Schindler: E-Procurement für Komponenten und Transporte
Schindler ist ein global führender Anbieter von Aufzügen und Fahrtreppen. Die operative Optimierung von Prozessen ist ein wichtiger Bestandteil zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. Seit mehr als fünf Jahren nutzt die Beschaffungsorganisation die Möglichkeiten der Informationstechnologie zur Gestaltung effizienter Prozesse über die Unternehmensgrenze hinweg. Dank konsequenter Umsetzung weitgehend global standardisierter Prozesse hat das Unternehmen einen hohen E-Procurement-Reifegrad erreicht. Zur bestehenden elektronischen Bestellung von Komponenten für Aufzüge wurden im Jahr 2008 auch die entsprechenden Transportaufträge automatisiert, mit dem Ziel, die Komponenten für eine Installation termingerecht und komplett auf die Baustelle zu liefern. Dadurch konnte ein selbstentwickeltes Logistiktool ersetzt und das Monitoring der Logistikprozesse verbessert werden. Für die weitgehend automatisierte elektronische Kommunikation zwischen den Beteiligten wird SupplyOn als IT-Service-Provider eingesetzt.
Inhaltsverzeichnis
1. Das UnternehmenSupplier Relationship Management
2. Der Auslöser des Projekts
E-Procurement, Procurement
3. Purchase-to-Pay-Prozesse für Komponenten und Transporte
Purchase-to-Pay, E-Invoicing, WebEDI, Geschäftssicht , Prozesssicht, Anwendungssicht
4. Projektablauf und Betrieb
Realisierung
5. Erfahrungen
Projektnutzen
6. Erfolgsfaktoren
1. Das Unternehmen
Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe
Schindler ist ein global führender Mobilitätsanbieter und transportiert mit seinen Aufzügen und Fahrtreppen täglich 900 Millionen Menschen.
Der 1874 in der Schweiz gegründete Schindler-Konzern beschäftigt weltweit 45'063 Mitarbeitende (Ende 2008) und umfasst zwei Kernbereiche: „Aufzüge & Fahrtreppen“ mit einem Umsatzanteil von 62 % und 43'226 Mitarbeitenden im Jahr 2008 sowie „ALSO“, eine in Europa führende Grosshandels- und Logistikunternehmensgruppe für Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Unterhaltungselektronik. Per Ende 2008 hielten die Familien Schindler und Bonnard sowie diesen Familien nahestehende Personen 70.5 % der Stimmrechte des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals.
Als weltweit führender Anbieter von Fahrtreppen und zweitgrösster Hersteller von Aufzügen ist das Unternehmen mit über 1'000 Geschäftsstellen in 140 Ländern auf allen Kontinenten vertreten. Im Jahr 2008 wurden 8'761 Mio. CHF Umsatz erwirtschaftet mit einem EBIT von 10,2 %. Das Angebot reicht von kostengünstigen Aufzügen für kleinere Wohnhäuser bis hin zu anspruchsvollen Zugangs- und Beförderungskonzepten für Wolkenkratzer. Die Lösungen zeichnen sich durch benutzerfreundliche und umweltschonende Technik aus. Hauptzielgruppen für Neuanlagen sind Architekten und Generalunternehmer, für den Unterhalt installierter Anlagen sind es Gebäudeunterhaltsunternehmen und Gebäudeeigentümer.
Unternehmensstrategie
Um die führende Marktposition zu erhalten, sind die Wettbewerbsvorteile stets neu zu erarbeiten. Deshalb werden Prozesse kontinuierlich optimiert. Zudem wird die Fertigungstiefe durch Konzentration auf ausschliesslich strategische Kernkompetenzen gesenkt und die Zahl der Produktfamilien auf eine überschaubare Zahl reduziert. Damit soll die Wettbewerbsposition im zunehmend preissensitiven Markt durch Kostenführerschaft verbessert werden. Gleichzeitig wird fortlaufend an der Entwicklung technologisch führender Produkte gearbeitet.
Durch die weltweite Präsenz nutzt das Unternehmen die unterschiedlichen globalen Wachstumszyklen und glättet Währungsrisiken sowie konjunkturelle Schwankungen in der Bauindustrie. Schindlers Leitgedanke lautet «Leadership through Service», denn während der rund 30-jährigen Lebensdauer der Anlagen spielt deren einwandfreie Funktion die entscheidende Rolle. Deshalb wird weltweit und kundennah ein dichtes Dienstleistungsnetz angeboten.
Beschaffungssituation
Die Beschaffung ist als globales Netzwerk von Produktgruppen- und Länderteams organisiert, das vom Ressort Corporate Purchasing geleitet wird. Diese Teams arbeiten eng zusammen, um die Beschaffung einheitlich und effizient zu gestalten.
Zur erfolgreichen Umsetzung der Strategien für die Komponenten- und Systembeschaffung setzt Schindler auf langfristige win-win-Partnerschaften mit den Lieferanten und strebt die kontinuierliche Verbesserung der gesamten Wertschöpfungskette an.
Corporate Purchasing fokussiert auf die folgenden sechs strategischen Leitlinien:
- Weitgehende Bündelung von Bedarfen und Konsolidierung der Ausgaben
- Entwicklung von Schlüssellieferanten und Sourcing in Ländern mit den attraktivsten Konditionen
- Regelmässige Lieferantenverhandlungen mit Definition von Zielpreisen
- Unterstützung von Innovation durch Einbezug der Lieferanten in den Entwicklungsprozess
- Konsequente Umsetzung der Make-or-Buy-Strategie
- Optimierung von Methoden und Instrumenten für die ganze Supply Chain
Diese Leitlinien sollen sicherstellen, dass Corporate Purchasing einen substanziellen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit von Schindler leistet.
Das Beschaffungsvolumen für den Kernbereich Aufzüge und Fahrtreppen belief sich im Jahr 2008 auf mehrere Mrd. CHF.
Stellenwert von Informatik und E-Business in der Beschaffung
Informationstechnologie wird vom Ressort Corporate Purchasing als wesentliches Element zur Durchsetzung der Beschaffungsziele betrachtet. Die Beschaffung orientiert sich an den nachfolgenden strategischen Leitsätzen:
- Die Purchase-to-Pay-Prozesse sollen durch den Einsatz elektronischer Medien optimiert werden, um die Effizienz zu erhöhen, die Durchlaufzeiten zu verkürzen und die Datenqualität zu verbessern.
- Eine kosteneffiziente Datenaustauschplattform, die dem aktuellsten Technologiestand entspricht, soll aufgebaut werden.
- Es soll die Grundlage geschaffen werden für die engere Integration externer Lieferanten in die Wertschöpfungskette von Schindler.
Die elektronische Beschaffung [Procurement] stützt sich bei Schindler auf drei Grundpfeiler: E-Sourcing, E-Ordering und elektronischer Purchase-to-Pay Prozess (ePtP). Letzterer wird in der Fallstudie vertieft. An dieser Stelle werden deshalb die ersten zwei kurz erläutert.
E-Sourcing
Schindler setzt zur Identifikation von Lieferanten und für Lieferantenverhandlungen konsequent E-Sourcing-Tools wie elektronische Ausschreibungen (eRFx) und Online-Einkaufsauktionen ein (vgl. Tanner/Perruchoud 2002). Dadurch verfügt Schindler über einen standardisierten, effizienten und transparenten Sourcing-Prozess und kann den Wettbewerb besser nutzen. Zwischen 85-90 % des strategischen Beschaffungsvolumens werden elektronisch verhandelt. Im Jahr 2008 wurden mehr als 1'000 eRFx und gegen 200 Onlineauktionen durchgeführt. Die eingesetzte E-Sourcing-Plattform eBreviate wird von einem IT-Service-Provider betrieben und von Schindler als Dienst bezogen.
E-Ordering
Für die dezentrale Bestellung von indirekten Gütern setzt Schindler SAP SRM 6.0 ein. Die Mitarbeitenden können ihren Bedarf mittels einer webbasierten Bestellapplikation in einem elektronischen Multilieferantenkatalog auswählen und in einen Warenkorb legen. Je nach Wert muss dieser von einer vorgesetzten Person freigegeben werden. Aus dem Warenkorb werden im SAP MM Bestellungen angelegt und den jeweiligen Lieferanten übermittelt. An SupplyOn angeschlossene Partner erhalten die Bestellung in elektronischer Form. Schindler ist bestrebt, den ganzen Datenaustausch von der Bestellung bis zur Rechnung elektronisch abzuwickeln. Der Katalog wird durch den IT-Service-Provider jCatalog betrieben und mittels des PunchOut-Verfahrens via OCI-Schnittstelle ins SAP SRM eingebunden. Die Lieferanten liefern ihre Produktdaten in elektronischer Form bei jCatalog ein. Von einzelnen Lieferanten mit volatilen oder umfangreichen Sortimenten oder konfigurierbaren Produkten ist der Katalog direkt ebenfalls mittels Punch-out-Verfahren ins SAP SRM eingebunden.
Die E-Ordering-Lösung sichert Schindler bedeutende Kosteneinsparungen, weil definierte, effiziente Bestellprozesse eingehalten werden und innerhalb ausgehandelter Verträge bestellt wird.
2. Der Auslöser des Projekts
Ausgangslage und Anstoss für das Projekt
Seit dem Jahr 2006 nutzt Schindler eine zentrale, vom IT-Service-Provider SupplyOn betriebene Datenaustausch-Plattform, um die Daten mit den Lieferanten von der Bestellung bis zur Rechnung elektronisch in strukturierter Form auszutauschen. Als weiterer Ausbauschritt der E-Procurement-Strategie wurde im Jahr 2007 geplant, auch Logistikprozesse über diese Plattform abzuwickeln. Dadurch sollte eine selbstentwickelte Logistikapplikation abgelöst werden. Diese basierte auf Schindler-spezifischen Einheiten und Regeln und musste deshalb von den Logistikpartnern eingesetzt werden, wenn sie Transporte für Schindler organisierten. Im Jahr 2008 wurde das Projekt SLOPE (Schindler Logistic Order Processing Elevators) zur Ablösung dieses Logistiktools und zur Einbindung der Logistiker in den Informationsfluss mit den Lieferanten von Liftkomponenten gestartet. Diese Fallstudie beleuchtet den Roll-out der neuen Lösung in Europa.
Vorstellung der Geschäftspartner
Logistik-Dienstleister (Carrier)
Schindler arbeitet in Europa mit vier sog. Elevator Consolidation Hubs. Diese liegen in Zaragoza (Spanien), Mailand (Italien), Mulhouse (Frankreich) und Herentals (Belgien) und werden von drei Logistik-Dienstleistern betrieben. Dort werden die bei den Lieferanten abgeholten Komponenten zwischengelagert, bis sie komplett und stundengenau auf die Baustelle zur Montage geliefert werden können.
IT-Service-Provider für Datenaustausch
SupplyOn ist ein Dienstleister, der die Prozesse zwischen Beschaffungsorganisationen und Lieferanten in der Automobil- und Fertigungsindustrie integriert und standardisiert. Das Unternehmen wurde im Jahr 2000 als Kooperation international tätiger Automobilzulieferer gegründet und bietet heute eine zentrale Plattform für den Austausch von Geschäftsdokumenten. SupplyOn hat den Hauptsitz bei München und führt Niederlassungen in Shanghai (China) und Detroit (USA).
Das Angebot umfasst auch Lösungen für E-Sourcing, Qualitäts- und Projektmanagement für die Bereiche Einkauf, Entwicklung, Logistik und Finanzen.
SupplyOn erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2008 einen Umsatz von über 20 Mio. EUR. Weltweit setzen über 75 % der Top-100-Automobilzulieferer in der Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern auf SupplyOn. Im Jahr 2008 bildete SupplyOn 20'000 Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen aus 70 Ländern ab.
3. Purchase-to-Pay-Prozesse für Komponenten und Transporte
Geschäftssicht und Ziele
Ein Kundenauftrag für einen Aufzug wird bei Schindler in etwa zehn Komponenten (z.B. Kabine, Antrieb) aufgeteilt, die von ausgewählten Schlüssellieferanten oder von einem eigenen Komponentenwerke hergestellt werden. Die Komponenten müssen sie in Transport-Einheiten verpackt verladebereit halten und bei der Abholung durch den Carrier von der Rampe in die Lastwagen verladen (Incoterm Free Carrier FCA inkl. Verlad). Von den Lieferanten wird verlangt, dass sie die Prozesse von der Bestellung bis zur Rechnung elektronisch unterstützen (vgl. Fallstudie Kaved [Leimstoll 2003]).
Abb. 1: Business Szenario mit den im Purchase-to-Pay-Prozess beteiligten Parteien
Die Logistik hat Schindler an spezialisierte Logistik-Partner (Carrier) ausgelagert (vgl. Abb. 1). Diese holen die Komponenten im Auftrag von Schindler bei den Lieferanten oder in einem der Komponentenwerke ab und lagern sie im Elevator Consolidation Hub, bis sie komplett auf die Baustelle geliefert werden können. Sie werden für die Abholung (inbound) und Lagerung nach Volumen und Gewicht der Transporteinheiten sowie für die Anlieferung (outbound) nach Lademetern entschädigt. Von den Carriern wird erwartet, dass sie die Kosten für Schindler optimieren und sich in den elektronischen Datenaustausch mit den beteiligten Parteien integrieren.
Der IT-Service-Provider SupplyOn fungiert als Drehscheibe für den elektronischen Austausch der Daten (EDI – Electronic Data Interchange) von der Bestellung bis zur Rechnung, samt der für die Logistikprozesse relevanten Meldungen. Der Vorteil für Schindler ist, dass für die Kommunikation mit den Geschäftspartnern nur eine Schnittstelle zu pflegen ist. SupplyOn erhebt für diese Dienstleistung eine Gebühr, die abhängig ist von der Anzahl angebundener Lieferanten und von der Zahl der für den Prozess unterstützten Meldungstypen (z.B. Bestellung, Lieferanzeige, Rechnung). Lieferanten und Carrier wiederum können davon profitieren, dass sie mit weiteren Kunden über diese Plattform kommunizieren können. Lieferanten mit kleinem Volumen, unzureichender IT-Infrastruktur oder noch fehlendem EDI-Know-how haben die Möglichkeit, mittels eines Browsers die WebEDI-Lösung zu nutzen. SupplyOn erhebt von den Lieferanten massvolle Gebühren: eine einmalige Registrierungsgebühr sowie eine monatliche Gebühr für Betrieb, Support und Weiterentwicklung.
Um der Komplexität der weltweit unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen an die elektronische Rechnungsstellung zu begegnen, hat SupplyOn das Signieren und Validieren von elektronischen Rechnungen an einen spezialisierten Dienstleister (Authentidate) ausgelagert. Schindlers Lieferanten und Carrier delegieren die Rechnungsstellung an SupplyOn, für Schindler selbst werden die elektronischen Eingangsrechnungen validiert. Dafür entrichten sie eine Gebühr pro digital signiertem Dokument.
Schindler betreibt in Spanien das Direct Order Center (DOC). Dieses koordiniert die Aufträge sowie die dazugehörigen Bestellungen und ist in den operativen Prozessen Ansprechpartner für Lieferanten und Carrier. Der Bereich Finanzen kümmert sich um Fälle, in denen die automatisierte Rechnungskontrolle versagt.
Zielsetzungen
Mit dem Projekt SLOPE beabsichtigte Schindler
- eine standardisierte Schnittstelle zwischen Schindler und Carriern zu entwickeln, die eine einfache und flexible Integration von neuen Carriern zulässt,
- einen verlässlichen und effizienten Supply-Chain-Prozess von der Liftbestellung bis zur Auslieferung auf der Baustelle zu gestalten,
- Kenngrössen zu definieren und ein Prozess-Monitoring aufzusetzen und
- den Logistikprozess auf standardisierten Transport-Einheiten aufzubauen.
Prozesssicht
Dieser Abschnitt beschreibt den elektronischen Meldungsaustausch zwischen Schindler und seinen Lieferanten im integrierten Purchase-to-Pay-Prozess (vgl. Abb. 2).
Auf Seite von Schindler werden alle Meldungen automatisiert erstellt oder empfangen. Die Kommissionsnummer ist die zentrale Referenzinformation für das Auftragsmonitoring. Ihr können alle zugehörigen Bestellungen zugeordnet werden. Die Transportbestellnummer spielt für das Monitoring der Logistik eine zentrale Rolle. Schindlers Bestellnummern mit den jeweiligen Positionsnummern bilden die Grundlage für die automatisierte Rechnungsprüfung.
Die Bestellbestätigung gilt als verbindliche Grundlage für Lieferung und Rechnungsstellung. Der Wareneingang wird beim Erhalt der Verladebereitschaftsmeldung des Lieferanten gebucht. Auf dieser Datenbasis erfolgt schliesslich die automatisierte Rechnungsprüfung.
Gegenüber dem abgelösten Prozess ist für die Lieferanten neu, dass sie, sobald die Komponenten verladebereit sind, mittels einer elektronischen Lieferanzeige die Transporteinheiten melden müssen. Darin sind die Dimensionen und das Gewicht anzugeben. Diese für den Transport verpackten Einheiten verfügen über eine Packliste. Sie müssen je mit einer Etikette (siehe Abb. 3) versehen werden, die einen eindeutigen Barcode und Referenzinformationen zur Kommission und Bestellung trägt. Dieses Label wird für WebEDI-Lieferanten auf SupplyOn zum Ausdruck bereitgestellt, EDI-Lieferanten müssen es nach Schindler-Spezifikation anfertigen.
Die Carrier werden mit der Transportbestellung von Schindler über die einzelnen Komponentenbestellungen und die entsprechenden Lieferanten informiert. Von den Lieferanten erhalten sie wie Schindler die Verladebereitschaftsmeldung sowie die Lieferanzeige mit den spezifizierten Transporteinheiten. Wenn die beim Lieferanten abgeholten Einheiten im Elevator Consolidation Hub eingetroffen sind, meldet der Carrier Schindler den erfolgten Lagereingang. Sobald alle Bestellungen einer Kommission dort lagern, sendet der Carrier eine Status-Meldung, mit der bestätigt wird, dass der Liefersatz komplett ist. Ab diesem Zeitpunkt kann der Aufzug auf die Baustelle geliefert werden. Wenn die Verkaufsorganisation von Schindler den definitiven Lieferzeitpunkt für den Kundenauftrag im System erfasst, erfolgt eine Bestelländerung an den Carrier, der dann die Anlieferung auf die Baustelle vornimmt. Nach dem Vollzug des Transports übermittelt der Carrier eine Anlieferbestätigung. Basis für die Prüfung der Rechnungen der Carrier bilden die Lagereingangsmeldungen (Inbound-Fee), die Verweildauer der Transport-Einheiten im Elevator Consolidation Hub (Hub-Fee) sowie die Anlieferbestätigung (Outbound-Fee).
Abb. 2: Integrierter Purchase-to-Pay-Prozess für Komponenten und Transporte
Abb. 3: Beispiel einer Barcode Etikette für eine Transporteinheit
Anwendungssicht
Schindler hat SAP Enterprise als ERP-System im Einsatz. Die Kundenaufträge werden im Verkaufsmodul SD angelegt. Mittels eines auf SAP basierten Konfigurators werden die Aufträge in Bestellanforderungen aufgeschlüsselt und schliesslich als Bestellungen im Materialwirtschaftsmodul MM angelegt. Die Überwachung auf Stufe des Kundenauftrags erfolgt im SD-Modul, während die einzelnen Bestellungen im MM-Modul und die Logistikmeldungen im LE-Modul (Lagerverwaltung und Transport) überwacht werden. Die eingehende elektronische Rechnung [E-Invoicing] wird zusammen mit Signatur und Signaturprüfprotokoll im Archiv aufbewahrt und mit der Buchung logisch verknüpft. Als Kommunikationsschnittstelle ist SAP XI (Exchange Infrastructure) im Einsatz. Für den Datenaustausch setzt Schindler auf das SAP-eigene Format IDoc XML und verwendet die Meldungen, wie sie im Standard vorgesehen sind (vgl. Abb. 4).
Der IT-Service-Provider SupplyOn betreibt eine WebEDI-Applikation, für dessen Nutzung die Lieferanten lediglich einen Webbrowser benötigen. Mit diesem Tool können Meldungen eingesehen und erfasst werden. Auch der Up- und Download von Daten im einfachen CSV-Format wird angeboten. Die Daten werden in ein XML-Format konvertiert und in eine Datenbank geschrieben. Zur Unterstützung der Logistikprozesse werden die erforderlichen Transportdokumente und Etiketten für den Ausdruck bereitgestellt. Für den Datenaustausch setzt SupplyOn den Business Integration Server von Seeburger ein. Dieser unterstützt die Validierung, das Monitoring, die Konvertierung und den Austausch von Meldungen. SupplyOn konvertiert die Meldungen jeweils in UN/Edifact, bevor sie in das vom Empfänger gewünschte Zielformat umgewandelt werden. Die neben UN/Edifact häufigsten von SupplyOn unterstützten Formate sind ANSI X.12 und VDA, die in der Automobilbranche stark verbreitet sind. Authentidate, der IT-Service-Provider für die Signierung und Validierung von elektronischen Rechnungen, ist ebenfalls über den Business Integration Server angebunden.
Die Schindler-eigenen Komponentenwerke wickeln ihre Meldungen innerhalb von SAP ab, lediglich die Logistikmeldungen werden via SupplyOn übermittelt.
Abb. 4: Anwendungssicht Purchase-to-Pay-Prozess für Komponenten und Transporte
4. Projektablauf und Betrieb
Investitionsentscheidung
Die entscheidenden Argumente für das Projekt waren technologische und kommerzielle Überlegungen. Einerseits wollte man das Schindler-eigene Logistiktool nach mehreren Anläufen endlich ablösen. Diese „Eigenheit“ beschnitt Schindler in der Flexibilität bei der Carrier-Auswahl. Andererseits wurde das Tool nur noch von einer Person gewartet, wodurch eine risikobehaftete Abhängigkeit bestand. Es wurde ein Business Case für das Projekt SLOPE gerechnet, für den es Ende 2007 grünes Licht zur Umsetzung gab.
Projektmanagement und Change Management
Das Projekt SLOPE wurde vom Bereich Logistik des Ressorts Product Line Management geleitet. Das interdisziplinäre Team bestand zudem aus Personen des Einkaufs, der Informatik (SAP CC) und des Direct Order Center als direkt betroffene operative Einheit. Von Seite SupplyOn leitete das Projekt ein Consultant, der für die Erarbeitung der Meldungsspezifikationen verantwortlich war. Er koordinierte auch die Zusammenarbeit mit den internen technischen Ansprechpartnern und dem Product Management von SupplyOn. Von Seite der Carrier und Lieferanten waren entweder die betriebseigene IT oder eine Person des externen Dienstleisters involviert, ausserdem Personen aus dem operativen Verkauf.
Für die Carrier bedeutete SLOPE, ein grösseres Integrationsprojekt mit Schindler abzuwickeln. Gleichzeitig war ihnen bewusst, dass Schindler dank der neuen Lösung technisch unabhängiger würde. Deshalb konnte bald festgestellt werden, dass dem Projekt nicht von allen Carriern die erwartete Priorität eingeräumt wurde. Schindler reagierte darauf, indem die Umstellung auf den neuen Prozess nicht wie ursprünglich geplant für alle Carrier auf einen gemeinsamen Termin, sondern nach den Möglichkeiten der einzelnen Carrier ausgerichtet wurde. Zudem übernahm Schindler die Registrierungs- und Schnittstellengebühren, die SupplyOn von den Carriern erheben würde.
Auch die Lieferanten mussten für den neuen Logistikprozess gewonnen werden, denn sie hatten gegenüber dem bis dahin vereinbarten Meldungsumfang mehr Meldungstypen und zusätzliche Daten zur Transporteinheit zu liefern.
Realisierung, Evaluation, Entstehung und Roll-out der Lösung
Schindler arbeitete für den elektronischen Datenaustausch mit den Lieferanten seit 2006 gut mit SupplyOn zusammen. Weil im Rahmen von SLOPE ein integrierter Austausch der Logistikmeldungen geplant wurde, fiel im Jahr 2007 auch der Entscheid bei der Konzeption der technischen Umsetzung auf diesen bestehenden IT-Partner. Ein weiterer wesentlicher Grund war, dass sich die funktionalen und geographischen Anforderungen von Schindler mit den Weiterentwicklungsabsichten von SupplyOn deckten.
Als erstes musste der neue Prozess definiert und detailliert spezifiziert werden. Daraus konnten die zusätzlichen Informationen für bestehende elektronische Meldungen sowie die für den Logistikprozess erforderlichen neuen Meldungen abgeleitet werden. Um sicherzustellen, dass diese neue Lösung auch als Standard für andere Branchen angeboten werden kann, setzte SupplyOn eigens eine Experten-Gruppe zur Beurteilung der Lösung ein.
Damit der voll integrierte Logistikprozess reibungslos abgewickelt werden kann, ist die Anbindung aller Schlüssellieferanten für Komponenten, die geographisch einem Elevator Consolidation Hub zugeordnet sind erforderlich. Um dies zu erreichen, konnte Schindler auf den bestehenden Prozess zur Lieferantenanbindung zurückgreifen, der sich schon vor dem Projekt SLOPE bewährt hatte (siehe Abb. 5). Der Prozess beginnt mit einem Kick-off-Meeting. Danach registriert sich der Lieferant auf der SupplyOn-Plattform und schliesst mit SupplyOn einen Vertrag. Darauf folgt eine Testphase. Bei der WebEDI-Lösung werden die Lieferanten durch Schindler für den Prozess geschult. Nach einem letzten Acceptance-Test werden die erforderlichen Datenanpassungen und -übernahmen vorgenommen. Schliesslich kann das Go-Live erfolgen.
Abb. 5: Lieferantenanbindungsprozess von Schindler für WebEDI mit SupplyOn
Ist der neue Prozess mit dem Carrier implementiert, muss dieser die alte Logistikapplikation etwa drei bis vier Monate parallel weiter betreiben bis die laufenden Aufträge weitgehend abgeschlossen sind. Sobald nur noch wenige offene Positionen bestehen, müssen diese restlichen Daten noch migriert werden.
Nachdem der Roll-out für die Carrier in Europa erfolgreich abgeschlossen ist, soll der neue Logistik-Prozess weltweit umgesetzt werden.
Laufender Unterhalt
Bei Schindler sorgt der SAP Basis Support dafür, dass die Schnittstelle zu SupplyOn reibungslos funktioniert. Bei technischen Meldungsübermittlungsproblemen skaliert der Supportprozess an das SAP Competence Center bei Schindler. Weil die Lösung ansonsten auf den bestehenden Standardkomponenten basiert, fällt kein gesonderter Unterhalt an.
Gemeinsam mit SupplyOn hat Schindler einen standardisierten Lieferantenanbindungsprozess definiert (siehe Abb. 5). Die technische und administrative Lieferantenbetreuung in Bezug auf die beschriebene Lösung obliegt SupplyOn.
SupplyOn führt zweimal pro Jahr einen Releasewechsel durch. Optimierungen von generellem Interesse können über Expertengruppen eingebracht werden. Spezifische Anliegen müssen über Change-Requests beantragt werden.
5. Erfahrungen
Nutzerakzeptanz
Die Mitarbeitenden des Direct Order Centers waren von Beginn weg durch eine Person im Projektteam involviert. Für sie ergaben sich operativ fast nur Erleichterungen, weshalb der neue Prozess schnell akzeptiert wurde. Sie schätzen die erhöhte Transparenz und die vereinfachte Koordination.
Bei einigen Lieferanten und Carriern wird es noch etwas Zeit brauchen, bis sie die Vorteile der Standardisierung und die Potenziale der Nutzung der Lösung mit weiteren Geschäftspartnern erkennen.
Den Anwendern der WebEDI-Applikation versucht SupplyOn durch eine kontinuierliche Optimierung der Benutzerfreundlichkeit die Arbeit mit dieser Lösung zu erleichtern. Neben Up- und Downloads von Daten, können Auswertungen getätigt und benutzerspezifische Sichten eingerichtet werden.
Zielerreichung und bewirkte Veränderungen
Inhaltlich konnten die Ziele erreicht werden, nur dauerte der Roll-out auf alle Carrier und Lieferanten länger als geplant. Per Mitte 2009 wurden 90 % der Meldungen in der geforderten Struktur ausgetauscht, 70 % der Lieferanten waren fähig, die Meldungen für die Logistiker zu übermitteln und einer von drei Carriern war an SupplyOn angebunden. Für den Rest ist ein Plan definiert, der die Möglichkeiten der Partner berücksichtigt und konsequent umgesetzt werden wird. Die Integration aller Elevator Consolidation Hubs in Europa soll bis Ende 2009 abgeschlossen werden. Der Meldungsfluss mit den angebundenen Partnern läuft stabil, so dass sich die Unregelmässigkeiten auf einem tiefen Niveau eingependelt haben. Die Lösung ist optimal in die bestehende Applikationsarchitektur eingebettet.
Die externen Projektkosten und die internen Kosten in IT und Logistik fielen aufgrund der Projektverzögerungen etwas höher als geplant aus.
Veränderungen
Das eigenentwickelte Logistiktool konnte beim angebundenen Carrier nach einer Übergangsfrist von vier Monaten abgelöst werden. Damit wurde das wichtigste Ziel erreicht.
Die neue Lösung eliminiert manuelle koordinative Tätigkeiten. Der neue Prozess ist zeitnah, schneller, effizienter sowie transparenter und zeichnet sich durch eine höhere Datenqualität aus. Schindler ermöglicht er ein Monitoring der Aufträge, Bestellungen und Transporte mit wichtigen Kennzahlen wie On-Time-Delivery oder Verweilzeit im Hub. Die Ausrichtung der logistischen Prozesse an Transporteinheiten schafft eine erhöhte Kostentransparenz. Das einfachere Verrechnungsmodell für Transport und Lagerung lässt zudem eine Vorauskalkulation der Logistikkosten zu. Auf dieser Basis können weitere Termin- und Kostenoptimierungen vorgenommen werden.
Dank der Abkehr von Schindler-spezifischen Prozessen und der Standardisierung von Meldungen konnte Schindler zudem die Abhängigkeit von Carriern reduzieren. Diese wiederum profitieren von skalierbaren Prozessen und höherer Effizienz. Gleichzeitig lassen sich für sie über diese Lösung potenzielle Kunden erschliessen und ihr Dienstleistungsspektrum erweitert sich.
6. Erfolgsfaktoren
Spezialitäten der Lösung
Die Lösung bewirkt dank des Redesigns der Logistikprozesse mit den Schlüssellieferanten und Carriern und der Definition der Transporteinheit als neue Referenzgrösse einen neuen, effizienten und transparenten Ablauf zwischen den Beteiligten. Über den IT-Service-Provider SupplyOn werden die Meldungen elektronisch strukturiert ausgetauscht, wodurch für Schindler manuelle Eingaben weitgehend entfallen. SupplyOn reduziert die Komplexität, indem über eine Schnittstelle mit allen angebundenen Geschäftspartnern kommuniziert werden kann. Während kleinere Lieferanten mittels WebEDI einfach eingebunden werden können, werden bei einer Vollintegration teure Medienbrüche und manuelle Tätigkeiten eliminiert.
Reflexion der Faktoren für dauerhaften Erfolg
Mit SLOPE ist es Schindler gelungen, einen weiteren Prozess auf Basis der bestehenden IT-Architektur zu implementieren und mit den Carriern weitere externe Partner elektronisch in die Prozesse zu integrieren. Dadurch erhöht sich grundsätzlich die Produktivität des bestehenden IT-Systems.
Die Wahl des gleichen IT-Service-Providers für den Prozessausbau basierte unter anderem auf ähnlichen Vorstellungen über die mittelfristige Weiterentwicklung der Lösung – eine gute Voraussetzung für dauerhaften Erfolg. Beide Partner setzen explizit auf Standardisierung, was sich günstig auf den Roll-out und damit die Effizienz und Wirksamkeit der Lösung auswirkt.
Für den Erfolg in B2B-Beziehungen scheint es angezeigt, auf IT-Service-Provider mit grossen, etablierten Partnernetzwerken zu setzen. Im Weiteren gilt es, die Partner mit ihren Anliegen ernst zu nehmen und sie so für die angestrebte Lösung zu gewinnen. Verbindlichkeit und für Lieferanten tragfähige Lösungskonzepte erleichtern den Erfolg.
Lessons Learned
Um Widerstände, die solche Veränderungsprojekte mit sich bringen, zu reduzieren, ist der Einbezug der Betroffen entscheidend. Die Begleitung soll aber nur soweit wie unbedingt nötig erfolgen, damit die Betroffenen möglichst früh „Ownership“ für die Lösung übernehmen.
Eine detaillierte, interdisziplinäre Prozessdefinition in einer frühen Phase des Projektes zahlt sich aus. Während der Projektdauer bildet sie eine solide Basis für eine Implementierung ohne wesentliche Veränderungen und erleichtert den späteren Roll-out mit weiteren Geschäftspartnern.
Es lohnt sich, auf etablierte Standards zu setzen und diese einzuhalten. Davon profitieren alle beteiligten Partner, weil sich im Vergleich zu individuellen Lösungen der Abstimmungsaufwand und damit auch die Kosten reduzieren lassen.
Standardisierung auf Basis von gemachten Erfahrungen im Unternehmen ist ein vielversprechender Ansatz für eine Prozessoptimierung, die bei den Betroffenen auf Akzeptanz stösst.
Die Veränderung durch eine Prozessumstellung, gepaart mit einer neuen technologischen Lösung, wird von den Unternehmen oft unterschätzt. Deshalb empfiehlt es sich in B2B-Integrationsprojekten, dass unerfahrene Unternehmen in einem ersten Schritt eine Web-EDI-Lösung nutzen, um mit EDI und elektronischen Prozessen vertraut zu werden.