E-Commerce-Plattform der CSS AG

01. September 2001



Die CSS AG, Luzern steht für viele KMU, die sich an einer starken Mutter (CSS Krankenkasse) ausrichten müssen. Sie steht aber auch modellhaft für den Spagat zwischen elterlicher Erfahrung und der geforderten Unvoreingenommenheit einer jungen, dynamischen und flexiblen Generation.
Dieser Fall zeigt auf, wie E-Commerce, wenn richtig positioniert und fokussiert, effizient genutzt werden kann und so eben auch Nutzen erzeugt. Als wesentliche Voraussetzung gilt, wenige Kompromisse eingehen, Durchgängigkeit der Businesslösung und starker Einbezug der
Mitarbeitenden. Die CSS AG hat innert kürzester Zeit das Produkt Ferien-/Reiseversicherung (FRV) im Web designed, einen B2C-Kanal entwickelt, diesen an ein innovatives Partnermodell ausgerichtet (B2B) und den Wertschöpfungsprozess "straight-through" durchgängig abgewickelt resp. integriert. Somit verfügt diese Lösung über sehr grosse Flexibilität und Skalierbarkeit.


1. Allgemeine Informationen

  • Hintergrund Firma

Die Familienversicherung CSS mit Hauptsitz in Luzern ist in über hundert Jahren
ihres Bestehens zur Nr. 2 im schweizerischen Krankenversicherungsmarkt gewachsen.
Mit gut 1,1 Mio. Versicherten zählt die CSS Versicherung zu den grössten
Krankenkassen der Schweiz. Vor bald 10 Jahren wurde die CSS AG als
Tochterunternehmen der CSS Versicherung gegründet. Die CSS AG vertreibt ihre
Produkte über das CSS-Vertriebsnetz und zusätzlich auf dem offenen Markt im
Internet mit einer eigenen E-Commerce-Lösung. Die CSS AG bietet ihren Kunden
heute folgende Produkte an:

  • Ferien-/Reiseversicherung (FRV)
  • IHP (International Health Plan - für Auslandschweizer)
  • Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung
  • Spitaltaggeldversicherung
  • Unfallversicherung Tod/Invalidität
  • UVG und UVG-Z
  • Global Business Traveller und Trainees and Guests

 

  • Markt/Branche

Bezeichnung der Branche
Die CSS AG positioniert sich primär im Versicherungsmarkt als Nischenanbieter.
Dies sowohl im traditionellen Sachversicherungs-Umfeld, als auch ergänzend im
Krankenversicherungs-Markt.

Beschreibung der Marktentwicklung
Der Krankenversicherungs-Markt ist stark dereguliert (Liberalisierung) worden.
Die traditionell ausgerichteten Unternehmen (Krankenkassen) haben Mühe, sich
neu zu finden. Kunden sind heute besser informiert, haben eine starke Leistungssensibilisierung
entwickelt und "fragmentieren" ihre Versicherungsleistungen
(Grundversicherung bei Gesellschaft A, Zusätze bei B und C). Dies gilt
ebenso für den Sachversicherungsbereich. Die hier beschriebene Ferien-
/Reiseversicherung (FRV) zählt zu den sogenannten Mischprodukten.
Dieser Markt (Ferien-/Reiseversicherung) verfügt noch über ein grosses Entwicklungspotential,
wird aber klar dominiert von ELVIA mit seinen strategischen
Allianzen im Bereich der grossen Reiseveranstalter und Reisebüros.

Abgrenzung zu anderen E-Business-Lösungen der Branche
Zahlreiche Konkurrenten verfügen ebenfalls über ähnliche Produkte und vertreiben
diese klassisch (Standard-Kanäle) oder auf ihrer Website (oft ohne Abschluss).
Da sowohl das Produkt (FRV) als auch der Anbieter (CSS AG) neu auf dem
Markt sind, konnte nicht mit dem "Brand" (Marke) Identifikation und somit
Marktzugang geschaffen werden. Dies musste mit einem unkonventionellen
Vertriebskonzept und einer innovativen E-Commerce-Lösung (sog. Straightthrough-
processing) geschehen. Beides war bis dato auf dem Markt nicht verfügbar.

  • Produkte

In der Phase 1 sollte das Konzept am Produkt Ferien-/Reiseversicherung erprobt
und gefestigt werden. Für die weiteren Phasen sind dann Leistungen im Bereich
Auslandschweizer Krankenversicherung (IHP) und eine Hausratversicherung vorgesehen.


Abbildung 1.1: Produkteübersicht
Abbildung 1.1: Produkteübersicht


Die Produkte können wie folgt kategorisiert werden:


Produktkategorisierung

  • Grund für den Internet-Entscheid

In Anlehnung an die Strategie der CSS AG

  • Sicherung des qualitativen und quantitativen Wachstums
  • Mehr Eigenleistung durch neue Geschäftsfelder
  • Markenpflege der CSS AG
  • Leistungen aus einer Hand

wurden folgende Ziele definiert:

  • Etablierung eines Internet-Vertriebskonzeptes auf der Basis von Kooperationen
  • mit Absatzmittlern
  • Profilierung durch hochwertige Versicherungsprodukte mit gutem Preis-/Leistungsverhältnis
  • gegenüber potentiellen Versicherungsnehmern
  • Profilierung durch den state-of-the-art Online-Vertriebskanal mit zukünftig relevanten
  • Zusatzdiensten, welche als Mehrwert universell in die Website der Absatzmittler integriert werden kann.
  • Aufbau, Pflege und Weiterentwicklung eines Netzwerkes an relevanten Absatzmittlern,
  • auf der Basis strategischer Allianzen und aktiver Verkaufsförderung

mit den folgenden Kunden-Nutzen (USP)

  • Umfassende, unlimitierte und kostengünstige Heilungskostenversicherung /
  • Personen-Assistance im Rahmen der FRV für den Versicherungsnehmer
  • Modular integrierbarer Vertriebskanal und Zusatzdienste als Mehrwert für die
  • Absatzmittler FRV und IHP (Verfügbarkeit)
  • Umfassende, unlimitierte Krankenversicherung im Rahmen der IHP für den Versicherungsnehmerauf folgenden Märkten:
  • Personen, Familien und Gruppen wohnhaft in der Schweiz und deutschsprachigen
  • Umland, welche eine Reise planen/buchen und/oder oft geschäftliche Reisen
  • unternehmen (Jahresversicherung)
  • Absatzmittler mit Marktzugang zu Personen/Familien wohnhaft in der Schweiz
  • oder Grenzgänger, welche eine Reise planen/buchen
  • Absatzmittler mit Marktzugang zu Schweizer Personen/Familien wohnhaft im
  • Ausland, welche sich auf Schweizer Niveau krankenversichern wollen

2. Strategiefindung "Der Weg zum Entscheid"

  • E-Business-Vision

Die CSS AG will elektronische Verkaufspunkte (Shop in the Shop) bei einer Vielzahl
von Partnern (breiter Marktzugang) mit einer konsequenten Nischenpolitik betreiben
und zielgruppengerecht Versicherungsprodukte zum Online-Abschluss
(oder Antrag) anbieten.


Abbildung 2.1: Businessanforderungen


Abbildung 2.1: Businessanforderungen


Die Hauptzielsetzungen sind eine optimierte Markenpflege, eine signifikante
Wachstumssteigerung, qualitativ verbesserte Prozesse und die Bewirtschaftung
des offenen Versicherungsmarktes.

Die Kunden- und Versicherungsdaten die durch Abschlüsse im Internet entstehen,
müssen von den MitarbeiterInnen entweder direkt gepflegt (Mutationen, Auswertungen
usw.) oder über eine Schnittstelle regelmässig in ein bestandespflegendes
Umsystem migriert werden. Einzelne Produkte (FRV) müssen die E-Commerce-
Applikation als bestandespflegendes System unabhängig vom Abschlussvorgang
nutzen. Weitere Zusatzdienstleistungen von Partnern und ein erweitertes Kundenangebot
(Adressänderungen usw.) werden unterstützt.

  • E-Business-Geschäftskonzept

Zur operativen Abwicklung der neukonzipierten Ferien-/Reise-Versicherung (FRV)
wurde eine neue Anwendung namens "eSure" entwickelt. Die FRV musste am 1. Januar 2001 für Kunden, externe Partner und die CSS AG zur Bewirtschaftung von
Anfragen, Abschlüssen und Zahlungen zur Verfügung stehen. Das System ist modular
ausbaubar und dient weiteren Produkten als Plattform. Es wurde keine Integration
in die CSS Informatik (Mutterhaus mit Host) angestrebt.


Abbildung 2.1: Abwicklungsprozess FRV


Abbildung 2.1: Abwicklungsprozess FRV

  • Adressaten der E-Business-Lösung

Die Anwendung wurde in der Vorstudie auf die Endkunden ausgerichtet (B2C).
Daraus resultierte eine Potenzialanalyse und ein Vorentscheid. Basierend auf
dem Marktbedürfnis wurden dann die Aspekte des Vertriebs (direkt und Mittler)
und der Verwaltung aufgenommen. Für die Mittler wurde ein Shop in the Shop-
Konzept entwickelt (B2B) und für die Verwaltung eine Abwicklungs-Engine aufgebaut
(Back-Office). Als Zielgruppen B2C gelten reisende Personen, Familien
und Gruppen in der Schweiz und im deutschsprachigen Grenzland. Im Bereich
Absatzmittler (B2B) alle, die zu diesen Personenkreisen Zugang haben:


Tabelle 2.3: Ãœbersicht Zielgruppe


Tabelle 2.3: Ãœbersicht Zielgruppe

  • Nutzenpotenziale

Diese E-Commerce-Lösung weist gleich mehrere Nutzenpotenziale aus. Zum einen
gilt das Projekt CSS-intern als Prüfstein für künftige E-Konzepte. Des weiteren
wird damit eine neue, skalierbare Organisationsform aufgebaut, welche sich nachhaltig
wertschöpfend nutzen lässt, wenn man damit in den Zielgruppen und Märkten
bleibt, also keine massive "Horizontalisierung" anstrebt, sondern in der Vertikalen
die Durchdringung und den Profit sucht.


Abbildung 2.4: Übersicht Absatzkanäle


Abbildung 2.4: Übersicht Absatzkanäle


Kundennutzen [Nutzen]
Der Kunde kann sowohl im Reisebüro als Bestandteil einer Gesamtberatung
(Broker-frontend) abschliessen, als auch "Last-Minute" notfalls auf dem Flugplatz
im Internet-Café (WWW). Er kann bei seiner Reiseplanung auf den hohen Erfahrungswert
(Checklisten und Fallbeispiele) eines Reiseversicherers zurückgreifen
und sich schon im Vorfeld richtig absichern (für Wochen, Monate oder Jahre).
Last but not least ist der ganze Prozess transparent und beinhaltet keinen "Medienbruch"!
Dadurch kann der Kunde auch jederzeit seine Daten einsehen und
Mutationen vornehmen sowohl an seinen Stammdaten, als auch auf Produkteebene
(Verlängerungen, etc.).

Nutzen Absatz-Mittler
Die Absatzmittler können die Anwendung als reinen "Link" integrieren. Dies tun
vor allem die kleinen Reisebüros auf ihrer Website (Referenzierung eines starken
Partners - CSS). Gleichzeitig erhalten diese ein "Brokermodul" mit welchem
sie direkt bei der Beratung abschliessen können. Die Provisionierung läuft direkt
auf Abschlussbasis und kann jederzeit eingesehen werden, dank der Mandantenfähigkeit
der Anwendung. Demnächst werden sich diese Makler mehrheitlich
selber "verwalten".

Grosse Reiseveranstalter und Reisebüros können die Anwendung aber auch als
Shop im Shop integrieren. Auf der eigenen Website läuft ein einfacher Prozess
(Abschluss einer Reiseversicherung) ab, der in Sachen Design nicht vom restlichen
Webauftritt abweicht. Dieser Ansatz bietet in zweierlei Hinsicht grossen
Nutzen. Zum einen müssen sich diese Anbieter weder um Integration noch Abwicklung
kümmern. Zum anderen erhalten diese damit eine sinnvolle Ergänzung
ihres Webauftrittes und verlieren so weniger Kunden oder Interessierte, welche
sich noch schnell über Reiseversicherungen informieren wollen.

Nutzen Anbieter
Die CSS AG als Anbieter hat dank des Straight-through-processing einen Vertriebskanal
geschaffen, welcher sich je nach Bedarf und Nachfrage fast stufenlos
erweitern lässt (Skalierbarkeit). Damit aber nicht gleichzeitig mehr Personal erfordert
und sich fast selbständig "kontrolliert". Das heisst, der Ertrag wächst ab
dem Break-Even-Punkt mit jedem neuen Partner oder Kunden fast linear mit.

Finanzierung
Die CSS AG hat das Projekt vollumfänglich direkt finanziert mit dem Ziel, den
Break-Even für die FRV-Lösung innert Jahresfrist zu erreichen.
Das Budget dazu kam nicht aus der IT-Kasse sondern aus einem gemeinsam
gespiesenen Topf aus Vertriebs- und Marketing-Geldern.

  • Kosten der E-Business-Lösung

Die erste Phase (FRV) wurde ab dem ersten Gespräch bis zur Online-Schaltung
am 1.1.2001 innert knapp 8 Monaten realisiert. Darin beinhaltet sind:

  • Business Consulting
  • Storybook
  • E-Marketingplan
  • Bedarfs-Assessment und Feldtests
  • Technische und grafische Konzeption
  • Pilotierung, Umsetzung und Test
  • Integration Zahlungsabwicklung (Postfinance)



Die ersten vier Schritte wurden vom Aufwand her mit ca. 40% veranschlagt, die
restlichen Punkte vereinnahmten die restlichen ca. 60% des Budgets. Das Projekt
war als "Fixtime - Fixpreis"-Projekt definiert und wurde so abgeliefert. Einziger
Budgetzusatz war das begleitende Projektmarketing. Damit wurde das gemeinsame
Verständnis und die klare Ausrichten an identischen Zielen gegen
"innen" und "aussen" gesichert.


Abbildung 2.5: E-Marketing Plan


Abbildung 2.5: E-Marketing Plan

  • Beziehungen zu Geschäftspartnern

Das Projekt FRV wurde in der Vorstudie als B2C-Anwendung gestartet und wird
jetzt primär als B2B-Lösung positioniert und vermarktet.

Beziehung zu Kunden
Kunden und Interessierte können sich rund um die Sicherheit beim Reisen informieren,
sich schnell gegen Risiken absichern und das grundsätzlich auf allen
Ebenen, inklusive dem notwendigen Fulfillment (Dokumente, AVB, etc.). Egal ob
diese nun den Zugang über die Homepage der CSS AG, eines Reisebüros oder
eines der Reiseportale suchen. Oder ob sie im Reisebüro vor Ort traditionell abschliessen
und die persönliche Beratung nutzen wollen. Die Anwendung, der
Prozess und die Abwicklung sind immer gleich. In der Einfachheit liegt der Erfolg.

Beziehung zu Lieferanten
Die CSS AG ist in diesem Fall (FRV) "Hersteller", also Lieferant und Vermarkter.
In einer späteren Phase, wenn die Auslandschweizer Krankenversicherung
(IHP) vertrieben wird, dann tritt die CSS AG auch als exklusiver "Mittler/
Vertreiber" auf, welcher das Produkt auch wieder über andere Kanäle anbieten
kann. Das System ist also auch im Bereich der "Supply Chain" und des "Delivery"
durchgängig.

Beziehung zu Komplementären
Interessanterweise führt dieses Konzept auch zu einer Annäherung unter "Konkurrenten".
So sind bereits andere Versicherer, welche sich z.B. klassisch im
Leben- und Nichtleben-Bereich bewegen, an der FRV interessiert, um damit ihre
Webportal sinnvoll zu ergänzen. Diese wollen das Produkt nicht selbständig
"herstellen", benötigen es aber, damit die Kunden nicht zur "harten" Konkurrenz
wechseln. Dies funktioniert wohl auch deshalb gut, weil die CSS AG klar fokussiert
ist, und das Mutterhaus als Krankenversicherer für diese Komplementäre
keine direkte Konkurrenz darstellt.

Beziehung innerhalb der Unternehmung
Intern hat dieses Projekt sehr viel an Enthusiasmus freigemacht, weil es neu ist,
die neuen Medien ideal nutzt und nur marginal durch bestehende "Umfelder"
beeinträchtigt wurde. Durch ein gezieltes Projektmarketing, war und ist auch
immer sichergestellt, dass alle Mitarbeitenden innerhalb der CSS AG informiert
sind über den Stand der Dinge (Involvement) und sich die Identifikation mit dem
Unternehmen und seinen Vorhaben spürbar verstärkt hat.


Abbildung 2.6: Beziehung innerhalb der Unternehmung


Abbildung 2.6: Beziehung innerhalb der Unternehmung


Dank der sehr effizienten Back-Office-Lösung, welche vor allem auch viel Convenience
in der Administration bietet im Gegensatz zu den Standard-Verwaltungslösungen,
ist die Qualität der Eingaben und Angaben sehr gut und die
Fehlerquote äusserst gering.


Abbildung 2.7: Administrationsbereich Kundensuche


Abbildung 2.7: Administrationsbereich Kundensuche


3. Implementierung

Das Credo der CSS AG lautete: "Wir wollen die Lösung so aufbauen, dass sie für
zukünftige Entwicklungen, so wie wir uns diese heute vorstellen können, bestmöglich
gerüstet ist. Wenn der Trend dann tatsächlich in Richtung umfassende CRM-Funktionalitäten
(Customer Relationship Management) geht, wollen wir gerüstet sein".

  • Design der Geschäftsprozesse

Die Geschäftsprozesse wurden modular aufgebaut, um wiederkehrende Teile auch
als solche einsetzen zu können. So kann der Nutzer "anonym" Offerten rechnen.
Erst im Abschlussbereich werden die relevanten Informationen erfragt und wirklich
nur die absolut notwendigen. Zur Zahlungen stehen folgende vier Möglichkeiten
zur Verfügung.

  • SSL-verschlüsselte Kreditkartenzahlung mit VISA oder EUROCARD/Master
  • Card
  • Kreditkartenzahlung via SET*) (Secure Electronic Transaction)
  • E-Payment von Postfinance (Online ab 1.6.2001)
  • Einzahlungsschein

Die Paymentlösung wurde mit Komponenten aus Netceteras PayControl-Suite realisiert.


*) Das Prinzip von SET funktioniert folgendermassen: Der Kunde erhält eine persönliche
ID, die statt der Kreditkartennummer online übertragen wird. Die CSS AG
rechnet mit dem Kreditkartenunternehmen ab und das Kreditkartenunternehmen
mit dem Kunden. Der Vorteil für den Kunden: Die CSS AG bekommt die Kunden-
Kartennummer nicht zu Gesicht.

SET-Transaktionen laufen wie folgt ab: Der Kunde bezahlt die Versicherungsprämien
mit seiner Kreditkarte. Die CSS AG übernimmt die Transaktionsnummer. Der
Kunde übermittelt der CSS AG sein Kunden-Zertifikat und die digital unterschriebene
Bestell- und Zahlungsinformation. Die CSS AG überprüft dann das Kundenzertifikat
und die digitale Unterschrift. Die Bank der CSS AG erhält die Zahlungsinformation
und die digital unterschriebene Autorisierungsanforderung der CSS AG
zusammmen in einem digitalen Kuvert.

Die Nachteile von SET bestehen darin, dass die Zahlungsabwicklung relativ lange
dauert und die Transaktionskosten hoch sind.

  • Die Partnerwahl

Die Projektleitung der CSS AG war sich des Unkonventionellen dieses Projektes
bewusst und strebte deshalb nicht primär einen technologischen Leckerbissen an,
sondern ein gesamtheitliches Konzept. Deshalb wendete man sich mit Strategie
und Zielen an einen erfahrenen "Business Consultant" im Bereich E-Business - die
Firma Customer Focus Company (CFC) AG, Ennetbaden. Gemeinsam wurde nun
der Business Case entwickelt und modelliert. In einer sehr frühen Phase der Konzeption
wurden die Technologen (Netcetera AG, Zürich) und die Designer
(Schenk, Müller und Bider, Basel) ins Projekt einbezogen. Alle Beteiligten verfügen
über viel Erfahrung, Flexibilität und den notwendigen Enthusiasmus. um sich in
diesem Team geprägt von Offenheit zu finden.

  • Die Software-Lösung [Systemarchitektur]

Im Rahmen der Umsetzung wurde auf Standards und Modularität sehr viel Wert
gelegt. Netcetera konnte für die Realisierung der eSure-Lösung auf verschiedene
bewährte Funktionen und Module zurückgreifen. Die Webapplikation wurde mit
dem von Netcetera entwickelten Scriptingtool websh 3.0 realisiert. Als Datenbank
entschied man sich für Oracle 8i, der Webserver stammt von Apache und betrieben
wird die Anwendung auf SUN und Solaris.
Die Paymentlösung, als zentraler Service für alle künftigen Onlineverkäufe wurde
mit Komponenten aus Netceteras PayControl-Suite realisiert.


Abbildung 3.1: Abwicklungsprozess FRV


Abbildung 3.1: Abwicklungsprozess FRV

  • Die technische Plattform

Die technische Plattform basiert auf offenen Standards und einer Modulorientierung.
Damit soll sichergestellt sein, dass das System offen in der Anwendungsoder
Verwendungs-Umgebung ist, skalierbar ist bezüglich Umfang der Transaktionen
und Produktehandling. Die unterschiedlichen Ausprägungen resp. Abweichungen
in Details werden durch ein sogenanntes "Cockpit" geführt, ähnlich dem eines
Piloten, jedoch nicht so umfassend und anspruchsvoll. Aber sämtliche taktischen
Belange lassen sich damit überwachen, steuern und korrigieren.


Abbildung 3.2: Modulare Lösungsarchitektur


Abbildung 3.2: Modulare Lösungsarchitektur

  • Mitarbeiterqualifizierung

Die Projektorganisation wurden flach und klein gehalten. Der Auftrag seitens Geschäftsleitung
CSS AG war klar formuliert. Das Kernteam konnte dezidiert auf
fachliche Ressourcen zugreifen und tat dies auch, wenn es vom Projektstand her
erforderlich war. Es wurden regelmässige Projektkoordinations-Meetings und sogenannte
Infosessions durchgeführt, um den Informationsfluss umsetzungsspezifisch
aufrecht zu halten.

Die Handhabung der Anwendung ist für alle Beteiligten äusserst einfach, weil intern
die gleichen Massstäbe in bezug auf Convenience und Klarheit galten wie diese
für die Endkunden definiert wurden. So kann die Administration ohne "Einschulung"
übernommen werden.

  • Markteinführung

Einige Minuten nach Mitternacht am 1.1.2001 ging die Anwendung ans Netz. Dies
ohne grosses Aufsehen. Nicht weil man kein Vertrauen in die Lösung hatte, sondern
weil man die eigene Organisation nicht überlasten wollte. Denn die CSS AG
ist mit seinen knapp 30 Mitarbeitenden eigentlich ein Kleinbetrieb.
Im Vorfeld hatten bereits Gespräche mit interessierten Reiseveranstaltern und
Reisebüros stattgefunden (Akquisition Mittler). Es wurden "Demos" auf CD-Rom
erstellt für die Akquisition auf den einschlägigen Reisefachmessen (spezialisierte
Reisbüros), die Publikationsorgane des Mutterhauses (CSS) wurden genutzt (erste
Stufe Kundenkommunikation) und ein paar dezidierte Reisebüros aufgeschaltet.
Damit war sichergestellt, dass allfällige Überlegungsfehler, die in den Feldtests
unerkannt blieben, nicht im "Massenandrang" behoben werden müssen.


Abbildung 3.3: Projektumfang


Abbildung 3.3: Projektumfang


4. E-Businesslösung "Operation/Betrieb"

Die FRV ist als Straight-through-Lösung seit dem 1.1.2001 online. Der International
Health Plan (IHP) ist vom Angebot bis zum Abschluss heute ebenfalls schon auf dem
Netz. Hier wird momentan noch am Meldewesen (Schadenmeldung resp. Rückforderung
von Arzt- und Apothekenzahlungen, etc.) gearbeitet.

  • Zugriffe

In den ersten drei Monaten war, begleitet durch eine Inseratekampagne in der Tagespresse,
die Hitrate (Besucherfrequenz) sprunghaft angestiegen. Die Umwandlungsquote
von Besuch zu Abschluss kann als sehr positiv beurteilt werden. Die
Abwicklung funktioniert reibungslos, so dass jetzt die Mittlerkanäle schnell ausgebaut
werden können, um das angestrebte Jahresvolumen möglichst zügig zu erreichen.

  • Finanzierung/Ertrag

Der Kick-off für die Realisierung von eSure erfolgte am 18. Mai 2000, der Termin
für die Inbetriebnahme der Plattform war der 1. Januar 2001. Zwei Faktoren kamen
dem Projektteam zugute, um den eher kurzen Zeitrahmen einhalten zu können:
Einerseits wurde die Lösung vorerst nur für ein Produkt, die FRV, umgesetzt. Andererseits
wurde bewusst darauf verzichtet, die Lösung an die Informatik-Infrastruktur
des Mutterkonzerns anzubinden. Mit dieser Insellösung wurde die Grundvoraussetzung
für ein schlankes und flexibles Projekt geschaffen.

Von dem für das Projekt insgesamt bereitgestellten CHF 650'000.- beanspruchte
die Realisierung der Vertriebsplattform rund CHF 400'000.--. Die Back-Office-Lösung,
die auf derselben Plattform läuft und die noch Ende Mai 2001 in Betrieb genommen
wurde, kostete CHF 150'000.--. Durch die Unterschreitung des Budgetrahmens
war es möglich, die restlichen Mittel für die Partnersuche und andere
Promotionsmassnahmen einzusetzen.

Die Wirkung von eSure auf die Versicherungabschlüsse der CSS AG kann vor Ende
2001 nicht näher beurteilt werden, denn die Hauptreisesaison steht noch bevor.
Seit Januar 2001 wurden rund 1'000 Abschlüsse getätigt, davon 429 über das Internet.
Die CSS AG hat beim Projektstart mit einem Abschluss pro Tag gerechnet.
Nun sind es bereits deren drei pro Tag. Mittelfristig sollen selbstverständlich noch
höhere Quoten erreicht werden. Erklärtes Ziel war und ist, dass sich diese erste
Projektphase innert Jahresfrist selber finanziert (Break-Even) und nachher die
weiteren Ausbauschritte im eigenen Umfeld, als auch diejenigen anderer Produkte
mitträgt. Profitabel aus der Sicht des Gesamtunternehmens CSS AG als Leistungsträger
im Rahmen seiner Vertriebsstrategie soll die E-Business-Lösung ab
dem Jahre 2003 sein (Vollausbau).

Das Gesamtprojekt mit drei Produkten und einer ausbaufähigen E-Plattform wurde
mit einem Produkt (FRV) gestartet und wird jetzt sukzessive ausgebaut (basierend
auf Erfahrungen). Das Projekt erstreckt sich momentan über zwei Jahre, wobei die
abgeschlossenen Teile jeweils vom Projekt- in den Betriebsstatus wechseln und
somit Nutzen und Budget für die weiteren Schritte generieren.

Der erste Projektschritt war traditionell der grösste und beanspruchte ca. 60% des
Gesamtprojektrahmens. Die weiteren Schritte profitieren nachhaltig von den Basisentwicklungen.


5. Herausragende Punkte "Success Factors"

  • Entscheidende Veränderungen

Der Mitarbeiterstamm der CSS AG konnte das Projekt praktisch hautnah miterleben
und nachvollziehen. Dadurch sind sehr viele gute Ideen in das Projekt eingeflossen,
welche sich positiv auswirken. Man arbeitet nicht bei einer "Versicherung",
sondern in einem dynamischen innovativen Unternehmen der Dienstleistungsbranche.
Die notwendige Flexibilisierung um auf die Anforderungen der "neuen Märkte" reagieren,
ja sogar agieren zu können, sind in einem solchen Konstrukt eben auch im
Umfeld "grosser" Firmen möglich. Das Konzept resp. der Business Case muss klar
sein, ebenso der Auftrag. Die Möglichkeit nun strukturiert in diese Richtung auch
als "Grosstanker" zu steuern ist nun gegeben und der Kurs absehbar.

  • Generelle Auswirkungen

Das Geschäftsmodell der CSS AG wird sich an dieser neuen Plattform auch für
weitere Projekte orientieren. Die Tatsache, dass diese Anwendung für Kunden
(B2C) und Partner (B2B) geschaffen wurde, ist nur die eine Seite der Medaille. Man
denkt viel mehr darüber nach, diese "Architektur" als interne Drehscheibe aufzubauen,
welche mittels Steuerelementen als Cockpit bedient werden kann. Somit
eine homogene und durchgängige Sicht der Betriebsprozesse und Geschäftsentwicklung
ermöglicht ohne heterogene Spezialitäten aufbauen zu müssen.

  • Lessons Learned

Die wohl wichtigste Erkenntnis aus diesem Projekt ist die der Paretoregel. Wenn
80% des Konzeptes und der Anwendung klar sind, muss mit der Realisierung begonnen
werden. Es gibt keine 100%ige Spezifikation mehr und danach die Entwicklung.
Der Aufbau einer solchen Lösung ist ein iterativer Prozess mit Mut zu
Lücken und Fehlern. Dieses schrittweise Vorgehen ermöglicht zudem, dass in den
folgenden Projektschritten von bereits gemachten Erfahrungen profitiert werden
kann.

Weitere wesentliche Voraussetzungen für das Gelingen eines solchen Projektes
sind die Ausrichtung an klaren Visionen, das Vertrauen des Managements ins
Team und klare Zielsetzungen. Zudem müssen Mitarbeiter und Kunden vermehrt
in die Ãœberlegungen einbezogen werden.

  • Spezialitäten

Die E-Commerce-Plattform ist mit der Technologie von eSure so konzipiert worden,
dass sie nicht nur als klassische Stand-alone-Lösung im Web eingesetzt werden
kann. Das Innovative ist, dass die Lösung spezifisch so aufgebaut ist, dass sie bei
den Reiseveranstaltern direkt neben deren Onlineangeboten "eingestellt" werden
kann. Wer heute seine Ferien beispielsweise über das Portal des Ferienbrokers travel.
ch bucht, findet dort in der ordentlichen Menüleiste das Stichwort Reiseversicherung.
Klickt der potenzielle Kunde auf diesen Menüpunkt, wird er nicht auf eine andere
Site, jene der Versicherung, umgeleitet, sondern es erscheint ein Fenster innerhalb
der Reiseplattform. Damit wird verhindert, dass der Kunde durch eine Vielzahl
von geöffneten Fenstern den Bezug zu seinem ursprünglichen Ziel, der Reise, verliert.
Gleichzeitig bleibt im Zusammenhang immer ersichtlich, weshalb eine FRV angeobten
wird.

Diese eSure-Anwendung lässt sich mit geringem Aufwand als Shop-in-Shop-Lösung
in das Angebot von Reisebüros oder als Bestandteil einer Broker-Lösung integrieren.
Dabei sind die partnerspezifischen Vertragskonditionen automatisch in die Berechnung
der online generierten Offerten sowie der bei Vertragsabschluss gutzuschreibenden
Provisionen eingebunden. Die Gesamtnavigation innerhalb des Frames
"Reiseshop" bleibt mit dieser Shop-in-Shop-Lösung immer im Bild. Alle Informationen
über Leistungen, Rechtliches und Sicherheit erscheinen als Pop-up, das nach der
Lektüre oder dem Ausdruck wieder geschlossen wird. Einzig die beiden Menüpunkte
Offerte und Vertrag führen je einen Schritt weiter. Zusatzinformationen werden auch
auf diesen beiden Ebenen mit Pop-ups geliefert. Dieser Strukturierung liegt die
Straight-through-processing-Idee zugrunde, die es jederzeit ermöglicht, rasch ans
Ziel, hier zum Vertragsabschluss, zu kommen. Die Navigation bleibt transparent, die
Zusammenhänge immer sichtbar. Mit anderen Worten zeichnet sich dieser Straightthrough-
Ansatz resp. -Prozess durch eine möglichst komplette und durchgängige
Prozessabwicklung ohne Medienbrüche aus und minimiert Fehlerquellen, optimiert
die internen Abläufe und sichert die Skalierbarkeit.


Owner/s of the solution

CSS AG
Christoph Brütsch
Armin Bucher
Industry: Banks/Insurance companies/Full-service finance
Company size: large-scale enterpriseCSS AG

Solution partner/s

Hans Peter Popp
The Customer Focus Company AG
Mike Franz
Netcetera AG
Hannes Müller, Schenk, Müller & Bider

Case study author/s

Benno Häfliger
The Customer Focus Company AG
Carola Geiger
Fachhochschule beider Basel FHBB

01. September 2001

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1811
css
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1811-css
0
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