Prozess Reengineering des Kursmanagements bei sunrise

01. juillet 2003



Um die Weiterbildungskurse effizienter zu verwalten, hat sunrise gemeinsam mit der PARX AG eine browserbasierte Kursmanagement-Applikation entwickelt. Dies setzte eine Standardisierung der Prozesse voraus. Die Fallstudie dokumentiert das Vorgehen dieses Prozess-Reengineering-Projekts.


1. sunrise

sunrise ist der zweitgrösste Telekommunikationsanbieter in der Schweiz. Unter dem Markennamen sunrise wurden Anfang des Jahres 2001 diAx und sunrise zur TDC Switzerland AG zusammengeführt.

Die Zielgruppen von sunrise sind Privat- und Geschäftskunden. Diesen bietet sie in zwei Geschäftsbereichen Telekommunikationsdienstleistungen:

  • Mobilkommunikation: sunrise bedient 1,17 Mio. Mobilkunden. Der Nettoumsatz belief sich 2002 auf 903 Mio. Franken. Dies ist eine Steigerung von 85 Mio. verglichen mit 2001. Dieses Umsatzwachstum ist auf einen gestiegenen Kundenbestand und ein höheres Verkehrsvolumen zurückzuführen.
  • Festnetz und Internet: Im Festnetz hat sunrise einen Marktanteil von 20%. sunrise bedient 852'000 Privatkunden. Mit diesen erwirtschaftete sie 744 Mio. Franken Umsatz. Die Nettoumsätze aus Internetdiensten, zu denen der Wählverkehr und ADSL zählen, beliefen sich 2002 auf CHF 117 Mio. 518'000 Kunden nutzen den Wählverkehr, 31'000 verfügen über einen ADSL-Anschluss.


Der Nettoumsatz von TDC Switzerland AG betrug 2002 1,764 Mrd. Franken.


„Um das Potential der Systementwicklung voll auszuschöpfen,
mussten wir den Prozess des Kursmanagement zunächst analysieren und standardisieren.“
(André Ryf, Head of New Media, sunrise)


sunrise beschäftigt in der Schweiz 2'500 Mitarbeiter/-innen aus 60 Nationen. Die kontinuierliche Personalentwicklung gehört zur Firmenphilosophie. Sie wird durch ein umfangreiches Kursangebot unterstützt. Jeweils zu Beginn des Jahres verein-bart der Vorgesetzte mit den Mitarbeitenden die Weiterbildungsziele.

Um die Kurse effizienter zu verwalten, hat sunrise gemeinsam mit der PARX AG eine browserbasierte Kursmanagement-Applikation entwickelt. Dies setzte eine Standardisierung der Prozesse voraus. Die folgende Fallstudie dokumentiert das Vorgehen dieses Prozess-Reengineering-Projekts:

  • Schritt 1: Prozess analysieren
  • Schritt 2: Ziele definieren
  • Schritt 3: Projektorganisation festlegen
  • Schritt 4: Prozess Reengineering und Automation
  • Schritt 5: Zielerreichung überprüfen

2. Prozess analysieren

Das sunrisespezifische Kursangebot ist vielfältig: Neben IT-, Verkaufs- und Produktschulungen gibt es zahlreiche Weiterbildungsseminare zu Themen der Persönlichkeitsentwicklung, der Führungs- und Sozialkompetenz, des Projektmanagements und zu Officeanwendungen. Ein Teil der Kurse wird von externen Lehrkräften geleitet.

Die Abteilung Human Resources betreut den Prozess des Kursmanagements. Eine Person ist verantwortlich für die Kurspublikation und die Administration der Anmeldungen. Als Querschnittsfunktion betrifft das Kursmanagement alle Mitarbeiter/-innen der sunrise. Pro Jahr führt sunrise 205 Kurse durch. Durchschnittlich besucht ein Mitarbeitender 1,5 Kurse pro Jahr. Dies führt zu insgesamt rund 3’700 Kursanmeldungen. Der Administrationsaufwand ist entsprechend gross.

Auslöser für die Entwicklung einer Kursmanagement-Applikation waren ausserdem verschiedene Schwachstellen im Prozess:

  • Kursadministratorin: Die Kursadministratorin muss die 3700 Anmeldungen mit Hilfe dutzender Excel-Tabellen verwalten. Dies beansprucht fast ihre ganze Arbeitszeit.
  • Know-how: Das Know-how über die Verwaltung der Kurse in den Excel-Dokumenten ist nur bei der Kursadministratorin vorhanden. Ist sie nicht anwesend, können die Kurse nicht verwaltet werden.
  • Bewilligungsprozess: Die Mitarbeitenden müssen die Kursangaben in ein Formular übertragen, das Formular ausdrucken und ihrem Vorgesetzten zur Unterschrift vorlegen. Erst dann können sie es bei der Kursadministratorin einreichen.
  • Unentschuldigte Absenzen: Unentschuldigte Absenzen führen dazu, dass die Kurse bei der Durchführung nicht voll belegt sind, obwohl noch Mitarbeiter/-innen auf der Warteliste gewesen sind.
  • Reporting: Daten für die Personalentwicklung können nur mit sehr viel Aufwand ausgewertet werden. Die Kursadministratorin ist jeweils eine ganze Arbeitswoche damit beschäftigt, die Kursbesuche der Mitarbeiter/-innen für die Personalgespräche zusammen zu tragen. Die HR-Abteilung trägt die gesamten Kosten für die Kurse. Die Auswertung der Kurskosten nach Abteilungen ist mit dem bestehenden System kaum möglich.

3. Ziele definieren

Die Prozessanalyse zeigte die oben genannten Schwachstellen. André Ryf leitete daraus die Ziele für die neue Kursmanagement-Applikation ab:

  • Kursadministratorin: Die Kursadministratorin erhält ein Instrument zur Verwaltung der Kurse und hat dadurch freie Kapazitäten für die Erledigung anderer Aufgaben.
  • Know-how: Damit auch in Abwesenheit der Kursadministratorin Kurse verwaltet werden können, muss der Prozess einfach und verständlich sein.
  • Bewilligungsprozess: Der Bewilligungsprozess wird automatisiert, damit können Zeiteinsparungen beim Mitarbeitenden und beim Vorgesetzten realisiert werden.
  • Unentschuldigte Absenzen: Durch eine bessere Kontrolle unentschuldigter Absenzen vom Kurs sollen die Mitarbeiter angehalten werden, sich wenn nötig abzumelden. Dadurch soll das Bewusstsein für den Wert und die Kosten der Schulungen gesteigert werden.
  • Reporting: Mit einem ausgeklügelten Reporting sollen Daten für die HR-Abteilung und das Management ausgewertet werden können. Damit wird auch die Weiterverrechnung der Kurskosten an die Abteilungen möglich.

4. Projektorganisation festlegen

Weil André Ryf durch andere Projekte ausgelastet war, übernahm Silvio Galfetti als externer Berater die Projektleitung. Er formulierte gemeinsam mit der HR-Abteilung die Fachanforderungen und schrieb darauf basierend in enger Zusammenarbeit mit der PARX AG die Spezifikationen für die Kursapplikation.

Beat Käch war der technische Projektleiter. Er koordinierte die technische Umsetzung des Projekts in seinem Team von Entwicklern.

André Ryf war im Projekt für die Supervision und die Qualitätssicherung zuständig.

Die Kosten für das Projekt teilten sich die Abteilung New Media und die HR-Abteilung. Normalerweise trägt bei sunrise der interne Auftraggeber die externen Kosten für die Applikation. Weil vom Kursmanagement jedoch alle Mitarbeiter/-innen profitieren, übernahm die Abteilung New Media einen Teil der Kosten.


5. Prozess Reingeneering und Automation

Rollen definieren:

Zunächst definierte Silvio Galfetti die betroffenen Rollen und ihre Rechte:

  • Mitarbeiter: Der Mitarbeiter kann auf das Kursangebot zugreifen, Kurse wählen und buchen.
  • Vorgesetzte: Der Vorgesetzte kann auf das Kursangebot zugreifen, wählen und buchen. Zusätzlich sieht er die neuen Kursanmeldungen seiner Mitarbeiter, die er bewilligen oder zurückweisen kann.
  • Kursadministration: Die Kursadministration erfasst im System die Kurse. Sie administriert die Kursanmeldungen, die sie von den Vorgesetzten erhält und plant die Kursdurchführung. Sie kann E-Mails an die Kursteilnehmer auslösen und sieht die Kurs-History aller Mitarbeiter/-innen. Zudem ist sie die letzte Entscheidungsinstanz bei Kursanmeldungen.
  • Kursleiter/Dritte: Die internen und externen Kursleiter erhalten die Teilnehmerliste und melden die unentschuldigten Absenzen zurück.



Prozesse standardisieren und automatisieren:

Das Projektteam standardisierte folgende Hauptprozesse für das Kursmanagement: Kurse publizieren, Anmeldeprozess und Kursadministration. Silvio Galfetti nahm dazu den bestehenden Ablauf auf und diskutierte mit der Kursadministratorin Verbesserungspotenziale. Die Standardisierung der Prozesse war schwierig, weil es viele Ausnahmefälle und Abhängigkeiten zu berücksichtigen galt. Die standardisierten Prozesse bildete die PARX AG in einer IT-Lösung ab, um sie zu automatisieren:

1. Kurse publizieren:
Die Kursadministratorin publiziert sämtliche Kursdaten im Intranet. Sie kann entweder einen neuen Kurs erfassen oder einen bestehenden Kurs editieren. Dazu hat sie ein Content-Management-System mit einer standardisierten Eingabemaske zur Verfügung.

2. Anmeldeprozess:
Im Anmeldeprozess sind in zeitlicher Abfolge der Mitarbeitende, dessen Vorgesetzter und die Kursadministratorin involviert (vgl. Abbildung 1):

Der Mitarbeiter hat im Kursportal Zugriff auf alle publizierten Kurse. Er wählt einen Kurs aus, begründet seinen Antrag und meldet sich dafür an. Die Mitarbeiterdaten stammen aus dem SAP.

Vor dem Auslösen des Prozesses wird eine unfangreiche Plausibilisierung durchgeführt. Dabei wird u.a. automatisch überprüft, ob der Mitarbeitende während der Kursdauer bereits einen anderen Kurs gebucht, oder ob er den gewählten Kurs bereits besucht hat.

Gibt es keine Überschneidung erhält der Vorgesetzte eine E-Mail, die ihn auf eine Neuanmeldung seines Mitarbeitenden hinweist. In seinem persönlichen Kursportal kann er die Anmeldung bestätigen oder ablehnen. Dies löst eine E-Mail an den Mitarbeitenden mit der Entscheidung aus.


Abbildung 1: Anmeldeprozess
Abbildung 1: Anmeldeprozess

Bewilligt der Vorgesetzte die Anmeldung wird sie gleichzeitig an die Kursadministratorin weitergeleitet.

Annulliert der Mitarbeiter während der Anmeldephase seine Anmeldung, wird er automatisch aus der Teilnehmerliste gestrichen.

3. Kursadministration
Die Kursadministratorin prüft die Anmeldungen nochmals. Für die Benachrichtigung des Mitarbeitenden und des Vorgesetzten hat sie E-Mail-Vorlagen zur Verfügung. Gewisse E-Mails werden automatisch ausgelöst. Bei anderen schlägt das System schlägt einen Text vor, die Kommunikation wird manuell ausgelöst. Dadurch kann der Text je nach Situation ergänzt und geändert werden.

Um die Kursverwaltung überwachen zu können, gibt es verschiedene automatische Warnmechanismen: Die Kursadministratorin wird bspw. an Kurse erinnert, die 1 Woche vor Durchführungstermin stehen, damit Teilnehmer aus der Warteliste über freie Plätze informiert werden können.


6. Zielerreichung überprüfen

Durch die Standardisierung und die Unterstützung mit IT konnten sämtliche Schwachstellen im Prozess eliminiert werden:

  • Kursadministratorin: Die Kursadministratorin muss nur noch 50% ihrer Arbeitszeit für die Kursverwaltung einsetzen.
  • Know-how: Der Prozess ist einfach nachvollziehbar, so dass auch in Abwesenheit der Kursadministratorin Kurse verwaltet werden können. Die Warnmechanismen weisen jeweils auf kritische Aktivitäten hin.
  • Bewilligungsprozess: Der Bewilligungsprozess ist automatisiert. Die Anmeldung wird automatisch vom Mitarbeiter an den Vorgesetzten und anschliessend an die Kursadministratorin weitergeleitet.
  • Unentschuldigte Absenzen: Bei unentschuldigten Absenzen wird der Vorgesetzte informiert. Die Mitarbeiter melden sich dadurch frühzeitig ab.
  • Reporting: Es stehen diverse Auswertungsmöglichkeiten zur Verfügung. Damit kann die HR-Abteilung das Kursangebot besser planen und die Auslastung der Kurse überwachen.

 


„Der PARX AG ist es gelungen, die komplexen Fachanforderungen und
Workflows optimal und in kurzer Zeit
in der Systementwicklung umzusetzen.“
(André Ryf, Head of New Media, sunrise)


7. Prozess Reengineering lohnt sich

Die Investition in die Prozessstandardisierung und in die IT-Lösung hat Kosten reduziert. Die Intranet-Infrastruktur wurde dadurch beeinflusst. Dies führte sowohl zu Kostenvorteilen wie –nachteilen bei den Wartungskosten, den Betriebskosten und den IT-Personalkosten.

Insgesamt sind die Mehrkosten im Vergleich zu den Einsparungen dank der Rationalisierung und Automation gering.

Die Wirtschaftlichkeit der Applikation ist durch folgende Nutzenkategorien begründet:

1. Senkung der Prozesskosten:
In allen drei Hauptprozessen konnten Zeiteinsparungen realisiert werden. Davon profitieren alle Betroffenen:

Pro Anmeldung werden 15 Minuten eingespart: Der Mitarbeiter spart 5 Minuten bei der Buchung eines Kurses, der Vorgesetzte 5 Minuten bei der Bewilligung und die Kursadministratorin 5 Minuten bei der Kontrolle. Bei der Kursadministratorin konnten die grössten Zeiteinsparungen realisiert werden: Heute beansprucht das Kursmanagement nur noch 50% ihrer Arbeitszeit. Dadurch hat sie mehr freie Kapazität für andere Aufgaben, die sie motiviert angehen kann.

2. Senkung der Weiterbildungskosten:
Folgende Massnahmen führten zu weniger unentschuldigten Absenzen, so dass die Kurse besser ausgelastet sind: Die Mitarbeiter melden sich frühzeitig ab, so kann jemand von der Warteliste am Kurs teilnehmen.

  • Bei unentschuldigten Absenzen schickt die Kursadministratorin eine E-Mail an denjenigen Mitarbeitenden mit einer Kopie an dessen Vorgesetzten. Darin bittet sie ihn um eine Erklärung für die Abwesenheit.
  • Bleibt ein Teilnehmer einem Kurs unentschuldigt fern, werden die Kurskosten an die Abteilung weiterverrechnet.


3. Erhöhte Prozesssicherheit durch Standardisierung:
Die Fehleranfälligkeit kann durch die Standardisierung des Prozesses reduziert werden.


8. Herausforderungen

Ein nächstes Ziel ist es, den Vorgesetzten in seiner Entscheidungsfindung zu unterstützen:

  • Sobald die Vorgesetzten eine Ãœbersicht über die in der Vergangenheit besuchten Kurse haben, können sie besser über eine Kursanmeldung ihrer Mitarbeitenden entscheiden.
  • Das Absenzenmanagement wird mit der Kursanmeldung verknüpft. Damit sieht der Vorgesetzte, bevor er die Anmeldung bewilligt, ob nicht bereits andere Mitarbeiter in diesem Zeitraum der Kursdurchführung abwesend sind.

9. Fazit

In vielen Fällen ermöglicht erst ein Redesign der Geschäftsprozesse, das Potential eines IT-Systems voll auszuschöpfen. Das Beispiel von sunrise zeigt dies. Der Schlüssel ist, die Aufgabenteilung und Aufgabenabfolge zu optimieren und den neuen Prozess mit IT zu unterstützen. Dies bedingt auch eine Anpassung der Organisation und der Rollen. Deshalb ist es wichtig, dass die Betroffenen in das Business Reengineering Projekt einbezogen werden. Die sunrise hat zu diesem Zweck die Fachanforderungen aus der Abteilung Human Resources evaluiert, um daraus die Ziele für den neuen Prozess abzuleiten. Erst durch die gemeinsame Optimierung aller Massnahmen der Technik, der Organisation und des Personals wird das Unternehmen effizienter und gewinnt Wettbewerbsvorteile.


Exploitant(s)

sunrise
André Ryf, Head of New Media
Andreas Moser, HR Development Manager
Silvio Galfetti, E-Business Projekte
Secteur: Informatique et télécommunications
Taille de l'entreprise: Grande entreprisesunrise

Partenaire(s) solutions

Andreas von Gunten, CEO
PARX Werk AG

Auteur(s) de l'étude de cas

Pascal Sieber, Nicole Scheidegger
Sieber & Partners
Gerrit Taaks
Unic AG

01. juillet 2003
Scheidegger; N.; Sieber; P.: Die Organisation des E-Business III; Verlag Paul Haupt; Bern; Stuttgart; Wien 2003.

Pour cette étude de cas, aucun attachement sont disponibles.
2091
ps-sunrise
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/2091-ps-sunrise
0
Les cookies nous permettent de vous fournir plus facilement nos services. En cliquant sur "Ok", vous nous autorisez à utiliser des cookies.