswerks Hagneck in Nidau/BE im Jahr 1898 zurück. Heute ist die BKW-Gruppe mit 3’496 Mio. Schweizer Franken Umsatz in 2008 eines der bedeutendsten Schweizer Energieunternehmen. Sie beschäftigt mehr als 2’700 Mitarbeitende und deckt alle Stufen der Energieversorgung ab: von der Produktion über den Transport und den Handel bis hin zum Vertrieb. Direkt und indirekt über Vertriebspartner versorgt die BKW FMB Energie AG (nachfolgend BKW genannt) mehr als eine Million Menschen mit Strom. Der BKW-Produktionspark umfasst mehrere Wasserkraftwerke, ein Kernkraftwerk, ein Gaskombikraftwerk und weitere Anlagen mit neuen erneuerbaren Energien.

Geografisch ist die BKW im Kanton Bern verankert, über Regionalvertretungen und Partnerschaften werden aber auch die Regionen Ostschweiz, Wallis, Solothurn und Liechtenstein abgedeckt. Ländergesellschaften in Deutschland und Italien gewährleisten darüber hinaus eine einfache internationale Zusammenarbeit im EU-Raum. Zusammen mit 140 Energiepartnern führt BKW die Strommarke „1to1 energy“ als einheitliche Marke für private Haushalte und Geschäftskunden.

„Zusammen mit über 140 Stromversorgern treten wir unter der Marke „1to1 energy“ auf,
die für einen partnerschaftlichen Dialog zwischen Stromanbieter und Kunden steht.
Olivier Fuchs

2. Kundenservice im Kontext der Strommarktliberalisierung

Mit dem Bundesratsbeschluss im November 2007 zum neuen Stromversorgungsgesetz wurden wichtige Elemente der Strommarktliberalisierung festgelegt, welche die BKW als Energieunternehmen stark betreffen.

Neben den rund 320‘000 Privatkunden bedient die BKW rund 20‘000 Geschäftskunden. Für die grösseren Geschäftskunden mit einem Stromverbrauch über 100 Megawattstunden ist die Liberalisierung bereits eingetreten: Sie können seit Anfang 2009 den Stromlieferanten frei wählen, wobei es bisher nur vereinzelt zu Anbieterwechseln kam. Einen stärkeren Wettbewerb im Strommarkt Schweiz wird es erst mit der Liberalisierung im lukrativeren Privatkundenmarkt geben, denn Privatkunden machen bei der BKW rund 40% des Umsatzes aus und stellen ein finanziell attraktives Kundensegment dar. Ab Januar 2014 werden Privatkunden (Hausanschlüsse) von der Entkoppelung von Stromerzeugung und Stromtransport profitieren: Beispielsweise kann ein Zürcher Privatkunde auch aus Bern Strom beziehen, wodurch die BKW einen Kunden gewinnen könnte.

Die absehbare Wahlfreiheit des Anbieters ist einer der Gründe, weshalb die BKW in den letzten Jahren in eine hohe Kundenzufriedenheit investiert hat. In Bern wird ein Kundenservicecenter für Privat- und Geschäftskunden betrieben, das pro Monat rund 120‘000 eingehende Anfragen via Telefon, Fax, E-Mail und Briefpost beantwortet. In Wettbewerben konnte das als Tochterunternehmen geführte Servicecenter Auszeichnungen für herausragende Servicequalität gewinnen. Zur Erzielung dieser Leistungen unterstützen Experten aus unterschiedlichen Themenfeldern die Callcenter-Agenten, woraus jedoch relativ hohe Kosten pro Kontakt resultieren.

„Die BKW ist bekannt für ihren herausragenden Kundenservice.
Mit unserem Online-Kundenservice möchten
wir wachsende Kundenansprüche erfüllen
und übertreffen.“
Olivier Fuchs


Die in den letzten Jahren stark zunehmende Inanspruchnahme des Telefon-Kundendienstes führte zu erheblichen Kostensteigerungen, weshalb die BKW nach neuen Lösungsansätzen suchte. Da bereits grosse Teile der Haushalte über einen Internetanschluss verfügen und zahlreiche Kundenservice-Anfragen teilweise standardisierbare Dienstleistungen beinhalten, wurde die Idee eines „Online-Kundenservices“ von einer Projektgruppe anfangs 2007 in Angriff genommen. Dabei wurden folgende Ziele formuliert:

  • Begrenzung des Kostenwachstums im Kundenservice durch eine Verlagerung von Geschäftsprozessen ins Internet (Channel-Switch)
  • Positive Effekte für Markenpositionierung, Marketing und Kommunikation, sowohl für die BKW als auch für die Marke „1to1 energy“
  • Sammeln von Erfahrungswerten für Marktbearbeitungsmassnahmen

3. Der Online-Kundenservice der BKW

Konzeptionelle Entwicklung des Online-Kundenservices
In die konzeptionellen Arbeiten wurden unterschiedliche Bedürfnisträger eingebunden: Neben den Kunden und den Mitarbeitenden des Kundenservicecenters auch Mitarbeitende der BKW, die sich gut mit den Wertschöpfungsprozessen der Firma auskennen. Hintergrund dieser Zusammensetzung war der Wunsch des internen Auftraggebers, nicht nur einzelne Arbeitsschritte des Kundenservices über eine Online-Plattform abzubilden, sondern vielmehr die Prozesse so zu gestalten, dass eine weitestgehende Automatisierung erreicht wird. Beispielsweise sollte die Registration für den Online-Kundenservice direkt mit der Kundennummer erfolgen. Nach Entwicklung verschiedener Ideen und eingehenden Machbarkeitsprüfungen wurden acht Dienstleistungen für das Online-Kundenservicecenter definiert:

Abb. 1: Dienstleistungen des Online-Kundenservicecenters



Abb. 1: Dienstleistungen des Online-Kundenservicecenters

Einige Dienstleistungen konnten vollautomatisiert werden und interagieren nun direkt mit den Backendsystemen der BKW, zum Beispiel die Einsicht in Rechnungen (Rechnungseinsicht) oder auch die Übersicht zum persönlichen Verbrauch (Verbrauchsübersicht). Andere Dienstleistungen erwiesen sich als nicht vollständig automatisierbar, da beispielsweise für Umzugsmeldungen eindeutige Kennungen für Haushalte erforderlich wären, die es in der Schweiz in dieser Form noch nicht gibt. Trotz verbleibenden manuellen Schritten trägt die Plattform dazu bei, Geschäftsprozesse der BKW zu vereinfachen – beispielweise indem die Daten aus den Online-Prozessen direkt Workflows in SAP anstossen, die dann ohne oder nur mit minimaler Dateneingabe durch BKW-Mitarbeiter schnell und zuverlässig und ohne Medienbrüche abgeschlossen werden können.

Maximale Wiederverwendung der technischen Lösung
Die technische Lösung wurde von der Unic AG und der BKW-internen IT so aufgebaut, dass der Online-Kundenservice nicht nur von der BKW, sondern grundsätzlich von allen Partnern der Marke „1to1 energy“ genutzt werden kann. Hierfür wurde zwischen der Präsentation (GUI Day Communiqué) und den involvierten Backendsystemen (u.a. SAP) der BKW eine Zwischenschicht (Business Logic) gelegt, in welcher die Geschäftslogik des Online-Kundenservices losgelöst vom Backendsystem umgesetzt wurde (vgl. Abbildung 2).

Abb. 2: Technischer Aufbau des Online-Kundenservicecenters


Abb. 2: Technischer Aufbau des Online-Kundenservicecenters

Der Zugang zum Online-Kundenservice erfolgt wahlweise über die Plattform „1to1 energy“ oder über die Website der BKW (vgl. Abbildung 3). Das Look & Feel des Online-Kundenservices entspricht der Marke „1to1 energy“; lediglich das Logo des verantwortlichen Stromversorgers wird zusätzlich angezeigt.

Abb. 3: Online-Kundenservice von 1to1 energy für Kunden der BKW


Abb. 3: Online-Kundenservice von "1to1 energy" für Kunden der BKW

Die gewählte Architektur und das Erscheinungsbild des Online-Kundenservices ermöglicht einen Roll-out der Lösung für andere Stromversorger von „1to1 energy“, da Business Logik und Erscheinungsbild für alle Partnerunternehmen identisch sind.


4. Einsparungen von Kosten und mehr Nähe zum Kunden

Die Aufschaltung des Online-Kundenservices Ende Februar 2009 wurde von verschiedenen Kommunikationsmassnahmen begleitet: Privatkunden der BKW erhielten eine Informationsbroschüre von „1to1 energy“ mit der Aufforderung zur Online-Registration, der einige tausend Kunden Folge leisteten; auf den Websites von BKW sowie „1to1 energy“ wurde auf die neuen Dienstleistungen hingewiesen und in einem Wettbewerb wurde ein E-Bike sowie ein iPhone unter den Teilnehmern verlost. Die Einführung lief reibungslos; befürchtete Mehrbelastungen des Callcenters aufgrund der neuen Dienstleistungen blieben aus.

Die Online-Dienstleistungen ermöglichen einem registrierten Kunden, einen besseren Überblick zu seinem Stromverbrauch zu gewinnen und konkrete Massnahmen zu ergreifen, um Strom zu sparen oder mittels Ökostrom einen Beitrag an die Stromgewinnung mit erneuerbaren Energien zu leisten. Die BKW stärkt so ihre Position als kompetenter Partner der Privatkunden. Zudem bindet der von der BKW aufgebaute „Customer Self Service“ die Kunden gut in die eigenen Geschäftsprozesse ein und bietet eine Plattform zur Entwicklung zukünftiger Dienstleistungen.

Zwischen April und Ende Juli 2009 registrierten sich rund 7‘000 Kunden für den Online-Kundenservice und reduzierten durch „Self Service“ die persönlich bearbeiteten Anfragen im Kundenservicecenter signifikant. Während einige Dienstleistungen wie erwähnt vollautomatisiert erfolgen, führen andere Dienste wie Umzugsmeldungen zu einer Nachbearbeitung im Kundenservice, deren Bearbeitungskosten jedoch deutlich unter denen einer telefonischen oder brieflichen Bearbeitung liegen.

Für eine Return-on-Investment-Betrachtung sind diese Kosteneinsparungen ein zentraler Aspekt. Weitere Aspekte sind die (noch geringfügigen) Mehreinnahmen durch den Online-Vertrieb von Ökostrom sowie qualitative Aspekte wie verbesserter Kundenservice und Positionierungseffekte. Im Hinblick auf das gesteckte Ziel von 8% aller BKW-Privatkunden (rund 25‘600), die den Online-Kundenservice in Anspruch nehmen, liegt die BKW mit 12‘000 Benutzern im ersten Jahr auf Kurs.

Auch andere Ziele wie die Gewinnung von Erfahrungen aus der Online-Kommunikation mit Kunden wurden bereits erreicht: So wird zur systematischen Verbesserung mit Web Analytics gearbeitet. Die dabei aus dem Benutzerverhalten gewonnenen Informationen werden zu Kennzahlen verdichtet und unterstützen massgeblich die Auswahl von Verbesserungsmassnahmen im Rahmen der quartalsweise durchgeführten Qualitätszirkel.
Die Durchführung des Projektes zum Aufbau der Lösung erwies sich als anspruchsvoll. Neben der technisch komplexen Einbindung von Backendsystemen waren zahlreiche externe und interne Projektteilnehmer zu koordinieren.


5. Weiterentwicklung

Aufgrund der gesetzlichen Übergangsfrist vom geschützten Markt hin zu einem weitgehend liberalisierten Wettbewerb um Privatkunden wird sich der Wettbewerb zwischen den Stromversorgern in den nächsten Jahren noch in Schranken halten. In weniger als fünf Jahren sind jedoch alle Schweizer Haushalte völlig frei in ihrer Wahl des Stromanbieters, sofern kein Referendum ergriffen wird und sich das Volk gegen die Strommarktliberalisierung ausspricht.

Die BKW ist überzeugt, dass diese Entwicklung dazu führen wird, dass einerseits neue Anbieter und Produkte entwickelt werden und andererseits das Internet mit den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Online-Marketing und E-Commerce einen wesentlichen Beitrag zur Marktbearbeitung leisten wird. Beobachtungen in liberalisierten Strommärkten wie beispielsweise in Deutschland zeigen, dass Stromanbieter neue Marken und Produkte einführen, um sich möglichst gut im Wettbewerb differenzieren zu können. Denkbar ist, dass manche Produkte ausschliesslich online erhältlich sind, inklusive einem nur online verfügbaren Kundenservice. Solchen Entwicklungen greift die BKW mit der geschaffenen Plattform ein Stück weit vor und die Lösung bietet Raum für Weiterentwicklungen. Mit dem Online-Kundenservice sammelt die BKW verschiedenartige Erfahrungen im E-Business, um zukünftige Marktbearbeitungsmassnahmen möglichst nah an den Bedürfnissen der Kunden ausrichten zu können.

„Das Projekt war eine Herausforderung, doch die Mühe hat sich gelohnt. Im Bereich Online-Kundenservice haben wir unter den Schweizer Energieversorgern eine Vorreiterrolle eingenommen.“
Olivier Fuchs


Der gegenwärtige Schwerpunkt des E-Channels liegt auf einer weiteren Steigerung der Nutzungszahlen des Online-Kundenservices durch kommunikative Massnahmen.


Betreiber der Lösung

BKW FMB Energie AG
Olivier Fuchs, Leiter E-Channel
Branche: Energie- und Wasserversorgung, Energieversorgung
Unternehmensgrösse: GrossunternehmenBKW FMB Energie AG

Lösungspartner

Gerrit Taaks, Head of Consulting/Partner
Unic AG

Autoren der Fallstudie

Norman Briner
Sieber & Partners

21. Dezember 2009
Nicole Scheidegger; Norman Briner; Dilip Vimalassery; Dominik Guggisberg; Pascal Sieber; Marc André Hahn; Rudolf Meyer; Alfred Bertschinger; Jürg Habermayr; Gerrit Taaks (2009): Die Organisation des E-Business IX. Innovation: Fallstudien über die Bedeutung der Informatik und Telekommunikation zur Steigerung der Innovationskraft von Organisationen. Dr. Pascal Sieber & Partners AG; Bern. ISBN 978-3-7272-1345-8

Zu dieser Fallstudie sind keine Anhänge verfügbar.
2048
bkwenergie-unic
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/2048-bkwenergie-unic
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