Informationsaustausch mit Geschäftskunden der Olin AG

01. December 2003



Olin Chlor Alkali Products ist eine Division des Mischkonzerns Olin mit Sitz in Cleveland, Tennessee. Die Division produziert durch Elektrolyse die Verbundprodukte Chlor und Natronlauge. Aufgrund des hohen Transportkostenanteils können diese Produkte nur einer regionalen Kundenbasis offeriert werden. Olin Chlor Alkali verbesserte die Kundenbindung, indem es den Kunden über seine Website auftragsbegleitende Informationen wie Analysezertifikate und Tracking- und Tracingfunktionen zur Verfügung stellt. Gleichzeitig steigert die Weblösung die Produktivität des Vertriebspersonals. Für Grosskunden sieht das Konzept der „virtual pipeline“ die direkte Verbindung der ERP-Systeme vor. Dies bindet den Kunden enger an das Unternehmen und erlaubt beiden Partnern weitere Kosteneinsparungen durch einen automatisierten Bestellprozess.


1. Das Unternehmen

Überblick. Die 1892 gegründete Olin Corporation mit Sitz in Norwalk, Connecticut ist eine Holdinggesellschaft, die unter ihrem Dach drei autonome Geschäftsbereiche vereinigt:

  • Winchester ist einer der grössten Hersteller von Sportmunition,
  • Olin Brass ist in den USA Marktführer für Kupfer und Kupferlegierungen,
  • Olin Chlor Alkali Products ist der weltweit siebtgrösste Produzent von Chlor, Natronlauge (NaOH) und verwandter Produkte.


Die Fallstudie beschäftigt mit letztgenanntem Geschäftsbereich, in seinen vier Produktionswerken in der New York, Georgia, Tennessee und Alabama jährlich Chloralkali-Produkte im Umfang von etwa 1,22 Mio. elektrochemischen Einheiten (electrochemical units, ECU) und beschäftigt rund 850 Mitarbeiter.

Tabelle 1.1: Kurzportrait Olin Chlor Alkali Products


Tabelle 1.1: Kurzportrait Olin Chlor Alkali Products

Herausforderungen im Wettbewerb:Die Produktion von Chlor und Natronlauge geschieht durch die Elektrolyse von Kochsalz (NaCl). Das Kuppelprodukt wird dabei gleichzeitig und in einem fixen Verhältnis von 1t Chlor zu 1,1t Natronlauge produziert. Die Chemiebranche bezeichnet dies als eine elektrochemische Einheit (ECU). Weil Chlor und Natronlauge in einem festen Verhältnis produziert werden, wird das Angebot eines Produktes vom Absatz des anderen Produktes beeinflusst.

Eine geringe Menge der Produktion wird vom Konzern selbst als Ausgangsstoff für die Produktion weiterer Chemikalien wie Natriumhypochlorid, Salzsäure und Natriumhydrogensulfid verwendet. Diese vertikale Integration ist bei Wettbewerbern deutlich stärker ausgeprägt. Olin Chlor Alkali verkauft den Grossteil seiner Produkte an Geschäftskunden in der chemischen Industrie weiter. Die potentiellen Käufer sind auf einen Radius von 450-750 km um eine Produktionsstätte begrenzt, da die Transportkosten einen wesentlichen Teil des Produktpreises ausmachen.

Die Preise für die Kuppelprodukte werden nachfrageabhängig für jeweils ein Quartal festgelegt. Üblicherweise schliesst Olin jedoch Rahmenverträge, die Preise und Abnahmemengen kundenindividuell festlegen. Dadurch kann das Unternehmen den Anteil kurzfristig zu verkaufender Überschussproduktion gering halten, da auf den Spot-Märkten oft nur sehr geringe Margen erwirtschaftet werden können. Die Erfahrungen mit Auktionen haben Olin zudem bewogen, von diesem Instrument Abstand zu nehmen, da auf Auktionen der Produktpreis das ausschlaggebende Kriterium ist und die mit dem Produkt verbundene Servicequalität nicht ausreichend berücksichtigt wird.

Mit seinen ungefähr 300 Kunden unterhält Olin eine langfristige Beziehung, die durch zehn Key Account Manager gepflegt wird. Olin versucht, sich durch Serviceführerschaft in seinem Marktsegment durch mehrere Lieferungsoptionen, Bestellungs- und Abrechnungsmethoden und schnelle Antwortzeiten zu positionieren. Dies resultiert in komplexen Kundenbeziehungen. Das Ziel von Olin Chlor Alkali Produkte ist, sich bei seinen Kunden als bevorzugter Lieferant zu profilieren.

Die Käufer von Chlor konzentrierten sich in eher langsam wachsenden Märkten und nicht in den schnell wachsenden Märkten für Plaste auf der Basis von Urethan und Vinylpolymeren. Olin beabsichtigt daher, zusätzlich neue Kunden in diesen Wachstumsmärkten zu gewinnen.


2. Die Ausgangssituation

Strategie. Das Unternehmen verfolgte bislang die Strategie, Kunden über einen herausragenden Kundenservice an sich zu binden. Dieser umfasst Speziallieferungen, Eillieferungen, (vom Verkäufer unterhaltene) Konsignationslager aber auch preisgünstige Angebote. Produktbegleitende Informationen wurden auf Anfrage zusammengestellt und an die Kunden versandt.

Abbildung 2 1: Kurzcharakteristik


Abbildung 2 1: Kurzcharakteristik

Prozess. Die Kunden von Olin Chlor Alkali Products bestellten mehrheitlich telefonisch, aber auch per Fax. Produkt- und Bestellinformation (Analysezertifikate, Rechnungen etc.) erhielten sie als Papierdokumente per Fax oder Briefpost.

Abbildung 2 2: bisheriger Verkaufsprozess

Abbildung 2 2: bisheriger Verkaufsprozess

Systeme. Olin Chlor Alkali verwendete bis 1996 Grossrechnersoftware für die Buchhaltung, das Bestellwesen und die Logistik. Die Muttergesellschaft entschied sich als Antwort auf die steigenden betriebswirtschaftlichen Anforderungen an die Division, im Konzern SAP R/3 als ERP-System einzuführen. Die vorher verwendeten Systeme erlaubten es Olin Chlor Alkali nicht mehr, Informationen effizient zwischen den einzelnen seiner vier Produktionsstätten und dem Hauptsitz auszutauschen. Die Notwendigkeit, vier separate Systeme laufend zu aktualisieren und zu unterhalten, erhöhte die Vorteile eines zentralen SAP Systems.

Leidensdruck.

  • Olin agiert in einem Rohstoffmarkt, welcher durch eine hohe Preisvolatilität geprägt ist. Das Unternehmen benötigte deshalb Lösung, die den Kunden schnell und effizient Preiswechsel zu kommuniziert und bestätigt.
  • Da Olin Chlor Alkali Products in einem sehr kompetitiven Rohstoffmarkt tätig ist, sah sich das Unternehmen gezwungen, sich noch stärker durch Servicequalität und Kundenbeziehungsmanagement zu differenzieren.

3. Projekt

Ziele. Olin Chlor Alkali suchte deshalb nach Wegen, durch den Einsatz von Informationstechnologie kundenorientierten Prozesse zu rationalisieren und durch neue Services seinen Kunden Zusatznutzen zu schaffen. Ausgehend von diesem Ziel definierten die Verantwortlichen zwei Projekte:

  • Kundenportal. Ãœber ein Kundenportal sollten alle Kunden von Olin individualisierte Informationen wie Sicherheitsdatenblätter, Produktspezifikationen und Rechnungen elektronisch abrufen können. Zusätzlich sollten sie ihre Produkte elektronisch bestellen können.
  • Direkte ERP-zu-ERP-Verbindungen („Virtuelle Pipelines“). Durch die direkte Anbindung von umsatzstarken Unternehmen an das ERP-System von Olin Chlor Alkali sollte für diese Kunden der Bestellprozess weiter vereinfacht und automatisiert werden. Olin wollte die Kundenbindung durch die direkte Verknüpfung der Infrastruktur intensivieren. Das Unternehmen illustrierte dieses Ziel mit dem Betrieb der „virtuellen Pipeline“: Chemieunternehmen können ihre Kunden am stärksten an sich binden, wenn sie sie über Pipelines versorgen. Dem hohen Investitionsaufwand steht eine einfache Belieferung der Kunden und damit eine hohe Kundenbindung gegenüber.


Als Partner für das Pilotprojekt wählte Olin den Kunden Eastman Chemical Company aus. Es handelt sich um einen langjährigen grossen Abnehmer von Natronlauge (15'000 Tonnen pro Jahr) in der Nähe des Produktionswerkes im US-Bundesstaat Tennessee. Eastman Chemical gilt in der Branche als Pionier im

e-Business, der Unternehmen bereits internetbasierte Vertriebskanäle zum Kunden aufgebaut hat und begonnen hat, Lieferanten zu integrieren. Das Unternehmen verfügte wie Olin Chlor Alkali Products über SAP R/3 als ERP-System, was einen überschaubaren Integrationsaufwand erwarten liess. Gegenwärtig ist Eastman Chemical noch der einzige Kunde, der mit Olin Chlor Alkali über eine „virtuelle Pipeline“ kommuniziert. Eine Ausweitung dieses Konzepts ist jedoch vorgesehen.

Durchführung. Das Projekt startete im Mai 2000. Olin Chlor Alkali entwickelte zunächst eine E-Business-Vision, in der das Unternehmen aus der Beobachtung der Kunden deren Bedürfnisse ableitete, Herausforderungen für das eigene Unternehmen identifizierte und Verantwortlichkeiten für die Entwicklung von Lösungen festlegte. Durch eine geplante Fusion mit einem Konkurrenten waren die Projekte jedoch zwischenzeitlich für mehrere Monate ausgesetzt.

Das Kundenportal realisierte ein 13-köpfiges Projektteam unter Leitung von Gene Bolick, Direktor Kundenservice. Es folgte die Pilotverbindung zu Eastman Chemical, die ebenfalls Gene Bolick mit einem 5-köpfigen Team implementierte. Der Grossteil der Teammitglieder waren Mitarbeiter von Olin. Das Unternehmen hielt es für einfacher und sinnvoller, seine eigenen Leute im Umgang mit SAP zu schulen als externe Berater mit dem Chlor Alkali Geschäft vertraut zu machen. Die Mitarbeiter kamen aus den Organisationseinheiten Kundenservice, Verkauf, E-Business, IT, SAP und Finanzen. Zusätzlich arbeitete im Projektteam ein Vertreter der Firma IMPRESS mit, die die Software für die ERP-zu-ERP-Integration und das Kundenportal lieferte. Er unterstützte das Team in Fragen der Installation und des Webdesigns.

Das Projektteam begriff es als seine grösste Herausforderung, Geschäftslösungen zu entwickeln, die dem Kunden Nutzen in seinem Kundenprozess stiften:

  • Kundenportal. Die Vertreter des Olin Kundenservices testeten die Webseite ausgiebig als Pilotbenutzer, bevor sie den Kunden zur Verfügung gestellt wurde. Dadurch sollte vermieden werden, dass die Kunden wegen Anlaufschwierigkeiten das Portal nicht im gewünschten Umfang als Informationslieferant nutzen konnten. Diese Tests wurden von Kundenservicemitarbeitern durchgeführt, die auch für die Einführung des Portals beim Kunden zuständig waren. Sie führten die Lösung individuell im Rahmen von Kundenbesuchen ein. Gegenwärtig benutzen 80 Kunden das Olin Chlor Alkali Kundenportal.
  • Direkte ERP-zu-ERP-Verbindung. Eastman Chemical hatte Olin Chlor Alkali selbst wegen einer derartigen Integration angesprochen. Change Management Aspekte waren deshalb nur von untergeordneter Bedeutung. Die grösste Herausforderung war die systemtechnische Abbildung eines komplexen, bisher vorwiegend manuell ausgeführten Geschäftsprozesses.


Kritische Erfolgsfaktoren. Nach Angaben von Gene Bolick waren in beiden Teilprojketen folgende Faktoren erfolgskritisch:

  • Computeraffinität der Mitarbeiter. Olin ist stolz auf die hohe Affinität der Mitarbeiter zur Informationstechnologie und der Nutzung der daraus erwachsenden Potentiale. Dies vereinfachte die Einführung der neuen Geschäftslösungen. Einen Grund für diese Offenheit sehen die Verantwortlichen darin, dass Olin Mitte der 1990er Jahre einen Teil seines Gewinnes verwandte, um alle Mitarbeiter mit einem PC auszustatten. Sie konnten so früher als Mitarbeiter anderer Unternehmen den Nutzen der Informationstechnologie in der täglichen Arbeit erfahren.
  • Besetzung des Projektteams mit eigenen Mitarbeitern. Während 80% der Geschäftsabläufe logisch von Externen erschlossen werden können, sind etwa 20% der Abläufe Olin-spezifische Besonderheiten, für deren systemtechnische Abbildung das Fachwissen erfahrener Mitarbeiter erfolgskritisch ist.
  • Rasche Erstellung eines Prototyps der Weboberfläche. Die Verantwortlichen stuften das Design einer kundenfreundlichen Weboberfläche als wichtig für die Akzeptanz der Kunden ein. Der Technologiepartner IMPRESS stellte deshalb für die Projektsitzungen einen Web-Entwickler ab, der Änderungswünsche gleich einarbeitete, so dass das Team die erzielten Effekte schnell begutachten konnte.
  • Kleine Schritte. Olin Chlor Alkali hält sich für zu klein, um Branchenerster bei der Transformation von Geschäftsmodellen zu sein. Es hat sich daher für eine „Early-Follower“-Strategie entschieden, und versucht aus Erfolg und Fehlern der Bracheninnovatoren zu lernen. Dabei setzt es auf kleine, überschaubare Projekte.
  • Fokussierung auf Kundenbedürfnisse. Olin schafft Kundenutzen durch personalisierten Service. Die Webseite wurde als eine Erweiterung (nicht als eine Alternative) zu diesen Services konzipiert. Diese Schaffung von Zusatznutzen erhöht die Loyalität der Kunden.

4. Neue Lösung

Strategie. Olin bietet allen Kunden über ein Kundenportal eine internetbasierte Bestellmöglichkeit sowie Produkt- und Bestellinformationen an. Umsatzstarke Kunden können darüber hinaus von einer Automatisierung des Bestellprozesses durch eine stärkere systemtechnische Integration (ERP-zu-ERP-Verbindung) profitieren. Olin Chlor Alkali kann durch diese „virtuellen Pipelines“ die Kundenbindung intensivieren.

Abbildung 4 1: Vergleichende Kurzcharakteristik

Abbildung 4 1: Vergleichende Kurzcharakteristik

Prozesse. Das Kundenportal und die direkte ERP-zu-ERP-Verbindung vereinfachen die Bestellabwicklung. Der mögliche Automatisierungsgrad und damit die Ausgestaltung der Kooperationsprozesse hängt von der gewählten Technologie ab.

  • Kundenportal. Das Portal erlaubt es dem Kunden, direkt über das Internet zu bestellen. In diesem Fall werden die eingegebenen Daten von den Kundenservicemitarbeitern zunächst auf ihre Plausibilität überprüft und anschliessend automatisch in das SAP R/3 System übernommen. Der typische Prozessablauf ist in Abbildung 4 2 dargestellt.

    Etwa fünf Kunden nutzen derzeit die elektronische Bestellung. Auch wenn ein Grossteil der Kunde noch telefonisch oder per e-Mail über den zuständigen Servicemitarbeiter bestellt, so ist doch ein wachsendes Interesse der Kunden an einer internetbasierten Bestellmöglichkeit festzustellen.

    Das Kundenportal dient deshalb zurzeit hauptsächlich zur elektronischen Zustellung von Dokumenten. Online bereitgestellt werden unter anderem Rechnungen, Analysezertifikate, Sicherheitsdatenblätter (MSDS), technische Informationen und Formulare zur Rückgabe leerer Eisenbahnwaggons. Hinzu kommen Statusinformationen zur Bestellung (offen, in Arbeit, versandt), zum Transport und zu gestellten Rechnungen. Die Transportinformationen gewinnt Olin Chlor Alkali über einen Informationsdienst der Firma Kleinschmidt, die innerhalb der USA die Standorte von Eisenbahnwagons verfolgt.
Abbildung 4 2: Bestellprozess mit Portallösung

Abbildung 4 2: Bestellprozess mit Portallösung

  • ERP-zu-ERP-Verbindung. Die direkte Verbindung der ERP-Systeme erlaubt umsatzstarken Kunden, ihre Bestellungen direkt im ERP-System von Olin Chlor Alkali aufzugeben und zu ändern. Kundenservicemitarbeiter überprüfen diese Bestellungen vor ihrer Freigabe, um Eingabe- und Bedienungsfehler auszuschliessen. Das ERP-System des Kunden wird direkt mit den Bestellinformationen (Bestellung, Versanddaten) aktualisiert. Ausgewählte Informationen werden dem Kunden auch über automatisierte e-Mails zugestellt. Das Herunterladen der Dokumente aus dem Kundenportal und die anschliessende manuelle Ãœbertragung ins ERP-System entfällt damit (vgl. Abbildung 4 3).

    Die direkte Verbindung unterstützt Olin Chlor Alkali bei der Preisbildung. Der Kunde kann seinen „erwarteten Preis“ direkt im System hinterlegen. Das Unternehmen kann auf Grundlage dieser Informationen entscheiden, ob es den gewünschten Preis gewährt oder ob persönliche Rücksprache mit dem Kunden erforderlich ist. Bislang sind Produkte nur in der Liefereinheit „Eisenbahnwaggon“ direkt bestellbar.
Abbildung 4 3: Bestellprozess der Kunden mit direkter ERP-zu-ERP-Verbindung

Abbildung 4 3: Bestellprozess der Kunden mit direkter ERP-zu-ERP-Verbindung

Systeme. Olin Chlor Alkali hat die beschriebenen Geschäftslösungen durch eine Software von IMPRESS realisiert, die die Back-End-Applikationen integriert (SAP R/3 und eine Oracle Datenbank). Die Oracle Datenbank ist Teil des IMPRESS-Systems und mit Olins Waggondatenbank verbunden. Diese Datenbank wird drei Mal pro Tag mit den Statusinformationen des Dienstleisters Kleinschmidt abgeglichen. Abbildung 4 4 gibt einen Überblick über die Systemarchitektur der neuen Geschäftslösung von Olin Chlor Alkali und die unterschiedlichen Wege des Datenaustausches.

Abbildung 4 4: Systemarchitektur der Olin B2B-Geschäftslösungen


Abbildung 4 4: Systemarchitektur der Olin B2B-Geschäftslösungen

Beide Back-End Applikationen werden durch eine Instanz der Impress-Software („Impress Engine“) zusammengeführt. Sie besteht aus einem Front-End-Server, der die Präsentationslogik mit Java Server Pages steuert, und einem Back-End-Server, der den SAPR/3 Zugriff und Datenbankabfragen steuert (Applikationslogik).

Das Kundenportal nutzt beide Server. Die ERP-zu-ERP-Verbindung wird XML-basiert über den Back-End-Server realisiert, der auf Seiten von Eastman mit dem EAI-Tool von Web-Methods kommuniziert. Der Front-End-Server der Impress Engine unterstützt hier den Up- und Download von Dokumenten.

Die Oracle Datenbank der Impress Engine enthält neben deren Repository applikationsspezifische Daten, etwa zum Warenkorb des Kundenportals oder zum Management der ERP-zu-ERP-Verbindung. Zusätzlich hält sie zur Erhöhung der Zugriffsgeschwindigkeit eine jede Nacht aktualisierte Replik von häufig benötigten Kunden- und Produktstammdaten aus dem SAP R/3.

Die Waggondatenbank ist eine separate Oracle-Datenbank, die die Verfolgung von Eisenbahnlieferungen ermöglicht. Sie ermöglicht es dem Unternehmen auch, für einen gegebenen Liefertermin automatisch das späteste Auslieferungsdatum ab Werk zu berechnen (und umgekehrt). Dies ermöglicht eine durchgehende Automatisierung des Bestellvorganges.

Die Partner nutzen den auf XML aufsetzenden Standards Chemical Industry Data Exchange (CIDX), der Prozesse und auszutauschende Daten für die chemische Industrie definiert. Alle XML-Dokumente tragen eine digitale Signatur nach dem PKCS-7-Standard und werden über eine SSL-Verbindung ausgetauscht. Zur Authentifizierung ihrer Dokumente tauschen die Partner ihre SSL-Zertifikate aus.

Der Datenaustausch hängt von der gewählten Verbindungsart ab (s. Abbildung 4 4):

  • Kundenportal. Das Kundenportal bietet einen kunden- und rollenspezifischen Zugang zu Informationen. Es dient dazu, Bestellungen zu tätigen und zu ändern, Rechnungen abzubilden und Dokumente zum Herunterladen zu veröffentlichen, wie z.B. Rechungen und Analysezertifikate. Typische Rollen sind Einkäufer, Buchhalter, Wareneingang und Qualitätskontrolle. Jede Nacht werden zudem SAP Stammdaten der Webseite repliziert, um die Antwortzeiten zu beschleunigen. Aufbereitung und Nutzermanagement übernimmt die Impress-Engine. Sie bezieht die Daten u.a. aus dem SAP R/3 Business Warehouse (kunden- und auftragsspezifische Daten) und dem Content-Management-System des Unternehmens (als pdf-Dateien aufbereitete Produktinformationen).
  • ERP-zu-ERP-Verbindung. Der Bestellprozess wird direkt im SAP R/3 von Olin Chlor Alkali abgebildet. Für die Anbindung des Kundensystems wird die Impress-Engine als Application Integration Tool genutzt. Im Fall von Eastman Chemical kommuniziert sie mit einer Schnittstelle von WebMethods, die die Verbindung zu deren SAP R/3 System herstellt.


Kosten und Nutzen. Die Einführung der beschriebenen Geschäftslösungen ist ein erster wichtiger Schritt der Transformation des Geschäfts von Olin Chlor Alkali. Das Unternehmen kann seinen Kunden durch B2B-Lösungen Mehrwert schaffen und den Bestellprozess vereinfachen (s. auch Tabelle 4 1):

Tabelle 4 1: Olin Chlor Alkali B2B-Lösungen: Aufwand
Tabelle 4 1: Olin Chlor Alkali B2B-Lösungen: realisierter Nutzen


Tabelle 4 1: Olin Chlor Alkali B2B-Lösungen: Aufwand und realisierter Nutzen

  • Kundenportal. Das Kundenportal schafft den Kunden Zusatznutzen durch die verbesserte Verfügbarkeit von Informationen und neue Services wie Bestell-, Rechnungs- und Transportverfolgung. Olin Chlor Alkali erhöht dadurch die Kundenbindung und profitiert von der erhöhten Effizienz seiner Kundenserviceorganisation, welche die neue Lösung von Routinetätigkeiten (wie z.B. Dokumente heraussuchen und per Fax verschicken oder Transporte auf Kundenanfrage realisieren) entlastet.
  • ERP-zu-ERP-Verbindung. Die direkte Verbindung der ERP-Systeme schafft den strategisch wichtigen, umsatzstarken Kunden weiteren Zusatznutzen, da sie den Automatisierungsgrad der Prozesse weiter erhöht und Echtzeitdatenaustausch ermöglicht. Dadurch werden Prozesszeiten verkürzt und Prozesskosten reduziert. Olin profitiert nicht nur von Kostenreduktionen durch erhöhte Effizienz und geringere Fehleranfälligkeit der Prozesse, sondern auch von einer stärkeren Kundenbindung durch die Integration der ERP-Systeme.

    Die wirklichen Potentiale werden aber erst dann realisiert, wenn weitere Kunden analog zu Eastman Chemical die direkte ERP-zu-ERP-Verbindung wählen. Bei diesen kann Olin Chlor Alkali mit geringerem Aufwand eine vergleichbare Kundenbindung erzielen, da Technologie und Lösungs-Know-how im Unternehmen bereits vorhanden sind.


Geplante Weiterentwicklungen. Nach der Verbesserung des Bestellprozesses und der Kundeninteraktion durch das Kundenportal bzw. einer direkten ERP-zu-ERP-Verbindung plant Olin Chlor Alkali eine weitere Transformation seines Geschäfts und seiner Projekte, um:

  • seine Kunden- und Serviceorientierung kontinuierlich weiterzuentwickeln und dafür Prozesse im CRM-Umfeld und im Call Center zu automatisieren,
  • durch die Transformation des Logistikprozesses und die Einführung einer Logistiksoftware Beschaffungs- und Distributionskosten zu senken,
  • effiziente, systemgestützte Einkaufsprozesse zu realisieren und
  • seine Produktionswerke zu restrukturieren.


Obwohl Olin Chlor Alkali seine Kunden derzeit am stärksten durch direkte ERP-zu-ERP-Verbindungen binden kann, beobachtet es auch weiterhin die Entwicklung von Marktplätzen (wie z.B. Elemica.com oder omnexus für die Chemieindustrie) und ihre Potentiale für Kunden und Lieferanten. Das Unternehmen ist jedoch der Auffassung, dass gegenwärtig die kritische Masse an Kunden und Transaktionen noch nicht erreicht ist, welche für Olin Chlor Alkali entsprechende Investitionen rechtfertigen würden. Das Unternehmen folgt auch hier seiner Strategie, die Erfahrungen von Innovationsführern der Branche abzuwarten und vergleichbare Lösungen im Anschluss besser, günstiger und schneller zu realisieren.


5. Erkenntnisse aus dem Projekt

Obwohl Olin Chlor Alkali mit Chlor und Natronlauge vergleichsweise homogene Güter produziert, gelingt es dem Unternehmen, sich durch die Nutzung von Informationstechnologie von seinen Wettbewerbern durch Services zu differenzieren und damit eine bereits eingeschlagene Strategie konsequent weiterzuverfolgen. Das Unternehmen kann dadurch seine geographisch limitierte Kundenbasis enger an sich binden. Der Kunde kann seinen Bestellprozess beschleunigen und ihn durch Tracking- und Tracing-Funktionalität besser managen.

  • Olin entwickelte zwei B2B Lösungen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen seiner Kunden gerecht zu werden. Dabei differenziert das Unternehmen nach der Intensität der Zusammenarbeit mit dem Kunden und der strategischen Bedeutung für das Unternehmen. Diesen Segmenten schaffen einzelne Services wie die Automatisierung von Bestellungen unterschiedlich grossen Nutzen in ihren Kundenprozessen. Eine kundenprozessorientierte Segmentierung führt so zu Kooperationsprozessen und auf einer darauf abgestimmte Nutzung der Informationstechnologie.
  • Beide Lösungen, das Kundenportal und direkte ERP-zu-ERP Verbindung, setzen auf den gleichen Back-End-Systemen auf. Dies erlaubt eine spezifische Schnittstelle zum Kunden resp. seinen Systemen, was den zusätzlichen Betriebsaufwand minimiert.

Owner/s of the solution

Olin Corporation
Bolick, R. E. (Gene), Director Customer Support
McLaurine, Olivia, Customer Service Representative
Philips, Dennis, SAP Sales & Distribution Module Leader
Industry: Chemical industry/Plastic goods, Chlor, Alkali Products
Company size: large-scale enterpriseOlin Corporation

Solution partner/s

Keith Hagood , Systems Development Engineer
Olin Corporation
Impress Software Solutions, Inc.
Impress Software Solutions, Inc.

Case study author/s

Enrico Senger
Universität St. Gallen
Stephen E. Lin
Tuck School of Business at Dartmouth

01. December 2003
Lin; S.E.; Senger; E.: Fallstudie Olin Chlor Alkali Products - Informationsaustausch mit Geschäftskunden; Institut für Wirtschaftsinformatik; Universität St. Gallen; St. Gallen; 2003; http://cases.iwi.unisg.ch

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1936
senger-olin
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1936-senger-olin
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