Elektronische Ausschreibungen der Stadt Mainz

01. septembre 2002



Die Stadtverwaltung Mainz hat im Oktober 2001 den europaweit ersten elektronischen Eröffnungstermin einer öffentlichen Ausschreibung durchgeführt. Dabei kam die Plattform ELViS des subreport Verlag Schawe zum Einsatz, die als bislang einzige Lösung den Ausschreibungsprozess von der Bekanntmachung bis zum Eröffnungstermin unterstützt. Die Stadt Mainz nutzt das System seither konsequent und erhofft sich deutliche Kosteneinsparungen durch einen stetig steigenden Anteil elektronisch abgewickelter Ausschreibungen.


1. Die Stadt Mainz

Die Stadt Mainz kann auf eine mehr als 2000-jährige Geschichte zurückblicken und hat nahezu 200'000 Einwohner. Die Stadtverwaltung beschäftigt ca. 4'500 Mitarbeitende. Aufgrund der Mittelknappheit in den öffentlichen Kassen sind wirtschaftliches und effizientes Handeln für Mainz von grosser Bedeutung.


Die Stadtverwaltung beschafft jährlich Waren und Leistungen im Wert von ca. 75 Millionen Euro. Hiervon entfallen 50 Millionen Euro auf Leistungen mit einem Einzelauftragswert von mehr als 10'000 Euro, welche von der Zentralen Verdingungsstelle der Stadtverwaltung ausgeschrieben werden müssen. 25 Millionen Euro fallen durch Kleinaufträge an, die von ca. 60 verschiedenen Ämtern und Eigenbetrieben direkt und informal abgewickelt werden. Die zentrale Verdingungsstelle beschäftigt nach beträchtlichem Personalabbau derzeit sechs Mitarbeiter.


Grundlagen der öffentlichen Beschaffung
Für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen existiert ein umfassendes Regelwerk, das die direkte Anwendung der meisten privatwirtschaftlichen E Procurement-Lösungen verhindert. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) legt allgemeine Grundsätze fest und bildet die Grundlage für die Vergabeverordnung (VgV). Dort werden unter anderem Vergabeverfahren festlegt und es wird auf die Verdingungsordnungen VOB (für Bauleistungen), VOF (für freiberufliche Leistungen) und VOL (für Leistungen) verwiesen.


Das allgemeine Vorgehen bei Ausschreibungen wird durch Vergabeverfahren geregelt. Es wird zwischen öffentlichen und beschränkten Ausschreibungen und freihändigen Vergaben unterschieden. Die in dieser Fallstudie vorgestellte Beschaffungslösung bezieht sich auf öffentliche Ausschreibungen. Wie die Vergabe auf kommunaler Ebene institutionell ausgestaltet wird, obliegt der jeweiligen Gemeinde. Die Stadt Mainz entschied sich für die Einrichtung einer Zentralen Verdingungsstelle, dort vergeben sechs Mitarbeiter alle Aufträge über 10'000 Euro.


Die Zulassung einer elektronischen Angebotsabgabe bei öffentlichen Ausschreibungen wurde durch §15 der im Februar 2001 in Kraft getretenen neuen VgV ermöglicht. Neben der qualifizierten elektronischen Unterschrift nach deutschem Signaturgesetz (SigG) wird dort festgelegt, dass elektronisch abgegebene Angebote zu verschlüsseln sind. Diese Verschlüsselung ist bis zum Ablauf der für die Einreichung der Angebote festgelegten Frist aufrechtzuerhalten, wodurch eine vorzeitige Öffnung der Angebote verhindert werden soll.


2. E-Business-Vision und E-Business-Strategie

Die Stadt Mainz versucht seit geraumer Zeit Instrumente der "New Economy" zu nutzen. Dabei stellt die hier vorgestellte Beschaffungslösung einen von mehreren Bausteinen dar.


Unter dem Stichwort "Rathaus Online" bietet die Stadtverwaltung Bürgern und anderen Anspruchsgruppen seit geraumer Zeit eine Vielzahl von Informationen und Dienstleistungen im Internet. Die Palette der derzeit angebotenen Online-Services reicht vom Download von Formularen und Broschüren bis zur Kraftfahrzeug-Wunschkennzeichenreservierung und der Online-Bestellung einer Geburtsurkunde.


Im Bereich der elektronischen Beschaffung liegt das Hauptaugenmerk auf einer Reduzierung der Prozesskosten. Man erhofft sich aber auch eine Verbesserung für die beteiligten Unternehmen sowie eine Reduzierung der Angebotspreise.


Partner
Die Realisierung der E-Procurement-Lösung erfolgte in Zusammenarbeit mit der subreport Verlag Schawe GmbH und der Chamaeleon - Aktiengesellschaft für innovative Netzlösungen.


subreport Verlag Schawe GmbH
Subreport Schawe hat sich auf die Recherche und Aufbereitung von Ausschreibungsinformationen spezialisiert. Täglich erscheinen in unterschiedlichen Publikationen etwa 650 neue Ausschreibungen privater, gewerblicher und öffentlicher Auftraggeber, deren Volumen sich auf etwa 230 Milliarden Euro jährlich beläuft.


Der Verlag Schawe wurde 1918 gegründet. Seit 1989 firmieren alle Produkte unter dem Markennamen subreport. Parallel zu den etablierten Medien subreport und subreport select begann das Unternehmen Mitte der Neunziger Jahre mit der konsequenten Nutzung des Internet und verfügt mittlerweile über Deutschlands grösste Online-Datenbank für Ausschreibungen, zu finden unter www.subreport.de.


Gegenstand dieser Fallstudie ist das elektronische Vergabeinformations-System subreport ELViS. Das System ermöglicht die Auftragsvergabe via Internet und deckt den Vergabeprozess von der Ausschreibung bis zum Zuschlag ab.


Chamaeleon - Aktiengesellschaft für innovative Netzlösungen
Die Chamaeleon AG ist ein in Montabaur ansässiger IT-Full-Service-Dienstleister. Das Unternehmen beschäftigt sich mit der Konzeption, der Erstellung und dem Betrieb datenbankbasierter High-End-Lösungen in Netzwerken, insbesondere im Internet. Das Lösungsportfolio wird charakterisiert durch Begriffe wie E-Government, E Support, E Business und die Integration von Web-Applikationen.


Die Chamaeleon AG hat bei der Entwicklung des Systems alle Phasen von Beratung und technischer Evaluierung bis zur Implementierung der Lösung abgedeckt. Seit Inbetriebnahme von subreport ELViS hostet sie das System (ASP-Modell), gewährleistet den reibungslosen Betrieb und übernimmt die kontinuierliche Weiterentwicklung. Die Chamaeleon AG betreibt auch die Hotline für subreport ELViS.


Partnerwahl
Bei der Suche nach einer Möglichkeit, durch elektronische Beschaffung Kosteneinsparungen realisieren zu können, erwies sich als problematisch, dass von den über 20 konsultierten Beratungs- und Softwarehäusern kein einziges eine Lösung anbot, die den Bedürfnissen der öffentlichen Beschaffung vollständig gerecht wurde. Insbesondere die von VOB und VOL erhobenen Anforderungen an die Angebotsabgabe konnten nicht abgedeckt werden: Während bei privatwirtschaftlichen Ausschreibungen eine formlose Angebotsabgabe per Post oder E-Mail meist ausreichend ist, erfordern die Regularien der öffentlichen Verwaltung die Geheimhaltung der Angebote bis zum festgesetzten Eröffnungstermin sowie die Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips bei der Eröffnung. Aus diesem Grund hätte mit den meisten Lösungen nur die Verbreitung der Ausschreibungsunterlagen, nicht aber die Entgegennahme von Angeboten unterstützt werden können.


Subreport Schawe war der erste (und bis heute einzig bekannte) Anbieter, mit dem eine vollständige Unterstützung des Prozesses von der Ausschreibung bis zum Eröffnungstermin möglich ist. Da die Bereitstellung des Systems kostenlos erfolgte, war die Einführung für die Stadt Mainz zudem nur mit geringem Risiko verbunden. Zusätzlich sprachen das gute Renommee und die jahrzehntelange Erfahrung im Bereich öffentlicher Ausschreibungen für eine Zusammenarbeit mit subreport.


3. Procurement-Lösung

Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen ausschreibungsvorbereitenden internen Prozessen, die sich zwischen ca. 60 unterschiedlichen Ämtern und Einrichtungen der Stadtverwaltung Mainz abspielen, und dem Ausschreibungsverfahren, in das die zentrale Verdingungsstelle und externe Anbieter involviert sind. Das Ausschreibungsverfahren gliedert sich in die Bekanntmachung der Ausschreibungsunterlagen, die Angebotsabgabe und den Eröffnungstermin. Abb. 3.1 bezieht sich auf diejenigen Ausschreibungen, die aufgrund eines Volumens von mehr als 10'000 Euro zentral über die Verdingungsstelle der Stadt Mainz abgewickelt werden.

Abb. 3.1: Phasen der Ausschreibung

Abb. 3.1: Phasen der Ausschreibung



Bisherige Abwicklung von Ausschreibungen
Hier wird zunächst die Vorgehensweise vor der Arbeit mit subreport ELViS erläutert. Eine Diskussion der Veränderungen erfolgt in den anschliessenden Kapiteln.


Ausschreibungsvorbereitung
Die Ausschreibungsunterlagen - das so genannte Leistungsverzeichnis - werden zunächst in derjenigen Einrichtung der Stadt Mainz erstellt, in der der Beschaffungsbedarf vorliegt. Sie bestehen aus Deckblatt, Vertragsbedingungen, technischen Bedingungen, Beschreibung der erwarteten Leistung sowie ggf. notwendigen Formblättern und umfassen durchschnittlich etwa 100 Seiten. Nach Fertigstellung wird ein Entwurf dieser Unterlagen per Bote an die zentrale Verdingungsstelle geliefert, wo eine Vorprüfung erfolgt. Das vorgeprüfte und mit Anmerkungen versehene Exemplar wird anschliessend an die beschaffende Stelle zurückgesandt, damit dort eine Reinschrift erstellt werden kann. Diese wird sodann vervielfältigt und in der Verdingungsstelle noch einmal geprüft, bevor die Bekanntmachungstexte erstellt werden können. Im Durchschnitt vergehen bis dahin insgesamt 18 Tage, von denen ein Grossteil auf Postlaufzeiten und Vervielfältigung entfällt.


Ausschreibung
Die von der zentralen Verdingungsstelle verfassten Bekanntmachungstexte enthalten die Eckdaten der Ausschreibung und dienen dazu, potenzielle Bieter aufmerksam zu machen. Sie werden von verschiedenen Verlagen publiziert. Seit 1999 erscheinen Bekanntmachungstexte auch auf der Website der Stadt Mainz. Interessierte Unternehmen können die Ausschreibungsunterlagen gegen eine Schutzgebühr von der Stadt beziehen. Im Durchschnitt werden die Leistungsverzeichnisse von etwa 15 Interessenten angefordert und in doppelter Ausführung übergeben, was einem Papiervolumen von ca. 3'000 Seiten pro Ausschreibung entspricht.


Im Verlauf der i.d.R. 20-tägigen Ausschreibungsfrist reichen durchschnittlich 10 Unternehmen ein Angebot in Form eines komplettierten Leistungsverzeichnisses ein. Diese Angebote bleiben bis zum Ablauf der Ausschreibungsfrist ungeöffnet.


Erst mit dem Eröffnungstermin beginnt die Sichtung, Prüfung und Wertung der Leistungsverzeichnisse durch den Submissionsleiter und seinen Assistenten. Zur Vermeidung von Unregelmässigkeiten muss dabei das Vier-Augen-Prinzip gewahrt werden. Das günstigste Angebot wird ausgewählt und ein entsprechender Auftrag erteilt. Die übrigen Bieter erhalten ein Absageschreiben.


Nutzung von subreport ELViS im Ausschreibungsprozess
Der Ablauf des Ausschreibungsprozesses ist weitgehend durch Gesetze und Verordnungen festgelegt. Zu den wichtigsten Anforderungen zählte daher, den Ablauf grundsätzlich unverändert zu lassen, die einzelnen Schritte jedoch so zu unterstützen, dass eine deutliche Effizienzsteigerung erzielt werden kann.

Abb. 3.2: Unterstützung in der Bekanntmachungsphase

Abb. 3.2: Unterstützung in der Bekanntmachungsphase



Bekanntmachung
Mittlerweile werden alle Ausschreibungen über ELViS bereitgestellt. Hierzu werden sowohl die Bekanntmachungstexte als auch die Leistungsverzeichnisse auf den ELViS-Server geladen. Dabei erhält jede Ausschreibung eine eindeutige ID-Nummer. Die Firma subreport publiziert die Bekanntmachungen in den von ihr herausgegebenen Medien gemeinsam mit dieser ELViS-ID (Offline-Medien) bzw. einem Hyperlink auf die Ausschreibungsunterlagen (Online-Medien). Darüber hinaus kann die Verdingungsstelle einen Verteiler anlegen, über den die Bekanntmachung per E-Mail an weitere Verlage zur Veröffentlichung übermittelt wird. Die Verlage werden gebeten, die ELViS-ID ebenfalls mit der Bekanntmachung zu publizieren.


Angebotsabgabe
Ein Anbieter, der sich für eine bestimmte Ausschreibung interessiert, hat die Möglichkeit, diese direkt vom ELViS-Server zu beziehen. Hierzu gibt er unter www.subreport-elvis.de die entsprechende ELViS-ID ein bzw. folgt dem Hyperlink in der Online-Veröffentlichung. Für die Entrichtung der Schutzgebühr muss er online eine Lastschrifterklärung abgeben und kann im Anschluss daran die Unterlagen herunterladen.


Nach Ergänzung des Leistungsverzeichnisses um Preis und weitere Angaben kann dieses vom Bieter als Angebot abgegeben werden. Hierzu wird das entsprechende Dokument von ihm auf den ELViS-Server geladen. Die Rücknahme und Änderung von Angeboten sind bis zum Eröffnungstermin möglich. In letzterem Fall wird vom Bieter eine aktualisierte Version auf den Server gebracht.

Abb. 3.3: Unterstützung in der Phase der Angebotsabgabe

Abb. 3.3: Unterstützung in der Phase der Angebotsabgabe



Grundsätzlich hat die Verdingungsstelle die Möglichkeit, die an der Ausschreibung teilnehmenden Bieter einzuschränken. Wird diese Option gewählt, so muss ein Bieter bereits nach Eingabe der ELViS-ID vom Ausschreiber autorisiert werden. Eine entsprechende Funktion ist im ELViS-System implementiert und wird in Einzelfällen von der Stadt Mainz genutzt, um frühzeitig Unternehmen auszuschliessen, die nicht in ausreichender Weise sachkundig oder leistungsfähig sind. Bei Verweigerung der Autorisierung entfallen Lastschrifterklärung, Download, Angebotserstellung und -abgabe.


Werden während der Ausschreibungsfrist Änderungen am Leistungsverzeichnis notwendig, so kann eine überarbeitete Version von der Verdingungsstelle auf dem ELViS-Server veröffentlicht werden. Alle Anbieter, die bereits Unterlagen heruntergeladen haben, werden hierüber per E-Mail informiert, erhalten Zugriff auf die neue Version und können bereits abgegebene Angebote aktualisieren.


Die Stadt Mainz betreibt ihre Ausschreibungen derzeit im hybriden Verfahren, d.h. neben der beschriebenen Unterstützung durch subreport ELViS ist weiterhin auch der herkömmliche Bezug von Ausschreibungsunterlagen und die postalische oder persönliche Abgabe von Angeboten möglich.


Eröffnung
Die abgegebenen Angebote sind durch ein elektronisches Zeitschloss gesichert und können von den Mitarbeitern der Verdingungsstelle nicht vor dem festgelegten Eröffnungstermin eingesehen werden. Erst nach Ablauf der Frist ist eine Eröffnung möglich. Hierzu müssen sich sowohl der Submissionsleiter als auch sein Assistent in das System einloggen, um zu gewährleisten, dass das Vier-Augen-Prinzip gewahrt ist. Die über ELViS abgegebenen Angebote werden anschliessend heruntergeladen und verlesen. Auch die Angebote, die in Papierform zugegangen sind, werden verlesen. Im Anschluss wird das günstigste Angebot ausgewählt. Der Eröffnungstermin endet mit der Erstellung des Submissionsprotokolls sowie der Zusage- und Absageschreiben und deren Bereitstellung auf dem ELViS-Server. Die Bieter werden per E-Mail über die Verfügbarkeit dieser Dokumente informiert.

Abb. 3.4: Unterstützung in der Eröffnungsphase

Abb. 3.4: Unterstützung in der Eröffnungsphase



Änderungen bei der Ausschreibungsvorbereitung
Obwohl die Nutzung von subreport ELViS die Ausschreibungsvorbereitung nicht unmittelbar tangiert, ist es auch hier zu deutlichen Verbesserungen gekommen. Die Notwendigkeit, alle Unterlagen für die elektronische Ausschreibung in digitaler Form vorliegen zu haben, hat dazu geführt, dass der Dokumentenaustausch zwischen der Verdingungsstelle und den beschaffenden Ämtern und Einrichtungen nun per E-Mail und nicht mehr über Boten erfolgt. Die technischen Möglichkeiten hierfür waren bereits vorher gegeben, aber nur selten genutzt worden.


Sicherheitsmechanismen [Sicherheit]
Öffentliche Ausschreibungen müssen hohen Sicherheitsanforderungen genügen, sowohl in Bezug auf die Geheimhaltung und Nicht-Abhörbarkeit der übermittelten Informationen als auch bei der Gewährleistung einer beweiskräftigen Authentifizierung von Ausschreiber und Bietern. Deshalb kommen bei subreport ELViS modernste Verschlüsselungsverfahren und eine qualifizierte elektronische Unterschrift nach den Massgaben des deutschen Signaturgesetzes zum Einsatz.
Die Übertragung von Daten über das Internet erfolgt ausschliesslich SSL-verschlüsselt. Zusätzlich werden alle Angebote vor dem Upload durch den Bieter mit einem 1024 Bit-Schlüssel kodiert und nur in verschlüsselter Form auf dem Server gespeichert. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass ausser dem beabsichtigten Adressaten niemand die Dokumente lesen kann - nicht einmal die Mitarbeiter der Betreiberfirmen von subreport ELViS.


Alle ausgetauschten Dokumente werden elektronisch signiert, so dass der Urheber zweifelsfrei nachgewiesen und eine zwischenzeitliche Manipulation ausgeschlossen werden kann. Hierzu verfügt jeder am Verfahren Beteiligte über eine PKS-Chipkarte (PKS = Public Key Service). Beim Upload von Dokumenten wird diese in einen am PC angeschlossenen Kartenleser gesteckt und erstellt eine qualifizierte elektronische Unterschrift. Beim Upload von Angebotsunterlagen übernimmt die Karte auch die Verschlüsselung der Dokumente. Zum Schutz vor Missbrauch ist die PKS-Karte durch einen PIN-Code geschützt und kann ausserdem rund um die Uhr bei der ausgebenden Zertifizierungsstelle gesperrt werden.


4. Implementierung

Die Einführung des ELViS-Systems bei der Stadtverwaltung Mainz erforderte nur minimale Investitionen und konnte zügig realisiert werden.


Organisatorische Umstellungen
Durch die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der öffentlichen Beschaffung sind die Möglichkeiten zur Reorganisation der Abläufe sehr begrenzt. Da die Einführung des ELViS-Systems bei der Stadt Mainz somit keine Veränderungen des Prozessverlaufs verursachte, erweist sich der parallele Betrieb von On- und Offlineverfahren als weitgehend problemlos.

Die Akzeptanz des Systems durch die Mitarbeiter der Zentralen Verdingungsstelle wurde durch die frühzeitige Partizipation am Auswahlprozess sichergestellt. Bei der erstmaligen Anmeldung am System waren Mitarbeiter der Firma subreport vor Ort, um die Nutzer anzuleiten.


Als schwierig stellte sich heraus, die Akzeptanz bei den bietenden Unternehmen herzustellen. Dies wird auf fehlende Erfahrung im Umgang mit der eingesetzten Informationstechnologie, insbesondere mit elektronischen Signaturen und digitaler Verschlüsselung, zurückgeführt. Durch Erläuterungen des Systems und der damit verbundenen Vorteile konnte der Anteil elektronischer Abgaben jedoch kontinuierlich erhöht werden. Die ersten elektronisch vergebenen Aufträge wirken ebenfalls akzeptanzsteigernd. Bei Fragen und Unklarheiten können sich die bietenden Unternehmen sowohl an die Verdingungsstelle als auch an die ELViS-Hotline wenden.


Die erste Ausschreibung unter Nutzung von ELViS wurde im Oktober 2001 durchgeführt. Die mit der Einführung des Systems verbundene Verwendung digitaler Dokumente führte im März 2002 zu der Entscheidung, die Ausschreibungsvorbereitung nur noch per E-Mail abzuwickeln, um Medienbrüche zu vermeiden.


Technische Plattform und Architektur [Systemarchitektur]
Die Architektur des ELViS-Systems basiert auf dem Application Service Providing-Modell (ASP). ELViS wird auf einem Server bei der Chamaeleon AG betrieben. Die Verbindung zum System wird über das Internet hergestellt.


Technische Voraussetzung bei den Nutzern ist ein PC mit 266 MHz Intel Pentium II-Prozessor, mindestens 64 MB Hauptspeicher sowie Windows-Betriebssystem und Standard-Internetbrowser. Zusätzlich muss ein Kartenlesegerät sowie eine PKS-Karte vorhanden sein. Das benötigte Browser-Plugin, das die Software eSigner für die elektronische Signatur enthält, kann auf der Web-Seite von subreport kostenlos heruntergeladen werden.


Da beim ASP-Modell keine kosten- und wartungsintensive Software bei den Nutzern installiert werden muss, sind die Einstiegs- und Folgekosten für Hard- und Software gering. Durch die rechtlich bedingte Standardisierung des Ausschreibungsprozesses kann ELViS von neuen Nutzern eingesetzt werden, ohne vorher an individuelle Gegebenheiten angepasst werden zu müssen. Software-Updates müssen lediglich auf dem zentralen Server bei der Chamaeleon AG installiert werden und stehen sofort allen Nutzern zur Verfügung.


5. Betrieb

subreport ELViS ist seit dem 22. Mai 2001, zeitgleich mit dem Inkrafttreten des novellierten Deutschen Signaturgesetzes, im Einsatz und wird mittlerweile von fast 70 ausschreibenden Stellen genutzt. Die Plattform wird von der Chamaeleon AG im Auftrag des subreport Verlag Schawe betrieben.


Aufgabenverteilung
subreport online und subreport ELViS übernehmen eine neutrale Mittlerrolle zwischen Ausschreibern und Anbietern. Das System kann daher als Elektronischer Ausschreibungs-Marktplatz bezeichnet werden.

Abb. 4.1: Rollen- und Funktionsverteilung in der elektronischen Ausschreibung

Abb. 4.1: Rollen- und Funktionsverteilung in der elektronischen Ausschreibung



Abb. 4.1 stellt die Rollen- und Funktionsverteilung im Ausschreibungsprozess dar:

  1. Die ausschreibende Stelle lädt Bekanntmachungstext und Leistungsverzeichnis in das System.
  2. Anbieter recherchieren nach für sie relevanten Ausschreibungen.
  3. Interessierte Anbieter laden die Ausschreibungsunterlagen gegen Zahlung der Schutzgebühr herunter.
  4. Anbieter laden Angebote in das System.
  5. Nach Ablauf der Ausschreibungsfrist lädt die ausschreibende Stelle die Angebote herunter.
  6. Bieter werden über das Ergebnis der Ausschreibung informiert.



Eine weitere wichtige Rolle nimmt das Trust Center TeleSec ein. TeleSec ist für die Ausstellung und Verwaltung der PKS-Karten zuständig und dient allen Beteiligten als vertrauenswürdige Stelle zur Authentifizierung ihrer Kommunikationspartner. Die von TeleSec ausgegebenen PKS-Karten sind nicht auf den Gebrauch bei subreport ELViS beschränkt, sondern können auch in beliebigem anderen Zusammenhang für Signatur und Verschlüsselung verwendet werden.


Da es sich bei subreport ELViS um ein offenes System handelt, kann im Prinzip jeder das System nutzen, der im Besitz einer gültigen PKS-Karte ist. Die Benutzerverwaltung bei der Stadt Mainz beschränkt sich auf die Vergabe interner Rollen wie Submissionsleiter, Submissionsassistent, Planer etc.


Die Abwicklung der Bezahlung erfolgt nicht über subreport ELViS. Lediglich die Schutzgebühr für die Ausschreibungsunterlagen wird mit Hilfe des elektronischen Lastschriftverfahrens erhoben. Die Reporting-Funktionalität des Systems beschränkt sich auf eine Übersicht über den Status von Interessenten und Bietern sowie auf die Unterstützung der Submissionsprotokoll-Erstellung.


Nutzen
Aus Sicht der Stadt Mainz ergeben sich aus der Nutzung des Systems unmittelbar Einsparungen bei Vervielfältigung und Versand. Sehr viel stärker als die Material- und Portokosten schlägt dabei der niedrigere Personalaufwand zu Buche. Mittelfristig erhofft man sich eine grössere Reichweite und Attraktivität der Ausschreibungen. Der daraus resultierende stärkere Wettbewerb zwischen den Anbietern könnte zu einer Verringerung der Beschaffungspreise führen. Ob dieser Effekt tatsächlich eintritt, kann zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. Indirekt hat die Nutzung von subreport ELViS zudem zu einer Verbesserung der ausschreibungsvorbereitenden Prozesse beigetragen. Hier sind vor allem die schnellere Durchlaufzeit, die Reduzierung von Medienbrüchen und die Einsparung von Botendiensten zu nennen.


Auf Seiten der Bieter ergeben sich ebenfalls Verbesserungen bei Erstellung und Versand von Unterlagen. Es ist zu hoffen, dass diese Vorteile möglichst viele Anbieter motivieren, zügig auf das Online-Verfahren umzusteigen.


Für beide Parteien ergibt sich durch den Einsatz elektronischer Leistungsverzeichnisse dort ein besonderer Nutzen, wo standardisierte Formate verwendet werden (derzeit insbesondere GAEB für den Baubereich). Hier bietet sich die Möglichkeit, die Daten direkt in entsprechende Software zu importieren und weiterzuverarbeiten.


Kosten
Die Nutzung von subreport ELViS ist für alle Beteiligten kostenlos und ohne Mitgliedschaft möglich. Lediglich für den Download der Ausschreibungsunterlagen zahlen die Anbieter eine Gebühr, deren Höhe identisch mit der für den Bezug der Papierunterlagen im Offlineverfahren ist. Diese Gebühr wird allerdings nicht an die Stadt Mainz, sondern an subreport Schawe entrichtet.


Ausschreiber und Bieter benötigen einen Chipkartenleser für die PKS-Karten. Diese sind von verschiedenen Anbietern zu Preisen ab etwa 40 Euro erhältlich. Die PKS-Karten werden vom Trust Center TeleSec ausgegeben und können in jedem T-Punkt (Shop der Deutschen Telekom) beantragt werden. Um den Anbietern den Bezug zu erleichtern, haben sich die Stadt Mainz und subreport als Ausgabestelle zertifizieren lassen. Die Ausstellung der Chipkarte kostet einmalig etwa 27 Euro, die Jahresgebühr beträgt rund 50 Euro. Bei den Anbietern reicht es in der Regel aus, wenn ein Mitarbeiter über eine PKS-Karte verfügt. Auf Seiten des Ausschreibers müssen mindestens zwei Personen (Submissionsleiter und Submissionsassistent) damit ausgestattet sein.


Rentabilität
Jede im Online-Verfahren abgewickelte Ausschreibung bedeutet einen wirtschaftlichen Vorteil für die Stadt Mainz, da der dabei eingesparte Aufwand die Mindereinnahmen durch die an subreport ELViS abgetretene Erhebung der Ausschreibungsgebühr deutlich übertrifft. Der sehr geringe Einführungsaufwand für die Anschaffung von PKS-Karten und Lesegeräten hat sich bereits nach kurzer Zeit amortisiert.


Da die Bieter nur relativ langsam auf das Online-Verfahren umsteigen, ist der Anteil der über ELViS abgegebenen Angebote derzeit noch sehr gering. Dies verhindert eine zuverlässige Quantifizierung des zu erwartenden Gesamtnutzens zum jetzigen Zeitpunkt. Von Seiten der Stadt Mainz hält man langfristig eine Reduzierung der Prozesskosten um 20 % bis 50 % und eine Reduzierung der Einkaufspreise um bis zu 10 % für möglich. Weiterhin ist daran gedacht, die Ausschreibungsfristen zu verkürzen, sobald die Bieter das System in angemessenem Umfang nutzen.


6. Erfolgsfaktoren

Auch wenn zur Zeit noch ein grosser Teil der Angebote auf herkömmlichem Wege abgegeben wird, kann die ELViS-Einführung bei der Stadt Mainz schon jetzt als Erfolg bezeichnet werden.


Spezialitäten der Lösung
ELViS unterstützt nach Marktanalysen der Stadtverwaltung Mainz derzeit als einziges System den kompletten Ausschreibungsprozess bis zur Versendung der Angebots- und Absageschreiben. Durch das ASP-Modell und Systemanforderungen, die von nahezu jedem PC erfüllt werden, fallen für die ausschreibenden und bietenden Parteien lediglich die Kosten für das PKS-Verfahrens an. Dieses kann zudem für andere Zwecke genutzt werden. In der Stadtverwaltung Mainz wird zum Beispiel über die Einführung eines Katalogsystems zur Büromaterialbeschaffung nachgedacht, bei welcher ebenfalls PKS-Karten eingesetzt werden können.


Widerstände bei den bietenden Unternehmen, die auf geringe Erfahrungen mit den eingesetzten Verfahren zurückzuführen sind, lassen sich in den meisten Fällen durch Erläuterung und Demonstration abbauen.


Veränderungen
Die Komplexität des Hybridverfahrens hält aufgrund der Ähnlichkeit der Prozessschritte in Grenzen. Mit jedem Bieter, der sein Angebot unter Nutzung von ELViS erstellt, wird der Aufwand gegenüber dem herkömmlichen Verfahren reduziert. Die Manipulationsgefahr wird im Online-Verfahren als wesentlich geringer bezeichnet.


Da die anbietenden Unternehmen erst allmählich auf ELViS umsteigen, fallen derzeit die Veränderungen in der Ausschreibungsvorbereitung am stärksten ins Gewicht. Hier konnten die zeit- und kostenintensiven papierbasierten Prozesse durch ein wesentlich effizienteres E-Mail-basiertes Verfahren ersetzt werden.


Lessons Learned
Der Entscheidung für ELViS ist bei der Stadt Mainz ein langer Prozess vorausgegangen, der von der Beobachtung rechtlicher Entwicklungen, zahlreichen Gesprächen mit Systemanbietern und der Analyse des technisch Machbaren gekennzeichnet war. Umso zufriedener ist man mit dem Ergebnis: Die Einführung von ELViS verlief schnell und reibungslos. Die Resonanz der Anwender ist bei Stadtverwaltung und Bietern gleichermassen positiv. Insbesondere wird die hervorragende Unterstützung durch subreport Schawe und die Chamaeleon AG hervorgehoben. Durch das System konnten bereits einige Bieter gewonnen werden, die zuvor nicht an Ausschreibungen der Stadt Mainz teilgenommen hatten. Mittelfristig lässt dies auf intensiveren Wettbewerb und sinkende Angebotspreise hoffen. Die Tatsache, dass weder langfristige Verpflichtungen eingegangen noch hohe Investitionen getätigt werden mussten, stellt für die Stadt Mainz einen wesentlichen Pluspunkt dar. Nach wie vor wird der Markt für Beschaffungslösungen sorgfältig beobachtet.


Die Einführung von ELViS wurde auf Initiative der Zentralen Verdingungsstelle vorgenommen. Die genannten Tätigkeiten konnten ohne externe Unterstützung durchgeführt werden. Der Einsatz zusätzlichen Personals wäre allerdings sinnvoll, um noch mehr Bieter für die Nutzung von ELViS gewinnen zu können und so den Anteil elektronisch abgegebener Angebote schneller zu erhöhen.

Die ELViS-Einführung ist in Fachkreisen auf sehr grosses Interesse gestossen. Dies liegt u.a. in der hohen Übertragbarkeit der Lösung auf andere Institutionen begründet. Zu den Interessenten, die sich an die Stadt Mainz wenden, gehören neben anderen Kommunalverwaltungen auch Entscheider aus Wirtschaft und Politik.


Am Fall der Stadt Mainz und subreport ELViS zeigt sich das hohe Potenzial elektronischer Beschaffung im öffentlichen Sektor. Aufgrund der überaus positiven Erfahrungen im Bereich der Ausschreibungen wird bei der Stadt Mainz über weitere Beschaffungs-Innovationen, wie z.B. die Nutzung von Desktop-Purchasing-Systemen für geringwertige Güter, nachgedacht.


Exploitant(s)

Stadt Mainz
Secteur: Administration publique/Sécurité sociale/Police/Armée
Taille de l'entreprise: Moyen entrepriseStadt Mainz

Partenaire(s) solutions

Robert Schäffer, Projektleiter
subreport
Michael Roth
Chamaeleon AG

Auteur(s) de l'étude de cas

Andreas Voss
Universität Bern
Claas Müller-Lankenau
Universität Münster

01. septembre 2002
Voss Andreas; Müller-Lankenau Claas (2002): Fallstudie Stadt Mainz; in: Schubert; Petra; Wölfle; Ralf; Dettling; Walter (Hrsg.; Procurement im E-Business; S. 149-163; München; Wien: Hanser Verlag; 2002
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
1854
mainz
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1854-mainz
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