Sonax: Business Collaboration mit Schnittstellen im ERP-System

29. August 2007



Im Jahr 1998 waren die gesamten Logistikdienstleistungen der Firma Sonax outgesourct worden. Im Zuge dieses Projekts war eine Schnittstelle zwischen dem ERP-System bei Sonax und dem Lagerverwaltungssystem beim Logistikdienstleister Loxxess geschaffen worden, die diese umfassende Business Collaboration technisch unterstützte. Einige Zeit später bestand die Notwendigkeit, das bestehende ERP-System durch ein neues zu ersetzen. Dies stellte Sonax und deren IT-Dienstleister vor die Herausforderung, nicht nur die unternehmensinternen Prozesse im neuen ERP-System abzubilden, sondern ebenso die Schnittstelle zu Loxxess aufmerksam in den Prozess des Customizing und der Einführung der neuen Lösung mit einzubeziehen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang die Umstellung im Rahmen eines „exzellenten Big Bang“ und stellte so den unterbrechungsfreien Betrieb bei Sonax sicher.


1. Das Unternehmen

Die Sonax GmbH und Co. KG und die Hoffmann Mineral GmbH & Co. KG bilden gemeinsam die virtuelle Holding Unternehmensgruppe Hoffmann.

Sonax Deutschland wiederum hat drei Tochtergesellschaften. Die Sonax Österreich, die Sonax CarCare in den Niederlanden sowie die DuroDruck GmbH direkt in Neuburg.
Unter dem Dach der Unternehmensgruppe Hoffmann arbeiten 450 Mitarbeitende, die 2006 gemeinsam einen Nettoumsatz von 90 Mio. Euro erzielten.

Der Hauptstandort der Unternehmensgruppe befindet sich in Neuburg an der Donau in zentraler, inzwischen innerstädtischer Lage. An diesem Standort finden Produktentwicklung und Produktion statt.

Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe
Die Sonax GmbH und Co. KG versteht sich als innovatives Unternehmen, das chemische Produkte und Dienstleistungen rund um die Fahrzeugpflege herstellt und vermarktet. Das Produktportfolio umfasst dabei 1'500 Produkte, mit 250 Rezepturen hergestellt.

Der Schwerpunkt liegt im Vertrieb von Produkten aus eigener Herstellung, lediglich 5 % des Umsatzes werden mit Handelswaren erzielt. Der Vollsortimenter bietet alle Produkte an, die zur Reinigung und Pflege von Fahrzeugen gebraucht werden. Dazu gehören Shampoos, Polituren, Lackstifte, Cockpitsprays und Felgenreiniger.

Aufgrund der chemischen Bestandteile unterliegt ein Teil des Produktsortimentes dabei bestimmten Auflagen bzgl. Lagerung, Transport etc., da diese unter die Gefahrgutverordnung fallen.

Innerhalb Deutschlands versteht sich Sonax als Marktführer, allerdings sorgt das Jahr für Jahr sinkende Marktvolumen für einen grossen Verdrängungswettbewerb.

Neben Deutschland vertreibt Sonax seine Produkte international in 65 Ländern. In Europa ist Sonax unter den Top5-Herstellern von Autopflegemitteln positioniert. Hier zeichnet sich der Markt oftmals durch einzelne Länderchampions aus (wie Sonax in Deutschland). Weitere Wettbewerber sind bspw. in Deutschland Dr. Wack, Interunion mit den Marken ArmorAll und Nigrin und Wigo mit Caramba sowie international MacBrite, Valma oder Turtle.

Die Positionierung am Markt erfolgt, analog zum Selbstverständnis, durch die Kommunikation von innovativen und starken Marken und den Vertrieb von neuartigen, qualitativ hochwertigen Produkten. Eine beispielhafte Umsetzung für diesen Innovationsanspruch ist der Einsatz neuartiger Nanotechnologie in einer Vielzahl von Produkten, bspw. um einen erhöhten Schutz des Autolackes zu erreichen. Entsprechend dieser Ansprüche und Technologien sind die Produkte preislich im Premiumsegment angesiedelt. Unterstützt wird diese Markenbildung durch aktives Sponsoring im Motorsport, z.B. in der Formel 1 oder der Deutschen Tourenwagenmeisterschaft.

Sonax vertreibt ihre Produkte über eine mehrstufige Vertriebskette. Der Fokus liegt auf dem Vertrieb im Bereich B2B, d.h. die Produkte werden primär an den Handel, Automobilhersteller, teilweise Zwischenhändler (bspw. Lekkerland als Grosshändler für Tankstellen) und nur bedingt direkt an Autowerkstätten geliefert. Ein Direktvertrieb an Endkunden findet in keinem nennenswerten Umfang statt. Der internationale Vertrieb wird dabei über einen Generalimporteur für jedes Land organisiert, der unternehmensintern wie ein normaler Kunde behandelt wird.

Unternehmensvision
In Anbetracht der Marktsituation in Deutschland sieht sich das Unternehmen in einem ständigen Verdrängungswettbewerb auf bestehenden Märkten, insbesondere dem deutschen Markt. Die Erschliessung von Marktpotenzialen im weltweiten Kontext, sowie die gleichzeitige Exploration von neuen Produkten stellen dabei die grundlegenden strategischen Ziele des Unternehmens dar.

Stellenwert von Informatik und E-Business
Insgesamt 60 % der EDV-gestützten Arbeit innerhalb von Sonax erfolgt durch Nutzung der ERP-Software Semiramis. Zählt man die weiteren, im Unternehmen eingesetzten Softwaresysteme im Umfeld von Semiramis wie CRM, Projektmanagement, Wartung und Instandhaltung, Reklamationsmanagement und Planung und Controlling hinzu, werden heute 80 % aller Aufgaben durch diese Softwareumgebung unterstützt. Der restliche Anteil von IT-gestützter Arbeit im Unternehmen entfällt auf die Office-Anwendungen von Microsoft.
Die Bestellabwicklung erfolgt heute über Telefon, Fax, E-Mail und EDI.

Die vollständige Integration des ERP-Systems Semiramis in den Bestellprozess ist angedacht und kann mit Semiramis 4.5, das für 2009 von der SoftM angekündigt ist, umgesetzt werden.


2. Der Auslöser des Projekts

Bereits 1998 war die gesamte Logistik an den Logistikdienstleister Loxxess ausgelagert worden. Mangelnde Lagerkapazitäten und schwierige Rahmenbedingungen für eine Erweiterung des Lagers (u.a. Lagerung von Gefahrgütern in innerstädtischer Lage) führten zum damaligen Zeitpunkt zu der Entscheidung, die Logistik nicht weiter als unternehmensinterne Leistung fortzuführen. Eine Herausforderung bestand damals bereits in der Anbindung des ERP-Systems Diaprod an das Logistiksystem von Loxxess, um eine transparente Darstellung der einzelnen Prozesse, wie Bestellung und Auslieferung zu ermöglichen. Der damalige Hersteller der Software, AII Informatics (inzwischen Teil der Siemens Business Services), realisierte im Zuge des Outsourcings eine entsprechende Schnittstelle.

Ausgangslage und Anstoss für das Projekt
Die Ankündigung, dass im Jahr 2006 der Support und die Pflege der ERP-Software Diaprod und ebenso der Hardware HP 3000 (auf der die ERP-Software betrieben wurde) eingestellt werden würde, führte im Jahr 2004 in Zusammenarbeit mit IBM zur Evaluation einer neuen Lösung. Ausgehend von 18 verschiedenen ERP-Lösungen, die anfangs in Betracht gezogen wurden, fiel am 21. September 2004 die Entscheidung, Semiramis als neues ERP-System unternehmensweit einzuführen.

Vorstellung der Geschäftspartner
Anbieter von Business Software, Implementierungspartner
Die KTW Software und Consulting begleitete den Prozess der Semiramis-Einführung. Der Schwerpunkt der Tätigkeit von KTW liegt in der Beratung und Implementierung von ERP-Software mit einem Fokus auf mittelständische Betriebe, sowohl für Handel, Fertigung als auch Industrie. Die Anbindung an die bestehende Logistik-Software von Loxxess war eine zentrale Aufgabe von KTW im Rahmen der Semiramis-Einführung.

Geschäftspartner
Bereits im Jahr 1998 fiel die Entscheidung, die vollständige Logistik im Rahmen eines Outsourcings an den Dienstleister Loxxess auszulagern. Die Loxxess AG ist ein Anbieter vielfältiger Warehouse- und Logistikdienstleistungen, die die Lieferkette zwischen Hersteller und Händler verbinden. Die Zusammenarbeit mit der Sonax umfasst dabei nicht nur den Transport der Waren vom Produktionsstandort in Neuburg a.d. Donau zum Distributionslager der Loxxess AG (ebenfalls in Neuburg), sondern ebenso die Koordination und Organisation der verschiedenen Speditionsdienstleistungen und Abwicklung der jeweiligen administrativen Prozesse (bspw. bei grenzübergreifendem Handel) bis hin zum vollständigen, physischen Umschlag der Handelswaren von Sonax.

Die Schnittstelle zur Integration der Logistiksoftware mit der zu dem Zeitpunkt im Einsatz befindlichen ERP-Software Diaprod, wurde ebenfalls im Rahmen dieses Outsourcing-Projektes realisiert.


3. Unternehmensübergreifende Integration der Systeme

Die Neueinführung des ERP-Systems Semiramis erforderte nicht nur die unternehmensinterne Analyse und Anpassung von Softwarelandschaft und internen Prozessen, sondern ebenso die Anbindung an unternehmensübergreifende Prozesse, was ein wichtiger Faktor im Rahmen dieser Implementierung war.

Das vollständige Outsourcing der Logistik, und damit unternehmenskritischer Prozesse wie z.B. der Versand an den Dienstleister Loxxess im Jahre 1998, stellte entsprechend umfangreiche Herausforderungen an den Prozess der Evaluation, Auswahl und Einführung einer neuen ERP-Lösung, die im Folgenden thematisiert werden.

Geschäftssicht und Ziele
Ein Ziel bei der Einführung von Semiramis war es zunächst, den gleichen Funktionsumfang zu erreichen, der unter Diaprod bereits realisiert worden war. Die Schnittstelle zum Logistikdienstleister Loxxess stellte dabei einen wichtigen Teil des Projektes dar, um die Vertriebsprozesse auf unternehmensübergreifender Ebene sicherzustellen. Erst in einem zweiten Schritt war der Fokus, diesen Status quo noch auszuweiten und weitere Kollaborationspotenziale auszuschöpfen.
Die Anbindung von Semiramis an das Lagerverwaltungssystem von Loxxess umfasst dabei folgende Hauptprozesse und -funktionalitäten:

  • Auftragsabwicklung: Kommissionierung und Versand durch den Logistikdienstleister (vgl. Abb. 1)
  • Umlagerung der produzierten Fertigware zum Logistikdienstleister (via Shuttle-LKW) (vgl. Abb. 2)
  • Lieferung der zugekauften Handelsware direkt an den Logistikdienstleister (vgl. Abb. 3)
  • Bestandsabgleich von Semiramis und Logistiksystem
  • Update und Pflege der Stammdaten
  • Suche und Analyse von Fehlern (Loxxess Cockpit Informationsportal)


[Integration] Die ersten drei Prozesse sind in den folgenden Abbildungen schematisch visualisiert.
Eingehende Kundenaufträge werden bei Sonax vornehmlich per Telefon, Fax, E-Mail oder EDI entgegengenommen und in das Modul Vertrieb von Semiramis eingepflegt (vgl. Abb. 1). Auf Basis dieses Auftrags erfolgt eine Lieferzuteilung für den Versand der Produkte an den jeweiligen Kunden. Nach Übergabe der Daten an das Modul Lagerhaltung/Logistik wird auf der Grundlage der dort vorhandenen Lagerdaten (das eigentliche Lager befindet sich bei Loxxess) der Auftrag disponiert (Grundlage für die Kommissionierung). Im Batch-Betrieb (4- bis 5-mal pro Tag) werden die Daten über eine Schnittstelle an das LVS von Loxxess gesendet, die intern den Versand, beispielsweise die Zuteilung der Spediteure etc., vorbereitet und ihrerseits die Kommissionierung durchführt.

Ausgehend von der Loxxess-seitigen Kommissionierung, deren Daten in Echtzeit an Sonax übermittelt werden, wird in Semiramis ein Lieferschein erstellt, der auf einem Drucker bei Loxxess ausgedruckt wird. Kleinere Lieferungen (1 bis 10 Positionen) werden so, entsprechende Warenverfügbarkeit vorausgesetzt, innerhalb eines Tages ausgeliefert. Insgesamt werden auf diese Weise täglich ca. 260 Bestellungen abgewickelt.

Abb. 1: Auftragsabwicklung bei Sonax: Kommissionierung durch Logistikpartner


Abb. 1: Auftragsabwicklung bei Sonax: Kommissionierung durch Logistikpartner

Neben der Auftragsabwicklung stellt die Umlagerung der Fertigwaren zu Loxxess ein gutes Beispiel für die Nutzung und Bedeutung der Schnittstelle zwischen Semiramis und dem LVS von Loxxess dar (vgl. Abb. 2). Einmal in der Woche werden die Planproduktionsdaten von Sonax an Loxxess übermittelt, um eine entsprechende Planung der Lagerkapazitäten zu ermöglichen.

Abb. 2: Umlagerung produzierte Fertigware zum Logistikdienstleister


Abb. 2: Umlagerung produzierte Fertigware zum Logistikdienstleister

[Logistik] Aufgrund mangelnder Lagerkapazitäten werden die bei Sonax produzierten Fertigwaren umgehend auf den dort wartenden Sattelanhänger (den sog. Shuttle LKW) geladen. Nach Fertigstellung der Beladung werden die Transportpapiere ausgedruckt, die nach wie vor in Papierform für den Transport im LKW erforderlich sind. Gleichzeitig erfolgt die Meldung der entsprechenden Logistikdaten an Loxxess und im ERP-System erfolgt eine interne Umbuchung auf den „virtuellen LKW“ (eine Art Zwischenlager). Erst nach Ankunft der Waren bei Loxxess werden diese in das dort vorhandene LVS eingebucht und vor dem späteren Hochregalplatz zwischengelagert. Nachdem die Einlagerung in das Hochregallager vorgenommen wurde, wird der Empfang gegenüber Sonax bestätigt, die wiederum intern die Umbuchung von „virtuellem LKW“ auf „im Loxxess-Lager“ vornimmt.

Abb. 3: Lieferung eingekaufte Handelsware direkt an den Logistikdienstleister


Abb. 3: Lieferung eingekaufte Handelsware direkt an den Logistikdienstleister

[Beschaffung] Der Einkauf von Handelswaren dient als drittes Beispiel für aktive Business Collaboration über die elektronische Schnittstelle zwischen dem LVS bei Loxxess und dem ERP-System Semiramis (vgl. Abb. 3). Das Besondere an diesem Prozess ist, dass die Waren physisch nicht am Sonax-Standort (zwischen-)gelagert, sondern direkt vom jeweiligen Hersteller zu Loxxess geliefert werden. Die Grundlage für die Planung der Lagerkapazitäten stellt wiederum die wöchentliche Meldung der Plandaten von Sonax an Loxxess dar.
Die notwendigen Logistikdaten der einzelnen Bestellungen werden über die Schnittstelle an Loxxess übermittelt. Nachdem dort der physische Wareneingang verzeichnet worden ist, wird der Lieferschein und evtl. eine Probe der Waren für die Qualitätssicherung an Sonax übermittelt. Nach erfolgreichem Durchlaufen der QS werden die QS-Ergebnisse an Loxxess per Fax übermittelt. Zusätzlich werden die Daten für die Buchung des Wareneinganges elektronisch gesendet. Daran anschliessend ist der Prozess analog zum Szenario „Umlagerung von Fertigwaren zum Logistikdienstleister“ (vgl. Abb. 2).

Neben den hier dargestellten Prozessen werden weitere Daten über die Schnittstelle ausgetauscht, so dass das gesamte Kommunikationsvolumen für einen dreimonatigen Zeitraum ca. 500'000 Nachrichten umfasst.

Prozesssicht
Die Ausführungen zur Geschäftssicht im vorangegangenen Kapitel machen die tiefe Integration des Logistikdienstleisters Loxxess sowohl in die Vertriebs-, als auch in die Produktionsaktivitäten (indem auch die Lagerung der Fertigwaren an Loxxess ausgelagert worden ist) von Sonax deutlich. Die Prozessabbildung in Abb. 4 illustriert den zentralen Prozess dieser Business Collaboration und zeigt, welche Komplexität durch diese unternehmensübergreifende Integration entsteht. Für diese enge Zusammenarbeit müssen sowohl verschiedene beteiligte, organisatorische Einheiten als auch unterschiedliche Informationssysteme miteinander koordiniert werden. Die gesamte Kommunikation zwischen Semiramis und dem LVS bei Loxxess im Rahmen dieses Business-Collaboration-Prozesses erfolgt dabei elektronisch.

Abb. 4: Prozesssicht: Abwicklung Bestellung zwischen Sonax und Loxxess


Abb. 4: Prozesssicht: Abwicklung Bestellung zwischen Sonax und Loxxess

[Auftrag] Die per FAX, EDI, E-Mail oder Telefon eingehenden Kundenaufträge werden bei Sonax manuell (EDI-Aufträge werden automatisch eingelesen) in das Vertriebsmodul von Semiramis eingepflegt. Unter Berücksichtigung des aktuellen Lagerbestandes (der sich physisch bei Loxxess befindet) und der allgemeinen Daten des Kunden (bspw. Bonität etc.), wird im Modul Lagerhaltung und Logistik von einem weiteren Mitarbeiter eine Lieferzuteilung angewiesen (erfolgt automatisch durch einen Verarbeitungsauftrag). Die jeweiligen Plandaten für die Kommissionierung werden 4- bis 5-mal täglich über die entsprechende Schnittstelle vollautomatisiert in Form von elektronischen Nachrichten (sog. Telegrammen; Erklärung siehe nächstes Kapitel) an Loxxess übermittelt, wo vom Lagerverwaltungssystem die interne Optimierung der einzelnen Lieferungen vorgenommen wird und bspw. diese den einzelnen Speditionen etc. zugeordnet werden. Sobald dort in der Folge die konkrete Kommissionierung der jeweiligen Aufträge stattgefunden hat, wird in Echtzeit die Bestätigung der Einzelaufträge an Sonax zurückübermittelt. Auf Basis dieser Bestätigung wird der Lieferschein vom Semiramis-System erstellt und bei Loxxess ausgedruckt, um eine physische Beilage zum jeweiligen Auftrag zu erhalten.

Anwendungssicht
Das ERPII-System Semiramis 4.2 basiert vollständig auf Java. Innerhalb von Sonax ist eine Vielzahl verschiedener Module von Semiramis im Einsatz. Relevant für die hier betrachteten Prozesse sind dabei insbesondere die Funktionen Auftragsbearbeitung, Produktionsplanung, Einkauf und Lagerführung, da diese die aktive Integration der Systeme von Sonax und Loxxess erfordern.

Die hier fokussierte Schnittstelle basiert, ebenso wie die gesamte Semiramis Software ebenfalls auf Java und realisiert die Kommunikation mit der Loxxess-Schnittstelle beim Logistikdienstleister. Die grundlegende Funktionalität der dortigen Schnittstelle ist bereits im Rahmen des Outsourcingprozesses 1998 entstanden, ebenfalls javabasiert (siehe nachstehende Abbildung).

Abb. 5: Schnittstellen zwischen Semiramis und LVS bei Loxxess


Abb. 5: Schnittstellen zwischen Semiramis und LVS bei Loxxess

Auf der Seite von Sonax wird die gesamte Kommunikation [Datenaustausch] mit dem LVS bei Loxxess über eine Schnittstelle abgewickelt. Diese kapselt die Konvertierung aller Semiramis-Daten in die jeweiligen Telegramme. Diese Textdateien, die nach einem bestimmten Muster aufgebaut sind, werden im folgenden Abschnitt näher beschrieben. Das für die Semiramis-Schnittstelle verwendete Format wurde von der vorherigen Diaprod-Schnittstelle übernommen. Dabei handelt es sich nicht um ein Standardformat, sondern um eine proprietäre Lösung, die speziell für Sonax und Loxxess in dem ursprünglichen Outsourcing-Projekt 1998 entwickelt wurde.

Grundsätzlich gibt es drei Arten von Telegrammen:

  1. Telegramm von Semiramis an Loxxess, das eine Rückmeldung mit direktem Bezug erwartet (Einlagerung, Auslagerung etc.).
  2. Telegramm von Semiramis an Loxxess, das keine Rückmeldung erwartet (bspw. Update von Artikelstammdaten etc.).
  3. Telegramm von Loxxess an Semiramis, das keinen direkten Bezug auf vorher gesendete Nachrichten hat (z.B. Bestandskorrektur etc.).


Die Nachrichten sind aus zwei Teilen aufgebaut: Einem Kopfteil und einem Positionsteil. Der Kopfteil (Länge 50 Bytes) ist unabhängig von der Art der jeweiligen Nachricht (Art der Nachricht = Telegrammtyp), sondern enthält die Metainformationen wie Telegrammtyp, laufende Nummer, Datum etc. Daran anschliessend folgt der Positionsteil, der spezifisch für den jeweiligen Telegrammtypen ist. Insgesamt gibt es 38 verschiedene Telegrammtypen, die nach Verwendungszweck in die drei Gruppen

  1. Einlagerung
  2. Auslagerungen
  3. Umlagerung, Stammsatz etc.

unterschieden werden können. Abhängig von den jeweiligen Typen werden in den Positionsteilen unterschiedliche Felder verwendet. Nachdem alle Felder des jeweiligen Telegramms mit Daten gefüllt sind, werden sie zum Versand immer auf die Länge von 1000 Bytes vereinheitlicht.

Angestossen werden kann die Kommunikation dabei sowohl von Sonax (Senden von Telegrammen), als auch von Loxxess (aus der Perspektive von Sonax entsprechend Nachrichtenempfang). Ungefähr 2/3 der Nachrichtenaufkommens wird von Sonax initiiert und 1/3 von Loxxess, wobei in einem dreimonatigen Zeitraum etwa 500'000 Telegramme behandelt werden. Sowohl die Anzahl der Nachrichten als auch die schon im Vorherigen beschriebenen Prozesse verdeutlichen dabei ein weiteres Mal die Bedeutung der elektronischen Schnittstelle für Sonax. Die Fachbereiche von Sonax sehen einen Schnittstellenausfall von einem Tag bereits als unternehmenskritisch an.

Technische Sicht
Die Anwendungsumgebung bei Sonax folgt der klassischen 3-Schichten-Architektur. Die Datenhaltung wird von einem Oracle-Datenbankcluster übernommen, die ERP-Funktionalität wird von dem Semiramis-Cluster bereitgestellt und der Zugriff durch die einzelnen Mitarbeitenden findet intern über Client-Anwendungen statt, die auf Microsoft Windows basierten PCs laufen.

Zu unterscheiden ist die interne Aufteilung innerhalb von Sonax und die externe Anbindung des Logistikdienstleisters Loxxess. Intern gib es auf der einen Seite das Rechenzentrum mit einer Lampertz-Hochsicherheitszelle und auf der anderen Seite die einzelnen Netzwerksegmenten für die jeweiligen Arbeitsgruppen (bspw. Vertrieb etc.). Die interne Anbindung wird dabei über eine Glasfaseranbindung realisiert.

Abb. 6: Technische Umsetzung der Integration von Semiramis


Abb. 6: Technische Umsetzung der Integration von Semiramis

Die Kommunikation mit externen Systemen, wie bspw. dem Lagerverwaltungssystem von Loxxess, erfolgt über eine VPN-Verbindung, die bei Ausfall durch eine ISDN-Leitung ersetzt wird. Weitere Massnahmen zur Authentifizierung, wie bspw. ein zusätzliches Login oder eine Verwendung von Zertifikaten ist nicht vorgesehen.

Die Datenübertragung zwischen dem Loxxess-LVS und dem Semiramis-System basiert auf einfachen TCP/IP-Socketverbindungen. Über proprietäre Protokolle wird der Austausch von Nachrichten, den sogenannten Telegrammen, geregelt.


4. Projektablauf und Betrieb

Investitionsentscheidung
Die Notwendigkeit der Einführung eines neuen ERP-Systems war in der Ankündigung begründet, dass die ursprünglich verwendete ERP-Lösung Diaprod ab dem Jahr 2006 nicht weiter gepflegt werden würde. In einer Voruntersuchung wurde auch diskutiert, ob man die neue Lösung in Eigenarbeit entwickeln oder ob eine am Markt verfügbare Software den Vorzug erhalten sollte. Die Entscheidung fiel aufgrund der Kompliziertheit zugunsten der zweiten Option (Fremdbezug). Im Rahmen der strategisch mittelfristigen Planung wurde die unvermeidbare Investition entsprechend einbezogen und monetär beurteilt.

Projektmanagement und Changemanagement
In Zusammenarbeit mit IBM Business Consulting Service wurde ein detaillierter Evaluations- und Auswahlprozess entwickelt, der sowohl die IT-Unterstützung der bestehenden Prozesslandschaft sicherstellen sollte, als auch zukünftige Entwicklungen im Bezug auf Produktivitäts- und Effizienzsteigerung einbeziehen sollte. Die Wahl eines zukunftssicheren Anbieters und eines zuverlässigen Partners zur Einführung sollte diesen Auswahl- und Evaluationsprozess entsprechend abrunden.

[Partnerwahl] Die KTW als Systemhaus wurde aus einer Vielzahl von Gründen ausgewählt. Auf der einen Seite ist sie der ursprüngliche Entwickler der Semiramis-Software und besitzt daher nicht nur Beratungs-, sondern auch eine umfangreiche Programmierexpertise in diesem Gebiet. Auf der anderen Seite erforderte die Erstellung der Schnittstelle zur Logistiklösung von Loxxess diese Kenntnisse.

Entstehung und Roll-out der Softwarelösung
Nach der Entscheidung für Semiramis als ERP-Lösung und KTW als Implementierungspartner im September 2004, wurde die Einführung für Anfang 2006 geplant. Als Einführungsmethode wurde ein Big-Bang-Ansatz gewählt. Das bedeutete, dass an einem bestimmten Tag das alte System abgeschaltet wurde und das neue nahtlos in Betrieb ging. Nachdem die Bedeutung und der Umfang der Integrationsarbeiten von KTW korrekt erfasst worden waren, erfolgten eine Anpassung der eingesetzten Ressourcen und eine zeitnahe Lösung der Kernfragen. Entsprechend spricht der CIO von Sonax, unter Vorbehalt kleiner Abstriche bei der zeitlichen Planung, von einer Softwareeinführung in einem „exzellenten Big Bang“.

Laufender Unterhalt
Bis auf eine Störung von sechs Stunden laufen die Prozesse stabil. Eine grössere Anzahl kleinerer Probleme, die sich teilweise erst im laufenden Betrieb herausgestellt haben, wurden inzwischen behoben.


5. Erfahrungen

Nutzerakzeptanz
Insgesamt ist die Akzeptanz des neuen Systems als gut zu bezeichnen. Auf der einen Seite wurden die Funktionalitäten umgesetzt, die bereits aus der vorherigen Software bekannt waren, da die Neuartigkeit sich vornehmlich auf das Layout der einzelnen Masken etc. beschränkte. In diesem Zusammenhang wurde das konsistente Layout der einzelnen Masken positiv hervorgehoben, das einen signifikanten Fortschritt im Gegensatz zu der alten Bedienungsoberfläche von Diaprod darstellt.

Zielerreichung und bewirkte Veränderungen
Ein wichtiges Ziel im Rahmen der Einführung der Semiramis-Software war die Sicherstellung des Geschäftsbetriebs. Aufgrund des Outsourcings der Logistikprozesse an Loxxess bestand in diesem Zusammenhang die Aufgabe in der Implementierung der Schnittstelle zwischen dem Sonax-internen ERP-System und dem Lagerverwaltungssystem bei Loxxess. Aufbauend auf der vorherigen Schnittstelle der Diaprod-Software sollte eine Schnittstelle mit identischem Funktionsumfang geschaffen werden, was, nach Verzögerungen im Projektablauf, auch realisiert wurde. Aus funktionaler Sicht kann man das gesetzte Ziel als erreicht ansehen.

Der Geschäftsablauf ist mit der Semiramis-Schnittstelle, ebenso wie mit der Diaprod-Schnittstelle sichergestellt. Aus dieser funktional geprägten Perspektive sind keine signifikanten Veränderungen zu verzeichnen. Demgegenüber ist die verbesserte Usability der Semiramis-Software im Vergleich zu Diaprod zu erwähnen, die von den Mitarbeitenden positiv hervorgehoben wurde.

Investitionen, Rentabilität und Kennzahlen
[Projektaufwand] Die Gesamtinvestitionen für das Projekt der Einführung beliefen sich auf einen einstelligen Millionenbetrag für Beratung, Lizenzen und Customizing, wobei Modifikationen der jungen Semiramis-Software inklusive der Schnittstelle zu Loxxess mit etwa 500.000,- Euro zu Buche schlugen. Gefolgt von ca. 400'000.- Euro für Controlling, Business Intelligence und OLAP-Warehouse. Ein weiterer grosser Budgetposten betraf die neue Hardware in Höhe von 350'000.- Euro. Rentabilitätsüberlegungen auf monetärer Basis wurden angedacht, aber aus zwei Gründen nicht durchgeführt: Auf der einen Seite sind derartige Berechnungen nach Meinung der Verantwortlichen bei der Einführung von ERP-Systemen nicht zielführend, da die (vermeintlich objektiven) Ergebnisse oftmals nur auf einer Vielzahl subjektiver Annahmen beruhen. Auf der anderen Seite war bei Sonax nicht die Entscheidung zu treffen, ob ein neues System eingeführt werden musste, sondern welches System eingeführt werden sollte. Der Auswahlprozess aus 18 Softwareanbietern und IT-Beratungsunternehmen war sehr strukturiert und detailliert durchgeführt worden.


6. Erfolgsfaktoren

Spezialitäten der Lösung
Die Auslagerung der unternehmenskritischen Logistikdienstleistung an Loxxess im Jahr 1998 begründete bereits die grosse Bedeutung der Anbindung des Lagerverwaltungssystems bei Loxxess an das ERP-System bei Sonax. Sowohl die Anzahl der Transaktionen, als auch die beteiligten Prozesse unterstreichen dies. Eine fehlerfreie Funktionalität der Schnittstelle im neu einzuführenden Semiramis-System war daher für den Gesamterfolg der Lösung unabdingbar. Im Gegensatz zu vielen anderen ERP-Einführungen, die auf der einen Seite modular geplant und durchgeführt werden und auf der anderen Seite den Fokus auf unternehmensinterne Problemstellungen setzen, war hier entsprechende Aufmerksamkeit auf die unternehmensübergreifenden Prozesse zu richten.

Reflexion der „Business Collaboration“
Die bereits 1998 im Rahmen des Outsourcings der Logistikdienstleistungen etablierte Zusammenarbeit zwischen Sonax und Loxxess wird insgesamt als positiv empfunden. Dazu zählt die hohe Integration der Loxxess in den täglichen Betrieb (bspw. indem nur noch sehr geringe Lagerkapazitäten bei Sonax vorhanden sind und die Waren umgehend per Shuttle LKW zum Standort von Loxxess transportiert werden). Hinzu kommt die vollständige physische Auslagerung der Handelswaren an Loxxess. Die hohe Frequenz der notwendigen Kommunikation unterstreicht die Bedeutung der automatisierten Übertragung von Geschäftsnachrichten. Eine manuelle Behandlung der einzelnen Transaktionen würde nicht nur vom Volumen, sondern auch bezüglich der Fehleranfälligkeit signifikante Nachteile für Sonax nach sich ziehen.
Neben der Art der Umsetzung ist hier noch die spezifische Anpassung der einzelnen Prozesse hervorzuheben. Der Einsatz eines Shuttle LKW für den Transport der Fertigwaren von Sonax zu Loxxess und die Kommissionierung von Kundenaufträgen auf Basis der Warenbestände im Loxxess-Lager sind nur zwei Beispiele. Zur Umsetzung der möglichst nahtlosen Business Collaboration zwischen den beiden Unternehmen wurde eine spezifische Lösung entwickelt, die sowohl auf der Ebene der Geschäftsprozesse als auch in technischen Belangen die Anforderungen der Parteien berücksichtigt.

Lessons Learned
Insbesondere der Aufwand zur Integration der Schnittstelle zum Lagerverwaltungssystem von Loxxess, die einen unternehmenskritischen Teil der ERP-Software darstellt, stellte im Laufe der Implementierung eine grosse Herausforderung an den IT-Dienstleister. Eine frühe Berücksichtigung der Hinweise von versierten Sonax-Mitarbeitenden hätte diesbezüglich vermutlich eine bessere Einschätzung des Aufwandes erlaubt und entsprechende Verzögerungen im Projektplan sicherlich verringern können.


Betreiber der Lösung

SONAX GmbH & Co KG
Gerhard Jann, Controller und Leiter IT
Roswitha Erras, Projektberater
Paul Strobl, Projektberater
Branche: Gross- & Einzelhandel, Fahrzeugpflege
Unternehmensgrösse: GrossunternehmenSONAX GmbH & Co KG

Lösungspartner

Stefan Wurnig, Projektleiter
KTW Software & Consulting

Autoren der Fallstudie

Alexander Kipp
Universität Münster

29. August 2007
Kipp; Alexander (2007): Fallstudie Sonax; in: Wölfle; Ralf; Schubert; Petra (Hrsg.): Business Collaboration Standortübergreifende Prozesse mit Business Software; S. 191 - 207; München: Hanser Verlag; 2007
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
2126
sonax-ktw
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/2126-sonax-ktw
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