Aebi & Co. AG: Von einer selbstentwickelten After-Sales-Lösung hin zu einem webbasierten CRM

16. August 2006



Die Aebi & Co. AG in Burgdorf im Kanton Bern ist ein traditioneller Schweizer Maschinenbauer, mit einer starken Marktstellung im Segment landwirtschaftlicher Mehrzweckmaschinen und Kommunalfahrzeuge. Die Produktion ist durch eine grosse Fertigungstiefe geprägt. Die globale Vertriebs- und Servicestruktur ist komplex. Die Produkte sind äusserst dauerhaft, was zu einem langen Kundenlebenszyklus führt. Dies alles stellt hohe Ansprüche an den Kundendienst für die Betreuung nach dem Kauf. Die Kundendienstprozesse wurden bis anhin mit selbstentwickelten After-Sales-Lösungen unterstützt. Nun erfolgte im Zuge einer grösseren Umstellung der IT-Infrastruktur die Einführung einer integrierten und vollständig webbasierten CRM-Lösung, welche mächtige Funktionalitäten zur Betreuung bestehender Kunden für eine breite Anwenderschaft unter Einschluss des Aebi-Händlernetzes bereitstellt.


1. Das Unternehmen

Die Geschichte des Familienunternehmens Aebi als Maschinenfabrik begann 1883 mit der fabrikmässigen Produktion erster Landmaschinen in Burgdorf. Im April des Jahres 2006 wurde die Aebi-Holding an eine Unternehmergruppe rund um Peter Spuhler, Inhaber des Schienenfahrzeugherstellers Stadler Rail Group, verkauft.

Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe
Die Produktion der bekannten geländegängigen Mehrzwecktransporter wurde 1964 aufgenommen. Heute wird dazu ergänzend ein Produktionsprogramm geführt, das neben Motormähern auch aus Geräteträgern für schwieriges Gelände, Strassenkehrmaschinen und Mehrzweck-Kommunalfahrzeugen besteht.
Die Gruppe beschäftigt im Jahr 2006 rund 450 Mitarbeitende und erzielt einen Umsatz in der Grössenordnung von 130 Mio CHF. Rund 350 Beschäftigte arbeiten im Stammhaus in Burgdorf und Oberburg, die übrigen in den Gruppengesellschaften. Die Aebi-Produkte werden weltweit über unabhängige Händler an die Endkunden vertrieben.
Im Hause Aebi geht man davon aus, dass weltweit deutlich über 300'000 Maschinen im Einsatz sind. Auf dem Gebiet der hangtauglichen Geräteträger für schwieriges Gelände sieht sich Aebi selbst als weltgrösster Hersteller.
Das Marktumfeld ist sowohl im Landwirtschaftssektor wie auch im Kommunalfahrzeugbereich weltweit von Überkapazitäten gekennzeichnet. Entsprechend hart wird der Kampf um Marktanteile geführt. Ist der Investitionsentscheid gefällt, erwarten die Kunden von Aebi und ihren Vertriebspartnern eine exzellente Betreuung nach dem Kauf.

Stellenwert von Informatik und E-Business
Der Bedeutung von Informationen als Produktionsfaktor mit Produktivitätspotenzialen durch Einsatz von Informatikmitteln wurde bei Aebi bereits 1962 mit der Installation eines IBM Systems 3/620 Rechung getragen. Die Aufschaltung der Website www.aebi.com erfolgte 1996. Damit verbunden ergaben sich Überlegungen zu der Fragestellung, wie vorab das Händlernetz (also die eigentlichen Kunden von Aebi) und darauf aufbauend auch die Endkunden als Anwender der Aebi-Maschinen durch elektronische Plattformen und E-Business-Instrumente besser an das Unternehmen gebunden werden könnten.
In der Folge konkretisierte sich eine Vision für das elektronisch gestützte CRM:


Die CRM-Lösung soll für eine breite Anwenderschaft mit verschiedenen Rollen alle notwendigen Funktionalitäten browsergestützt über das Web bereitstellen (Intranet-, Extranet- und Internet-Funktionalitäten). Jede Stelle mit Kundenkontakt (d.h. auch jeder Händler mit Endkundenkontakt) soll ohne weitere Installation einen rollenbasierten Zugriff auf CRM-Funktionalitäten erhalten. Alle Kontakte und Informationen zu Händlern und Endkunden sollen im System möglichst in einem integrierten „Tool“ abgebildet werden, das dann als Basis für Analysen (im Sinne von Knowledge Management und Business Intelligence) auch auf Stufe Geschäftsleitung dem Leistungs- und Finanzmanagement dienen kann. Alle für die strategische Führung und den operativen Betrieb notwendigen Informationen über die Händler als Aebi-Kunden und die Endkunden als Nutzer der Produkte sollen zeitnah zur Verfügung stehen.



2. Der Auslöser des Projekts

Ausgangslage und Anstoss für das Projekt
Parallel zur Arrondierung der Aebi-Gruppe zu einem hochspezialisierten Maschinenindustriekonglomerat wurde nach einem Anbieter einer integrierten Informatik-Gesamtlösung für alle Gruppengesellschaften gesucht. Im Laufe der Ablösung der eigenentwickelten ERP-Softwaresystemumgebung erfolgte zu Beginn des Jahres 2002 nach einem gezielten Evaluationsverfahren der Entscheid zur Migration auf das Standardsoftwarepaket proAlpha der Firma Codex Information Systems & Consulting AG, Münchenstein. Damit konnten die Anforderungen hinsichtlich der engeren ERP-Belange gruppenweit abgedeckt werden.
Die Kundendienstprozesse wurden bis zu diesem Zeitpunkt von einer selbstentwickelten Lösung mit dem Namen PISA – Produkte-Informations-System Aebi – unterstützt. Es stellte sich die Frage, inwieweit auch die bisherige, nur vom engeren Kreis der Kundendienstmitarbeiter in der Zentrale (rund 10 Anwender) genutzte, After-Sales-Lösung weiter in eine stärker integrierte und für einen breiteren Kreis von Anwendern gruppenweit nutzbare CRM-Lösung überführt werden kann. Damit sollte auch erreicht werden, dass das Kunden-, Produkte- und Prozesswissen von einzelnen Know-how-Trägern auf einen breiteren Sachbearbeiterkreis, der jeweiligen Rolle entsprechend, ausgebreitet werden kann. In der Folge wurde für die Ablösung von PISA durch ein umfassendes CRM-System die Actrictiy AG, eine auf CRM-Fragestellungen spezialisierte Tochtergesellschaft der Codex AG, hinzugezogen.

Vorstellung der Geschäftspartner
Die Actricity AG als Anbieter und Implementierungspartner der CRM-Lösung
Die Aktivitäten von Actricity gründen auf der Überzeugung, dass gerade im CRM-Bereich konsequent Webbrowser-gestützte Lösungen effizientere Formen der Kundenbetreuung ermöglichen. Für die Realisierung dieser Vision wurde die CRM-Standardlösung „Actricity-CRM-Portal“ entwickelt. Mit der Verschiebung von der Produkt- hin zur Kundenorientierung ist der Kunde nicht mehr nur ein Datenobjekt in einer Verkaufsdatenbank, sondern ein aktiv integrierter Partner in einem gemeinsamen Portal. Dies verbindet ihn mit allen im Kundenkontakt stehenden Stellen der Lieferantenkette. Das Portal führt zu einem interaktiven Customer Relationship Management bereits in der Pre-Sales-Phase. Das Actricity-CRM-Portal bildet alle kundenrelevanten Informationen ab. Die Portalrollenbasierte Zugriffssteuerung [Sicherheit] erlaubt dabei die genaue Parametrisierung der Zugriffsrechte, der sichtbaren Datensätze und der individuellen Bildschirmmasken für die unterschiedlichen Anwendertypen. Diese Rollenunterscheidung ermöglicht die Abbildung komplexer Vertriebs- und Servicestrukturen


3. CRM im internationalen Vertrieb der Aebi-Maschinen

Aufgrund des kleinen Binnenmarktes ist Aebi – wie viele andere Schweizer Anbieter – vor die Herausforderung gestellt, mit seinen Produkten auch auf den Weltmärkten bestehen zu können. Der Unterhalt eines schlagkräftigen internationalen Vertriebsnetzes ist für ein Unternehmen dieser Grösse nicht ohne weiteres zu bewältigen. Mit einer geschickten Virtualisierung geeigneter Aktivitäten (Kundendienst) und der Integration der Vertriebspartner in das CRM-System bietet sich aber die Chance, Grössennachteile gegenüber mächtigen und global tätigen Konkurrenten mit einer höheren Agilität auszugleichen.

Geschäftssicht und Ziele
Dreh- und Angelpunkt im Geschäftsmodell von Aebi ist die Zusammenarbeit mit Händlern (vgl. Abb. 1). Im Händlernetz widerspiegelt sich der Abdeckungsgrad in den Zielgruppengebieten. Über ein gut betreutes Händlernetz will Aebi einen kohärenten Verkaufsdruck flächendeckend erzeugen. Im Weiteren bilden die Händler die erste Anlaufstelle für die Endkunden im Falle von Reparatur- und Serviceanfragen. Weltweit sind rund 600 Händler für Aebi aktiv. Sie betreuen rund 60'000 Endkunden (davon 20'000 in der Schweiz) und über 300'000 eingesetzte Maschinen. Den Händlern stehen Verkaufsberater aus dem Hause Aebi zur Seite. Für die 370 in der Schweiz tätigen Händler sind sieben Verkaufsberater aktiv, davon vier für Landmaschinen. Die drei auf dem Gebiet der Kommunalfahrzeuge tätigen Verkaufsberater leisten auch Direktverkaufsaktivitäten an Endkunden, typischerweise in Fällen grösserer Submissionen und komplexer kundenspezifischer Produktanforderungen. Bei diesen potenziellen Konflikten in den Absatzkanälen wird darauf geachtet, dass die Händler auch bei Direktverkaufsaktivitäten wenn immer möglich in geeigneter Form in die Wertschöpfung eingebunden und kulant über Rabattierung und Kommissionen honoriert werden. Dies nicht zuletzt mit dem Ziel, hier eine nachhaltige Bindung an das Haus Aebi sowohl auf Händler- als auch auf Endkundenstufe sicherzustellen. Die dabei ablaufenden Prozesse sind vielfältig und häufig komplex.

Abb. 1: Business Szenario: Vertrieb und Service für Aebi-Mehrzweckmaschinen


Abb. 1: Business Szenario: Vertrieb und Service für Aebi-Mehrzweckmaschinen


Bei der Einführung der CRM-Lösung wurde deshalb auf strategischer Ebene auch das Ziel verfolgt, durch die Einbindung der ersten Kundenstufe Händler in ein gemeinsam genutztes Kundenbetreuungs- und Wissensportal eine partnerschaftliche Beziehung und eine hohe Kunden-Lieferantenbindung zu erreichen. Auf operativer Ebene liegen die Ziele in schnellen und unterbruchsfreien Prozessen für die Kundenbetreuung unter Einbezug der Händler. Das CRM-System soll das Tagesgeschäft vereinfachen und die gemeinsame Wissensbasis fortlaufend erweitern. Betroffen ist ein Mengengerüst von rund 25'000 Ersatzteilsendungen im Jahr (dies entspricht durchschnittlich etwa 100 Ersatzteilsendungen pro Werktag mit saisonalen Spitzen bis zu 200 Sendungen) und rund 5'000 Anfragen zu technischen Auskünften, Reparatur- oder Garantiebegehren (dies entspricht durchschnittlich etwa 20 komplexen Sachbearbeitungen pro Werktag). Die Prozessunterstützung mit Selbstbedienungselementen wird als Weg gesehen, um die Produktivität in der Kundenbetreuung zu steigern, ohne dass der Kunde eine Qualitätseinbusse in seiner Beziehung zum Lieferant erfährt.

Im Zentrum der CRM-Lösung bei Aebi stehen die Kundendienstprozesse. Abb. 1 zeigt dabei die wichtigsten Vorgänge P1 bis P8. Aebi bietet seinen Händlern verschiedene Kontaktkanäle an, wobei ein Rabattsystem die effizienteren Kanäle begünstigt. Erfolgt die Anfrage oder die Bestellung direkt über den in das CRM-Portal integrierten Webshop (bereits 25 % der Fälle), so wirkt dies rabatterhöhend. Persönliche Vorsprache (1 % der Fälle) an den Schaltern des Kundendienstbüros oder die Zusendung eines Telefax (34 % der Fälle) sind rabattneutral, während Anfragen und Bestellungen per Telefon (40 % der Fälle) eine Rabattminderung zur Folge haben. Letzteres soll durch Einführung einer kostenpflichtigen 0900er-Nummer noch verstärkt werden.

Prozesssicht
Alle aufgeführten Kundendienstprozesse (P1–P8) werden durch die Funktionalitäten der CRM-Lösung unterstützt, wobei die Ausprägung der Automatisierung in den einzelnen Prozessen unterschiedlich ist. Erfolgt beispielsweise eine Ersatzteilbestellung (P1) durch den Händler über den CRM-Webshop, so ist bis zu den Rüst- und Auslieferungschritten der ganze Prozess medienbruchfrei automatisiert. Einen weiteren Prozess, der zwar systemgestützt aber mit Interventionen durch die Sachbearbeitung abgewickelt wird, zeigt Abb. 1.2. Das Fehlermanagement (P7) ist einer der wichtigsten Prozesse im Aebi-Kundendienst. Hier werden CRM-gestützt Entscheide getroffen und aufgrund der gegebenen Umstände entsprechende Aktionen geplant und vorgenommen. Durch die in den Workflows vorgesehenen Zurückschreibeaktivitäten wird die Wissensdatenbank fortlaufend angereichert.

Die Generierung der Unterlagen für die Sachbearbeitung erfolgt systemgestützt. Aufgrund der Entscheide an den monatlichen Sitzungen des Teams FMR (Fehler-Management-Revision), das sich aus Mitarbeitenden des Kundendienstes sowie der Abteilung Entwicklung und Konstruktion zusammensetzt, werden einzelnen Mitarbeitenden Aufgaben zugewiesen, die über Workflows gesteuert und überwacht werden können.

Abb. 2: Prozess Fehlermanagement


Abb. 2: Prozess Fehlermanagement


Anwendungssicht
Der aus der Sicht der Anwender wichtigste Punkt ist die Zugriffmöglichkeit auf alle Funktionalitäten des CRM-Portals über einen gewöhnlichen Webbrowser. Das heisst einerseits, dass Anwender keine Zusatzinstallation vornehmen müssen und anderseits, dass auch ortsunabhängig Zugriff auf das CRM-Portal genommen werden kann. Abb. 3 zeigt eine Übersicht über die wichtigsten Anwendungen und ihre Verknüpfungen.

Abb. 3: Anwendungsübersicht im Aebi-Vertriebssystem


Abb. 3: Anwendungsübersicht im Aebi-Vertriebssystem


Hinsichtlich der Datenhaltung sind folgende Punkte erwähnenswert: Der Austausch zwischen den ERP-Stammdaten und den Actricity-CRM-Daten erfolgt XML-basiert. Der „Lead“ bei der Datenhaltung liegt bei der ERP-Datenbank. Die Actricity-CRM-Datenbank übernimmt Stammdaten zu Kunden, Maschinen (im Zustand nach der Endmontage), Ersatzteilen und weitere in einem über Nacht erfolgenden Datenabgleich. Das Actricity-CRM-System seinerseits spielt im Viertelstundentakt Daten zu Transaktionen wie Ersatzteilbestellungen (der Webshop ist ja in Actricity integriert) oder gesprochene Garantien verbunden mit entsprechenden Gutschriften in das ERP-System zurück.

Den Endkunden steht unter der Adresse www.aebi.com ein Informationsabfrage- und austausch-Portal zur Verfügung, das allerdings nur einen freiformatierten, nicht integrierten Meldungsaustausch ermöglicht.

Technische Sicht
Die Aebi-Gruppe hat ihre unterschiedlichen Standorte über Internet mit einer VPN-Logik vernetzt. Einzig der Standort Hochdorf wurde aus Performancegründen über eine Standleitung angebunden (vgl. Abb. 4). Die Händler haben über das Aebi-Extranet Zugang zu allen für sie relevanten Transaktionen des CRM-Systems.

Abb. 4: Einbindung aller Gruppengesellschaften und Händler in das Aebi-CRM-System


Abb. 4: Einbindung aller Gruppengesellschaften und Händler in das Aebi-CRM-System


Die hard- und softwarseitige Ausstattung der einzelnen Systeme ist aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich. Das proAlpha-ERP-System ist auf rund 200 Benutzer und das Actricity-CRM-System auf rund 500 Benutzer ausgelegt.

Tab. 1: Spezifikationen und Merkmale der Aebi-Systemumgebung

Tab. 1: Spezifikationen und Merkmale der Aebi-Systemumgebung


CPU: Prozessor, RAM: Arbeitsspeicher, HD: Festplattenspeicher, BS: Betriebssystem, AW: Anwendungssoftware, MW: Middleware, DB: Datenbanksoftware


4. Projektabwicklung und Betrieb

Eine breite Gruppe künftiger Anwender wurde bereits in das Evaluationsverfahren der neuen ERP-Standardsoftware proAlpha einbezogen. Diese wurde von Anfang 2002 bis Anfang 2004 über alle Standorte der Gruppe in der Schweiz und in Österreich in Betrieb genommen. Der Entscheid für das Actrictiy-CRM-Portal wurde im September 2002 getroffen. Als Ende des Jahres 2002 die Migration von der eigenen Kundendienstlösung PISA auf das Actricity CRM-Portal konzipiert wurde, konnte auf umfassende Erfahrungen der Kundendienstabteilung mit den in PISA abgebildeten Prozessen zurückgegriffen werden. Dabei wurden Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert und vorgesehen. Bis März 2003 waren die Konzeption und die Parametrisierung des neuen CRM-Systems zusammen mit der Datenübernahme aus der alten Kundendienstlösung abgeschlossen. Die Arbeit mit der Wissensdatenbank und deren fortlaufende Ergänzung waren ab diesem Zeitpunkt browsergestützt in der neuen rollenbasierten Oberfläche möglich. Ein weiterer wichtiger Ausbauschritt wurde im April 2006 vorgenommen, als für die Händler die direkte Bestellmöglichkeit von Ersatzteilen über einen Webshop, der in der gewohnten Oberfläche des CRM-Portals integriert ist, produktiv geschaltet wurde.
Da die beiden neueingeführten Systeme vom gleichen Lösungsanbieter stammen, waren die nötigen Schnittstellen zwischen der ERP- und der CRM-Lösung unter weitgehender Nutzung von Synergien zwischen den in beiden Projektlinien involvierten Personen erstellbar.

Der ganze Betrieb des ERP- und des CRM-Systems wird zusammen mit weiteren IT-Lösungen, die notwendige Spezialfunktionen anderer Bereiche (wie etwa Entwicklung und Konstruktion) abdecken, von einer hauseigenen Informatikabteilung sichergestellt.


5. Erfahrungen

Nutzerakzeptanz
Durch die breite Einbindung der zukünftigen Nutzer in die Evaluationsverfahren sind die neuen Systeme im Alltagsbetrieb gut aufgenommen worden. Bei den Händlern müssen auch Anreize mit monetären Elementen gesetzt werden, damit sie das effektivere CRM-System nutzen. Bemerkenswert ist, dass nach den ersten vier Betriebsmonaten (April bis Juni 2006) der in die CRM-Lösung integrierten Ersatzteilbestellmöglichkeit bereits ein Viertel der Bestellungen online erfolgte.

Zielerreichung und bewirkte Veränderungen
Das Zusammenspiel zwischen Aebi als Produzent und den Händlern als Kunden der ersten Marktstufe erfolgt zunehmend über dieses integrierte CRM-Werkzeug. Von der Wissensdatenbank werden Informationen bezogen und auch wieder zurückgeschrieben. Die Wissenserfassung in den diversen internen Prozessen mit Hilfe der im Workflow integrierten Rückschreibeprozeduren auf die Datenbank funktioniert. Für eine abschliessende Beurteilung des Erfolgs bei der angestrebten verstärkten Einbindung der Händler in verbesserte Informations- und Bestellprozesse ist die Zeitdauer seit der Produktivschaltung des Webshops mit vier Monaten noch zu kurz.

Investitionen, Rentabilität und Kennzahlen
In den folgenden Aufstellungen für die im Zusammenhang mit einer solchen Lösung erforderlichen Investitionen wird ein in der Komplexität mit der Aebi-Lösung vergleichbarer Standardfall abgebildet. Die Angaben beziehen sich auf die zusätzlich zu einem ERP-System erforderlichen Komponenten für die CRM-Lösung.

Die Investitionen für die Hardware-Infrastruktur (zum Betrieb der Actricity-Applikation und -Datenbank sowie eines Web- und Kommunikationsservers) belaufen sich auf rund 10'000.- CHF.

Infolge der Anbindungsmöglichkeiten des Actricity-CRM-Portals an verschiedene Datenbanksysteme kann auf ein bestehendes System beim Kunden aufgesetzt werden und es werden hierfür keine weiteren Kosten angenommen.

Die Actricity-CRM-Portal Standardsoftwarekosten hängen von den benötigten Funktionsgruppen und der Anzahl der Nutzer in den verschiedenen Kategorien ab. Im vorliegenden Fall ergaben sich in etwa folgende Zahlen:

  • Auslegung auf 100 interne intensive Hauptnutzer:

Einmalige Lizenzkosten von 120'000.- CHF.

  • Auslegung auf 200 weitere interne, aber extensive Nebennutzer:

Einmalige Lizenzkosten von 70'000.- CHF.

  • Auslegung auf 200 externe Nutzer (Händler über Extranet):

Einmalige Lizenzkosten von 50'000.- CHF.

Für die Aktivitäten des IT-Partners im Projekt (Beratung, Projektleitung, individuelle Entwicklungen und Datenübernahmen sowie Schulung) ergab sich ein Aufwandsblock von 120 Arbeitstagen in einem Wert von 180'000.- CHF.

Das gesamte Investitionsvolumen beläuft sich also auf etwa 430'000.- CHF.

Für den laufenden Betrieb ist ein Wartungsvertrag zugrunde gelegt, der das Einspielen von neuen Releases sowie Supportleistungen umfasst („Aufrechterhalten des Betriebs in der Ist-Situation“). Berechnet wird ein Fünftel der Softwareinvestition, was hier mit rund 50'000.- CHF pro Jahr zu Buche schlägt.

Auf der Seite der daraus resultierenden Einsparungen und Produktivitätssteigerung werden in qualitativer Hinsicht vor allem die Erhöhung der Managementeffektivität anhand der nun praktisch in Echtzeit vorliegenden Kennzahlen über das Problemfallmanagement und den daraus ableitbaren Hinweisen für die Produktionsverbesserung angeführt.

Umsatzsteigerungen beim Ersatzteilgeschäft, für das in absehbarer Zeit ein Umsatzanteil von rund einem Fünftel am Gesamtumsatz anzunehmen ist, sind aufgrund der Verbesserung zu erwarten: Kürzere Lieferzeiten im Verbund mit noch zuverlässigeren Teilen sollen auch den Anteil der Drittanbieter von Ersatzteilen für Aebi-Maschinen weiter zurückdrängen.

Ein Kernpunkt bei den Einsparungsmöglichkeiten ist der Umstand, dass das System in der Lage ist, Wissen, das bis anhin oft nur in den Köpfen einzelner langjähriger Mitarbeitender vorhanden war, entpersonalisiert abzubilden. Eine grössere Teilevielfalt und mehr Elektronik in den Aebi-Maschinen erhöhen die Komplexität. Nur dank der verbesserten CRM-Systemunterstützung gelingt es, diese Mehrlast bei gleichbleibendem Personalbestand von rund 30 Mitarbeitenden im Kundendienst zu bewältigen. Dabei wird von einer erhöhten Wissenserschliessungsproduktivität von etwa 10 % ausgegangen.


6. Erfolgsfaktoren

Ein Maschinenbauer wie Aebi, der in Kleinserien von 100 bis 500 Maschinen zwar hochwertige, aber auch im oberen Preissegment liegende Produkte herstellt, ist in ganz besonderem Masse darauf angewiesen, dass Fehler sofort erkannt und Verbesserungen umgehend vorgenommen werden. Durch die IT-Systemunterstützung kann aus den Alltagsabläufen des Kundendienstes rasch herausgefiltert werden, wo gegebenenfalls Handlungsbedarf auch in Entwicklung und Konstruktion sowie in Produktion und Endmontage besteht. Diese enge Verzahnung von Produktions- und Absatzbereichen führt letztendlich zu einer Marktleistung, die auch auf den internationalen Märkten bestehen kann, und unterstützt die angestrebte verstärkte Kundenbindung.

Spezialitäten der Lösung
Da alle verkauften Maschinen zusammen mit allen Komponenten und der Maschinenhistory im CRM-System abgebildet und zusammen mit der Kundenhistory auf Knopfdruck auffindbar sind, ergibt sich für Produzent und Händler eine breite und verlässliche Informationsbasis: die jeweils gewünschte Information kann mit Hilfe des Internets zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar gemacht werden und stellt im Erscheinungsbild dem jeweiligen Sachbearbeitungsprozess genau die Datensichten und Funktionalitäten bereit, die für den konkreten Arbeitsschritt benötigt werden. Der browsergestützte Zugriff entschlackt die Einführung auch bei den Händlern von nutzungshemmenden Installations- und Betriebsproblemen. Indem die Lösung alle Händleraktivitäten auf ein und derselben Plattform integriert, können sie erfasst und dabei so abgebildet und abgelegt werden, dass sie den vielfältigen Zwecken der Anwender entsprechend wieder abrufbar sind.

Reflektion der „Prozessexzellenz“
Letztendlich ist die zuverlässige Einsatzbereitschaft eines der wichtigsten Nutzenelemente, das die Endkunden aus dem Einsatz der Aebi-Produkte ziehen. Ein Maschinenausfall in den häufig saisonal bedingten Perioden intensiven Einsatzes hat für den Endkunden gravierende Konsequenzen. Dem vorzubeugen ist Aufgabe des Qualitätsverbesserungsprozesses, der – vom Kundendienst angestossen – die Abteilungen Entwicklung und Produktion integriert und zu verbesserten Leistungen bringt. Darauf baut ein erstes wichtiges Element der angestrebten Kundenbindung auf: In den langen Maschinenlebenszyklen sollen die Kunden durch einen hervorragenden Kundendienst (Auskünfte, Wartung, Ersatzteile, Garantie- und Kulanzbehandlung) so an das Unternehmen gebunden werden, dass bei Neuanschaffungen die Wahl des Endkunden wiederum auf ein Produkt von Aebi fällt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Kommunalbereich die typische Zeitdauer bis zu einer Neuanschaffung rund 5 Jahre beträgt, während sie im Landwirtschaftsbereich über 20 Jahre erreichen kann und damit teilweise auch generationenübergreifend ist. Die Konsequenz dieser Überlegungen ist ein ausgeklügeltes Fehlermanagement. Es umfasst die kontinuierliche Überwachung von häufig auftretenden Fehlern, eine abteilungsübergreifende Diskussion bei der Suche nach Standardfehlern, die Identifikation allenfalls ungenügender Konstruktions-, Montage bzw. Materialmerkmale und deren rasche Beseitigung in der laufenden Produktion. Aebi nimmt gegebenenfalls auch Interventionen an Maschinen vor, die bereits bei den Endkunden produktiv im Einsatz sind, und sieht dies als einen wichtigen Beitrag zur Kundenbindung. Die Raschheit und die Präzision der damit verbundenen Prozesse, nicht nur stammhausintern, sondern auch im Verbund mit den Händlern, stützen sich wesentlich auf Funktionalitäten, die mit der Wissensdatenbank und den ergänzenden CRM-Werkzeugen erst möglich geworden sind.

Lessons Learned
Gerade auch im Fall Aebi, bei dem wichtige Teile des Know-hows durch die Mitarbeitenden getragen werden, ist eine sachgerechte „Entpersonalisierung“ durch eine geeignete Abbildung wichtiger Wissensdaten ein für die Kontinuität der Marktleistungen wichtiger Faktor. Für den Aufbau und die fortwährende Ergänzung der Datenbausteine in der Wissensdatenbank sind möglichst alle betroffenen Abteilungen im Betrieb einzubeziehen, da diese Ersteingabe- und Aufbauaktivität von ihrem Umfang her nicht zu unterschätzen ist. Nur eine breit angelegte und kontinuierlich mit weiteren Daten angereicherte Wissensdatenbank bringt die relevanten Erkenntnisse für strategische und operative Tätigkeiten.
In diesem Sinne wäre auch wünschenswert, wenn in einer weiteren Ausbauphase ein Weg gefunden würde, sich noch stärker von der Sicht und den Funktionalitäten des abgelösten Legacy-Systems PISA zu lösen und aufbauend auf dem Funktionspotenzial des neuen browsergestützten CRM-Portals bestimmte Abläufe weiter zu überdenken. Dabei ginge es gegebenenfalls auch darum, bisherige betriebliche Zuordnungen (Abteilungen) mit Blick auf eine noch weiter zu stärkende Kundenbindung vorurteilslos zu hinterfragen.


Betreiber der Lösung

Aebi & Co. AG
Dominic Meier, Leiter Kundendienst
Branche: Maschinenbau/Feinmechanik, Fahrzeugbau
Unternehmensgrösse: GrossunternehmenAebi & Co. AG

Lösungspartner

Michel Henlin, Partner, Leiter Entwicklung
Actricity AG

Autoren der Fallstudie

Rolf Gasenzer
Berner Fachhochschule

16. August 2006
Gasenzer; Rolf (2006): Fallstudie Aebi & Co. AG; in: Wölfle; Ralf; Schubert; Petra (Hrsg.): Prozessexzellenz mit Business Software; S. 101 - 114; München; Wien: Hanser Verlag; 2006.
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
1687
aebi-actricity
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1687-aebi-actricity
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