e-Solutions der Credit Suisse

01. August 2002



Die Credit Suisse gehört zu den weltweit führenden Finanzdienstleistern. Die Credit Suisse ist in den Geschäftsbereichen Credit Suisse Financial Services (CSFS) und Credit Suisse Boston organisiert. Das Departement e-Solutions ist Gegenstand der vorliegenden Fallstudie. e-Solutions ist das Kompetenzzentrum innerhablb der CSFS und kümmert sich um alle Belange der Divisionen im Bereich E-Business.


1. Das Unternehmen

Als eine der weltweit führenden Finanzdienstleister bietet die Credit Suisse Bank- und Versicherungslösungen für Privat- und Geschäftskunden an. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 80'000 Mitarbeiter/ innen. Es ist in zwei Geschäftsbereichen organisiert:


1. Die Credit Suisse Financial Services (CSFS) bietet weltweit Dienstleistungen im Private Banking an, betreut Firmen- und Privatkunden in der ganzen Schweiz und umfasst die beiden Versicherungsbereiche Leben und Nicht-leben, die unter dem Namen Winterthur Versicherungen am Markt positioniert sind.


2. Die Geschäftseinheit Credit Suisse First Boston (CSFB) ist in zwei Märkten tätig: Das Investmentbanking beinhaltet das Anleihen- und Aktiengeschäft sowie das Bankgeschäft. Der Bereich CSFB Finance umfasst das Asset-Management, die Wertschriftenverarbeitung und die spezifischen Dienstleistungen für vermögende Privatkunden in den USA.


Für die vorliegende Fallstudie wurde das Departement e-Solutions der Credit Suisse herausgegriffen. e-Solutions ist als Kompetenzzentrum innerhalb der CSFS beauftragt, die Bedürfnisse der Divisionen im Bereich E Business zu befriedigen. Ausgerichtet auf die strategische Positionierung des Internets, betreut e-Solutions das Projektportfolio mit allen Webprojekten. e-Solutions ist beauftragt, Synergien zu nutzen und damit die Effizienz und Effektivität der Nutzung von Webtechnologien zu steigern [1].


"Das Internet hat unser Geschäft massiv verändert. Keine andere neue Technologie aus den letzten fünf Jahren hat dagegen auch nur eine geringe Auswirkung auf das Bankengeschäft gehabt."
(Mario Crameri, Strategy and Analyses, Credit Suisse)


2. Organisation und Wettbewerb

Bis Ende 2001 war das E Business in einer eigenen Businessunit ausgegliedert. Im Rahmen einer Reorganisation stellte sich die Frage nach der sinnvollen organisatorischen Aufhängung des E Business-Bereiches. Die CSFS entschied sich, e-Solutions zentral bei Corporate & Retail Banking anzugliedern. Damit wurde die zentrale E Business-Einheit jenem Geschäftsfeld zugeordnet, das die meisten Kunden bedient (vgl. Abbildung 1). Heute ist das Departement als Costcenter konzipiert.


Die Geschäftsbereiche finanzieren das Costcenter grösstenteils. Der Budgetierungsprozess läuft folgendermassen ab: Abgeleitet aus der Unternehmensstrategie (CSFS-Strategy) erarbeiten die dafür vorgesehenen Corporate Centers der Divisionen ihre Divisionsstrategien. In diesem Zug werden die Budgets für E Business-Projekte geplant. Diese E Budgets werden von e-Solutions im Sinn der Divisionen verwaltet. Sie müssen jedes Jahr wieder mit den Divisionen ausgehandelt werden. e-Solutions finanziert laufende und neue Projekte sowie den Betrieb von Webtechnologien. Dazu steht ihr neben den E Business-Budgets der Divisionen ein Betrag als Initiativraum zur Verfügung.

Abbildung 1: Organigramm CSFS (vereinfacht).


Abbildung 1: Organigramm CSFS (vereinfacht).

Die Abteilungen Private Client Offers und Corporate Client Offers sind für die Koordination und Implementation von E Business-Projekten sowie für den Betrieb und den Unterhalt der bestehenden Services im Rahmen der Kerngeschäfte zuständig. Die Intranet Services beschränken sich dagegen auf die IT-Unterstützung der Mitarbeiter/ innen. Die Transaction Services stellen gemeinsame E Business-Lösungen wie bspw. das Onlinebanking zur Verfügung. Management Support definiert zusammen mit den Vertriebsorganisationen die E Business-Strategie und beschäftigt sich mit dem Budgetierungsprozess, dem Controlling des Projektportfolios und der Schaffung von Synergien.


e-Solutions ist im Bereich Intranet für die gesamte CSFS zuständig. Alle anderen Leistungen erbringt sie nur für einen Teil der Divisionen: Gegenüber den drei Divisionen Private Banking Switzerland, Corporate & Retail Banking und Finance & Products tritt e-Solutions als Generalunternehmerin für die Nutzung des Internets auf. Die Realisierung nehmen entweder die interne Informatik (Technology & Operations) oder externe Leistungserbringer wahr.


Gegenüber allen Leistungsbezügern hat e-Solutions intern zwar ein Monopol, trotzdem haben die Divisionen eine starke Stellung, weil sie über die E Budgets bestimmen.


Lieferanten von e-Solutions sind die Division Technology & Operation (TOP) und externe Leistungserbringer. Da e-Solutions in Ausnahmefällen auf externe Leistungserbringer ausweichen kann, ist die Marktmacht der Division TOP eher gering.


Potentielle neue Konkurrenten und Substitute bedrohen die Stellung der Abteilung e-Solutions in mittlerem Masse. Trotz der internen Richtlinien kann es in einzelnen Fällen vorkommen, dass sich die Divisionen ihre Lösungen direkt bei TOP oder sogar bei externen Anbietern implementieren lassen.


3. Umgang mit neuen Technologien

Von 1996 bis 2001 gehörte die Credit Suisse zu den First Movers, bspw. im Bereich Onlinebanking oder Waptrading. Während dieser Zeit befasste sich auf Businessseite ein dezidiertes Team mit der Forschung und der Entwicklung neuer Technologien. 2002 hat sich die Situation verändert. e-Solutions hat zwar viele neue Technologien erkannt und umgesetzt, zu selten hat dies allerdings Auswirkungen auf das Geschäft gehabt.


Dadurch sind die Erwartungen bescheidener geworden. Trotzdem ist die Einstellung der Geschäftsleitung und der Mitarbeiter/ innen gegenüber neuen Technologien sehr aufgeschlossen. Insgesamt ist man sich einig, dass Informations- und Kommunikationstechnologien ein Erfolgsfaktor sind. Investitionen werden aber im Vergleich zu den vergangenen fünf Jahren gezielter getätigt.


4. Stand und Vision des E-Business

Die Vision zur Nutzung des Internets ist heute nicht mehr so euphorisch wie im Jahr 2000, als man von einer "brave new internet world" sprach. Das Hauptziel der E Business-Nutzung liegt jetzt in der Unterstützung der Divisionen. Im Vordergrund stehen die Endkunden. Ihnen werden gezielt alle Kommunikationsmedien (E Mail, Telefon, SMS, Web, Filialen etc.) angeboten.


Retailkunden nutzen das Internet als Instrument, um Standardtransaktionen zu tätigen. Der Retailkunde wird zum Selbstbedienungskunden. Das Ziel ist eine Multichannelplattform, die es dem Kunden ermöglicht, mit jedem beliebigen Endgerät auf seine Daten zuzugreifen. Im Private Banking dagegen dient das Internet in erster Linie der Unterstützung der Verkaufsberater.


Die Mitarbeiter/ innen werden sowohl durch das Intranet als auch durch eine CRM-Lösung unterstützt. Das CRM-Tool wird als Instrument zur Differenzierung gegenüber der Konkurrenz genutzt. Es bietet auf einen Blick Einsicht in die Aktivitäten und Daten der Kunden. Durch ein Mitarbeiterportal, das Informationen abgestimmt auf die spezifischen Rollen und Bedürfnisse bietet, sollen Prozesse optimiert werden.


Eine Extranetlösung wurde implementiert, um Makler, Broker und externe Asset-Manager anzubinden.


Insgesamt betrachtet, geht es in den nächsten Jahren um die Konsolidierung der bestehenden Webtechnologien. Die Konsolidierung führt zur Integration der Internetplattformen untereinander, nachdem in den letzten Jahren neue Kanäle als Einzellösungen gebaut wurden.


5. Organisation des E-Business

Aufbau: Die Abteilung e-Solutions sieht sich als Drehscheibe zwischen den Nachfragern und der IT. Sie unterstützt die Divisionen bei der Bedürfnisformulierung. In jeder Division stehen Ansprechpartner zur Verfügung (Key Account Manager). Die zentrale Abteilung e-Solutions bildet zusammen mit den dezentral organisierten Key Account Manager die E Business-Organisation der CSFS (vgl. Abbildung 2).


Orientierung: Formell orientiert sich e-Solutions an zwei Vorgaben:


1. CSFS Corporate Strategy: Grundsätze, Leitlinien für die gesamte CSFS


2. Strategische Businesspläne der Divisionen


e-Solutions erfährt eine Doppelunterstellung. Faktisch ist der Einfluss der Divisionsstrategien grösser, weil e-Solutions direkt mit den Divisionen kooperiert. Die Planung der Divisionsaktivitäten läuft jeweils in Corporate Centers ab.


Aus den zwei strategischen Vorgaben erarbeitet die Abteilung Strategy & Analyses von e-Solutions die E Business-Strategie für die CSFS. Dabei handelt es sich um eine funktionale Strategie, die für alle Divisionen im Rahmen ihrer jeweiligen divisionalen Strategie verbindlich ist.

Abbildung 2: E-Business-Organisation CSFS.

 

Abbildung 2: E-Business-Organisation CSFS.



Koordination: e-Solutions agiert als Koordinator zwischen den Leistungsbezügern (Divisionen) und den Leistungserbringern (TOP und Externe). Gemeinsam mit den Divisionen definiert und formuliert die Abteilung die einzelnen Bedürfnisse. Diese trägt sie weiter zu TOP, wo gemeinsam die technische Umsetzbarkeit untersucht wird.


e-Solutions versucht, die Businessanforderungen möglichst optimal auf das Potential der IT abzustimmen, damit die Lösungen nicht in erster Linie IT-, sondern Business-orientiert sind.


Diese Kooperation ist im Governance Model von e-Solutions festgehalten (vgl. Abbildung 3). Ziel sind die Realisierung von Synergien und die Vermeidung von Redundanzen, der effiziente Einsatz des Know-hows und die Koordination der Kommunikation zum Bankkunden.


Koordinationsmechanismen sind auf vier Ebenen etabliert: Für die divisionsübergreifende Koordination des Projektportfolios ist der E Council zuständig. Der E Council ist verantwortlich für die E Strategie Internet und Intranet, für die Ressourcenallokation und die Priorisierung von Projekten. Wahrgenommen werden diese Aufgaben durch den Head e-Solutions und die Delegierten der jeweiligen Divisionen.[Governance Model]

Abbildung 3: Governance Model CSFS.
Abbildung 3: Governance Model CSFS.

Einzelne Project Portfolio Meetings für die Divisionen Private Banking Switzerland, Finance & Products und Corporate & Retail Banking werden abgehalten, um den Status quo des aktuellen Projektportfolios zu beurteilen und das künftige Budget zu bestimmen. Diese Funktion wird durch den Head e Solutions, den Head des Corporate Centers der jeweiligen Divison, den Abteilungsverantwortlichen und den IT-Verantwortlichen wahrgenommen.


Das Project Portfolio Management für die anderen Divisionen findet bedarfsweise im Rahmen von bilateralen Koordinationstreffen statt. Ziel sind hierbei die Identifikation und Realisierung von Synergien zwischen den Divisionen und die Formulierung von E Standards. Der Head e-Solutions, der Head des Corporate Centers, Verantwortliche aus den Divisionen und Repräsentanten von e Solutions übernehmen diese Funktion.


Die Projektimplementation verläuft nach der operationalen Projektorganisation [Koordinationsmechanismen]

Abbildung 4: Koordinationsmechanismen e-Solutions.
Abbildung 4: Koordinationsmechanismen e-Solutions.




Für die Koordination der Intranetprojekte auf operationeller Ebene ist das Intranet Coordination Board zuständig. Es tagt ca. fünf Mal im Jahr und überprüft Potentiale zur Verbesserung des Intranets. Mitglieder sind der Head of Intranet Services bei e-Solutions, Intranetverantwortliche aus verschiedenen Divisionen und e-Solutions-Repräsentanten.


6. Herausforderungen im E-Business

Die zentrale Herausforderung liegt in der Festlegung der Investitionsprioritäten in neue Technologien. Verschiedenste Faktoren entscheiden darüber, ob sich eine Technologie durchsetzt oder nicht:

  • die Leistungsfähigkeit der Technologie
  • die Kundenakzeptanz
  • die internen und externen Anreize
  • das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Bank



Mit der Entwicklung und der Inbetriebnahme neuer Technologien sind derart hohe Investitionen verbunden, dass es nicht wirtschaftlich ist, alle Trends zu verfolgen. Ein gutes Modell zur Priorisierung ist unbedingt nötig.
Die Gefahr neuer Konkurrenten scheint im Moment gebannt. Die traditionellen Finanzdienstleister haben neue Konkurrenten wie Telekommunikationsanbieter abwehren können, indem sie schnell reagiert haben und selbst "e-able" geworden sind. Die Eintrittsbarrieren sind durch Internet nicht gesunken, sondern im Gegenteil gestiegen, weil man für E Business-Projekte viel Geld investieren muss.


An die Stelle der externen Herausforderungen sind interne getreten: Bis 2001 war es die Mission der E Business-Abteilung, die Geschäftsfelder auf das Thema Internet zu sensibilisieren. Heute geht es darum, die Zahlungsbereitschaft der Divisionen für die Konsolidierung zu wecken. Obwohl "die Sache eigentlich läuft", sind jetzt Investitionen in die Integration der Webtechnologien zur Effizienzsteigerung sinnvoll.


Derzeit betrachtet es die CSFS als wirtschaftlich sinnvoll, eine zentrale Dienstleistungsstelle zu betreiben, um vom Internet und anderen neuen Technologien optimal profitieren zu können. Diese zentrale Abteilung wird es so lange brauchen, wie die Definition der Bedürfnisse auf der Seite der Nachfrager und die Beschreibung der Fähigkeiten der Informatik auf der Seite der Anbieter der Vermittlung, der Koordination und der Beratung bedürfen. Sind das Wissen und die Erfahrungen dereinst bei allen Abteilungen verbreitet, ist es möglich, dass e Solutions völlig dezentral in die Divisionen eingegliedert werden kann.


7. Fazit

Killerapplikationen sind Entwicklungen, die eine Industrie von Grund auf revolutionieren. Nicht jede technologische Weiterentwicklung ist jedoch eine Killerapplikation. Es müssen Sustaining (nachhaltige) und Disruptive (Unruhe stiftende) Technologies unterschieden werden. Entwicklungen im Bereich der Sustaining Technologies beziehen sich insbesondere auf die Verbesserung der Performance etablierter Produkte und bringen selten bahnbrechende Veränderungen mit sich. Die Disruptive Technologies hingegen ziehen Konsequenzen für eine ganze Industrie nach sich: Sie definieren die Ausgangslage für alle Marktteilnehmer neu und werden zu einem im Voraus nicht bestimmbaren Zeitpunkt zu einem dominierenden Kundenbedürfnis. Dann spricht man von einer Killerapplikation. Im Finanzdienstleistungsbereich erwies sich das Internetbanking als Killerapplikation.


Die Abteilung e-Solutions der Credit Suisse sieht sich einem ständigen Druck von neuen Technologien gegenüber. Die Schwierigkeit besteht nun darin, weitere mögliche Killerapplikationen zu erkennen, d.h. Sustaining von Disruptive Technologies zu unterscheiden, und die Investitionsprioritäten entsprechend zu setzen. Es gilt, die Zeichen aufbrechender Killerapplikationen zu erkennen, um nicht durch neue Kundenbedürfnisse überrascht zu werden. Im Gegenzug können aus finanziellen Gründen nicht alle neuen Technologien mit einer hohen Intensität verfolgt und umgesetzt werden.


Ist eine Killerapplikation erkannt, gilt zu beachten, dass die Marktnachfrage oft langsamer wächst als die technologischen Möglichkeiten.


In diesem Spannungsfeld zwischen Technology-Push und Market-Pull befindet sich die Abteilung e-Solutions in ihrer Rolle als Mediator zwischen der Informatik und den Geschäftsfeldern. Die Organisationsstruktur mit zentralen und dezentralen Einheiten begegnet diesem Spannungsfeld optimal. Die Veränderungsgeschwindigkeit auf den Technologiemärkten hat sich in den vergangenen zwei Jahren deutlich verlangsamt, so dass die Credit Suisse bereits Teile der zentralen E Business-Organisation abgebaut hat. Wäre noch klarer vorhersehbar, welche Sustaining und welche Disruptive Technologies in nächster Zeit für die Credit Suisse relevant sind, wäre ein höherer Grad an Dezentralisierung sinnvoll.


[1] Diese Fallstudie basiert auf einem Interview, das am 24. Juni 2002 bei der Credit Suisse durchgeführt wurde. Gesprächspartner waren Mario Crameri und Daniel Hunziker. Sie sind in der Abteilung Strategy and Analyses von e-Solutions unter anderem für die E-Business-Strategie zuständig.


Owner/s of the solution

Credit Suisse
Mario Crameri, Strategy and Analyses Credit Suisse
Industry: Banks/Insurance companies/Full-service finance, financial services provider, banking and insurance solutions for private and corporate customers
Company size: large-scale enterpriseCredit Suisse

Case study author/s

Pascal Sieber, Nicole Scheidegger, Thomas P. Aebersold
Sieber & Partners
Gerrit Taaks
Unic AG

01. August 2002
Sieber; P.; Scheidegger; N.; Aebersold; T.; Taaks; G.: Die Organisation des E-Business II; 22 weitere Fälle zu den Trends; den Herausforderungen und dem Berufsbild der Entscheidungsträger Verlag Paul Haupt; Bern; Stuttgart; Wien 2002.

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1893
esolutions-cs
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1893-esolutions-cs
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