E-Procurement bei den Schweizer Bundesbahnen (SBB)

01. März 2002



Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB AG) sind mit rund 28.000 Mitarbeitern das grösste Transportunternehmen der Schweiz. Durch die Einführung der elektronischen Beschaffungslösung SAP Enterprise Buyer Professional (EBP) können seit dem 1. Juli 2001 mehr als 1.100 Endanwender auf einen SBB-spezifischen Katalog mit über 20.000 C-Artikeln zugreifen. Die Anwender können mit Hilfe eines einfachen, internetbasierten Katalogs Produktinformationen, Bilder und Preise für C-Artikel aufrufen und die gewünschten Artikel selbst bestellen. Als Folge der neuen IT-Lösung und der damit verbundenen internen Veränderungen konnten die Kosten eines Beschaffungsvorgangs und die Durchlaufzeiten der Beschaffungsprozesse signifikant reduziert werden.


1. Das Unternehmen

Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB AG) sind mit 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das grösste Transportunternehmen der Schweiz. Der Einkauf ist zentral organisiert und innerhalb der Abteilung Infrastruktur als eigenständiger Geschäftsbereich positioniert. 90% des Umsatzes im zentralen Einkauf werden durch interne Kunden generiert, die übrigen 10% entfallen auf externe Geschäftspartner wie beispielsweise andere Bahnen. Im Jahr 2000 wurde in diesem Bereich insgesamt ein Beschaffungsvolumen von über CHF 500 Mio. umgesetzt, davon alleine CHF 50 Mio. im reinen C-Artikelbereich.


2. Ausgangslage

Durch die manuellen Beschaffungstätigkeiten und den geringen Automatisierungsgrad der Beschaffungsprozesse liegen die Prozesskosten einer Bestellung dort oft über dem tatsächlichen Warenwert, was überproportional hohe Einkaufskosten auslöst. Dieser Bereich bietet sich also für eine E-Procurement-Lösung geradezu an.


60 Millionen Schweizer Franken haben die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) im Jahr 2000 für Bleistifte, Kugelschreiber, Glühbirnen und andere Verbrauchsmaterialien, sogenannte C-Artikel, ausgegeben. Eine stattliche Summe, bei der es sich lohnt, über Einsparmöglichkeiten nachzudenken. Für die SBB stand bald fest, dass der Umstieg auf elektronische Beschaffung (E-Procurement) die richtige Lösung war.


3. Der Entscheid: Umstieg auf elektronische Beschaffun

E-Procurement-Lösungen automatisieren den Beschaffungsprozess vom Bedarf bis zur Zahlung. Sie versprechen einen schnellen und messbaren Return on Investment (ROI), weil sie zu transparenten und beschleunigten Prozessen und damit zu geringeren Transaktionszeiten und zu einer Vereinfachung und Standardisierung der Abläufe führen.

Im Juli 2000 begannen die SBB mit der Einführung einer E-Procurement-Lösung. Ziel war, das Beschaffungswesen zu vereinfachen und die Beschaffungskosten für den C-Artikelbereich deutlich zu verringern. Dazu gehörte unter anderem die Definition einer neuen Einkaufsstrategie, die Optimierung der Lieferantensituation und konsequentes Rahmenvertragsmanagement, die Überarbeitung der SBB-internen Lagerhaltung und die Straffung des Produktportfolios. Umgesetzt werden sollte dies durch die Einführung von SAP EBP 2.0c (Enterprise Buyer Professional), welches an die bereits vorhandene SAP R/3 Plattform angebunden wurde. Ausserdem ist die Katalogsoftware Intershop enfinity 2.1 eingesetzt worden.

Bedingung für die Einführung einer E-Procurement-Lösung war für die SBB ein schneller und messbarer Return on Investment (ROI). Unter Einbeziehung der SBB-spezifischen Rahmenbedingungen und der konsequenten Umsetzung der betriebswirtschaftlichen Detailkonzepte ist ein ROI von eineinhalb Jahren errechnet worden.


4. Methode und Vorgehen

Im Rahmen der Ist-Analyse sind die bestehenden Beschaffungsprozesse, die aktuelle Lieferanten- und Lagersituation, das Produktportfolio und die zum Einsatz kommende Technologie detailliert untersucht worden. Im anschliessenden Detailkonzept sind folgende Lösungen für eine Reorganisation erarbeitet worden:

Überprüfung und Neudefinition der Lagerprozesse:
Mit einer eigens für die SBB entwickelten Methodik, in die sowohl betriebswirtschaftliche Kennzahlen als auch unternehmensspezifische Kriterien mit einbezogen worden sind, kann die Lagerhaltung der SBB auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Durch die Anwendung dieser Methode lassen sich die Lagerkosten erheblich reduzieren.

Aufbau eines konsequenten Lieferantenmanagements:
Durch die Einführung spezifischer Bewertungskriterien sind alle C-Artikel Lieferanten in ein transparentes Bewertungssystem eingegliedert worden. Damit konnten nicht nur die Preise, sondern auch die Qualität der Lieferanten verglichen und bewertet werden, was ein konsequentes Lieferantenmanagement ermöglicht. So ist bei gleichbleibendem Produktportfolio die Anzahl der Lieferanten von ursprünglich 1.400 auf etwa 150 reduziert worden. Eine kontinuierlich gepflegte Datenbank stellt heute sicher, dass die Qualität der Lieferanten permanent überwacht und an den Erfordernissen des Marktes gemessen werden kann.

Neustrukturierung und Segmentierung des Produktportfolios:
Das Produktportfolio des gesamten C-Artikelbereichs ist neu strukturiert und klassifiziert worden. Als Basis dafür diente die international gültige Standardklassifikation nach UN/SPSC. Diese ermöglicht es den Lieferanten, eine einheitliche und standardisierte Artikelstrukturierung für verschiedene Kunden zu nutzen. Bis jetzt sind 20.000 C-Artikel klassifiziert und in den benutzerfreundlichen Online Katalog übernommen worden.

Konzentration auf strategische Aufgaben:
Die Einführung von SAP EBP entlastet den Einkauf von operativen Aufgaben, indem 1.100 Anwender dezentral über eine einfache und intuitive Internetbenutzeroberfläche Artikel aus einem elektronischen Katalog mit über 20.000 C-Artikeln bestellen können. Der Einkauf kann sich dadurch auf strategische Schwerpunkte konzentrieren. Der Bereich hat sich von einem operativen zu einem strategischen Einkauf gewandelt, mit Schwerpunkten in den Bereichen Lieferantenmanagement, Kundenbetreuung und Beschaffungsmarktforschung. Weniger wertschöpfende Tätigkeiten liegen jetzt bei den Bedarfsträgern und nicht mehr beim Einkauf.

Abbildung 1: Beschaffungsprozess
Abbildung 1: Beschaffungsprozess


5. Katalogmanagement

Der Online-Katalog ist die Visitenkarte eines E-Procurement-Systems. Qualitativ hochwertige Artikeldaten mit aussagekräftigen Texten, Bildern und unternehmensspezifischen Preisen erleichtern den Bestellern die Auswahl der benötigten Artikel und sorgen für Kostentransparenz. Die SBB hat sich für einen sogenannten Multi-Supplier-Katalog entschieden, der aus Gründen der Datensicherheit innerhalb der SBB-Netzwerkgrenzen angesiedelt ist. In einem Multi-Supplier-Katalog sind Angebote verschiedener Lieferanten online verfügbar. Beim Aufbau und Unterhalt des Kataloginhaltes hat die SBB mit einer externen Firma zusammengearbeitet. Diese stellt den Single Point of Entry für alle Lieferantenkataloge im Katalogmanagementprozess sicher. Sie sorgt auch für die Datenqualität und die Generierung der Kataloge im XML-Format, die für den Import in die SBB-internen Systeme nötig ist. Diese Art des Katalogmanagements gewährleistet eine rasche Anbindung von neuen Lieferantenkatalogen, eine Fokussierung auf das Kerngeschäft im unternehmensinternen Einkauf, eine Standardisierung und Rationalisierung der Artikeldaten sowie den Einsatz von technischen und betriebswirtschaftlichen Standards wie XML und UN/SPSC.

Die Software Enterprise Buyer Professional (EBP) von SAP bildet das Kernstück der implementierten E-Procurement-Lösung. Sie bildet die Organisationsstruktur der SBB ab und umfasst eine komplexe Userverwaltung mit Rollendefinitionen und entsprechenden Berechtigungen. Die Katalogsoftware enfinity 2.1 von Intershop ist die zweite wichtige Komponente der eingeführten elektronischen Beschaffungslösung. Sie bildet das gesamte Artikelportfolio ab und erlaubt es dem Benutzer, seinen Warenkorb zu füllen und an das EBP System zu übertragen. Eine enge Integration der E-Procurement-Lösung mit dem ERP-System SAP R/3 garantiert einen durchgängigen Prozess - von der Bedarfsauslösung bis zur Zahlung.



Abbildung 2: Ausschnitt aus dem SBB-spezifischen Katalog für C-Artikel


Abbildung 2: Ausschnitt aus dem SBB-spezifischen Katalog für C-Artikel

6. Ergebnis

Die Einführung einer elektronischen Beschaffungslösung mit SAP EBP senkt die Kosten für die Beschaffungsvorgänge signifikant. Sie entlastet den zentralen Einkauf von operativen Aufgaben, indem 1.100 Anwender dezentral über eine einfache und intuitive Internetbenutzeroberfläche Artikel aus einem elektronischen Katalog mit über 20.000 C-Artikeln bestellen können. Die Zahl der Lieferanten ist von ursprünglich 1.600 auf heute ca. 150 reduziert worden. Im Rahmen des Roll-outs werden derzeit weitere Artikelsortimente in den Katalog aufgenommen. Eine Direktanbindung der Hauptlieferanten ist ebenfalls geplant.

Insgesamt bedeutet die elektronische Beschaffungslösung eine Verbesserung der Servicequalität und damit auch der Kundenzufriedenheit. Der Zentraleinkauf kann sich jetzt durch die Dezentralisierung der Bedarfe auf strategische Tätigkeiten wie Rahmenvertragsmanagement und Lieferantenauswahl konzentrieren.


7. Lessons Learned

Von den Veränderungen durch die Einführung der E-Procurement-Lösung sind vom Management über den Einkauf, vom Lieferanten bis hin zum Endanwender die verschiedensten Bereiche betroffen. Der Veränderungsprozess muss mit professionellen Change Management Massnahmen aktiv begleitet werden. Nur eine frühzeitige und offene Informationspolitik gegenüber allen Beteiligten sowie eine umfassende und individuelle Unterstützung in der Roll-out Phase führen zur gewünschten Akzeptanz der neuen Unternehmensprozesse und zur angestrebten Nutzung der neuen Lösung. Bei der SBB setzte man dabei vor allem auf Kommunikation (z.B. Newsletter, Intranetauftritt und Marketingpräsentationen), auf eine permanente Betreuung aller Bereiche, in denen Prozesse verändert worden sind und kontinuierliche Anwenderbetreuung. Aufgrund der hohen Anzahl von Endanwendern spielten eigens entwickelte, individuell zugeschnittene Online Schulungen über das Intranet eine wichtige Rolle.

Mit der Einführung von SAP EBP 2.0c und Intershop enfinity 2.1 haben die Schweizerischen Bundesbahnen das Fundament für die Erweiterung bestehender und Einführung neuer Funktionalitäten gelegt, wie etwa so genannte Procurement Cards für die Optimierung von Zahlungsprozessen. Die E-Procurement-Lösung bildet auch die Grundlage für einen strategischen Ausbau der eBusiness Aktivitäten im Bereich Portale, Auktionen und elektronische Ausschreibungen.


Betreiber der Lösung

SBB
Branche: Verkehrsunternehmen/Transport/Logistik, Personenverkehr, Güterverkehr, Infrastruktur, Informatik
Unternehmensgrösse: GrossunternehmenSBB

Lösungspartner

Christoph Ermel, Projektleitung
ESPRiT Consulting

Autoren der Fallstudie

Christoph Ermel
ESPRiT Consulting

01. März 2002
Christoph Ermel (2002): E-Procurement bei den SBB in: Beschaffungsmanagement - Revue de l'Acheteur; 3/2002; S.12 ff.

Zu dieser Fallstudie sind keine Anhänge verfügbar.
1877
e-procurement-sbb
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1877-e-procurement-sbb
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