Chocolat Frey AG: Vendor Managed Inventory mit SAP

04. September 2007



Die Chocolat Frey AG, ein Unternehmen des Migros Genossenschaft Bundes, stellt Schokoladeprodukte und Kaugummi sowohl für den Schweizer Heimmarkt als auch für den Export her. Um sich verstärkt auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren zu können, führte Chocolat Frey eine Vendor-Managed-Inventory Lösung ein. Mit dieser können die Zulieferer selbstständig rund um die Uhr Bestände und Bedarfe der Chocolat Frey überwachen und Bestellungen auslösen. Die Fallstudie beschreibt die Lösung auf Basis von SAP NetWeaver und zeigt die Vorteile sowohl für Chocolat Frey als auch für die Zulieferbetriebe auf.


1. Das Unternehmen

Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe
Chocolat Frey AG wurde 1887 durch die Gebrüder Frey in Aarau gegründet. Im Jahr 1950 übernahm Migros die Chocolat Frey AG und gliederte ihr ihre bisherige Confiserie- und Zuckerwarenfabrikation an. 1967 wurde die Produktion von Aarau in die neu erstellte Fabrik in Buchs verlegt und mit der Jowa Schokoladefabrik der Migros fusioniert. Chocolat Frey gehört zu 100 % zum Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) und hat ihren Sitz in Buchs im Schweizer Kanton Aargau.

Chocolat Frey stellt Schokoladeprodukte und Kaugummi her. Die Schokoladeproduktion reicht von Tafeln, „Stängeli“ und Riegeln zu Kleinformaten, Spezialitäten und Saisonartikeln sowie industriellen Fertigfabrikaten wie Cacao-Pulver, Schokolade für Biskuits, Speiseeis etc. Das Sortiment umfasst über 1'600 Artikel. Mit einem Marktanteil von 38 % (Chocosuisse) ist Chocolat Frey die Nummer 1 im Schweizer Schokolademarkt. 2006 setzte das Unternehmen rund 43'500 Tonnen ab, was einer durchschnittlichen Tagesproduktion von ca. 119 Tonnen entspricht. Mit 895 Mitarbeitenden erzielte das Unternehmen 2006 einen Bruttoumsatz von 400 Mio. CHF. Seit 1982 exportiert das Unternehmen auch ins Ausland.
Der Absatz von Schokolade stagniert in der Schweiz auf sehr hohem Niveau. Durchschnittlich werden pro Jahr und Kopf 11.6 kg konsumiert. Neben den grossen Wettbewerbern wie Lindt & Sprüngli und Cailler, erhält Chocolat Frey seit einiger Zeit auch Konkurrenz durch Markenartikel, die vermehrt in Migros-Verkaufspunkten angeboten werden, wie bspw. Ferrero. Um dieser zusätzlichen Konkurrenz zu begegnen, setzt das Unternehmen vermehrt auf den Export. Bis vor ein paar Jahren ging zwischen 90 % und 95 % der hergestellten Ware an Migros. Heute macht der Gesamtexport ein Drittel des Gesamtumsatzes aus. Bis in ein paar Jahren werden sich Export und Lieferungen an Migros voraussichtlich die Waage halten.

Die Produkte für den Export werden, neben den Markenprodukten „Frey“, kundenspezifisch hergestellt und individuell verpackt (Private-Label). Abnehmer sind Handelsketten und Zwischenhändler.

Unternehmensvision
Angesichts der wachsenden Konkurrenz und dem zunehmenden Preisdruck setzt das Unternehmen weiterhin auf Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Im Export sollen vorhandene Stärken besser genutzt und der Marken- und Private-Label-Bereich weiter ausgebaut werden.

Stellenwert von Informatik und E-Business
Chocolat Frey nutzt die Informatik vor allem dazu, Prozesse zu unterstützen. Aufgrund der Bedeutung gut funktionierender Logistikprozesse stehen diese im Vordergrund. Die in dieser Fallstudie vorgestellte Lösung zeigt, wie das Unternehmen mit Hilfe der Informatik die Effizienz und Effektivität steigert.


2. Der Auslöser des Projekts

Ausgangslage und Anstoss für das Projekt
Chocolat Frey realisierte schon vor mehreren Jahren mit einem Lieferanten eine Art Vendor-Managed-Inventory-Lösung (VMI). Mit dieser konnte der Lieferant auf bestimmte Daten im ERP-System der Chocolat Frey zugreifen und nachsehen, wie gross der Bestand seiner Produkte bei Chocolat Frey ist und ob demnächst eine neue Lieferung fällig ist. Mit der Einführung von SAP R/3 als konzernweites ERP System in den Migros Industriebetrieben Anfang 2001 war dies nicht mehr möglich, da die Zugriffsrechte nicht fein genug eingestellt werden konnten. Der Wunsch von Seiten der Lieferanten nach einem ähnlichen Datenzugriff wie mit dem alten System blieb bestehen, während Chocolat Frey sich vermehrt auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren wollte. Beide Ziele liessen sich mit einer VMI Lösung realisieren, worauf Chocolat Frey die hier vorgestellte Lösung entwickeln liess.

Vorstellung der Geschäftspartner
Anbieter von Business Software, Implementierungspartner
Implementierungspartner und Anbieter der im Folgenden beschriebenen Lösung ist die SAP (Schweiz) AG, eine Ländergesellschaft der 1972 gegründeten SAP AG in Walldorf (D). Weltweit beschäftigt SAP als Marktführer von ERP-Systemen mehr als 40'000 Mitarbeitende und bedient über 39'000 Kunden. Das Unternehmen bietet umfassende Softwarelösungen zur Unterstützung von Geschäftsprozessen an.

Geschäftspartner
Das Projekt wurde zu Beginn mit einem Lieferanten in Angriff genommen, bald darauf schlossen sich weitere an. Es sind dies Lieferanten, die überwiegend Verpackungsmaterialien für die Produkte von Chocolat Frey produzieren, sowie sogenannte Lohnhersteller. Diese packen einzelne Produkte ab, um bspw. für Verkaufsaktionen mehrere Tafeln Schokolade zu einem Multipack zusammenzustellen.

Ein weiterer Partner ist die Mibelle AG, eine Herstellerin von Kosmetik- und Hygieneprodukten. Sie gehört ebenfalls zum Migros-Genossenschafts-Bund und gab die hier vorgestellte Lösung zusammen mit Chocolat Frey in Auftrag.


3. Vendor Managed Inventory mit SAP

Geschäftssicht und Ziele
Wie in Kapitel 1.2.1 bereits erwähnt, war das Ziel die Einführung einer Vendor- Managed-Inventory Lösung (VMI). Beim VMI ist der Lieferant dafür verantwortlich, dass im Lager seines Kunden stets die optimale Menge an Material vorhanden ist. Der Lieferant greift dabei auf vordefinierte Bereiche des ERP-System seines Kunden zu. Vorteile von VMI sind u.a. eine Bestandsverringerung in der gesamten Logistikkette, geringere Transaktionskosten, eine engere und verlässlichere Beziehung zwischen Lieferant und Kunde, sowie eine Verringerung der Lagerbestände auf Seiten des Kunden. Die Idee war, dass die Zulieferer selbstständig und rund um die Uhr Bestände und Bedarfe derjenigen Artikel, die sie liefern, abrufen und überwachen, sowie Bestellungen abändern und auslösen können (Abb. 1). Damit wollte man erreichen, dass

  • Chocolat Frey sich vermehrt auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren kann,
  • die Zulieferbetriebe mehr Freiheiten bei der Abwicklung der Aufträge erhalten.


Aufgrund von saisonalen Schwankungen und Verkaufsaktionen kann es zu grossen Schwankungen beim Bedarf von Materialien kommen. Deshalb wird die Absatzplanung nicht nur einmal jährlich, sondern laufend vorgenommen.

Bei Chocolat Frey gibt es zurzeit zwei verschiedene Rollen für das Portal: die der Lieferanten und der Lohnhersteller. Der Lieferant verwendet das VMI für die Beobachtung der Bestandsentwicklung, die Bearbeitung der Bestellanforderungen und der Bestellungen sowie für die Erstellung des Lieferplans in Bezug auf Menge und Termin. Der Lohnhersteller kann das Portal für die Bestandsentwicklung, den Wareneingang, die Nachverrechung der Aufträge sowie für Umbuchungen auf verschiedene Lagerplätze verwenden.

Unternehmen, die neu für Chocolat Frey produzieren, erhalten erst Zugriff auf das Portal, wenn sich die Unternehmen besser kennen und sich ein gegenseitiges Vertrauen etabliert hat.
Chocolat Frey unterhält mit allen Lieferanten einen Liefervertrag, der die allgemeinen Details der Zusammenarbeit regelt. Mit den Zulieferern, die das Portal nutzen, besteht ein Zusatzvertrag, der u.a. den Umgang mit dem System, den abzudeckenden Lagerbestand und die Vertraulichkeit in Bezug auf die eingesehenen Daten regelt.

Abb. 1: Business Szenario für Vendor Managed Inventory mit Lieferanten



Abb. 1: Business Szenario für Vendor Managed Inventory mit Lieferanten


Prozesssicht
Als Beispielprozess für die Arbeit mit dem Portal und den Einsatz von VMI wird die Auftragsdisposition [Auftrag] vorgestellt. Dabei werden zwei Perspektiven eingenommen: diejenige von Chocolat Frey und die eines Lieferanten für Verpackungsmaterialien (Abb. 2).
Der Disponent von Chocolat Frey nimmt im ERP-System die Absatzplanung vor. Ist eine Materialbestellung erforderlich berechnet das System aufgrund der Bestände und Bedarfe automatisch eine sogenannte Bestellanforderung (BANF). Der Lieferant überprüft regelmässig die Bestände, Bedarfe und die Bestellanforderungen der Chocolat Frey, wobei er nur die für ihn bestimmten Daten angezeigt erhält. Die Bedarfe kann er bis auf die Tagesebene hinab sehen. Aufgrund dieser Daten nimmt der Lieferant seine Absatzplanung vor. Die generierte Bestellanforderung ist dabei lediglich ein Vorschlag des Systems, den der Lieferant an seine eigenen Anforderungen anpassen kann. Er kann bspw. ohne weitere Rückfrage mit Chocolat Frey die Menge der Bestellanforderung nach oben abändern, wenn er so seine Maschinen besser auslasten kann. Er darf innerhalb der gegebenen Frist, bis zu der der Auftrag abgewickelt werden muss, auch selber entscheiden, wann und in wie vielen Tranchen er die Bestellung abwickeln möchte. Der Lieferant passt die Bestellanforderung im ERP-System der Chocolat Frey entsprechend seinen Planungen an und generiert daraus eine rechtsgültige Bestellung. Er generiert also im Namen von Chocolat Frey eine Bestellung an sich selber. Die Daten und Bestände im System werden laufend angepasst und aktualisiert, sie sind daher immer auf dem aktuellsten Stand. Anschliessend kommissioniert der Lieferant die Ware und liefert sie an Chocolat Frey.

Es gibt Aufträge, die nicht ohne vorherige Absprache der beiden Parteien abgewickelt werden können, bspw. wenn ein neues Design oder der Relaunch eines Produktes bevorsteht. Solche Aufträge können von den Lieferanten nicht über das Portal bearbeitet werden. Ein Disponent der Chocolat Frey klammert entsprechende Aufträge im ERP System aus, so dass sie für den Lieferanten nicht sichtbar sind. Anschliessend nimmt er persönlich Kontakt mit dem Lieferanten auf und gibt die Aufträge frei.

Abb. 1.2: Prozesssicht Auftragsdisposition


Abb. 1.2: Prozesssicht Auftragsdisposition


Anwendungssicht
Der Kern der Applikation ist das ERP-System SAP. Auf diesem finden die Bestands- und Bestellungsbearbeitung sowie die Erstellung von Reports und Auswertungen statt (Abb. 3). Der Disponent bei Chocolat Frey greift über den SAP-ERP-Client direkt auf das ERP-System zu, ohne Umweg über das Portal.

Das Portal basiert auf dem SAP Enterprise Portal, einer Komponente von SAP NetWeaver 04. Es dient der Authentifizierung der Benutzer und der Bestimmung der individuellen Zugriffsrechte auf Funktionen und Daten des ERP-Systems. Weiter ist es für die Darstellung der Inhalte und Benutzerführung zuständig. Das Portal besitzt eine eigene Datenbank, in der die Accountdaten, die Rollendefinitionen sowie die Benutzerzuordnung abgelegt sind. Weitere Informationen über die Benutzer sowie alle anderen Daten sind im zentralen ERP-System abgelegt.

Abb. 3: Anwendungsübersicht Chocolat Frey


Abb. 3: Anwendungsübersicht Chocolat Frey

Der Lieferant greift mit einem Webbrowser auf den Portalserver der Chocolat Frey zu. Die Verwendung eines Webbrowsers hat den Vorteil, dass keine zusätzlichen Programme installiert und gewartet werden müssen und jeder internetfähige Computer verwendet werden kann. Neue Lieferanten können so schnell und einfach die Funktionalitäten des Portals nutzen.

Der angemeldete Benutzer arbeitet via Portalserver direkt auf dem ERP-System der Chocolat Frey und die geänderten Daten werden direkt in diesem gespeichert. Auf dem System des Lieferanten werden keine Daten abgelegt, d.h. er muss diese bei sich gegebenenfalls separat nochmals erfassen oder aus dem ERP-System der Chocolat Frey exportieren und bei sich in sein System importieren.

Das Portal ist mit iViews [Portlet] aufgebaut. iViews sind kleine Programme auf dem Portalserver, die im Webbrowser des Anwenders Eingaben entgegennehmen und Daten anzeigen. Mit ihrer Hilfe kann das Portal einfach an die Bedürfnisse der verschiedenen Anwender angepasst werden, indem einem Lieferanten, der bspw. zusätzlich noch Wareneingänge bearbeiten darf, das dazugehörige iView freigeschaltet wird. Neue Kunden können zunächst nur die wichtigsten Funktionen erhalten und später mit zusätzlichen Funktionen ausgestattet werden. Die Kommunikation zwischen den iViews und dem ERP-System basiert auf RFC (Remote Function Call). Dabei ruft der Portalserver eine Funktion auf dem ERP-System auf und gibt anschliessend die erhaltene Antwort an den Browser weiter.

Technische Sicht
Das Rechenzentrum des Migros Genossenschafts-Bundes ist für den Betrieb von Servern und Diensten zuständig, die von mehreren Unternehmen des MGB genutzt werden. Dazu gehören auch die ERP-, Portal-, und Datenbankserver, die Chocolat Frey nutzt (Abb. 4). Diese Arbeitsteilung innerhalb der Migros-Unternehmensgruppe hat den Vorteil, dass sich Chocolat Frey nicht um deren Wartung und Unterhalt kümmern muss. Die verschiedenen Betriebe und das Rechenzentrum sind über das Intranet der Migros („Core“) miteinander verbunden. [Sicherheit] Um die Server vor unbefugtem Zugriff zu schützen, sind sie über eine Firewall ans Intranet angebunden. Der Portalserver verfügt über eine eigene Intranet Anbindung und ist aus Sicherheitsgründen über eine zusätzliche Firewall mit dem ERP-System verbunden. Die SAP-Clients bei Chocolat Frey greifen über das Core-Netzwerk auf die ERP-Systeme zu. Die Lieferanten benötigen einen Zugang zum Internet, wobei der Zugang aufs Intranet der Migros ebenfalls durch eine Firewall geschützt ist. Die Verbindung geschieht über eine verschlüsselte Verbindung (https HyperText Transfer Protocol Secure). Wenn nötig besitzt der Lieferant oder Lohnhersteller Drucker, um SSCC-Etiketten oder Laboretiketten auszudrucken. Mit der direkten Verbindung des Portalservers mit dem ERP System ist gewährleistet, dass Anfragen und Ergebnisse auf schnellstem Weg zwischen Portal und ERP System ausgetauscht und im Portal angezeigt werden.
Zurzeit sind sieben Migros Industriebetriebe an das Portal angebunden. Bei Chocolat Frey verwenden zwölf Lieferanten die Funktionalität des Portals.

Abb. 4: Verteilung der von Chocolat Frey genutzten technischen Systeme


Abb. 4: Verteilung der von Chocolat Frey genutzten technischen Systeme


4. Projektablauf und Betrieb

Investitionsentscheidung
Der Investitionsentscheid basierte auf einer Kosten-Nutzen-Analyse. In dieser wurde eine Bewertung des Nutzens für Chocolat Frey im Sinne von Effizienz und Einsparungen vorgenommen. Es zeigte sich, dass der Nutzen für die Chocolat Frey – Konzentration auf die Kernkompetenzen, Abgabe von Arbeiten an die Zulieferer – und für die Lieferanten – mehr unternehmerische Freiheiten, bessere Auslastung der Maschinen – höher sein wird, als die Kosten. Es konnte vorausgesehen werden, dass die Kosten innert kurzer Zeit amortisiert sein werden.

Projektmanagement und Changemanagement
Im August 2002 begann Chocolat Frey mit der Planung des Portals. Ein wichtiges Ziel war dabei, dass das Portal nicht nur von Chocolat Frey, sondern auch von weiteren Migros Industriebetrieben verwendet werden kann. Die anderen Betriebe sahen den Nutzen des Portals vorerst noch nicht, waren skeptisch bezüglich der Sicherheit und hatten kein Interesse am Aufbau mitzuhelfen. Chocolat Frey plante deshalb das Portal für sich alleine. Zwei Monate später sprang der Migros-Betrieb Mibelle auf den Zug auf. Das Projekt wurde daraufhin gestoppt und es wurden neue Abklärungen vorgenommen, damit das Portal doch von mehreren Betrieben verwendet werden konnte.

Ein halbes Jahr später war die Lösung einsatzbereit. Die Zeit zwischen der Einführung des SAP-Systems Anfang 2001 und der Planung des Portals nutzte Chocolat Frey, um Erfahrungen mit dem ERP-System zu sammeln und abzuklären, auf welche Daten die Lieferanten Zugriff haben sollen.

Partnerwahl
SAP (Schweiz) AG implementierte im Jahr 2001 für die Migros-Industriebetriebe ein unternehmensweites ERP-System. Dabei konnte Chocolat Frey gute Erfahrungen mit SAP sammeln. Die Wahl von SAP als Partner für die VMI-Lösung vermeidet Schnittstellenprobleme, da sowohl das ERP-System als auch das Portal vom gleichen Anbieter angeboten werden. Ausserdem kann besser Support geleistet werden, wenn das ganze System aus einer Hand angeboten wird. Ein weiterer Vorteil resultiert daraus, dass die SAP Lizenzgebühren die Verwendung von allen SAP Modulen einschliesst, auch diejenigen, die nicht verwendet werden. Für die VMI-Lösung fielen daher Implementierungskosten, aber keine weiteren Lizenzgebühren an.

Entstehung und Roll-out der Software-Lösung
Bei der Entwicklung des Portals konnte SAP auf das SAP NetWeaver 04 Enterprise Portal und die darin implementierten Referenzprozesse zurückgreifen. Die spezielle, von Chocolat Frey benötigte Funktionalität wurde über eine individuelle Anpassung und Erweiterung der SAP-Standardapplikation geschaffen. Neu in der Migros-Lösung waren bspw. die Bestands- und Bestellabwicklung sowie die Möglichkeit, Bestellungen nachträglich zu bearbeiten.
Die Prozesse sollten so abgebildet werden, wie Chocolat Frey sie benötigt, und nicht umgekehrt. Der Aufbau der Benutzeroberfläche wurde so gewählt, dass sie sich einfach an die jeweiligen Anwender und ihre Prozesse anpassen lässt. Weiter wurde darauf geachtet, dass sowenig Benutzerrollen wie möglich benötigt werden. Bei Chocolat Frey sind dies nur zwei: die der Verpackungslieferanten und die der Lohnhersteller.

Laufender Unterhalt
Das Rechenzentrum des MGB betreibt den Portalserver sowie die dahinterliegenden ERP-Server. Für die Chocolat Frey heisst dies, dass sie für den reibungslosen Betrieb der Server nicht verantwortlich ist. Die Datenpflege findet fast vollständig im ERP-System statt. Dadurch verursacht der Betrieb des Portals beinahe keinen zusätzlichen Pflegeaufwand. Lediglich die Daten, die für die Vergabe der Zugriffsrechte benötigt werden, müssen im Portal gepflegt werden. Die anfallenden Kosten für Wartung und Betrieb der Lösung werden vom MGB getragen. Insgesamt sind die Kosten für den laufenden Unterhalt sehr gering.


5. Erfahrungen

Nutzerakzeptanz
Die Einführung des Portals hat zu Beginn bei einigen Lieferanten grosse Skepsis ausgelöst. Viele waren der Meinung, Chocolat Frey möchte die Arbeit an sie abschieben, ohne im Gegenzug einen Mehrwert zu bieten. In der Zwischenzeit hat sich diese Meinung geändert. Sämtliche Lieferanten begrüssen die Portallösung und möchten sie nicht mehr missen. Auf Seiten von Chocolat Frey und den Migros-Industriebetrieben gab es grosse Vorbehalte bezüglich der Sicherheit, weil der Lieferant selbst Bestellungen auslösen und anpassen kann. Diese Bedenken legten sich aber schon bald, da man sah, dass das Vertrauen in die Lieferanten gerechtfertigt und auch im Interesse der beteiligten Migros-Industriebetriebe ist. Denn diese melden sich, wenn im System Daten eingetragen sind, die ihnen fehlerhaft erscheinen, bspw. wenn Mengen angefordert werden, die ihnen nicht plausibel sind.

Zielerreichung und bewirkte Veränderungen
Die an die Lösung gestellten Anforderungen und Ziele wurden vollumfänglich erreicht. Die Lieferanten erhalten durch diese Lösung eine grössere Freiheit, indem sie die Bestellungen selber auslösen können und sie innerhalb der von Chocolat Frey vorgegebenen Mindest- und Maximalmenge frei verfügen können, wie sie die Lieferungen aufteilen wollen. Sie können so die Produktion an den Bedarf des Kunden anpassen und die Auslastung der Maschinen sowie die Nutzung der Ressourcen optimieren.

Die Ziele von Chocolat Frey, sich mit Hilfe der Portallösung vermehrt auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren und einen Teil der Arbeit an die Zulieferer abzugeben, sind erreicht worden. Zudem konnte die Liefertreue verbessert werden. Chocolat Frey ist über die Aktivitäten der Lieferanten immer auf dem aktuellsten Stand und die Daten im System sind stets up-to-date. Dazu kommen Kostenreduktionen durch die Optimierung ihrer Lager und den Wegfall von Personalaufwänden für Disposition und Beschaffung.

Verbessert hat sich ausserdem die Beziehung zwischen Chocolat Frey und den Lieferanten, die das Portal benutzen: Sie ist heute noch stärker von Vertrauen und Selbstständigkeit geprägt als früher.

Investitionen, Rentabilität und Kennzahlen
Chocolat Frey und Mibelle mussten – als Pilotkunden und Mitentwickler der Lösung – nicht die gesamten Entwicklungskosten bezahlen. Im Gegenzug dazu kann SAP die entwickelten Funktionen auch anderen Kunden anbieten. Die Kosten für die Portallösung ohne Hardware beliefen sich so auf insgesamt rund 320'000. CHF. Für die Hardware wurden zusätzlich noch 58'000.- CHF aufgewendet. Dieser Betrag wurde anfänglich von Chocolat Frey und Mibelle hälftig geteilt. Der MGB kaufte den beiden Betrieben die Lösung später ab, um sie für alle Migros-Industriebetriebe verfügbar zu machen. Die Lizenz mit SAP über das ERP-System beinhaltet auch die Nutzung der Portallösung, es müssen daher keine zusätzlichen Lizenzkosten an SAP bezahlt werden. Durch den bestehenden zentralen Betrieb und die zentrale Wartung der Systemumgebungen im MGB entstehen nur marginale zusätzliche Betriebskosten. Mit der Lösung können gegenüber früher pro Woche ca. zwei Personentage Arbeitszeit eingespart werden.


6. Erfolgsfaktoren

Spezialitäten der Lösung
Eine Spezialität der Lösung ist der Ansatz, das Portal so zu planen und aufzubauen, dass es mehreren Migros-Industriebetrieben zur Verfügung steht. Wie die Projektverantwortlichen erwartet hatten, sind schon sehr bald nach der Inbetriebnahme des Portals weitere Migros Industriebetriebe aufgesprungen. Der Aufbau der Lösung mit dem Portal, das die Daten aus dem ERP-System darstellt, hat den Vorteil, dass die Lieferanten nicht direkt auf das ERP-System zugreifen. Ein weiteres Plus der Lösung ist der vollintegrierte und schlanke Ansatz. Die meisten Daten werden zentral im ERP System gepflegt, während auf dem Portal für jeden Zulieferer genau eingestellt werden kann, welche Daten er sehen darf und welche nicht.

Reflexion der „Business Collaboration“
Die Zusammenarbeit zwischen Chocolat Frey und ihren Zulieferbetrieben hat durch die Einführung der Portallösung eine neue Tiefe erhalten. Das Vertrauen, das Chocolat Frey ihren Zulieferern entgegen bringt, und die dadurch ermöglichte Form der elektronischen Zusammenarbeit, führten bei beiden Parteien zu einer Optimierung der Geschäftsprozesse.
Ein zentraler Punkt dabei ist, dass Chocolat Frey ihre Lieferanten direkt auf dem ERP-System arbeiten und sie detaillierte Daten einsehen lässt. Die Lieferanten können sogar selbständig Bestellungen im Namen der Chocolat Frey auslösen. Dieses Vertrauen geben die Lieferanten zurück, indem sie die Daten im System kritisch prüfen und Aufgaben übernehmen, die bisher Chocolat Frey erledigte. Im Gegenzug erhalten sie Zugriff auf die aktuellsten Daten und die Möglichkeit zu flexiblen Lieferungen. So können sie ihre Maschinen und Mitarbeiter besser auslasten und produktiver arbeiten. Sie sind ausserdem nicht mehr von den Arbeitszeiten von Chocolat Frey abhängig. Diese Zusammenarbeit ergibt für alle beteiligten Parteien eine Win-win-Situation.

Ein grosses Plus der neuen Form der Zusammenarbeit ist ausserdem die Ruhe, die die Lösung mit sich bringt. Es gibt seit der Einführung weniger Rückfragen der Lieferanten und die Koordination zwischen den Beteiligten fällt fast gänzlich weg. Die so eingesparte Zeit kann jeder der Partner dafür verwenden, sich auf seine Kompetenzen zu konzentrieren und die Prozesse effizienter zu gestalten.

Lessons Learned
Die vorgestellte Lösung zeigt, dass mit einem relativ bescheidenen Aufwand und gegenseitigem Vertrauen die Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehreren Geschäftspartnern vereinfacht werden kann, so dass beide Seiten davon profitieren.
Die Zeit zwischen der Einführung des ERP-Systems und derjenigen des Portals ist gut genutzt worden: In dieser Zeit wurde das System richtig kennengelernt, so dass die Beteiligten wussten, was das System kann und was nicht. So konnte definiert werden, was den Lieferanten an Informationen angezeigt werden sollte. Dies zeigt, dass es sich lohnen kann, sich zuerst mit einem neuen System vertraut zu machen und erst dann weitergehende Funktionen einzubauen.


Owner/s of the solution

Chocolat Frey AG
Bernd Zogg, Leiter Informatik und Organisation SAP
Industry: Consumer goods production
Company size: large-scale enterpriseChocolat Frey AG

Solution partner/s

Werner Spang, Principal Business Consultant
SAP (Schweiz) AG

Case study author/s

Raoul Schneider
Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW

04. September 2007
Schneider; Raoul (2007): Fallstudie Chocolat Frey AG; in: Wölfle; Ralf; Schubert; Petra (Hrsg.): Business Collaboration Standortübergreifende Prozesse mit Business Software; S. 63 - 76; München: Hanser Verlag; 2007
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
1743
frey-sap
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1743-frey-sap
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