KIGA Baselland: Arbeitsbewilligungen online beantragen

30. Juni 2003



Mit dem Pilotprojekt "ePublic BL" hat der Kanton Baselland hat seine erste E-Government-Applikation realisiert. Seit Dezember 2002 können Unternehmen Arbeitsbewilligungen für ausländische Arbeitskräfte online beantragen. Ferner erhalten registrierte Firmen Einsicht in die eigenen Daten des ZAR (Zentrales Ausländerregister), Zugriff auf eigenes Firmenprofil, automatische Mitteilungen über ablaufende Bewilligungen und Statusmeldungen zu laufenden Anträgen. Mittels einer Schnittstelle zum ZAR werden die Daten laufend mit dem Bund abgeglichen.


1. Ausgangslage

Das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) des Kantons Basel-Landschaft ist u.a. zuständig für die arbeitsmarktliche Begutachtung von Gesuchen für ausländische Arbeitskräfte, inklusive aller Kontingentsfragen. Ansässige Unternehmen reichen Gesuche um Arbeitsbewilligung für Aufenthalter, Grenzgänger, Selbständigerwerbende sowie Dienstleistungserbringer bei der Behörde ein. Nach arbeitsmarktlicher Prüfung leitet das KIGA die Anträge an das Amt für Migration (vormals Fremdenpolizei) weiter. Dieses ist zuständig für die formelle Regelung des Aufenthaltes und für die Ausstellung des Ausländerausweises. Einzig die Grenzgängerbewilligungen werden vom KIGA autonom durchgeführt. Die Bewilligungsverfahren wurden bisher ausschliesslich papierbasiert abgewickelt.

Problemstellung:
Bewilligungsverfahren sind aus Sicht des Antragstellers erklärungsbedürftige Verwaltungsdienstleistungen. Dem Gesuchsteller ist nicht intuitiv klar, welche Bewilligungsart er wählen muss. Die Bearbeitungszeit eines Gesuches hängt massgeblich davon ab, ob der Antrag und die Beilagen richtig ausgefüllt sind und vollständig beim KIGA eingereicht werden. Das Verfahren verzögert sich in bis zu 50% der Fälle durch das Nachfordern fehlender Dokumente, aufgrund fehlerhafter Angaben, telefonischer Anfragen von Antragstellern sowie durch den postalischen Versand der einzelnen Dokumente.


2. Projekt "ePublic BL"

Ende 2001 beschloss der Kanton Basel-Landschaft, ein Pilotprojekt im Bereich eGovernment durchzuführen. Das Projekt sollte eine gewisse Komplexität aufweisen, um den Nutzen von eGovernment gegenüber allen Anspruchsgruppen ausweisen zu können. Deshalb wurden folgende Kriterien für das Pilotprojekt definiert:

  • schnelle Realisierbarkeit
  • typische Verwaltungsdienstleistungen stehen im Vordergrund
  • mehrere Verwaltungsstellen sind vom Verfahren betroffen
  • interne Abläufe können mit der Einführung einer eGovernment-Lösung reorganisiert und optimiert werden
  • eine kritische Masse an Transaktionen wird erreicht
  • ein Nutzen für die Anspruchsgruppen ist ausweisbar
  • die Einführung betrifft eine motivierte Dienststelle mit Interesse an eGovernment

Das KIGA erfüllte mit dem Kernprozess «Arbeitsbewilligungen» oben erwähnte Kriterien. Die Nutzeneffekte für den Hauptkunden, die Wirtschaft, wurden hier besonders hoch eingestuft. Die Anzahl potenzieller Transaktionen (Bearbeitung von Gesuchen um Arbeitsbewilligungen) im Jahr 2003 wurde auf 12'000 geschätzt. Unter dem Arbeitstitel «ePublic BL» wurde Anfang 2001 das Projekt «Arbeitsbewilligungen online» gestartet.

Ziele des Projektes:
Den Unternehmen sollte eine eGovernment-Lösung zur Verfügung gestellt werden, mit der sie einen einfachen, effizienten und zeitgemässen Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen bekommen. Zur Konzeption einer bedarfsgerechten Lösung gehörte auch die Anpassung interner Abläufe. Dabei mussten gesetzliche Rahmenbedingungen (z. B. bilaterale Verträge) sowie die Anforderungen des Datenschutzes eingehalten werden. Ausserdem sollte mit dem Pilotprojekt das Potenzial von eGovernment modellhaft ausgewiesen werden. Es war Bestandteil des Projektes, das systematische Vorgehen aufzuzeigen und zu dokumentieren. Mit dem gewählten Prozess wurde ein archetypischer Verwaltungsprozess (Bewilligungen erteilen) ausgewählt. Das Projekt sollte als Referenzprojekt für weitere eGovernment-Lösungen im Kanton Basel-Landschaft dienen.

Projektorganisation:
Das Projekt ist von der Arbeitsgruppe der Fachgruppe für Informatik (FGI) des Kantons Basel-Landschaft initiiert worden. Christoph Rindlisbacher von der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion Basel-Landschaft leitete das Projekt. Das Projektteam umfasste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KIGA BL sowie die Datenschutzbeauftragten des Kantons. Ferner wurde das Projekt phasenweise extern begleitet: Die Analyse- und Konzeptphase wurde von einem Kompetenzzentrum für eBusiness sowie einem Kompetenzzentrum für eGovernment durchgeführt. Die anschliessende Realisierung wurde von Concevis AG (früher: De Simone & Osswald AG), Basel übernommen.


3. Sicherheitsanforderungen

In der Konzeptphase sind die technischen bzw. organisatorischen Anforderungen an die Lösung definiert und die konzeptionellen Sicherheitsanforderungen (kulturelle, soziale, politische und rechtliche) im Fachkonzept beschrieben worden. Die Vorgaben wurden im engen Kontext zur gängigen Verwaltungspraxis umgesetzt und den individuellen Erfordernissen angepasst. Im Rahmen der Arbeitsbewilligungen werden sensitive Personendaten erfasst und gespeichert. Um die kritische Masse an Transaktionen zu erreichen, muss das Vertrauen der Nutzer gewonnen werden. Dementsprechend wurden von der Datenschutzbeauftragten bereits während der Konzeption folgende Sicherheitsanforderungen in das Projekt eingebracht:

  1. Bei Kommunikation und Transaktion müssen Vertraulichkeit, Integrität und Authentifizierung der Daten (durch den Einsatz möglichst innovativer Technologien) geschützt werden.
  2. Nur die gesetzlich erforderlichen Daten sollen erhoben werden (Grundsatz der Datensparsamkeit).
  3. Kunden sollen jederzeit nachvollziehen können, zu welchem Zweck sie welche Angaben machen. Ferner müssen die Inhaberin der Datensammlung sowie die Dauer der Speicherung der Daten bekannt sein.
  4. Benutzerinnen und Benutzer haben jederzeit das Recht, ihre eigenen Daten zu überprüfen und deren Berichtigung oder Löschung zu verlangen.
  5. Verfügbarkeit und Funktionsfähigkeit des Systems sowieRollenkonzept:
  6. Transaktionen müssen rechtsgültig sein.

4. Konzeption

Rollenkonzept:
Aus den Sicherheitsanforderungen ist ein Rollenkonzept abgeleitet worden:
Unternehmen nutzen das System als «Gast» oder als «registriertes Unternehmen». Gastunternehmen können Bewilligungen beantragen sowie laufende Bewilligungen einsehen. Unternehmens- sowie Personendaten müssen aber für jede Bewilligung erneut eingegeben werden. Registrierte Unternehmen können sich mit dem zugeteilten Startaccount anmelden. Verglichen mit den Gast-Unternehmen stehen ihnen erweiterte Funktionalitäten zur Verfügung. Für deren Nutzung bestimmt das Unternehmen eine Aufsichtsperson bestimmt, welche wiederum Sachbearbeiter ernennen kann, deren Zugriffsrechte er verwaltet. Die Sachbearbeiter nehmen rechtsgültige Handlungen online vor und haben Zugriff auf die im Web-System gespeicherten Unternehmens- und Personendaten. Registrierte Unternehmen können die in der Lösung hinterlegten eigenen Firmendaten lesen und teilweise bearbeiten. Die Erfassung der Gesuche wird dadurch beschleunigt. Ferner werden registrierte Unternehmen sechs Wochen vor Ablauf einer Bewilligung automatisch per E-Mail benachrichtigt.

Lösungsprinzipien und -grundsätze:
Unternehmen des Kantons Basel-Landschaft können Bewilligungen online beantragen, deren Status einsehen und bestehende Bewilligungen verwalten. Der Antragsteller wird dabei von einem interaktiven Assistenten unterstützt, der in Form einzelner Masken aufgebaut ist (Abb. 1).

Abbildung 1: Interaktiver Assistent
Abbildung 1: Interaktiver Assistent


Während des gesamten Erfassungsdialoges steht zudem eine Hilfefunktion zur Verfügung, und die Eingabe der Daten kann jederzeit unterbrochen und zu einem anderen Zeitpunkt fortgesetzt werden. Nach Abschluss der Eingabe wird das zugehörige Bundesformular als pdf-Datei erzeugt. Dieses Formular druckt der Antragsteller aus und unterschreibt es. Zusätzlich zum Gesuchsformular erstellt das Websystem ein Fax-Deckblatt. Das mit einem Barcode versehen ist. Dem Fax-Deckblatt werden alle erforderlichen Beilagen zum Gesuch beigefügt. Der Antragsteller sendet die Dokumente per Fax an das KIGA. Anhand des Barcodes ordnet das System die gesendeten Dokumente einem Antrag zu. Alternativ können Antrag und Beilagen als Dateiupload an das KIGA übertragen werden, wo die Daten elektronisch gespeichert werden. Ein Ausdruck der Dokumente ist nicht erforderlich. Kann ein Antrag vom System nicht zugeordnet werden, so generiert das System eine Meldung, und die Dokumente werden manuell zugeordnet. Die Mitarbeitenden des KIGA verarbeiten die Gesuche elektronisch. Steht eine Verlängerung einer Bewilligung an, so werden registrierte Unternehmen automatisch sechs Wochen vor Ablauf der Bewilligung informiert.

Datenschutz:
Die Vertraulichkeit der Personendaten wird durch eine verschlüsselte Verbindung zur Datenübertragung sichergestellt. Es werden nur Personendaten erhoben, die für Bearbeitung der Gesuche zwingend erforderlich sind. Die Antragsteller werden darüber informiert, dass der Antrag als Kopie beim KIGA gespeichert wird. Nach erfolgreicher Übermittlung des Antrags (inklusive Beilagen an das KIGA) erhält der Gesuchsteller eine Bestätigung. Die gemachten Angaben können von der KIGA nicht abgeändert werden.


5. Realisierung

Technische Lösung:
Benutzeridentifikation und Passwort schützen das Webinterface vor unerlaubtem Zugriff. Die übertragenen Daten werden mit einem 128-Bit-SSL verschlüsselt. Das mehrstufige Sicherheitssystem der kantonalen Infrastruktur schützt die gespeicherten Daten vor unautorisiertem Zugriff. Der Kanton Basel-Landschaft setzte auf eine einheitliche Systemplattform. Die Lösung wurde vollständig auf dem
.Net Framework entwickelt und in C# programmiert. Zum Einsatz kamen der SQL-Server 2000, der Internet Information-Server sowie ein Exchange Server 5.5. Zur Abbildung der Business-Logik wurden die .Net Web Services verwendet.

Sicherheitsreview:
Der Kanton Basel-Landschaft beauftragte eine externe Firma mit der Sicherheitsreview der Lösung. Die Tests erfolgten auf einem Testsystem und zielten auf die Bereiche Applikation, Authentisierung, Autorisierung, Session Management und Webserver ab.
Die Beurteilungskriterien wurden direkt aus dem Konzept abgeleitet. Mit Aktionen wie Eindringen von aussen via Internet (Anwenderstufe), diversen Interviews, Studium von Dokumentationen und Angriffen auf den Webserver wurde das System auf Sicherheitsmängel geprüft.


6. Nutzen

Dass sich das Internet sinnvoll zur Unterstützung von Verwaltungsleistungen einsetzen lässt, zeigt sich anhand der folgenden Nutzenbetrachtung:

Nutzen aus Sicht der Verwaltung:

  • Die konsequente Ausrichtung des Projektes am Kundennutzen (Unternehmen) trägt zur Standortattraktivität bei.
  • Neuerungen, die sich z. B. durch die bilateralen Verträge ergeben, können einfach in die Lösung implementiert werden.
  • Telefonische Anfragen haben abgenommen, da die Kunden den Status ihrer Gesuche selbständig prüfen. Die Briefpost und der Einsatz an Papier ist deutlich zurückgegangen. Arbeitsabläufe werden vereinfacht und beschleunigt. Das Gesuchsverfahren gewinnt an Transparenz.
  • Die Antragsdaten liegen in elektronischer Form vor.
  • Die Anzahl falsch ausgefüllter oder unvollständiger Anträge wird minimiert.
  • Es ist möglich, Ablehnungsgründe im Websystem zu hinterlegen.
  • Der öffentliche Auftrages kann mit weniger Ressourcen erfüllt werden.
  • Die Projektdefinition mit Phasen und Meilensteinen kann als Modell für zukünftige eGovernement Projekte verwendet werden.


Nutzen aus Sicht der Unternehmen:

  • Es steht ein zusätzlicher Kanal zur Gesuchstellung zur Verfügung, der jederzeit erreichbar ist.
  • Die Unternehmen erhalten eine Ãœbersicht und Statusmeldung über alle Bewilligungen sowie eine eMail-Benachrichtigung über auslaufende Anträge.
  • Der administrative Ablauf wird vereinfacht.
  • Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind erhöht, da sich der Kunde laufend über den Status seines Gesuchs und über Ablehnungsgründe informieren kann.
  • Bei registrierten Unternehmen sind die Firmendaten gespeichert und werden bei der Gesuchserfassung automatisch übernommen.
  • Neben der Aufsichtsperson können registrierte Unternehmen Sachbearbeiter bestimmen, die Zugriff auf das System haben.
  • Firmendaten sind im System hinterlegt und können ggf. mutiert werden.
  • Einfaches Einreichen des Gesuchs und der Beilagen per Fax oder Dateiupload.

7. Lessons Learned

  • Auf bestehende Erfahrungen anderer Kantone zurückgreifen schont die Ressourcen.
  • Bedürfnisabklärungen bei den Kunden bereits während der Analysephase brachten wichtige Erkenntnisse für die Konzeption.
  • Umfangreiche Test (u. a. mit Referenzkunden) erhöhen den Kundenfokus und die Benutzerfreundlichkeit.
  • Bereits in der Konzeptphase sind im Rahmen eines Request for Information (RFI) fünf Anbieter beigezogen worden. Sie brachten ihre Vorschläge und Varianten noch vor der eigentlichen Realisierung ein. Informationen über Produkte, deren Eigenschaften sowie Vor- und Nachteile verschiedener Lösungsszenarien konnten berücksichtigt werden.
  • Früher Beizug der Realisatoren verhindert das Verfolgen irrelevanter Alternativen bereits in der Konzeptphase.

8. Die Lösung im Betrieb

Seit dem 5. Dezember 2002 können die Arbeitsbewilligungen online beantragt werden. Das Webinterface bildet alle Gesuchsverfahren ab, liefert Informationen zum Thema Bewilligungen und bietet Unterstützungsdienste zu allen Bewilligungsarten an. Ca. 3'000 ansässige Unternehmen wurden im Vorfeld dazu eingeladen, den Online-Schalter des KIGA zu nutzen. Einen Monat später hatten sich bereits 840 Unternehmen registriert, aktuell sind es 890 Unternehmen. Pro Tag gehen beim KIGA zwischen 42 – 45 Anträge online ein. Die Anzahl der bisher online eingereichten Gesuche beträgt derzeit 5’106.


eWorkPermits:
Der Kanton Zürich hat unter dem Namen "eWorkPermits" eine Analoge Anwendung realisiert. Seit Februar 2003 ist der elektronische Schalter für Arbeitsbewilligungen online. Zur Fallstudie


Betreiber der Lösung

KIGA - Baselland
Christine Degen, Ressortleiterin Ausländerbewilligungen
Roman Zaugg, Stab Wissenschaftliche Sachbearbeitung
Branche: Öffentliche Verwaltung/Sozialversicherung/Polizei/Armee, Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit
Unternehmensgrösse: MittelunternehmenKIGA - Baselland

Lösungspartner

Christoph Rindlisbacher, Informatik-Projektleiter
Justiz und Polizeidepartement Basel-Landschaft
Ralf Wölfle
Fachhochschule beider Basel FHBB
Joel Meir, Konzeption
Institut für Wirtschaft und Verwaltung IWV
Christoph Schüpbach, Realisierungspartner
Concevis AG

Autoren der Fallstudie

Christoph Rindlisbacher
Justiz und Polizeidepartement Basel-Landschaft
Joel Meir
Institut für Wirtschaft und Verwaltung IWV
Matthias J. Göckel
Fachhochschule beider Basel FHBB

30. Juni 2003
Meir; Joel; Rindlisbacher; Christoph; Göckel; Matthias (2003): KIGA Baselland: Arbeitsbewilligungen online beantragen; in: eGov Präsenz; 02/2003; S. 23-25.

Zu dieser Fallstudie sind keine Anhänge verfügbar.
1972
epublic-kiga-bl
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1972-epublic-kiga-bl
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