Unterstützung traditioneller Kommunikationsaufgaben mittels Internettechnologie bei Swissmedic

01. August 2002



Die vorliegende Fallstudie beschreibt die Situation der Kommunikationsverantwortlichen der Swissmedic. Monique Helfer hat es sich zum Ziel gesetzt, ihre traditionellen Kommunikationsaufgaben mit Internettechnologien zu unterstützen.


1. Das Unternehmen

Als neues Vollzugsorgan des Bundes ist Swissmedic, das Schweizerische Heilmittelinstitut, seit dem 1. Januar 2002 gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des neuen Heilmittelgesetzes operativ tätig. Das Institut entstand aus dem Zusammenschluss der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel und der Facheinheit Heilmittel des Bundesamtes für Gesundheit. Swissmedic erfüllt ihre Aufgaben beim Start mit rund 240 Vollzeitstellen [1].



"Bei der Kommunikation mit der E-Mail entwickelte sich ein Zwiespalt: Einerseits ermöglicht die E-Mail eine schnellere und effizientere Kontaktaufnahme, andererseits verleitet das Medium auch zum Missbrauch. Es kommt zur E-Mail-Flut. Dadurch wird der Produktivitätsschritt gleich wieder "aufgefressen"."
(Monique Helfer, Leiterin Stabsbereich Kommunikation, Swissmedic)



Als Kontrollinstanz und aktive Beraterin erfüllt Swissmedic die folgenden Kernaufgaben:

  • Begutachtung und Zulassung: Im Rahmen des Zulassungsverfahrens beurteilt Swissmedic die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von angemeldeten Arzneimitteln. Sind die drei zentralen Kriterien erfüllt, legt Swissmedic die Verkaufsart (Rezeptpflicht und Abgabestelle) fest und genehmigt die Arzneimittelinformation.
  • Marktüberwachung: Nebst den Arzneimitteln überwacht Swissmedic weit über 100'000 Medizinprodukte wie Kontaktlinsen, Implantate, Diagnostika und Hightechgeräte. Die Medizinprodukte unterliegen einer privaten Konformitätsbewertung. Swissmedic erfasst und beurteilt Meldungen über Risiken von Arzneimitteln und über schwerwiegende Vorkommnisse mit Medizinprodukten. Massnahmen können die Anpassung der Heilmittelinformation oder sogar Produktrückrufe umfassen. Seit Mitte des Jahres 2001 nehmen fünf Universitätsspitäler als regionale Meldestellen sämtliche Nebenwirkungsmeldungen auf und leiten sie an das Pharmacovigilance-Zentrum von Swissmedic weiter. Swissmedic informiert alle Beteiligten über die Probleme und sorgt für die Weiterleitung der Meldungen an die pharmazeutischen Firmen und an die internationale Datenbank der Weltgesundheitsorganisation.
  • Kontrolle von Herstellung und Handel: Swissmedic erteilt Betriebsbewilligungen für Herstellung und Grosshandel mit Arzneimitteln. Für die Kontrolle des Detailhandels sind die kantonalen Heilmittelinstitute zuständig.



Swissmedic finanziert sich durch Gebühren, Abgeltungen des Bundes für gemeinwirtschaftliche Leistungen und durch Leistungen an Dritte. Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen werden in einem Leistungsauftrag des Bundesrates und in einer jährlichen Leistungsvereinbarung mit dem Eidgenössischen Departement des Innern beschrieben. Das Jahresbudget beläuft sich auf rund 55 Millionen Franken. Die Einnahmen setzen sich aus 25 Millionen Franken an Verkaufsgebühren von Medikamentenverkäufen, aus 20 Millionen Franken an Bundesbeiträgen und aus 10 Millionen an Gebühren für die Zulassungsverfahren zusammen.


2. Organisation und Wettbewerb

Swissmedic ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes. Sie ist dem Eidgenössischen Departement des Innern angegliedert. Zentrale Rechtsgrundlage ist das Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte. Die drei vom Bundesrat gewählten Organe sind der siebenköpfige Institutsrat, der Direktor und die Revisionsstelle. Die Aufgaben des Institutsrats lehnen sich an diejenigen eines Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft an (vgl. Abbildung 1).


Dem Direktor sind fünf Stabsbereiche unterstellt. Drei der vier Geschäftsbereiche betreuen unterschiedliche Heilmittel. Im vierten Geschäftsbereich Finanzen und Infrastruktur ist die Abteilung Informationstechnologie angesiedelt.


Der Stabsbereich Kommunikation ist mit sieben Mitarbeiter/innen geschäftsübergreifend verantwortlich für die Kommunikation gegen innen und gegen aussen: Weiterbildungsveranstaltungen und die Förderung der internen Kommunikation zielen auf die internen Beziehungen. Gegen aussen stehen Medienarbeit (reaktiv und proaktiv), zielgruppenorientierte Veranstaltungen und Informationen sowie die Beantwortung von individuellen Anfragen im Vordergrund. Bei diesen Aufgaben erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit den internen Fachleuten.


Kunden der Swissmedic sind die Medien, Fachpersonen, andere Behörden und die Heilmittelindustrie. Da die Bevölkerung sehr sensitiv auf das Thema Arzneimittelsicherheit reagiert, können die Medien einen erheblichen Druck auf Swissmedic ausüben. Gegenüber den Fachpersonen muss sehr sorgfältig und sehr profund informiert werden. Gegenüber der Heilmittelindustrie, die ihre Arzneimittel von Swissmedic prüfen lassen muss, hat Swissmedic eine Monopolstellung.

Abbildung 1: Organigramm Swissmedic (vereinfacht)
Abbildung 1: Organigramm Swissmedic (vereinfacht)



Swissmedic arbeitet intensiv mit den kantonalen Behörden zusammen. Kooperationen finden daneben insbesondere mit den Universitätsspitälern im Rahmen der Pharmacovigilance statt. Auch mit den Bundesämtern für Sozialversicherung, Gesundheit und Veterinärwesen besteht ein enger Kontakt.


Mit europäischen und amerikanischen Zulassungsstellen findet ein regelmässiger Informationsaustausch statt. Die Swissmedic hat jedoch keinen Anspruch auf Einsicht in deren Unterlagen zu Zulassungsverfahren.


3. Umgang mit neuen Technologien

Die Grundstimmung bei den Mitarbeiter/innen von Swissmedic gegenüber den neuen Technologien ist positiv bis neutral. Die Akzeptanz ist relativ hoch. Die Nutzung von neuen Medien in der täglichen Arbeit ist selbstverständlich geworden. Trotzdem ist es schwierig, allen Informationsbedürfnissen der Mitarbeiter/innen gerecht zu werden. Gegen die Informationsflut muss ein gesundes Mass an Information und Kommunikation gefunden werden.


Die Arbeitsgruppe, die sich mit der Weiterentwicklung des Internetauftritts auseinander setzt, ist sehr innovationsfreudig und fortschrittsgläubig. Sie glaubt daran, dass die Technik Lösungen für einzelne Probleme bringen kann. Die Geschäftsleitung steht hinter den Initiativen zur Nutzung von Internettechnologien.


4. Stand und Vision des E-Business

Swissmedic nutzt einerseits das Intranet, um die Information und Kommunikation unter den Mitarbeiter/innen zu erleichtern, andererseits das Internet, um die Kommunikation mit den Kunden zu unterstützen.


Das Intranet dient in erster Linie der horizontalen und vertikalen Informationsvermittlung. Ziel ist, den Informationen einen Ort zuzuweisen, an dem sie langfristig abgerufen werden können. Daneben gibt es Dienste für die Mitarbeiter/innen wie Bücherbestellmöglichkeiten, Fahrpläne, Telefonverzeichnisse, Routenplan und interne Stellenausschreibungen. Die Personalabteilung betreut einen Teil des Intranets selbständig. In Zukunft wird der Sinn einer Personalzeitung mit Porträts von Abteilungen oder Mitarbeiter/innen vermehrt verfolgt. Neben der Informationsverteilung soll das Intranet nämlich auch eine identitätsstiftende Funktion übernehmen. Die zwei Vorgängerorganisationen der Swissmedic sollen so näher zusammenrücken. Der nächste grosse Schritt wird mit prozessgestützten Informatikanwendungen gemacht werden.


Der Internetauftritt ist zielgruppenspezifisch aufgebaut. Es gibt eine Rubrik allgemein für das interessierte Publikum, eine für Fachpersonen, eine für die Heilmittelindustrie, eine für die Behörden und eine für die Medien. Für das interessierte Publikum stehen insbesondere Informationen zum Institut zur Verfügung. Für Fachpersonen und die Heilmittelindustrie liegt ein Schwerpunkt auf den relevanten Formularen für die Antragsstellung. Für die Behörden werden Formulare zur Meldung von Vorkommnissen und allgemeine Hintergrundsberichte zur Verfügung gestellt. Die Journalisten werden auf der Website mit aktuellen Informationen und Publikationen versorgt.


Ziel des Internetauftritts ist eine möglichst grosse Substitution der Offlinemedien. Es sollen die Informationen auf dem Internet zu finden sein, die am häufigsten nachgefragt werden. Dadurch könnte die Anfrage per Telefon substituiert werden. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die Informationen gefunden werden. Dabei hilft eine Suchfunktion.


In Zukunft ist denkbar, dass einzelne Prozesse über eine elektronische, passwortgeschützte Plattform ablaufen. Da sind jedoch hohe Anforderungen an die Sicherheit zu stellen, weil es sich bei den Dokumentationen um vertrauliche Daten handelt.


5. Organisation des E-Business

Der Stabsbereich Kommunikation ist verantwortlich für die Planung und Umsetzung von Internettechnologien. Für die Umsetzung der Website arbeitet Monique Helfer eng mit einer externen Webagentur zusammen. Die interne Informatikabteilung steht Monique Helfer bei dieser Zusammenarbeit beratend bspw. in Vertragsverhandlungen zur Seite. Zusätzlich betreibt die IT auf einem eigenen Server das Intranet. Als Koordinationsmechanismus wurde eine Arbeitsgruppe geschaffen, die Vertreter aus allen Geschäftsbereichen umfasst. Diese Arbeitsgruppe tagt sporadisch. Zuletzt wurde die Suchfunktion auf der Website in diesem Rahmen diskutiert.


Der Budgetantrag für die Internetaktivitäten wird jährlich vom Stabsbereich Kommunikation an die Direktion gestellt. Sie berichtet der Direktion regelmässig über die grösseren Aktivitäten.


Die Inhalte für die Website werden dezentral in den Geschäftsbereichen generiert. Ein doppelter Selektionsmechanismus verhindert, dass falsche Informationen auf das Internet gelangen. In der Regel leiten die Mitarbeiter/innen eines Geschäftsbereichs den Inhalt an ihre Abteilungsleiterin oder ihren Abteilungsleiter. Erst nach dieser zweiten Kontrolle wird die Information zur Publikation im Web freigegeben.


6. Wirksamkeit des E-Business

Die Website von Swissmedic wird rege genutzt. Dadurch konnten bereits viele Telefonauskünfte und der Versand von vielen Dokumenten durch das Internet substituiert werden. Die Wirksamkeit in dieser Hinsicht könnte noch optimiert werden, indem bessere Suchmechanismen angeboten werden.


Eine Effizienzsteigerung ist aus Sicht von Monique Helfer klar vorhanden, sie wurde jedoch nicht systematisch gemessen.


Bei der Kommunikation mit der E-Mail entwickelte sich ein Zwiespalt. Einerseits ermöglicht die E-Mail eine schnellere und effizientere Kontaktaufnahme, andererseits kann das Medium zum Missbrauch verleiten. Es kommt zur E-Mail-Flut. Dadurch wird der Produktivitätsfortschritt gleich wieder "aufgefressen".


7. Herausforderungen im E-Business

Die grosse Herausforderung für Monique Helfer liegt in der Optimierung des Wissensbestandes im Institut. In den verschiedenen Fachbereichen ist sehr viel Wissen akkumuliert. Viele dieser Informationen liegen innerhalb der Grenzen eines Fachbereichs für ein breiteres Publikum brach. Das Wissen soll anderen zugänglich gemacht werden, um Synergien zu realisieren. Voraussetzung dafür ist die Wissenslokalisierung. Im Moment wird ein minimales Ticketingsystem für externe Anfragen eingesetzt, die Monique Helfer nicht selbst beantworten kann: Die Anfragen werden nummeriert, in einem Exceldokument konsolidiert und zum Teil an die Fachbereiche verschickt, um dann auf die Antwort von einem Spezialisten zu warten. Wenn bestimmte Informationen anderen zugänglich gemacht werden sollen, bleibt der Datenschutz zu beachten.


8. Fazit

Es wurde als irritierend erachtet, dass das Vordringen der Computer überhaupt keine Auswirkungen auf die Produktivität auszuüben scheint. Solow hat diese Situation mit der oft zitierten Feststellung reflektiert: "You can see the computer age everywhere but in the productivity statistics." [2] Das damit angesprochene Problem, dass man heute überall Computer vorfindet, dies aber in den üblichen Produktivitätsstatistiken keinen Niederschlag findet, wird auch als Produktivitätsparadoxon bezeichnet.


Auch die E-Mail und das Internet finden sich heute demselben Vorwurf gegenüber. Im Lauf der Zeit wurden verschiedene Erklärungsansätze für das Produktivitätsparadoxon entwickelt:

  • Messprobleme
  • Verzögerungen zwischen IT-Einsatz und Wirkung
  • Managementfehler und unzureichende Nutzung der Technikpotentiale
  • Negative Auswirkungen der Informationsflut
  • Interne Verbundwirkungen



Unter anderem durch organisatorische Massnahmen und Weiterbildung der Mitarbeiter/innen bewältigt Swissmedic dieses Problem, so dass ein effizienter Einsatz der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien möglichst schnell einsetzt.


[1] Diese Fallstudie basiert auf einem Gespräch vom 18. Juli 2002 in Bern zwischen den Autoren, Monique Helfer und Mathias Wegmüller. Das Interview dauerte zwei Stunden.


[2] Solow, R.: Review of ‚Manufacturing Matters', The New York Times Book Review, 1987, S. 36.


Betreiber der Lösung

Swissmedic
Monique Helfer, Leiterin Kommunikation
Branche: Gesundheitswesen/Medizin, Heilmittelinstitut
Unternehmensgrösse: MittelunternehmenSwissmedic

Autoren der Fallstudie

Pascal Sieber, Nicole Scheidegger, Thomas P. Aebersold
Sieber & Partners
Gerrit Taaks
Unic AG

01. August 2002
Sieber; P.; Scheidegger; N.; Aebersold; T.; Taaks; G.: Die Organisation des E-Business II; 22 weitere Fälle zu den Trends; den Herausforderungen und dem Berufsbild der Entscheidungsträger Verlag Paul Haupt; Bern; Stuttgart; Wien 2002.

Zu dieser Fallstudie sind keine Anhänge verfügbar.
2170
swissmedic
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/2170-swissmedic
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