Brütsch-Rüegger AG: externe Vollintegration über eine Messaging-Plattform

08. August 2004



Im Handel mit Qualitätswerkzeugen, Normteilen und Stahlrohren nimmt die Brütsch/Rüegger AG in der Schweiz eine marktführende Position ein. Als Bindeglied zwischen Hersteller und Endkunde integriert Brütsch/Rüegger ihre Dienstleistung in die Wertschöpfungskette ihrer Kunden. Dafür wird eine E-Business-Lösung eingesetzt, die eine sehr hohe Flexibilität für die elektronische End-to-End-Integration von Kunden und Lieferanten bietet. Die Fallstudie beschreibt die Integrationslösung am Beispiel einer Kundenintegration über das Ariba Supplier Network™.


1. Das Unternehmen

Das Handelsunternehmen Brütsch/Rüegger AG ist in der Schweiz die Nummer eins im Handel mit Werkzeugen, Normteilen, Erodierzubehör und Stahlrohren für die Metallverarbeitende Industrie und das Handwerk. Brütsch/Rüegger beliefert 10'000 aktive Kunden. Dieser Abschnitt beschreibt zunächst das Unternehmen, um den Kontext aufzuzeigen, in dem die weiteren Ausführungen (Kapitel 2 bis Kapitel 6) zu sehen sind.


Hintergrund
Bereits im Jahr 1877 wurde das auch heute noch unabhängige Familienunternehmen Brütsch/Rüegger AG gegründet. Zum Unternehmen zählen die Standorte in Regensdorf (Handel mit Stahlrohren) und Urdorf (Handel mit Werkzeugen, Normteilen und Erodierzubehör). Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschliesslich auf den Standort Urdorf.

Brütsch/Rüegger beschäftigt in Urdorf 120 Personen. Die Anforderungen an die Mitarbeitenden sind hoch. Neben hoher Motivation und Zuverlässigkeit werden auch Kreativität und Weiterbildungsbereitschaft erwartet. Die Mitarbeitenden sehen sich dem Unternehmensleitbild verpflichtet. Der Kerngedanke darin lautet wie folgt:

Hart am Wind und dynamisch steuern wir zielgenau in eine erfolgreiche und sichere Zukunft. Flexibel und offen für Neues und Unbekanntes.

Einen geeigneten Rahmen für Flexibilität und Innovation bietet bei Brütsch/Rüegger die Organisationsstruktur. Kurze Entscheidungsprozesse, moderne Kommunikation und kostensenkende Beschaffungslösungen fördern die Qualität der angebotenen Dienstleistungen.


Branche, Produkte und Zielgruppe
Brütsch/Rüegger selbst ist ein reines Handelsunternehmen und führt als Vollsortimenter 80'000 Qualitätswerkzeuge und Normteile von über 700 weltweit führenden Lieferanten. Die Produkte sind weitgehend standardisiert, gut beschreibbar und katalogisierbar. Sie eignen sich daher gut für den Vertrieb über das Internet. Das qualitativ hochwertige Artikelsortiment umfasst vier Produktgruppen:

  • Messtechnik (z.B. Messgeräte, Richtwerkzeuge, optische Instrumente)
  • Fertigungstechnik (z.B. Bohr-, Fräs- und Drehwerkzeuge, Spanntechnik)
  • Montagetechnik (z.B. Schraubenzieher und ähnliches, Elektrowerkzeuge, Werkstatteinrichtungen)
  • Normteile und Erodierzubehör (z.B. Normalien, Maschinenbauteile, Erodierdraht)


Brütsch/Rüegger bietet zu den Produkten eine Fachberatung mit Aussen- und Innendienst an sowie eine Produktbetreuung über den gesamten Lebenszyklus. Dazu gehört auch ein Schleif- und Kalibrierservice.

Zu den Kunden zählen die Metallverarbeitende Industrie, das Handwerk, der Werkzeug- und Formenbau, die Bauindustrie sowie weitere Industrie- und Serviceunternehmen. Brütsch/Rüegger beliefert ausschliesslich Geschäftskunden (B2B) und zwar hauptsächlich in der Schweiz.

Aufgrund von Produktionsverlagerungen seitens der Abnehmer ins Ausland stagniert das Marktpotenzial derzeit. Der Wettbewerbsdruck unter den wenigen nationalen Anbietern ist hoch. Neben den Hauptwettbewerbern, die ebenfalls ein Vollsortiment anbieten, bedienen etliche kleine, lokale Anbieter Teilbereiche dieses Marktes.

Vorteile gegenüber der Konkurrenz zieht Brütsch/Rüegger insbesondere aus der überdurchschnittlichen Produkt- und Dienstleistungsqualität, aus der hohen Lieferbereitschaft und aus den kurzen Lieferzeiten. Auch nachhaltige Beziehungen zu erstklassigen Produzenten bilden einen entscheidenden Erfolgsfaktor. Die Qualität des breiten und tiefen Sortiments ist auf die Bedürfnisse der professionellen Abnehmer abgestimmt. Bei den Artikeln, die sich auf Lager befinden, erzielt Brütsch/Rüegger eine Lieferbereitschaft von über 99 % bei tagfertiger Lieferung. Bestellungen, die bis 17 Uhr eingehen, werden noch am selben Tag ausgeliefert. Der Lagerbestand erreicht zurzeit einen Wert in Höhe von 23 Mio. CHF.


Unternehmensvision
Brütsch/Rüegger sieht ihre Kunden als die wichtigsten Partner im Unternehmenskonzept an und setzt auf nachhaltige Beziehungen zu allen Partnern. Das Zusammenspiel von Vertrauen, gegenseitiger Wertschätzung, Zufriedenheit und höchster Qualität soll den Unternehmenserfolg sichern.

Auch künftig möchte Brütsch/Rüegger wirtschaftlich unabhängig bleiben. Dazu sollen der Gewinn und die Sicherung der Marktanteile beitragen. Das Unternehmen strebt eine hohe Ertragskraft und eine weiterhin gesunde Eigenkapitalbasis an.


2. E-Business-Strategie

Dieses Kapitel beschreibt die E-Business-Strategie und deren Verankerung in der Unternehmensstrategie von Brütsch/Rüegger. Vorgestellt werden ferner das Zusammenspiel von ERP-System und E-Business-Software sowie die Partner, die Brütsch/Rüegger bei der Realisierung der Lösungen unterstützen.


Zusammenspiel von Unternehmensstrategie und E-Business-Strategie
Der Einsatz von Informationstechnik im Allgemeinen und E-Business im Speziellen ist für Brütsch/Rüegger Mittel zum Zweck. Im Zentrum der strategischen Ziele stehen die Bedürfnisse der Kunden. IT-basierte Applikationen werden so gestaltet, dass sie diese Bedürfnisse – vor allem den Wunsch der Kunden nach einer optimierten End-to-End-Bestellabwicklung von der Auswahl der Artikel bis hin zur Rechnungsstellung – optimal erfüllen. Dies ist auch der Grund, weshalb Brütsch/Rüegger schon früh in einen Online-Shop investiert hat und heute verschiedene Arten der B2B-Integration anbietet. Die Varianten reichen von der einfachen Bestellung im E-Shop bis hin zum Export des elektronischen Produktkataloges in E-Procurement-Applikationen und Back-End-Systeme des Kunden.

Die Einführung des ERP-Systems und die interne Integration verfolgen primär das Ziel, die Logistik und die Verkaufsprozesse zu optimieren. Aber auch dies ist kein Selbstzweck. Optimierte Logistik- und Verkaufsprozesse schaffen erst die Voraussetzung, um dem Kunden eine schnelle und wirksame Auftragsabwicklung bieten zu können.

Die externe Integration verfolgt primär das Ziel, die Dienstleistung von Brütsch/Rüegger in die Wertschöpfungskette der Kunden zu integrieren und damit den Serviceaspekt (hohe Lieferbereitschaft, kurze Lieferzeiten, Prozessoptimierung beim Kunden) zu untermauern. Sowohl Bestellung als auch Zahlungsabwicklung sollen auf elektronischem Wege möglich sein und Transaktionsprozesse auf diese Weise optimiert werden (End-to-End-Integration). In Zukunft möchte Brütsch/Rüegger über 50 % des Umsatzes auf elektronischem Wege abwickeln.


Zusammenspiel von ERP-System und E-Business-Software
Die Ziele der internen und der externen Integration haben komplementären Charakter, d.h. sie ergänzen sich. Indem die interne Integration darauf abzielt, die internen Prozesse zu optimieren, schafft sie eine wichtige Voraussetzung für die Optimierung der Kommunikations- und Transaktionsprozesse mit dem Kunden. Die externe Integration unterstützt zum einen direkt diese Kundenprozesse, zum anderen aber durch die Reduktion manueller Tätigkeiten auch die internen Prozesse.

Auf der Ebene der Informationssysteme wird ein reibungsloses Zusammenspiel der ERP- und E-Business-Komponenten dadurch erzielt, dass alle Komponenten mehr oder weniger aus einer Hand gekauft wurden. Die Integration dieser Systeme war nicht grundsätzlich neu, sondern hatte sich an anderer Stelle bereits bewährt. Ähnliches gilt für eine Messaging-Plattform, die für die unternehmensübergreifende Integration mit den Informationssystemen der Kunden sorgt.


Partner
An Aufbau und Betrieb der integrierten E-Business-Applikation von Brütsch/Rüegger sind mehrere Partner beteiligt. Sie übernehmen unterschiedliche Rollen:

ERP-Anbieter und Informatikpartner
Die beschriebene Lösung wurde in erster Linie in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Unternehmen Polynorm Software AG, Glattbrugg, realisiert. Polynorm bietet die Standardsoftware i/2® an, ein modular aufgebautes ERP-II-System mit einem integrierten Content Management System (CMS) der Münchner Firma ic4b.

Datenbank- und Messaging-Plattform-Anbieter
Die Software von Polynorm basiert durchgängig auf standardisierten Entwicklungstools, Datenbanksystemen und Messaging-Servern der Progress Software Corporation, Bedford (MA). Die Umsetzung der Messaging-Plattform Sonic ESB (Enterprise Service Bus) wurde von der Progress Software AG, Dietikon, realisiert.

Anbieter der medienneutralen Datenbank
Zur Unterstützung der Erstellung verschiedener Katalogvarianten (Printkataloge, Kataloge auf CD-ROM, elektronische Kataloge) wird die medienneutrale Datenbank mediaSolution2 (mS2) eingesetzt. Sie wird von der Stämpfli all media AG, Bern, entwickelt und vertrieben.

Partnerwahl
Die Partnerschaft zu Polynorm besteht seit Beginn der Einführung des ERP-Systems i/2® im Jahre 2001. Die Partnerschaft zu Progress ergab sich zum einen über Polynorm, zum anderen wurde aber auch eine mehrstufige Evaluation von Integrations-Plattformen durchgeführt, die zur Entscheidung für die Messaging-Plattform Sonic ESB führte. Die Zusammenarbeit mit Stämpfli all media war die Folge einer langjährigen Beziehung im Zusammenhang mit unterstützenden Dienstleistungen, die von der Stämpfli-Gruppe im Printbereich bezogen wurden.


3. Externe Vollintegration über die Messaging-Plattform Sonic ESB

Die E-Business-Lösung von Brütsch/Rüegger besteht aus mehreren, gut aufeinander abgestimmten Komponenten. Ein zentrales Element für den Datenaustausch mit Kunden und Lieferanten ist die Messaging-Plattform Sonic ESB von Progress. Sie wird für verschiedene Arten der B2B-Integration eingesetzt. Dieses Kapitel beschreibt die Integrationslösung von Brütsch/Rüegger am Beispiel einer Integration über das Ariba Supplier Network™ (Ariba SN). Die Beschreibung erfolgt aus vier Perspektiven: der Geschäftssicht, der Prozesssicht, der Anwendungssicht und der technischen Sicht.


Geschäftssicht
Wie oben bereits beschrieben wird, verfolgt Brütsch/Rüegger das Ziel, möglichst viele Transaktionen sowohl mit Kunden als auch mit Lieferanten auf elektronischem Wege abzuwickeln. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die vertriebsseitige Transaktionsabwicklung, obgleich Teile der beschriebenen Lösung auch die lieferantenseitige Integration unterstützen.

Brütsch/Rüegger als Handelsunternehmen versteht sich als Vermittler (Intermediär) zwischen Werkzeuglieferanten und Endabnehmern. Über das angebotene Vollsortiment wird die Lieferantenbasis gebündelt und die Anzahl der Transaktionsbeziehungen zwischen den Marktteilnehmern erheblich reduziert. So entsteht eine unternehmensübergreifende Wertschöpfungskette. Um diese durchgängig elektronisch zu unterstützen, fungiert Brütsch/Rüegger als elektronisches Bindeglied zwischen Lieferanten und Kunden.

Für die Kunden entstehen daraus Grössenvorteile (Mengeneffekte) und Transaktionskostenvorteile (Bündelungseffekte). Letztere resultieren hauptsächlich aus der Reduktion der Lieferanten. Dieser Effekt ist bei MRO-Gütern (Maintenance, Repair, Operations) besonders hoch, weil diese Artikel durchschnittlich 60 % aller Bestellungen und der damit verbundenen Prozesskosten eines Unternehmens ausmachen – und dies bei einem Anteil an den Warenkosten von durchschnittlich nur etwa 5 %.

Die elektronische Unterstützung des Transaktionsprozesses soll zusätzliche Vorteile mit sich bringen. Über die Automatisierung und Standardisierung der Bestell- und Zahlungsabwicklung sollen die Prozesskosten der Kunden gesenkt werden. Darüber hinaus können die Kunden Einsparungen durch eine höhere Contract Compliance (vertragsbasierte Einkäufe) und durch einen Rückgang des Maverick Buying (Einkäufe bei anderen Lieferanten) erzielen. Seitens Brütsch/Rüegger fördern diese Massnahmen und Effekte die Kundenbindung und sie sollen unter anderem dazu beitragen, mit bestehenden Kunden mehr Umsatz zu generieren. Letztlich soll die elektronische Integration von Kunden die interne Auftragsabwicklung von manueller Auftragserfassung entlasten – dies mit dem Ziel, mehr Zeit für Beratungstätigkeit einsetzen zu können.

Die Kunden von Brütsch/Rüegger bilden eine sehr heterogene Zielgruppe. Zum einen zählen dazu Grossunternehmen, die eigene E-Procurement-Lösungen unterhalten und ihre Transaktionen über elektronische Marktplätze abwickeln. Zum anderen zählen dazu viele kleinere Unternehmen und Handwerker, die vorwiegend über einen Online-Shop einkaufen. Um den Bedürfnissen dieser unterschiedlichen Zielgruppen gerecht zu werden, nutzt Brütsch/Rüegger verschiedene Vertriebsvarianten: Neben dem konventionellen Vertrieb über Printkataloge, Telefon und Fax steht ein ausgereifter Online-Shop (Toolshop) bereit, der komfortable Personalisierungsfunktionen (kundenspezifische Bestellprozesse und umfassende MyShop-Funktionen) bietet. Ferner ist ein direkter Katalogexport in die E-Procurement- und Back-End-Systeme (SAP) von Grossabnehmern möglich.

Durch die vom Markt geforderte Flexibilität im Zusammenhang mit den verschiedenen elektronischen Transaktionsformaten (E-Mail, EDI, cXML, XCBL, iDoc XML, etc.) stieg die Komplexität des Gesamtsystems stark an. Um die durch die Heterogenität der Datenformate verursachte Komplexität zu beherrschen und die B2B-Integration kundenfreundlicher zu gestalten, wurde eine Messaging-Plattform eingesetzt, die alle Bestellungen annimmt und über eine einheitliche Integrationsfunktion ins ERP-System i/2® überbringen kann. Umgekehrt verlassen auch die elektronischen Auftragsbestätigungen und Rechnungen über die Messaging-Plattform das Unternehmen. Mit dieser Lösung wurde beabsichtigt,

  • die Sicherheit und Zuverlässigkeit des standardisierten Datenaustausches zu gewährleisten,
  • im Zusammenhang mit den verschiedenen elektronischen Dokumentenformaten maximale Flexibilität bei der Abdeckung von Kundenbedürfnissen zu schaffen,
  • den Aufwand bei der Integration weiterer Kunden zu verringern und
  • die internen Mitarbeitenden von manueller Routinetätigkeit zu entlasten.



Prozesssicht
MRO-Güter sind indirekte Güter, die in der Regel direkt am Arbeitsplatz bestellt werden. Für die Auswahl der Produkte stehen dem Kunden unterschiedliche Katalogvarianten zur Verfügung (Print-, CD-ROM-, Shop-, Export-Katalog) (Abbildung 1). Zusätzlich können die Kunden die Fachberatung in Anspruch nehmen. Je nach benutztem Katalog wählt der Kunde ein für ihn geeignetes Verfahren zur Transaktionsabwicklung aus. Er kann zum Beispiel im Printkatalog – dem „Toolbook“ – Produkte auswählen und sie über den Online-Shop bestellen. Der Kunde wählt also die Katalogart und die Transaktionsart aus. Eine mögliche Transaktionsabwicklung wird im Abschnitt „Anwendungssicht“ am Beispiel einer Ariba-Anbindung erläutert.

Bei Brütsch/Rüegger werden die eingehenden Bestellungen bearbeitet, im Lager konfektioniert und bei einem Bestelleingang bis 17 Uhr noch am selben Tag per Post oder Spedition ausgeliefert. Über 800 Sendungen verlassen täglich das Haus. Auftragsbestätigungen und Rechnungen werden in gedruckter Version oder elektronisch zur Verfügung gestellt.

Abbildung 1: Katalog- und Transaktionsflexibilität


Abbildung 1: Katalog- und Transaktionsflexibilität


Anwendungssicht
Kernstück der E-Business-Lösung bildet das ERP-System i/2® von Polynorm mit dem voll integrierten i/2®-CMS (web4biz von ic4b). Das ERP-System wickelt alle zentralen Geschäftsprozesse von Brütsch/Rüegger ab, vom Einkauf über den Verkauf bis hin zur Materialbewirtschaftung und der Finanzbuchhaltung. Durch die Integration kann das CMS auf sämtliche Daten zugreifen, die im ERP-System gespeichert sind (z.B. Artikel- und Kundenstammdaten, Auftragsdaten, Verfügbarkeitsdaten). Das CMS reduziert den Pflegeaufwand und erhöht die Flexibilität der Informationsdarstellung im Shop. Über HTML-Templates und Data Objects werden Webseiten im i/2®-CMS dynamisch generiert.

Zur Erstellung der verschiedenen Kataloge dient die medienneutrale Datenbank mS2. In ihr werden alle Daten zusammengeführt, die für die Katalogerstellung benötigt werden. Artikelbezogene Basisdaten kommen in der Regel aus dem ERP-System i/2® und werden dort auch gepflegt. Die mS2-Datenbank enthält darüber hinaus Detailangaben zu den Artikelattributen, Angaben zur Sortimentsstruktur sowie zusätzliche Bilder. Um dem i/2®-CMS einen schnellen Zugriff auf diese Daten zu ermöglichen, wird jede Nacht ein Extrakt der Katalogdaten in eine zugriffsoptimierte Shopdatenbank kopiert. Gleichzeitig greift das CMS direkt auf das ERP-System zu, um über Data Objects Kundenstammdaten, Auftragsdaten, Verfügbarkeitsdaten, etc. abzurufen.

Die neueste Komponente der E-Business-Lösung von Brütsch/Rüegger ist die im Jahr 2003 eingeführte Messaging-Plattform Sonic ESB. Ein integrierter XSLT-Transformator konvertiert die in unterschiedlichen Formaten und Strukturen eingehenden Daten in ein einheitliches Brütsch/Rüegger-XML-Format. Ein Integrationsmodul schreibt die XML-Datei anschliessend als Auftrag in das ERP-System i/2®. Ausgehende Daten (z.B. Rechnungen) werden umgekehrt in die vom Kunden gewünschten Formate und Strukturen transformiert. Der Austausch der Daten mit einem Fremdsystem erfolgt je nach Kundenanforderung über eine verschlüsselte https-Verbindung, eine http-Verbindung, über ftp oder per E-Mail.

Grosskunden mit der E-Procurement-Lösung „Ariba Buyer“ wickeln die Transaktionen typischerweise via Ariba Supplier Network™ (Ariba SN) ab. Das Ariba SN konsolidiert die Geschäftsverbindungen von Kunden zu Lieferanten mittels standardisierten Prozessen und cXML-basiertem Datenaustausch. Der Bestellprozess läuft im Wesentlichen wie folgt ab (die Nummerierung bezieht sich auf die Zahlen in Abbildung 2):

  1. Der Kunde besitzt das E-Procurement-System Ariba Buyer, welches mit seinem ERP-System verbunden ist.
  2. Falls der Kunde im Rahmen seiner Content-Management-Strategie sich für einen externen Katalog entscheidet, kann er aus dem E-Procurement-System über einen „Link“ via Ariba SN in den E-Shop von Brütsch/Rüegger gelangen (sog. Ariba PunchOut). Im Hintergrund wird dabei automatisch ein Login ausgeführt. Der nun im E-Shop angemeldete Kunde wählt die gewünschten Artikel aus und legt sie in den Warenkorb.
  3. Eine Auslösung der Bestellung hat nun zur Folge, dass der Warenkorb nicht direkt an das ERP-System i/2® von Brütsch/Rüegger übermittelt wird, sondern als cXML-Nachricht inklusive Preisinformationen über das Ariba SN an das E-Procurement-System Ariba Buyer des Kunden geschickt wird.
  4. Nachdem beim Kunden über einen im Ariba Buyer integrierten internen Berechtigungs-Workflow die Bestellung freigegeben worden ist, löst der Kunde die Bestellung aus. Sie wird als cXML-Nachricht über das Ariba SN und eine sichere https-Verbindung an die Messaging-Plattform von Brütsch/Rüegger gesendet.
  5. Die Bestellung wird in der Messaging-Plattform von Brütsch/Rüegger konvertiert und an das ERP-System i/2® übergeben. Sind die bestellten Artikel im Lager verfügbar, werden Rüst- und Lieferschein automatisch erstellt. Somit wird auch die Lieferung ausgelöst.
  6. Nach erfolgter Lieferung und Rechnungsfreigabe seitens Brütsch/Rüegger löst das ERP-System i/2® den Rechnungsversand per cXML über die Messaging-Plattform Sonic ESB und das Ariba SN aus.
  7. Im E-Procurement-System Ariba Buyer wird die elektronische Rechnung vom Kundensystem automatisch der Bestellung gegenübergestellt und zur Zahlung freigegeben.
Abbildung 2: Anwendungsübersicht und Integrationsschema


Abbildung 2: Anwendungsübersicht und Integrationsschema


Technische Sicht
Alle Zugriffe von aussen auf die Informationssysteme von Brütsch/Rüegger werden über eine Firewall abgesichert (Abbildung 3). Der Toolshop (i/2®-CMS) und die Messaging-Plattform Sonic ESB befinden sich je in einer so genannten Demilitarisierten Zone (DMZ). Die Kommunikation dieser beiden Systeme mit dem ERP-System i/2® und der medienneutralen Datenbank mS2 (internes LAN) erfolgt ebenfalls wieder über die Firewall. Weitere Sicherheitseinrichtungen sind in der Abbildung aus Sicherheitsgründen nicht dargestellt. Das interne LAN verbindet das ERP-System i/2®, die medienneutrale Datenbank mS2 und die Clients mit der Serverfarm (Fileserver, Datenbankserver, Dokumentenmanagement-System, etc.).

Abbildung 3: Grundzüge der IT-Architektur



Abbildung 3: Grundzüge der IT-Architektur


4. Implementierung

Für die Einführung der Messaging-Plattform und die Schaffung der Voraussetzungen für die Anbindung von Kunden über das Ariba SN wurde eine fach- und unternehmensübergreifende Projektgruppe gebildet. Ihr gehörten der Leiter und ein weiterer Mitarbeiter der IT-Abteilung von Brütsch/Rüegger an sowie Mitarbeitende des Verkaufs, die die Bestellungen bis dahin manuell abgewickelt hatten. Auf der technischen Seite übernahm Polynorm die Projektleitung.

Im Rahmen des Projektes wurden zuerst die unternehmensübergreifenden Prozesse gestaltet, bevor die passende IT-Unterstützung ausgewählt wurde. Die internen Prozesse wurden daran angepasst, um die nötige interne Basis zu schaffen. Brütsch/Rüegger entwickelte die Konzeption der elektronischen Anbindung von Kunden selbst, eine externe Strategie- und Kompetenzberatung wurde nicht in Anspruch genommen.
Um die Akzeptanz der Mitarbeitenden gegenüber den neuen Systemen zu erhöhen und einen reibungslosen Prozessablauf zu gewährleisten, wurden die Mitarbeitenden von der Lösung überzeugt und intern geschult. Auch Kunden erhalten eine Schulung, wenn sie an den Toolshop angebunden werden.


5. Erfahrungen aus dem Betrieb

Anwendung und Unterhalt
Die End-to-End-Integration von Kunden über die neue Messaging-Plattform Sonic ESB und auch die spezielle Variante der Anbindung über das Ariba SN werden erwartungsgemäss genutzt. Sowohl auf Seiten der Kunden als auch auf Seiten der internen Mitarbeitenden ist die Akzeptanz dieser Lösung sehr hoch. Die hohe Akzeptanz liegt darin begründet, dass die Lösung es erlaubt, auf Kundenbedürfnisse einzugehen.

Um die Pflege der Messaging-Plattform kümmert sich Progress im Rahmen eines Wartungsvertrages. Wartungen im technischen Bereich, an den i/2®-Datenbanken, am ERP-System und am CMS übernimmt Polynorm, ebenfalls im Rahmen eines Wartungsvertrages. Für Brütsch/Rüegger erwies es sich als sinnvoll, die inhaltliche Seite der Mediendatenbank, also die Daten, sowie den gesamten Publikationsprozess selbst zu pflegen. Für den technischen Teil wurde mit Stämpfli ein Wartungsvertrag abgeschlossen.


Zielerreichung
Die Kombination von ERP-System, CMS, Mediendatenbank und Messaging-Plattform erfüllt die in der Geschäftssicht beschriebenen Zielsetzungen. Es zeigt sich, dass die technischen Komponenten reibungslos miteinander funktionieren und so gestaltet sind, dass Brütsch/Rüegger flexibel auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen kann. Trotz der hohen Flexibilität bleibt die Komplexität des Systems beherrschbar. Über eine Erhöhung der Switching Costs wird die Kundenbindung deutlich erhöht, mit bestehenden Kunden wird mehr Umsatz gemacht. Die Prozesskosten bei elektronischer Bestellabwicklung liegen für die Kunden um rund 30 % unter den Kosten einer konventionellen Bestellung.

Mit der neuen Architektur stieg im ersten Quartal 2004 der Anteil der elektronischen Bestellungen am Umsatz im Vergleich zum vierten Quartal 2003 von 12 % auf über 20 %. Für diese Entwicklung mitverantwortlich ist allerdings auch das in diesem Zeitraum durchgeführte Redesign des Toolshops.

Zurzeit werden kontinuierlich immer mehr Bestellungen auf den elektronischen Kanal verlagert. Der Aufwand, um einen neuen Kunden anzubinden, beträgt pro Transaktionsart nur noch ein bis drei Tage. Mit jedem Kunden wird zunächst abgeklärt, wie die Datenübertragung im Einzelnen ausgestaltet werden soll. Dies beansprucht in der Regel 75 % des gesamten Anbindungsaufwandes. Die restlichen 25 % entfallen auf die technische Umsetzung.

Die Investitionen für das Basisprojekt (Einführung der Messaging-Plattform) lagen inklusive der Kosten für Hardware, Software, Personal, Schulung und externe Dienstleistungen unter 100'000 CHF. Die laufenden Kosten für die Wartung sind durch die Wartungsverträge gedeckt. An den übrigen Betriebskosten machen die Kosten für die Anbindung neuer Kunden den grössten Anteil aus. Die Nutzung des Ariba SN ist für Lieferanten kostenlos.


6. Erfolgsfaktoren

Spezialitäten der Lösung
Die E-Business-Lösung von Brütsch/Rüegger zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:

  • Die Funktionalität der Messaging-Plattform Sonic ESB bietet volle Flexibilität für die direkte B2B-Integration von Kunden und Lieferanten. Die Gründe dafür liegen insbesondere in der Verarbeitbarkeit mehrerer Daten- und Transportformate und in der einheitlichen Integrationsfunktion im ERP-System i/2® für ein- und ausgehende Daten.
  • Die Lösung bietet ein hohes Mass an Transaktionssicherheit, Prozessqualität, Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit.
  • Der Aufwand für die B2B-Anbindung neuer Kunden ist deutlich gesenkt worden.
  • Die Kunden begrüssen die Nutzung des Systems, weil dadurch die Transaktionsprozesse sehr zuverlässig ablaufen und gleichzeitig die Prozesskosten sinken.



Lessons Learned
Aus den ersten Erfahrungen mit der beschriebenen Lösung zeigt sich, dass ihr Erfolg im Wesentlichen auf der Kombination aus Vermarktung, Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse, technischer Umsetzung und Stabilität beruht. Da die Lösung für die Kunden von Brütsch/Rüegger geschaffen wurde und einzelne Kunden bereits darauf warteten, war während des Projekts die Termineinhaltung besonders wichtig. Um diese zu gewährleisten, erwies sich ein sauberes Projektmanagement als unabdingbar.

Die Integration mehrerer, in sich abgeschlossener Informationssysteme stellt hohe Anforderungen an die verwendeten Technologien. Die Basistechnologie der eingesetzten Komponenten sollte aus einem Guss sein. Bei der Gestaltung der Systemarchitektur sollten Sicherheitsaspekte und die unterschiedlichen technologischen Lebenszyklen der Systeme beachtet werden. Grundsätzlich sind ERP-Systeme gegenüber kommunikationsorientierten Technologien wie der Messaging-Plattform eher starr. Eine Weiterentwicklung der Messaging-Plattform sollte deshalb möglich sein, auch ohne das ERP-System grundlegend zu ändern.

Bei der Anbindung neuer Kunden ist es nahezu unabdingbar, dass auch der Kunde über ein gewisses Know-how verfügt und in die Projektführung eingebunden wird. Als besonders wichtig stellte sich die Trennung von Kundenlogik und eigener ERP-Logik heraus. Mit der Messaging-Plattform konnte hier eine gewisse Entkopplung geschaffen werden. Die Messaging-Plattform verarbeitet die kundenspezifische Logik, das ERP-System arbeitet nur mit der eigenen Logik.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die beschriebene E-Business-Lösung eine wirtschaftliche und sichere elektronische Integration von Kunden und Lieferanten ermöglicht. Ganz im Sinne des Unternehmensleitbildes schafft sich Brütsch/ Rüegger damit auf diesem Gebiet eine hohe Flexibilität und Dynamik.


Owner/s of the solution

Brütsch-Rüegger AG
Martin Wirth, Leiter IT
Industry: Wholesale & retail trade
Company size: Medium-sized enterpriseBrütsch-Rüegger AG

Solution partner/s

Robert Zanzerl, Geschäftsleitung
Polynorm Software AG

Case study author/s

Uwe Leimstoll
Fachhochschule beider Basel FHBB

08. August 2004
Leimstoll; Uwe (2004): Fallstudie Brütsch/Rüegger AG; in: Schubert; Petra; Wölfle; Ralf; Dettling; Walter (Hrsg.) (2004): E-Business mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware - Einsatz von Business Software in der Praxis; München; Wien: Hanser Verlag; 2004; S. 115-128.
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
1726
bruetsch-polynorm
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1726-bruetsch-polynorm
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