Optimierung der Beschaffungsprozesse für C-Artikel bei den Nordostschweizerischen Kraftwerken (NOK)

01. September 2002



Die Nordostschweizerischen Kraftwerke versorgen gemeinsam mit den Kantonswerken und gegen 500 Endverteilern über 2.3 Millionen Bewohner mit Strom. Im Hinblick auf die bevorstehende Energiemarktliberalisierung werden Optimierungspotenziale konsequent genutzt und neue Kooperationsformen angestrebt. Die im Geschäftsbereich Kernenergie eingesetzte elektronische Einkaufslösung im ASP-Modell (Application Service Providing) optimiert die Prozesse bei der Beschaffung von C-Teilen. Ein pragmatisches Vorgehen, vielfältige Ausbauoptionen und minimale Investitionskosten für eine professionelle, benutzerfreundliche Anwendung zeichnen diese Lösung aus.


1. Das Unternehmen

Auf- und Umbruch im Hinblick auf die Marktöffnung
Die Nordostschweizerischen Kraftwerke wurden vor rund 90 Jahren von fünf nordostschweizerischen Kantonen gegründet. Seither erfüllt NOK die ihr auferlegte Stromversorgungspflicht. Die hierzu erforderliche Energie wird aus eigenen Kraftwerken und Partnerwerken sowie über Bezugsrechte aus dem Ausland beschafft und in die Regionen geliefert. Die jeweiligen Kantonswerke verteilen den Strom an Endverbraucher und rund 500 kommunale Endverteiler.


NOK ist eine Tochtergesellschaft der im Frühjahr 2001 gegründeten Axpo Holding. Die neun Nordostschweizer Kantone als heutige Eigentümer dieser Holding haben sich gemeinsam zum Ziel gesetzt, die beteiligten Kantonswerke und die NOK zu einem starken, zukunftsgerichteten Stromunternehmen zusammenzuführen. Die Marketing-, Handels- und Verkaufsaktivitäten der beteiligten Partner wurden an die Tochtergesellschaft Axpo AG, die jeweilige Informatik an die Axpo Informatik AG übertragen. Mittelfristig wird die vollständige Integration zu einer strategischen Holding in öffentlicher Hand angestrebt.


Von den etwas über 1100 Mitarbeitenden der NOK arbeiten 450 im Geschäftsbereich Kernenergie, dessen Hauptaufgaben der Betrieb des KKW Beznau und die Beschaffung und Entsorgung von Brennstoffen sind.

Abb. 1.1: Versorgungsgebiet der Axpo Gruppe

Abb. 1.1: Versorgungsgebiet der Axpo Gruppe



Markt- und Beschaffungssituation
NOK zählt heute zu den bedeutendsten Stromunternehmen der Schweiz. Dank direkten Verbindungen zum europäischen Verbundnetz und enger Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Partnern verfügt das Unternehmen über eine sehr hohe Versorgungssicherheit und kostengünstige Stromproduktions- und -beschaffungsmöglichkeiten. Im Geschäftsjahr 2000/2001 wurde ein Umsatz von 1.7 Mrd. CHF erwirtschaftet und eine Energie-Gesamtleistung von 25 Mrd. KW/h erbracht. Davon wurden etwas mehr als 20 % vom KKW Beznau produziert.


Beschaffungssituation im Geschäftsbereich Kernenergie
Im Geschäftsbereich Kernenergie arbeiten drei Personen für den Materialeinkauf, 1.6 Personaleinheiten kümmern sich um die Rechnungsprüfung. Die Beschaffung versteht sich als interner Dienstleister und versucht, den Ansprüchen der Fachabteilungen gerecht zu werden und die strategischen Vorgaben des Unternehmens zu erfüllen.


Im Einkauf sind viele sicherheitsbedingte, behördliche Richtlinien zu berücksichtigen. Die NOK teilt deshalb ihre Güter neben der üblichen ABC-Klassifikation zusätzlich in vier Sicherheitsgruppen ein. Weil der Versorgungssicherheit ein hoher Stellenwert zukommt, werden überdurchschnittlich viele Materialien an Lager gehalten. Ihr Wert betrug im Jahr 2001 rund 53 Mio. CHF bei einem Beschaffungsvolumen (ohne Brennstoffe) von 45 Mio. CHF. Dieses wird zum grössten Teil durch Projekte für Instandhaltung, Revision und Modernisierung dominiert. Total werden gegen 30'000 Beschaffungsartikel im ERP-System geführt.


Lieferantenbeziehungen
Die Lieferantenauswahl bei strategisch wichtigen Produkten und Komponenten ist beschränkt. Es existieren weltweit nur wenige Hersteller, und diverse Fusionen in den vergangenen Jahren (z.B. Framatome ANP oder Westinghouse Reaktor GmbH) haben die Situation noch verschärft. Hinzu kommt, dass die zu beschaffenden Produkte und deren Applikation äusserst wissensintensiv sind und das erforderliche Know-how nur beim jeweiligen Lieferanten vorhanden ist. Deshalb werden diese Beziehungen durch die Fachabteilungen gepflegt, denn sie verfügen über das für die Auswahl und Leistungsbeurteilung erforderliche Wissen.


Bei den C-Materialien ist die zentrale Einkaufsabteilung bei der Auswahl, Beurteilung und Pflege der Lieferanten federführend. Hier wird die dezentrale und effiziente Abwicklung von Bestellungen angestrebt. Dies soll durch eine Konzentration der Lieferanten und den Einsatz von E-Procurement-Instrumenten erreicht werden.


Unternehmensvision
NOK will die Marktöffnung als Chance nutzen und versteht sich als Kern eines führenden und attraktiven Schweizer Energieunternehmens mit internationaler Ausrichtung. Als die wichtigsten strategischen Schlüsselfaktoren wurden Marktorientierung, Mitarbeiterexzellenz, Kostenführerschaft und Wachstum definiert.


Für die Beschaffung gilt besonders das Ziel der Kostenführerschaft. Hier strebt das Unternehmen die im Konkurrenzvergleich geringsten Produktions-, Overhead- und Finanzierungskosten an.


2. E-Business-Strategie

Im Zuge der Integrationsbestrebungen kümmert sich die Holding um die strategischen Belange der Axpo-Gruppe. Der Internettechnologie wird im Stromgeschäft für Kommunikation und Vertrieb ein grosses Potenzial zugesprochen. Deshalb wurde ein interdisziplinärer E-Business-Ausschuss auf Holdingebene eingesetzt.


Weil beschaffungsseitig keine E-Business-Aktivitäten geplant waren und der Einkaufsleiter des Geschäftsbereichs Kernenergie aber doch die vielschichtigen Potenziale neuer Instrumente für sich erschliessen wollte, ergriff er persönlich die Initiative. Das Projekt sollte innerhalb der Axpo-Gruppe kein Präjudiz schaffen und die Organisation nur unbedeutend beanspruchen. Dank der Vorreiterrolle dieses Geschäftsbereichs, wird die Axpo die E-Procurement-Erfahrungen gruppenweit verwerten können. Um diesen Prozess zu unterstützen, wurde die Axpo Informatik als Beobachter ins Projekt miteinbezogen.


3. Procurement-Lösung

Ausgangslage und Anforderungen
Die historisch gewachsenen Beschaffungsprozesse sind, bedingt durch das regulierte Umfeld, stark papierbasiert und wurden lange Zeit undifferenziert abgewickelt. So verursacht eine Bestellung laut internen Erhebungen Kosten von gegen 270 CHF, ein Betrag der vor allem bei C-Teilen, die keinen besonderen Sicherheitsrichtlinien unterstehen, in keinem vertretbaren Verhältnis zum Bestellwert steht. Die zentrale Einkaufsabteilung war zu stark in administrative Tätigkeiten des operativen Bestellprozesses involviert. Von den jährlich ca. 4'000 im SAP/R3 erfassten Bestellungen wurden 900 sog. telefonische Bestellungen von der Einkaufsabteilung für die spätere Rechnungskontrolle mit einem reduzierten Datensatz im SAP erfasst. Die jährlich gegen 600 Büromaterialbestellungen wurden von den Fachabteilungen direkt vorgenommen und nicht im System abgebildet.


Die künftige E-Procurement-Lösung sollte die telefonischen Bestellungen reduzieren, die Bestellung von unkritischen C-Teilen für alle Beteiligten vereinfachen sowie eine erhöhte Transparenz im Prozess und bei den Büromaterialbestellungen schaffen. Die Wahl der Lösung wurde durch folgende Bedingungen bestimmt:

  • Ausgeschöpftes Investitionsbudget
  • Axpo Informatik befindet sich in einem Veränderungsprozess und sollte lediglich marginal beansprucht werden
  • Skalierbarkeit und Weiterentwicklung der Lösung im SAP-Umfeld
  • Hohe Benutzerfreundlichkeit der Applikation
  • Fortführung der Zusammenarbeit mit bestehenden Qualitätslieferanten



Partner
Ein renommiertes Beratungsunternehmen offerierte NOK eine Vorstudie für eine vollintegrierte Lösung auf der Basis des Enterprise Buyer Professional von SAP. Die Projekt- und Investitionskosten hätten für den geplanten Einsatzbereich jedoch keine vertretbare Payback-Zeit ergeben. Auf eine detaillierte Vorstudie wurde schliesslich verzichtet, da angesichts der umständlichen Beschaffungsprozesse ein offensichtliches Optimierungspotenzial bestand. Unter den gegebenen Voraussetzungen erwies sich die Nutzung einer ASP-Lösung und die Lieferantenbindung über einen elektronischen Handelsplatz als idealer Lösungsansatz, der auch die Ansprüche an Skalierbarkeit und Ausbaumöglichkeiten erfüllt. NOK entschied sich für die Lösung Einkaufsmanagement ASP von Conextrade.


Conextrade AG - Procurement Service Provider
Die 100%-ige Tochtergesellschaft der Swisscom AG zählt etwa 75 Mitarbeitende und betreibt den führenden elektronischen Handelsplatz in der Schweiz. Conextrade verbindet Prozesse und Systeme zwischen Geschäftspartnern und stellt den Austausch von Daten unterschiedlichster Formate sicher. Abhängig vom vorhandenen Systemumfeld werden verschiedene Varianten der End-to-End-Integration bis zu ASP-Lösungen eingesetzt. Das Katalog- und Content Management als Basis elektronischer Handelslösungen gehört ebenso ins Dienstleistungsportfolio von Conextrade wie umfassende eServices (z.B. Online-Einkaufs- & Verkaufsauktionen).


Lieferanten
NOK suchte frühzeitig das Gespräch mit vier ihrer wichtigsten Lieferanten für regelmässig zu beschaffende, unkritische C-Artikel. Distrelec, Kaiser + Kraft, und Brütsch Rüegger verfügten bereits über eine Geschäftsbeziehung mit Conextrade. Die LB Logistikbetriebe mussten erst für die neue Form der Zusammenarbeit gewonnen werden. Für die Auswahl der Lieferanten wurden folgende Kriterien berücksichtigt:

  • Einkaufsvolumen und Anzahl Beschaffungsvorgänge
  • Unkritische Güter ohne spezielle Sicherheitsregelungen
  • Verfügbarkeit der erforderlichen elektronischen Artikeldaten
  • Hoher Abdeckungsgrad des Sortiments (Lieferantenkonzentration)



Folgende Materialgruppen werden abgedeckt: Büromaterial, Arbeits- und Strahlenschutz, Betriebseinrichtungen, Handwerkzeuge, Elektromaterial.


Prozesse, Rollen und Funktionen
Nach dem Lösungsentscheid begann die NOK gemeinsam mit Conextrade mit der Modellierung des Konzepts und der Definition der Prozesse und Rollen.


NOK
Die zentrale Einkaufsabteilung wählt weiterhin die Lieferanten aus, bestimmt das Sortiment und schliesst die Rahmenverträge ab. Die Einkaufslösung stellt sicher, dass mehr Vorgänge innerhalb der Rahmenverträge abgewickelt werden. Der zentrale Einkauf verwaltet die auf der Plattform zugelassenen Benutzer.


Eine Integration ins SAP ist vorläufig nicht geplant. Man will vorerst Erfahrungen sammeln und die Komplexität möglichst gering halten. Auch auf die Unterstützung der Teilprozesse Rechnungsprüfung und Bezahlung wird im ersten Schritt verzichtet, obwohl bei der Analyse der Prozesskosten hier ein grosses Einsparpotenzial identifiziert wurde. Diesen nächsten Schritt will man sorgfältig evaluieren, zumal ein solches Projekt eine grössere Dimension hätte.
Die Kostenstellenverantwortlichen erhalten, wie die Einkaufsabteilung, durch aussagekräftige Auswertungen mehr Transparenz und bessere Führungsinformationen.


Jedem Bedarfsträger ist innerhalb seiner Abteilung bzw. Gruppe ein Besteller zugeteilt. Bestellungen mit einem Wert von über 1'000 CHF werden automatisch an einen vordefinierten Genehmiger zur Freigabe übermittelt. Für die Genehmiger sind individuelle, am Zeichnungsreglement ausgerichtete Limiten definiert. Insgesamt führt das Genehmigungsverfahren über maximal zwei Hierarchiestufen. Es wird angestrebt, die Zahl der erforderlichen Genehmigungen möglichst tief zu halten. Gleichzeitig werden die Besteller jedoch aufgefordert, Kleinstbestellungen zu verhindern und eintreffende Bestellungen im Warenkorb zu sammeln bis eine pro Lieferant vernünftige Bestellgrösse erreicht wird. Wird ein Bedarf festgestellt, loggt sich der Besteller über das Internet auf der Plattform ein, sucht die entsprechenden Produkte im elektronischen Einkaufskatalog und legt sie in den Warenkorb. Für die Bestellauslösung ist nur noch ein Klick erforderlich, da für jeden Besteller alle notwendigen Informationen inklusive Kostenstelle und Materialgruppe voreingestellt sind.


Abb. 3.1 zeigt exemplarisch die entfallenden Aufgaben bzw. Prozessschritte (weiss) bei einer telefonischen Bestellung. Die hellgrauen Felder stehen für Prozessschritte, die neu auf dem elektronischen Medium abgewickelt werden. Grosse Einsparungen ergeben sich durch die Eliminierung der schriftlichen Bestellanforderung (BANF) und der Kontrollschritte.

Abb. 3.1: Veränderung des früheren Standardprozesses telefonische Bestellung

Abb. 3.1: Veränderung des früheren Standardprozesses "telefonische Bestellung"


Lieferanten
Die ausgewählten Lieferanten sind für die Bereitstellung und Bewirtschaftung der elektronischen Produktdaten im vom Plattformbetreiber geforderten Format zuständig. Zudem müssen sie die Einhaltung der vereinbarten Artikelverfügbarkeit und die speditive Bearbeitung der eingehenden Bestellungen gewährleisten.


Procurement Service Provider
Die Einkaufsapplikation wird von Conextrade betrieben. Die Dienstleistung umfasst den Zugriff auf die Beschaffungssoftware über das Internet und das Management der Lieferantenkataloge. Die Sortimente der definierten Zulieferer werden weitgehend im kundenspezifischen Einkaufskatalog abgebildet. Conextrade übermittelt die von den Benutzern abgesetzten Bestellungen umgehend den entsprechenden Lieferanten im gewünschten Format.


In Abb. 3.2 sind die beschriebenen Beziehungen schematisch festgehalten. Unter jeder Partei sind die für die skizzierte Lösung erforderlichen Funktionen aufgeführt. Werden diese von NOK bzw. von den Lieferanten wahrgenommen, sind sie grau hinterlegt. Die weissen Felder bezeichnen die im Auftrag der Partei durch den Service Provider erbrachten Leistungen. Die schraffierten Flächen dokumentieren, dass die Funktion von beiden beteiligten Partnern erfüllt werden kann.

Abb. 3.2: Lösungskonzept mit den Parteien und den wahrgenommenen Funktionen

Abb. 3.2: Lösungskonzept mit den Parteien und den wahrgenommenen Funktionen

4. Implementierung

Redesign der Prozesse [Prozess Reengineering]
Der zentrale Einkauf des Geschäftsbereichs Kernenergie begann erst nach dem Lösungsentscheid mit der detaillierten Aufnahme der Beschaffungsstrukturen und -prozesse in den Fachabteilungen und ihren Bedürfnissen. Die Analyse wurde zugleich genutzt, um die Betroffenen frühzeitig ins Projekt zu involvieren.


Die Gesamtprojektleitung übernahm der Leiter der Beschaffung und Initiator des Projekts. Er zeichnete verantwortlich für die Kommunikation und das Projektmarketing, die Planung, die Einhaltung der internen Richtlinien sowie für die Bestimmung des Lieferantenportfolios. Der Projektleiter von Conextrade unterstützte ihn in methodischen Belangen, zumal ein IT-Projekt für den Beschaffungsverantwortlichen Neuland darstellte. Im interdisziplinären Projektteam waren Vertreter der Beschaffung, der Fachabteilungen, der Axpo Informatik und von Conextrade.
Conextrade schulte drei Personen als Administratoren und erstellte ein Benutzerhandbuch. Um die Schulung der Besteller und Genehmiger kümmerte sich der Einkaufschef persönlich. Nach Initialgesprächen von NOK mit den gewählten Lieferanten übernahm Conextrade deren Betreuung, um gemeinsam mit ihnen den für die Lösung erforderlichen Content bereitzustellen. Der Zulieferer, der noch keine Beziehung zu Conextrade hatte, verfügte über einen eigenen E-Shop und war vorerst enttäuscht, dass dieses Angebot nicht den Anforderungen von NOK genügte. Im Laufe der Gespräche konnte er jedoch das Potenzial einer Anbindung erkennen und entschied sich für die Lösung "Vertriebsmanagement ASP". Insbesondere die günstige Skalierbarkeit bei der Bedienung weiterer Kunden über diese Handelsplattform war ein ausschlaggebendes Argument.
Insgesamt sind ca. 50 Bestellende und 25 Mitarbeitende als sog. Genehmiger auf der Plattform registriert. Von Seiten der Benutzer und Bedarfsträger waren keine Widerstände zu spüren. Im Gegenteil, der Einsatz des Internets für die Beschaffung über den E-Shop eines Lieferanten wurde schon früher verschiedentlich gefordert. Die Prozesseinsparungen und die Reduktion der administrativen Zusatzaufgaben war allen Bestellern Motivation genug, sich auf das neue Tool einzulassen.


Das Projekt dauerte vom Kick-Off-Meeting bis zur Produktivschaltung im Januar 2002 fünf Monate, wobei anzufügen ist, dass NOK nicht unter Zeitdruck stand und sowohl Business-Setup als auch Benutzerschulung sehr sorgfältig durchgeführt wurden.


Technische Plattform/Architektur [Systemarchitektur]
Die Plattform des Produktes "Einkaufsmanagement ASP" von Conextrade basiert auf der Software Enterprise Buyer Desktop 2.0 von Commerce One. Dieses Produkt war ursprünglich eine gemeinsame Entwicklung von SAP Markets und Commerce One. Für die Bearbeitung der Katalogdaten auf der Plattform wird ein Produkt von Requisite Technologies eingesetzt. Der Produktkatalog ist Bestandteil des Enterprise Buyer Desktop, ebenso wie die Benutzerverwaltung und die Datenbank mit den Bestellungen. Der webbasierte Zugriff auf die Applikation erfolgt unter Einsatz einer SSL 128-Bit-Verschlüsselung.


Lieferantenseitig bietet Conextrade die Möglichkeit, Bestellungen elektronisch auszutauschen (via EDI, XML etc.) oder diese über das Internet abzuarbeiten (Vertriebsmanagement ASP). Diese Applikation wurde von Conextrade auf der Basis von webMethods entwickelt. Auch die Rechnungsübermittlung könnte elektronisch erfolgen. Im Fall von NOK geschieht dies nach wie vor papierbasiert.


Die Hardware der Handelsplattform wird im Rechenzentrum der Swisscom betrieben.

Abb. 4.1: Architektur der Lösung von NOK

Abb. 4.1: Architektur der Lösung von NOK



Bereitstellung elektronischer Produktdaten
Die Produktdaten in der skizzierten Lösung werden entweder durch den Einkaufskatalog oder durch einen sog. Round Trip bereitgestellt (vgl. Abb. 4.1). Diese zwei Optionen sollen näher vorgestellt werden.


Einkaufskatalog
Der Produktkatalog ist Bestandteil des Enterprise Buyer Desktop 2.0. Die Produktdaten der Zulieferer werden in einem kundenspezifischen Einkaufskatalog gehalten. Die hierzu erforderlichen Produktdaten können von den Lieferanten als MS Excel-, MS Access oder als TXT-File an Conextrade per E-Mail übermittelt oder via Internet auf den Handelsplatz hochgeladen werden. Erstmalig wird der ganze Kataloginhalt, danach lediglich periodisch sog. Delta-Updates mit den Änderungen zugestellt. Produkt- und Preisdaten sowie Bilder und angehängte Dokumente werden in separaten Dateien übermittelt. In einem weiteren Schritt bearbeitet Conextrade falls nötig die Daten und führt sie in das zur Haltung im Enterprise Buyer Desktop erforderliche Format über. Die Produkte werden nach UN/SPSC klassifiziert. Nach der erfolgten Überarbeitung wird dem Einkaufsleiter ein Excel-File zur Überprüfung und Freigabe zugestellt.


Grundsätzlich könnte NOK für jeden Besteller einen individualisierten Katalog bereitstellen. Derzeit bestehen jedoch keine dahin gehenden Anforderungen. Mit zunehmender Sortimentsgrösse wird man diese Option prüfen, damit die Besteller ihre Bedarfe effizient finden können und von unnötigen Sortimentsteilen ausgeschlossen werden können.


Round Trip
Für Lieferanten mit einem Sortiment mit volatilen Preisen oder konfigurierbaren Gütern besteht die Möglichkeit, sich mittels eines Round Trips an eine Beschaffungsapplikation anbinden zu lassen. Diese greift dabei auf die Produktdaten des E-Shops des Lieferanten zu, stellt den Warenkorb zusammen und übernimmt schliesslich diesen mit den für die Bestellung erforderlichen Daten über eine OCI-Schnittstelle (Open Catalog Interface) in die Beschaffungsapplikation. Der Round Trip löst im Shop des Lieferanten keine Bestellung aus. Diese wird über den elektronischen Handelsplatz dem jeweiligen Lieferanten im gewünschten Format übermittelt. Diese Form der Anbindung unterstützt keine lieferantenübergreifende Sortimentssuche und verlangt vom Besteller, dass er sich bei jedem E-Shop mit dem jeweiligen Design auseinandersetzen muss. Dagegen werden ihm bei dieser Variante weitergehende Informationen und Hilfsmittel (Konfigurations- und Entscheidungshilfen, Lagerbestände, Neuigkeiten etc.) als im Einkaufskatalog angezeigt, was je nach Produktgattung einen grossen Mehrwert darstellen kann.


5. Betrieb

Unterhalt
NOK entsteht aus dem Betrieb der Lösung ein minimaler Aufwand. Der Einkaufsleiter leistet mit seinem Team den 1st Level Support und übernimmt die Benutzerverwaltung sowie die Einführung von neuen Bestellern. Er analysiert die Bedarfe, um weitere Lieferanten bzw. Materialgruppen zu identifizieren, die sich für die Abwicklung über diese Beschaffungslösung lohnen würden.
Conextrade unterhält die Lösung, stellt den reibungslosen Betrieb sicher und entwickelt die Plattform entsprechend den Kundenbedürfnissen weiter. Das Unternehmen unterstützt die Administratoren der NOK (2nd Level Support) und begleitet neu ausgewählte Lieferanten bei der Handelsplatz-Anbindung.


Nutzen
Die Besteller profitieren von aktuellen Informationen, bestellen innerhalb der vereinbarten Kontrakte und haben einen deutlich geringeren administrativen Aufwand für eine Bestellung. Dadurch können sie sich stärker auf ihre Kerntätigkeiten konzentrieren. Der Bestellprozess ist wesentlich transparenter, was zeitraubende Rückfragen in diversen Abteilungen erspart. Den Kostenstellenverantwortlichen ermöglicht die Applikation Auswertungen nach Besteller, Kostenstelle oder Materialgruppe. Die zentrale Einkaufsabteilung wird von administrativen Tätigkeiten entlastet und kann sich vermehrt Tätigkeiten mit höherer Wertschöpfung widmen.


Kosten
Das Preismodell von Conextrade orientiert sich stark an den Bedürfnissen der Kunden und richtet sich verstärkt nach dem Mehrwert, der dem Kunden durch die Lösung entsteht. Deshalb lassen sich die Kosten nicht generalisieren.

Tab. 5.1: Kostenrahmen für eine Lösung im Umfang der NOK

 

Tab. 5.1: Kostenrahmen für eine Lösung im Umfang der NOK



Laufende Kosten
Jahresgebühr abhängig von der Anzahl Benutzer ca. 50'000 - 100'000 CHF
Die Kosten, die einem Lieferanten bei einer Anbindung an den Handelsplatz entstehen, werden beeinflusst durch die Qualität der verfügbaren elektronischen Produktdaten und der gewünschten Integrationstiefe in eigene Systeme und Prozesse. In der nachfolgenden Tabelle sind die Kosten für die Variante Vertriebsmanagement im ASP-Modell beispielhaft dargestellt.

Tab. 5.2: Ungefähre Kosten für Lieferanten mit Anbindung via Vertriebsmanagement ASP

 

Tab. 5.2: Ungefähre Kosten für Lieferanten mit Anbindung via Vertriebsmanagement ASP



Rentabilität
Interne Berechnungen ergaben, dass durch den Einsatz der dargestellten ASP-Lösung die Kosten für den Bestellprozess von früher 270 CHF auf 140 CHF pro Bestellung gesenkt werden. Würde der Prozess der Rechnungsprüfung und Bezahlung kundenseitig integriert, kämen die Prozesskosten auf etwa 80 CHF zu stehen.


Angesichts der restriktiven Personalpolitik geht man im Geschäftsbereich Kernenergie davon aus, dass die Einsparungen wirklich realisiert werden, indem sich die Besteller stärker auf ihre Kerntätigkeiten konzentrieren können. Zudem werden im Hinblick auf die Zusammenführung zur Axpo Kernenergie effizientere Strukturen und damit eine optimierte Ausgangslage geschaffen. NOK rechnet mit einer Payback-Zeit der Initial- und Projektkosten von weniger als einem Jahr.


6. Erfolgsfaktoren

Spezialitäten der Lösung
Die Lösung Einkaufsmanagement ASP von Conextrade bietet gerade auch für mittelgrosse Unternehmen eine professionelle Anwendung mit ausgereifter Business-Logik zu prüfenswerten Kosten. Sie ermöglicht sowohl käufer- wie auch verkäuferseitig die schrittweise Integration der Prozesse und Systeme der beteiligten Partner. So prüft NOK als nächsten Schritt die elektronische Übernahme der Bestell- und Rechnungsdaten ins SAP/R3, wodurch die Rechnungsprüfung und Zahlungsfreigabe vereinfacht sowie das Cash-Management optimiert würden.


Die Anbindung an den Handelsplatz hilft NOK, die Komplexität der Integration von Geschäftsprozessen und Systemen zu reduzieren und ermöglicht, von den spezifischen Kompetenzen des Dienstleisters zu profitieren.


Veränderungen
Der zentrale Einkauf wird durch die eingeführte Lösung administrativ stark entlastet und erhält zusätzlich die zur Steuerung der Beschaffung nötigen Informationen. Mittels des Einkaufskatalogs kann er die Sortimente bestimmen, was auch zur Einhaltung von Arbeitsschutzanforderungen von Belang ist, und damit sicherstellen, dass ein möglichst hoher Teil der Vorgänge innerhalb der Rahmenverträge abgewickelt wird. Die Diskussion über die Unterstützung von gemeinsamen Geschäftsprozessen führt zu einer höheren Qualität der Lieferantenbeziehung.


Die Lösung hat dazu geführt, dass Schnittstellen, Medienbrüche, Papierablagen und zeitraubende Rückfragen entscheidend reduziert wurden. Dies hat zu einer starken Akzeptanz der Lösung bei den Bestellern beigetragen. Die erhöhte Transparenz und die wesentlich verkürzte Durchlaufzeit führen dazu, dass weniger an Lager genommen wird. Durch Regelungen über gewünschte Mindestbestellwerte werden Funktionen wie gespeicherte Warenkörbe und Bestelllisten rege genutzt.


Für die Kostenstellenverantwortlichen entfällt das Visieren der Bestellanforderungen, sie müssen lediglich Bestellungen mit einem Wert von mehr als 1'000 CHF elektronisch freigeben. Zugleich erhalten sie dank der Reporting-Funktionalitäten mehr Transparenz und die gewünschte Kontrolle.
Durch den Einsatz und die Akzeptanz dieser webbasierten Einkaufslösung bauen die Benutzer Kompetenzen in der Nutzung von Internet-Technologien auf.


Lessons Learned
E-Procurement betrifft weit mehr Stellen als die Beschaffung, deshalb sollte ein interdisziplinäres Projektteam zusammengestellt werden, in dem alle betroffenen Stakeholder vertreten sind. Für die Akzeptanz und Tragfähigkeit der Lösung sind folgende Punkte zu beachten:

  • Frühzeitiger Einbezug der User und Lieferanten ins Projekt
  • Anfängliche Auswahl von Lieferanten mit einem für die Bestellenden bedeutenden, jedoch geschäftsunkritischen Sortiment
  • Realistische Zielsetzungen, sorgfältiges Setup und Testen der Lösung
  • User und Organisation dürfen nicht durch komplexe Anwendungen bzw. Veränderungen überfordert werden
  • Projektmarketing und offene Kommunikation, die keine übertriebene Erwartungshaltung weckt



Fazit
Die Einführung der ASP-Lösung von Conextrade und die vollzogenen Veränderungsprozesse haben dazu geführt, dass die Beschaffung im Geschäftsbereich Kernkraft innert kürzester Zeit dem Unternehmen einen erhöhten Nutzen stiftet und bedeutende Einsparpotenziale realisieren konnte. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren waren die visionäre Geschäftsleitung, das hohe Engagement des Beschaffungsverantwortlichen, die offene Unternehmenskultur, innovative Lieferanten und die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Lösungsanbieter.


Betreiber der Lösung

Nordostschweizerische Kraftwerke
Patrick Schmid, Leiter Beschaffung GB Kernenergie
Branche: Energie- und Wasserversorgung, Kernkraftwerke, Kernenergie
Unternehmensgrösse: MittelunternehmenNordostschweizerische Kraftwerke

Lösungspartner

Thomas Belohlavek, Projektleiter
Conextrade AG

Autoren der Fallstudie

Christian Tanner
Fachhochschule beider Basel FHBB

01. September 2002
Tanner; Christian (2002): Fallstudie Nordostschweizerische Kraftwerke; in: Schubert; Petra; Wölfle; Ralf; Dettling; Walter (Hrsg.; Procurement im E-Business; S.89-103; München; Wien: Hanser Verlag; 2002
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
2051
nok
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/2051-nok
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