E-Commerce Lösung für den Bestell- und Informationsprozess des Geschäftskunden bei Xiameter

13. October 2004



Dow Corning, Weltmarktführer bei der Herstellung von Silikonprodukten, bietet Commodity-Produkte unter dem Brand Xiameter.com 15% unter den marktüblichen Preisen an. Die Kunden von Xiameter.com verzichten auf den umfangreichen Service, für den Dow Corning steht und folgen den Geschäftsregeln, die u.a. eine Bestellung über die Website vorsehen. Durch diese Kundensegmentierung kann Xiameter.com Commodity-Kunden durch schlanke, standardisierte Prozesse mit niedrigpreisigen Angeboten bedienen. Kunden, die Zusatzservices (wie z.B. Vendor Managed Inventory (VMI)) oder individuell zugeschnittene Produkte und Leistungen nachfragen, werden weiterhin über die Marke Dow Corning bedient.


1. Unternehmen

Unternehmung. Xiameter ist eine eigenständige Geschäftseinheit von Dow Corning, die durch ein internetbasiertes Geschäftsmodell mit einfachen Bestellprozessen Silikonprodukte zu 15% unter Marktpreisen anbietet. Dow Corning wurde 1943 als 50-50 Joint Venture zwischen Corning Glass Works (heute Corning, Incorporated) und Dow Chemical Company speziell für die Erforschung und Nutzung der Potentiale von Silikonen gegründet. Heute bietet Dow Corning über 7'000 silikonbasierte Produkte und zugehörige Dienstleistungen an. Dow Corning ist weltweit tätig und operiert mit eigenen Verkaufsbüros, Produktionsstätten und Laboren auf der ganzen Welt.

Tabelle 1-1: Kurzportrait von Dow Corning’s Xiameter


Tabelle 1-1: Kurzportrait von Dow Corning’s Xiameter


Herausforderungen im Wettbewerb. Seit der Entwicklung von Silikonen durch Dow Corning im Jahr 1943 ist der Markt für diese Produkte beständig gestiegen. In den 1990er Jahren erfuhr die Branche eine jährliche Wachstumsrate von 15%. Heute werden jährlich etwa 7 Mrd. USD mit Silikonen umgesetzt, woran Dow Corning einen Marktanteil von 35% hat. Silikone sind eine Gruppe chemischer Substanzen, die sowohl ähnlich temperaturbeständig und chemikalienfest wie Glas, als auch ebenso vielseitig einsetzbar wie Plaste sind. Sie entstehen durch Polymerisation von silikonhaltigen Molekülen und sind Rohmaterialien für eine Vielzahl von Einsatzgebieten. Diese reichen von Fahrzeugbau, Elektronik oder der Gummiherstellung über Textilien, Bauwesen und chemische Industrie bis zur Herstellung von Kosmetika [s. Rozin/Magnusson 2002, 186f].

Obwohl die Silikonindustrie erst 60 Jahre alt ist, befindet sie sich - wie die Spezialitätenchemie insgesamt - in der Reifephase. Viele Produkte werden zu Commodities, d.h. homogenen Massengütern, die von Wettbewerbern in gleicher Art und Güte hergestellt werden [vgl. Woll 1978, 140]. Xiameter schätzt, dass etwa 30-40% der Silikone heute zu dieser Produktgruppe gezählt werden können. Dow Corning sah sich herausgefordert, auf den mit der Commoditisierung verbundenen Preisdruck angemessen zu reagieren. Ziel des Unternehmens ist es nicht nur, seine Stellung im Silikonmarkt zu verbessern, sondern auch neue Kundengruppen zu erschliessen, die bislang billigere organische Chemikalien anstelle der mit besseren chemischen Eigenschaften ausgestatteten Silikonprodukte verwendeten. Gleichzeitig versteht sich Dow Corning weiter als führender Innovator der Silikonchemie und möchte seinen Kunden auch künftig neue, verbesserte und auf den jeweiligen Kundenprozess zugeschnittene Silikone anbieten.


2. Ausgangslage - Dow Corning Geschäftsmodell

Strategie. Obwohl das Silikongeschäft teilweise ein Massengeschäft darstellt, steht die Marke Dow Corning für Innovation und den branchenbesten Service. Das Leistungsangebot beinhaltet die Entwicklung massgeschneiderter Produkte, technischen Produktsupport, Eillieferungen, das Betreiben von Konsignationslagern (VMI) und die Unterstützung des Kunden beim Einsatz von Silikonen in seinem Produktionsprozess.

Abbildung 2-1: Kurzcharakteristik der Geschäftslösung von Dow Corning


Abbildung 2-1: Kurzcharakteristik der Geschäftslösung von Dow Corning

 

Prozess. Auch heute bestellen die Dow Corning Kunden zumeist per Telefon, Fax oder elektronisch über EDI. Die meisten Bestellungen gehen per Telefon ein. Die grosse Mehrheit der Bestellungen (90%) sind Spezialbestellungen, z.B. dringende Lieferungen oder umfassen technischen Service. Im Regelfall werden fünf Telefonate benötigt, um die Bestellung gemeinsam abzustimmen. Geschäftsmodell und Prozess ermöglichen es Dow Corning, seinen Kunden den branchenbesten Service anzubieten. Die sich schnell ändernde Nachfrage und Lagerhaltungskosten haben Dow Corning bewogen, seine Produkte im Regelfall nicht mehr auf Lager zu produzieren, sondern nach Bestelleingang in den Produktionsprozess einzuplanen. Eine Übersicht über den typischen Bestellprozess liefert Abbildung 2-2.

Abbildung 2-2: Verkaufsprozess bei Dow Corning


Abbildung 2-2: Verkaufsprozess bei Dow Corning

 

Systeme. Dow Corning verwendet SAP als ERP-System. Die Dow Corning Webseite dient vor allem dazu, dem Kunden technische Informationen zur Verfügung zu stellen (Datenblätter der Materialsicherheit, Originalzertifikate von Analysen, Gebrauchsanleitungen, etc.). Kunden, die bereits bei Dow Corning bestellt haben und als kreditwürdig eingestuft werden, können bereits bezogene Produkte über die Website nachbestellen.

Leidensdruck. Die Kunden von Dow Corning haben unterschiedliche Bedürfnisse. Einige Kunden sind daran interessiert, mit Dow Corning zusammenzuarbeiten, um neue Produkte zu entwickeln (Neuprodukte-Kunden). Eine andere Kundengruppe möchte zusammen mit Dow Corning den Einsatz von Silikonen in ihren Produktionsprozessen verbessern (technische Kunden). Wiederum andere Kunden möchten die Posten ihres Produktionsprozesses mit Hilfe von Dow Corning Produkten und Dienstleistungen senken (technisch-ökonomische Kunden). Für alle diese Kundengruppen ist die Verbindung von Produkt und begleitendem Service wichtig.

Schliesslich gibt es eine Kundengruppe, die seit Jahren Silikone in ihren Produktionsprozessen als Rohstoffe verwendet und selbst ein entsprechendes Know-how zum Einsatz dieser Produkte aufgebaut hat. Diese Kunden gewinnen keinen Zusatznutzen aus den umfangreichen Serviceangeboten von Dow Corning. Sie möchten qualitativ hochwertige Produkte günstig einkaufen und sich auf zugesagte Lieferungen verlassen können (ökonomische Käufer).

Dow Corning sah sich herausgefordert, dieser zunehmenden Commoditisierung von Teilen des Silikonmarktes Rechnung zu tragen, ohne seinen Ruf als innovatives und serviceorientiertes Unternehmen zu beschädigen, der für die erstgenannten Kundengruppen von hoher Bedeutung ist.


3. Projekt

Ziele. Im Januar 2001 beauftragte Dow Cornings Chairman und CEO Gary Anderson Donald Sheets (heute Chief Financial Officer (CFO) von Dow Corning und zwischenzeitlich General Manager von Xiameter), ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das Dow Corning den Einstieg ins Commoditiy-Geschäft ermöglicht, ohne den innovativen und serviceorientierten Ruf der Marke Dow Corning zu beschädigen. Zusammen mit Michael Lanham (heute General Manager von Xiameter) entwickelte Sheets ein internetgestütztes Geschäftsmodell, das den preisgünstigen Verkauf von Commodities durch hochstandardisierte und von strikten Geschäftsregeln getriebene Bestellprozesse ermöglicht. Diese Geschäftsregeln sollen es dem Unternehmen ermöglichen, Kosteneinsparungen durch Prozesseffizienz an jene Kunden, die ihre Bestellungen diesen Regeln entsprechend aufgeben. Das Projekt war auf ein Jahr terminiert (d.h. Produktivbetrieb der Lösung und erste Bestelleingänge im Januar 2002).

Durchführung. Das Projekt wurde in zwei sechsmonatigen Phasen durchgeführt. In der ersten Phase entwickelten Don Sheets und Mike Lanham mit der Unterstützung weiterer Dow-Corning-Mitarbeiter die Geschäftsstrategie von Xiameter. Xiameter ist ein Kunstwort, das die Geschäftsidee versinnbildlichen soll und für Direktheit, Geschwindigkeit, Genauigkeit und Nutzenstiftung steht [s. Rozin/Magnusson 2002, 200].

Im Juni 2001 erhielten Sheets und Lanhan vom Führungsgremium den Auftrag zum Aufbau des neuen Geschäftsmodells. Ihr Ziel war es, bis zum 7. Januar 2002 eine neue Marke aufzubauen, deren Produktlinie gegenwärtig etwa 350 Produkte zählt. Xiameter benötigte dafür auch ein eigenes Webportal mit Online-Bestellsystem. Zur Bildung der neuen Geschäftseinheit nahm Dow Corning Commodity-Silikone aus den bestehenden Geschäftseinheiten heraus und ordnete sie Xiameter zu.

Für den Start von Xiameter wurde parallel zum Aufbau der Infrastruktur ein Team von Mitarbeitern aus dem Personalbestand von Dow Corning rekrutiert. Dafür nahm das Unternehmen die Hilfe eines externen Beraters in Anspruch, der Kandidaten entsprechend der benötigten Qualifikationen auswählte. Das Kernteam von Xiameter umfasst knapp 100 Personen, greift aber bei Bedarf auf mehrere Hundert Dow Corning Mitarbeiter inkl. des IT Personals zurück.

Dow Corning lancierte Xiameter am 7. Januar 2003 als Beta-Version für ausgewählte Kunden. Bereits am 5. März des gleichen Jahres konnte das Unternehmen Xiameter weltweit durch Medienmitteilungen in New York, London, Brüssel, Hong Kong, Seoul, Shanghai und Peking einführen. Xiameter verkauft an eine steigende Anzahl von Kunden in derzeit 23 Ländern und ist in der Lage, jederzeit Kunden in weiteren 22 Ländern zu beliefern.

Kritische Erfolgsfaktoren. Für Don Sheets und Mike Lanham lag der Schlüssel zum Erfolg von Xiameter im Change Management während der Implementierung. Xiameter änderte die Art der Kundensegmentierung von Dow Corning grundlegend und verschob grosse Umsatzmengen zu einer neuen Geschäftseinheit. Dies wäre ohne das klare Bekenntnis des CEOs zum Projekt und seine Unterstützung der mit der Änderung der Geschäftsprozesse verbundenen Schwierigkeiten in der Organisation nicht möglich gewesen.

Während der Designphase in den ersten sechs Monaten war das Projekt zunächst nur denjenigen bekannt, die einem Beitrag zum Gelingen zu leisten hatten („Need-to-know“-Basis). Dadurch konnte in dieser frühen Projektphase der Einfluss von Gegnern des Projektes minimiert werden, so dass den Mitarbeitern ein fertig ausgearbeitetes Konzept präsentiert werden konnte.

Weiter Erfolgsfaktoren sind für Sheets und Lanham eine sorgfältige Konzeption der Geschäftslösung (sechs Monate Designphase), das Einhalten eines strikten Zeitplanes (Prototyp in sechs Monaten nach Implementierungsbeginn, d.h. im Januar 2002) und ein intensives Testen der Softwarelösung vor dem Produktivstart.


4. Neue Lösung

Strategie. Dow Corning betreibt sein Commodity-Geschäft unter der Marke Xiameter. Dafür löste es die Commodity-Produkte aus den bisherigen Geschäftseinheiten heraus und übertrug sie der neugeschaffenen Geschäftseinheit Xiameter, die die Produkte unter der gleichnamigen Marke am Markt anbietet. Xiameter verfolgt ein internetbasiertes Geschäftsmodell mit definierten Geschäftsregeln (Bestellmengen, Bestellung per Webseite, kein Service, fixe Lieferzeiten, etc.). Dadurch erwirtschaftet Xiameter Effizienzgewinne, aus denen den Kunden Preisnachlässe in Höhe von etwa 15% (verglichen mit den Dow Corning Preisen) gewährt werden können.

Xiameter-Kunden verzichten auf Zusatzservices und folgen einem standardisierten Bestellprozess. Im Gegenzug erhalten sie Preisnachlässe bei den Produkten in Höhe von etwa 15%. Die Kunden von Xiameter reichen von kleinen Unternehmen bis zu multinationalen Konzernen. Sie sind bereit, sich auf die Geschäftsphilosophie und die Geschäftsregeln von Xiameter einzulassen, um die angeboten Preisnachlässe realisieren zu können. Sie können jedoch bei Bedarf auch über Xiameter einzeln bepreiste Serviceleistungen von Dow Corning beziehen oder einfach wieder direkt über Dow Corning bestellen.

Abbildung 4-1: Vergleich der Geschäftslösungen von Xiameter und Dow Corning


Abbildung 4-1: Vergleich der Geschäftslösungen von Xiameter und Dow Corning


Trotz des internetbasierten Geschäftsmodells mit automatisierten Arbeitsabläufen hält Xiameter die persönliche Kundenbeziehung weiterhin für geschäftskritisch. Daher verhandeln Gebietsverantwortliche Rahmenverträge und Preise mit den Kunden aus und verfolgen die Entwicklungen auf dem lokalen Spotmarkt.

Prozess. Xiameter definiert seine Prozesse über Geschäftsregeln für Bestellung, Preisfestsetzung, Kommunikation und Bezahlung. Einen Überblick liefert Tabelle 4-1.

  • Bestellung. Xiameter nimmt Bestellungen über seine englischsprachige Website entgegen. Diese sind je nach Produkt auf bestimmte „logische und effiziente Transporteinheiten“ beschränkt, etwa Paletten, LKW-Ladungen oder Tanker. Mit einer Minimalbestellmenge von 50'000 USD pro Jahr möchte das Unternehmen sicherstellen, dass das Angebot nur für die Zielgruppe umsatzstarker Commoditykäufer interessant ist, nicht aber für sogenannte „Schnäppchenkäufer“.

    Das Bestellportal ist aus Kostengründen rein englischsprachig. Xiameter würde jedoch auf Kundenwunsch auch andere Sprachen unterstützen, wenn die entsprechenden Kunden bereit wären, die Kosten des Unterhalts zu übernehmen.

    Weniger als 10% der Kunden (mit weiter abnehmender Tendenz) bestellen derzeit noch über Telefon, Telefax oder e-Mail. Diese Bestellungen gibt das Xiameter Personal manuell über die Website in das Bestellsystem ein. Für diesen Aufwand stellt Xiameter den Kunden 250 USD je Bestellung in Rechnung.
Tabelle 4-1: Ausgewählte Geschäftsregeln von Xiameter

Tabelle 4-1: Ausgewählte Geschäftsregeln von Xiameter
(in Anlehnung an [Xiameter 2003], [Roberts/Hunter 2002])

 
  • Kommunikation: Die Kommunikation mit dem Kunden findet vorwiegend über das Portal und via e-Mail statt. Zu jeder Bestellung gehören die Auftragsbestätigung (innerhalb von 15 Minuten nach Bestellungseingang), eine „shipping notice“ genannte Mitteilung (wenn das Material die Produktion verlassen hat) und die Rechnung mit Link auf die online über das Portal verfügbaren Begleitdokumente (Sicherheitsdatenblatt (MSDS), Analysezertifikat (CoA) usw.). Alle Mails generiert das System automatisch.
  • Preisbildung. Die Kunden bekommen landesspezifische Preise angezeigt, die für Bestellungen mit Auslieferungsdatum innerhalb der nächsten 7-90 Tage gelten. Eilbestellungen (d.h. Auslieferung innerhalb der nächsten sieben Tage) haben einen Aufschlag von 10% der Rechnungssumme zur Folge. Da die meisten Produkte in Auftragsproduktion gefertigt werden, nimmt Xiameter Eilbestellungen nur bei entsprechender Verfügbarkeit an. Obwohl Xiameter unter Berücksichtigung von Marktkonditionen und Produktionskapazitäten dynamisch Preise bilden kann, bevorzugen die Kunden Rahmenverträge, die für einen bestimmten Zeitraum feste Lieferpreise vereinbaren. Dies erlaubt ihnen eine bessere Produktions- und Verkaufsplanung.
  • Liefertermin. Für die Auslieferung der Produkte arbeitet Xiameter mit dem externen Logistikunternehmen UTI zusammen. Xiameter garantiert nur das Datum der Auslieferung ab Werk, nicht aber das Eintreffen der Lieferung beim Kunden. Hat das Unternehmen das Auslieferungsdatum nicht eingehalten, erhält der Kunde einen Rabatt von 3% auf die nächste Rechnung.
  • Produktion. Xiameter verkauft die von Dow Corning hergestellten Produkte. Xiameter erhält die Produkte von einer Produktionsstätte nahe dem Standort des Kunden. Das Werk liefert direkt an den Kunden, um Lagerkosten zu vermeiden. Kann die Produktionsstätte nicht termingerecht ausliefern, wird die fällige Gutschrift an den Kunden der Kostenstelle des Werkes belastet.
Abbildung 4-2: Verkaufsprozess bei Xiameter

Abbildung 4-2: Verkaufsprozess bei Xiameter

 

Systeme. Xiameter realisierte sein Internetportal mit der Front-End-Lösung von HAHT (www.haht.com). Als Back-End-System kommt SAP R/3, Dow Cornings ERP-System, zum Einsatz. Diese Lösung ermöglicht eine effiziente Auftragsabwicklung und Kundeninteraktion. Die zu Projektbeginn alternativ angedachte Realisierung des Front-Ends über SAP-Portalsoftware wurde verworfen, da die angebotene Funktionalität trotz einiger interessanter Funktionen wie dem „Drag&Relate“ nicht den Anforderungen von Xiameter entsprach.

Nach einer Evaluation verschiedener Front-End-Anbieter entschieden sich die Verantwortlichen für das Produkt von HAHT, das sich schnell und einfach implementieren lässt. HAHT war zudem das einzige Unternehmen, das eine Realisierung in den von Xiameter angepeilten sechs Monaten garantieren konnte. HAHT wird heute auch im Dow Corning Account Management und als Standard für zukünftige Kundenschnittstellen verwendet.

Kosten und Nutzen. Die fortschreitende Commoditisierung von Silikonprodukten trieb die Entwicklung des Xiameter-Geschäftsmodells voran. Dieses schafft ein eigenes Leistungsbündel für das Segment erfahrener, preissensibler Gewohnheitskäufer. Diese Segmentierung gibt dem Kunden die Wahl zwischen der Marke Dow Corning (Innovation und aussergewöhnlicher Service) und Xiameter (strikte Geschäftsregeln und Preisnachlässe). Xiameter gelingt es, mit grossen Bestellmengen, rationalisierten Prozessen und eingeschränktem Kundenkontakt Effizienzsteigerungen zu erreichen, die für die Kunden Preisnachlässe von 15% ermöglichen. Die Verantwortlichen sind überzeugt, dass sinkende Preise zu einem Wachstum des Silikonmarktes führen werden. Im wichtigen Werkstoffmarkt mit einem Volumen von 100 Mrd. USD könnten Silikone aufgrund ihrer besseren Produkteigenschaften die derzeit billigeren organischen Substanzen verdrängen.

Die Kunden haben je nach Kundenprozess die Möglichkeit, das passende Leistungsbündel auszuwählen. Einige Kunden beziehen je nach Silikontyp und Know-how Produkte von beiden Marken. Xiameter konnte seit seiner Einführung im Januar 2002 nicht nur Commodity-Kunden der anderen Dow Corning Geschäftseinheiten übernehmen, sondern auch Neukunden in allen geographischen Regionen gewinnen. Auf das höchste Interesse stösst das Angebot in Asien.

Gegenwärtig existiert kein mit Xiameter vergleichbares Geschäftsmodell am Markt. Marktplätze wie Elemica und Chemplorer versuchen nach Ansicht von Xiameter niedrige Preise mit Zusatzservices zu kombinieren. Elemica bietet beispielsweise das Management der gesamten Supply Chain an, darunter Bedarfsplanung, Bestandsoptimierung und Bestellmanagement. Chemplorer bietet eine Kombination aus Zugang zur Plattform (Technologie), Lieferantenkatalogen (Inhalt), Internetausschreibungen und weiteren Services an. Xiameter hält diese „Sowohl-als-auch“-Strategie für nicht geeignet, um wirtschaftlich hohen Kundennutzen zu stiften.

Tabelle 4-2: Xiameter - Aufwand

 

Tabelle 4-2: Xiameter - realisierter Nutzen

Tabelle 4-2: Xiameter - Aufwand und realisierter Nutzen


Der Bestellprozess von Dow Corning bleibt für serviceorientierte Kunden unverändert. Die Geschäftsregeln von Xiameter „zwangen“ jedoch die Produktionsstätten von Dow Corning, ihre Back-End-Prozesse zu überprüfen. Häufig wurden in der Vergangenheit Daten nach ihrer Entstehung nicht rechtzeitig im System erfasst. Zum physischen Warenausgang gehört beispielsweise die tagesgleiche Erfassung des Warenausganges im SAP System. Trotzdem stellte Xiameter fest, dass die Mitarbeiter gegen Arbeitsende abgefertigte Auslieferungen oftmals erst am Folgetag erfassten. Die pünktliche Auslieferung an Xiameter-Kunden hatte dann zur Folge, dass die Kunden über eine automatisches e-Mail eine verspätete Auslieferung angezeigt bekamen. Den Geschäftsregeln entsprechend hatten die Kunden damit Anrecht auf einen Rabatt, den die Produktionsstätte über ihre Kostenstelle tragen musste.

Geplante Weiterentwicklungen. Xiameter erwägt, Geschäftsmodell und Markennamen anderen Herstellern von Spezialitätenchemikalien anzubieten. Xiameter würde den Partnern das Xiameter-Portal zur Verfügung stellen und ihnen die Bestellungen via XML oder EDI (d.h. ohne direkte ERP-Verbindung) zur Abwicklung weiterleiten. Das Unternehmen offeriert seinen Partnern damit eine bereits etablierte Marke mit zugehörigem Webshop und einen automatisierten Datenfluss. Dies erlaubt ihnen, Commodity-Produkte zu vertreiben, ohne ihr Markenimage zu beschädigen.


5. Erkenntnisse

Der Fall Xiameter illustriert, wie bislang erfolgreiche Geschäftsmodelle durch die Marktentwicklung ganz oder teilweise obsolet werden können und welche Bedeutung die Informationstechnologie beim Aufbau neuer Geschäftsfelder haben kann. Xiameter gelingt es, die Kundenbindung durch ein auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse zugeschnittenes Leistungsportfolio zu erhöhen. Preissensiblen Commoditiy-Kunden, denen durch die im Dow-Corning-Modell einbegriffenen Serviceangeboten keinen Zusatznutzen gestiftet werden konnte, bedient das Unternehmen durch ein auf Prozesseffizienz ausgerichtetes Geschäftsmodell und ist so in der Lage, Effizienzgewinne durch Preisnachlässe an seine Kunden weiterzugeben. Die Kosteneinsparungen entstanden dabei nicht durch die Internetverbindung der Partner an sich, sondern durch die Automatisierung der Kundenschnittstelle und die Bereitschaft der Kunden, einem durch Geschäftsregeln hochstandardisierten Bestellprozess zu folgen.

  • Dow Corning entwickelt eine neue Geschäftslösung, die den Kunden parallel zur bisherigen angeboten wird. Das Unternehmen kann die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse durch die Konfiguration zweier Leistungsbündel besser befriedigen. Die bisherige Geschäftslösung adressiert weiterhin serviceorientierte Kunden, die neue Geschäftslösung schafft parallel preissensiblen Commodity-Käufern einen höheren Nutzen als das bisherige Angebot.
  • Die Etablierung einer neuen Marke für eine neues Geschäftsmodell stellt sicher, dass auch das bisherige Geschäftsmodell erfolgreich weiterbetrieben werden kann. Dow Corning hat sich über Jahre hinweg einen Ruf als innovatives und serviceorientiertes Unternehmen aufgebaut. Um dieses Ruf nicht zu beschädigen und trotzdem auf dem wachsenden Commodity-Markt aktiv zu werden, entschied sich das Unternehmen, mit Xiameter eine eigenständige Marke zu entwickeln.
  • Die Kunden sind bereit, ihre Prozesse und ihr Denken zu ändern, um die Geschäftsregeln von Xiameter zu erfüllen und im Gegenzug signifikante Kostenersparnisse zu realisieren. Kundenprozessorientierung bedeutet hier nicht, Zusatznutzen durch einen individualisierten Prozess zu schaffen, sondern die Effizienzgewinne eines hochstandardisierten Bestellprozesses an die Kunden weiterzugeben.

 


Literatur

[Färber/Kirchner 2002]
Färber, G., Kirchner, J., mySAP Technology - Einführung in die neue Technologie-Plattform der SAP, Galileo Press, Bonn 2002

[Roberts/Hunter 2002]
Roberts, M., Hunter, D., Dow Corning's Xiameter Tackles Commoditization, e-chemmerce, http://www.e-chemmerce.com/aboutus/samples/0302es3.html, 7.10.2003

[Rozin/Magnusson 2002]
Rozin, R., Magnusson, L., Processes and Methodologies for Creating a Global Business-to-Business Brand, in: International Journal of Brand Management, Jg. 10, 2002, Nr. 3, S. 185-20s7

[Woll 1978]
Woll, A., Allgemeine Volkswirtschaftslehre, Vahlen, München 1978

[Xiameter 2003]
Xiameter, Learn the Rules, Dow Corning Corporation, http://www.xiameter.com/content/bxrules/learn_the_rules.asp, 7.10.2003


Owner/s of the solution

Xiameter
K. Michael Lanham, Commercial Director
Donald Sheets, General Manager
Industry: Chemical industry/Plastic goods, Chemicals, Silicones
Company size: large-scale enterpriseXiameter

Case study author/s

Enrico Senger
Universität St. Gallen
Stephen E. Lin
Tuck School of Business at Dartmouth

13. October 2004
Lin; S.; Senger; E.: Fallstudie Xiameter - e-Commerce Lösung für den Bestell- und Informationsprozess des Geschäftskunden; in: IWI; Tuck: The Electronic Collaboration Database; Institut für Wirtschafsinformatik; Universität St. Gallen; Center for Digital Strategies at Tuck School of Business at Dartmouth; St. Gallen und Hanover (NH) 2004; http://cases.iwi.unisg.ch

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1802
xiameter-iwi-lin-senger
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1802-xiameter-iwi-lin-senger
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