Mass Customization mittels B2B-Integration bei der Kaved AG
Die Kaved AG, eine Tochtergesellschaft der Dätwyler Holding, konfektioniert Verkabelungssysteme für die Maschinen-, Apparate- und Aufzugsindustrie. Kaved zählt zu den strategisch wichtigen Zulieferern des Schindler Konzerns. Die Wertschöpfungspartnerschaft zwischen Kaved und Schindler wird unterstützt durch eine externe Integration von Informationssystemen sowie durch einen internen Verbund von ERP-System und CIM-Fertigung. Diese Art der E-Business-Unterstützung ermöglicht die maschinelle Konfektionierung komplexer und variabler Verkabelungssysteme für Aufzüge. Damit wurde ein enormes Produktivitätssteigerungspotenzial erschlossen.
Table of Contents
1. Das Unternehmen2. E-Business-Strategie
Outsourcing
3. Integrationslösung
Geschäftssicht, Geschäftsmodell, Mass Customizing, Just-in-time, Kooperation, Prozesssicht, Prozesse, Qualitätssicherung, Anwendungssicht, Softwarelösung, ERP-System, CIM, Maschinensteuerung, Kommissionierung, Technische Sicht, Systemarchitektur
4. Implementierung
5. Betrieb
Unterhalt, Kosten und Nutzen, Kosten, Rentabilität
6. Erfolgsfaktoren
1. Das Unternehmen
Die Fallstudie nimmt primär die Sicht des Betreibers der E-Business-Lösung ein, also die Sicht der Kaved AG. Dieses Kapitel beschreibt zunächst das Unternehmen Kaved und seine Leistungen. Auf die E-Business-Lösung und die in diesem Zusammenhang wichtigen Partner wird in den nachfolgenden Kapiteln eingegangen.
Hintergrund:
Die Kaved AG wurde 1967 gegründet. Der Unternehmenszweck bestand von Anfang an darin, Kabel für die Schweizer Maschinen- und Apparateindustrie zu konfektionieren. 1972 übernahm die Dätwyler Holding in Altdorf Kaved als 100-prozentige Tochter. Die Geschäftsaktivitäten wurden nun erweitert durch Dienstleistungen für Dätwyler. Durch die Übernahme erhielt Kaved Zugang zum Know-how von Dätwyler. Seit 1995 erbringt Kaved zudem Konfektionierungs- und Logistikdienstleistungen für die Aufzugsindustrie.
Die Dätwyler Gruppe beschäftigt heute weltweit rund 4'200 Mitarbeitende und erwirtschaftete im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Umsatz von über einer Mrd. Schweizer Franken. Dätwyler ist ein diversifizierter Mischkonzern mit den Konzernbereichen Kabel+Systeme, Gummi+Kunststoffe, Präzisionsrohre, Pharmazeutische Verpackungen und Technische Komponenten. Kaved ist dem Bereich Kabel+Systeme zugeordnet und beschäftigt 100 Mitarbeitende.
Kaved pflegt eine Firmenkultur, die Topleistungen fördert. Sie versteht sich als Wertschöpfungspartner, der den Kunden einen erfolgsentscheidenden Mehrwert bietet. Kundenorientierung, kompetente Mitarbeitende und der Einsatz modernster Technologien sind die Erfolgsfaktoren.
Branche, Märkte und Zielgruppen:
Der Maschinen- und Apparatebau ist gekennzeichnet durch starke zyklische Auftragsschwankungen, grossen Kostendruck und hohe Wettbewerbsintensität. Gefragt sind ausschliesslich kundenspezifische Konfektionen in sehr kleinen bis mittleren Losgrössen. Materialwahl und Fertigungsverfahren sind weitgehend optimiert. Nahezu unbeachtet blieb bisher die administrative Auftragsabwicklung wie Bestellung, Auftragsbestätigung, Rechnungsstellung und Auftragsdatenarchivierung. Moderne Technologien wie B2B und Internet bieten gerade in diesem Bereich beträchtliche Einsparpotenziale.
Die Aufzugsbranche unterliegt bei Neuanlagen den Schwankungen der Baukonjunktur in den verschiedenen Märkten. Dazu kommt ein stark steigender Modernisierungsbedarf für bestehende Aufzugsanlagen. Auch in dieser Branche herrscht grosser Kostendruck. Zulieferer haben grosse Vorleistungen für Know-how-Aufbau, Produktionsanlagen und IT zu erbringen. Der Markt erfordert von den Anbietern sehr kurze Durchlaufzeiten und absolute Termintreue. Zu diesen eher qualitativen Anforderungen kommen klare Kostenvorgaben der Abnehmer hinzu. Anbieter wie Kaved sind daher gezwungen, durch stetige Optimierung von Material und Produktionsprozess Kosten zu sparen.
Schindler ist der zweitgrösste Aufzugs-Hersteller weltweit und der wichtigste Kunde von Kaved. Umgekehrt zählt Kaved zu den Schlüssellieferanten von Schindler. Konfektioniert wird in Losgrösse 1 (pro Aufzug). Die grosse Komplexität und die extreme Variabilität der Kabelsysteme stellen sehr hohe Anforderungen an den gesamten Wertschöpfungsprozess und an dessen Steuerung.
Unternehmensvision:
Kaved ist der führende Hersteller von konfektionierten Kabelsystemen für die gesamte Schweizer Industrie und für die Aufzugsindustrie weltweit. Die starke Position im Wettbewerb soll langfristig gesichert werden durch einen Zusatznutzen, den Kaved ihren Kunden bietet. Der Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern basiert auf dem Know-how, den IT-Lösungen und der Logistikkompetenz von Kaved.
2. E-Business-Strategie
Die Entwicklung der E-Business-Strategie der Kaved AG wurde stark von der Zusammenarbeit mit Schindler beeinflusst. Schindler wollte im Bereich Aufzüge den Teil der Wertschöpfungskette auslagern, der nicht zum Kerngeschäft gehört, und die gesamte Bereitstellung der Installationskomponenten einem Zulieferer übertragen. Mit der Annahme dieser Herausforderung begab sich Kaved in einen neu entstandenen Nischenmarkt und entschied sich gleichzeitig für die Einführung einer umfassenden E-Business-Lösung.
Stellenwert von E-Business in der Unternehmensstrategie:
Mit ihrer E-Business-Strategie verfolgt Kaved eine Reihe strategischer Unternehmensziele. Die Vernetzung mit den Kunden generiert für die Kunden einen Zusatznutzen, der insbesondere zu einer Senkung der Auftragsabwicklungskosten, konstant hoher Qualität und zu kurzen Lieferzeiten führt. Auch auf der Seite von Kaved senkt der Einsatz von E-Business die Kosten der Auftragsabwicklung. Kurze Durchlaufzeiten reduzieren die Kapitalbindungskosten.
Dem E-Business kommt in der Unternehmensstrategie von Kaved eine bedeutende Rolle zu. Es stützt die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens mit positiven Auswirkungen auf Kosten und Produktivität. Im Falle der Kabelkonfektionierung spielt E-Business gemeinsam mit der CIM-Fertigung eine ganz besondere Rolle: die einer „Enabling Technology“. Denn eine rationelle maschinelle Konfektionierung der komplexen Verkabelungssysteme wird durch die E-Business-Unterstützung überhaupt erst ermöglicht.
Einsatz modernster Informations- und Produktionstechnik wird den geänderten
Marktbedürfnissen nach kleineren Losgrössen, kürzeren Lieferzeiten und einem guten Preis-/Leistungsverhältnis Rechnung getragen.
E-Business-Einsatzfelder im Unternehmen:
Das von Kaved eingesetzte ERP-System IN:ERP enthält verschiedene E-Business-Anwendungen, wie zum Beispiel CRM- und SCM-Module sowie die externe Integration von Kunden über ein Extranet (vgl. ausf. Kapitel 3). Bereits heute werden 70 % des Umsatzes elektronisch abgewickelt und direkt als Aufträge in den CIM-Prozess übernommen.
Elektronische Marktplätze nutzt Kaved bislang nur zum Zwecke der Informationsbeschaffung. Sie dienen der Evaluation von Rohmaterialien und helfen, günstige Lieferanten aufzuspüren. Weitere beschaffungsseitige E-Business-Lösungen sind bei Kaved noch nicht im Einsatz.
Eine eigene Intranetlösung von Kaved existiert nicht. Kaved nutzt das Intranet des Dätwyler Konzerns.
Der Internetauftritt von Kaved präsentiert heute überwiegend Unternehmens- und Produktinformationen. Künftig soll die Website dazu benutzt werden, den Kunden Informationen über die von Kaved eingesetzten Rohmaterialien zur Verfügung zu stellen. Der Kunde erfährt auf diese Weise, welches Material Kaved zu günstigen Konditionen zur Verfügung steht, und kann dies bereits in der Entwicklungsphase entsprechend berücksichtigen.
Partner:
ERP-Anbieter und Informatikpartner
Das ERP-System und die darauf aufbauenden Integrationskomponenten stammen von der Informing AG im nahe gelegenen Stans. Informing bietet seit 1988 ERP-Systeme an und beschäftigt heute 40 Mitarbeitende. Das Hauptprodukt IN:ERP gehört in die Kategorie der ERP-II-Systeme.
Hauptzielgruppe des IN:ERP sind mittelgrosse Unternehmen mit etwa 50 bis 500 Mitarbeitenden. Informing vermarktet ihre Produkte vorwiegend in deutschsprachigen Ländern. Die Basis für das Geschäft liegt im Vertrauen der Kunden über den gesamten Lebenszyklus der Produkte hinweg. In der Regel ist Informing langjähriger Partner ihrer Kunden.
Geschäftspartner
Der Schindler Konzern mit dem Hauptquartier in Ebikon bei Luzern zählt wie bereits gesagt zu den wichtigsten Kunden von Kaved und ist in der Schweiz der führende und weltweit der zweitgrösste Hersteller von Aufzugsanlagen.
Kaved übernimmt als Zulieferer von Verkabelungssystemen einen Teil des Wertschöpfungsprozesses für Schindler. Mit solch strategisch wichtigen Lieferanten geht Schindler langfristige Partnerschaften ein. Sie verfolgen das Ziel, Entwicklungszeiten, Lieferfristen, Fertigungs- und Logistikkosten sowie Installations- und Inbetriebnahmeaufwand von Aufzügen drastisch zu reduzieren.
3. Integrationslösung
Dieses Kapitel beschreibt die E-Business-Lösung von Kaved aus Geschäfts-, Prozess- und Anwendungssicht. Auch die technischen Grundlagen werden kurz behandelt. Im Vordergrund stehen die Integrationsaspekte. Abbildung 3.1 skizziert die Gesamtlösung in der Übersicht.
Geschäftssicht:
Als Antwort auf die Herausforderungen eines Marktes, der von Überkapazitäten gekennzeichnet ist, zielt die Geschäftsstrategie der Schindler Gruppe darauf ab, mit der Integration von Systemzulieferern in den Wertschöpfungsprozess hohe Produktivitätsgewinne zu realisieren und die Logistikkosten zu reduzieren (vgl. Abschnitt "Partner" im Kapitel 2). Kaved übernimmt dabei die komplette Herstellung von Verkabelungssystemen, die benötigt werden, um Aufzüge zu steuern, Aufzugsschächte zu beleuchten und die Anlagen mit Strom zu versorgen.
Abbildung 3.1: Übersicht über die Integrationslösung
Mit der industriellen Herstellung komplett konfektionierter Verkabelungssysteme wird ein grosses Produktivitätspotenzial ausgeschöpft. Zur Konfektionierung der Kabelsysteme kommen Logistikdienstleistungen hinzu, um alle Komponenten der Elektroinstallation und Steuerung als komplettes Leistungspaket zu erbringen.
Komplexität und Variabilität der Kabelsysteme stellen hohe Anforderungen sowohl an die zwischenbetriebliche E-Business-Integration als auch an die interne IT-Vernetzung. Der Austausch und die Verarbeitung der benötigten Daten ist so aufwändig, dass eine rationelle Fertigung der Kabelsysteme durch eine geeignete IT-Unterstützung überhaupt erst möglich wird. Eine externe Integration wurde bisher nur mit Schindler realisiert, die Vernetzung mit weiteren Kunden wird vorbereitet.
Die E-Business-Lösung von Kaved ermöglicht ein Mass Customizing der Verkabelungssysteme und unterstützt die Logistik im gesamten Materialfluss. Der Kunde kann dadurch individuell konfigurierte Kabelsysteme beziehen und kommt dennoch in den Genuss der Produktivitätsvorteile einer industriellen Herstellung. Kurze Durchlaufzeiten erlauben eine Just-in-time-Produktion. Die Auslieferung der komplett konfektionierten und kommissionierten Kabelsysteme erfolgt zuverlässig 48 Stunden nach der Auftragsfreigabe.
Die hohen Investitionen von Kaved in kundenspezifische Fertigungsanlagen, IT-Systeme, Beratung, Engineering und Schulung wurden durch eine Kooperationsvereinbarung zwischen Schindler und Kaved mit mehrjähriger Laufzeit abgesichert. Gegenstand dieser Vereinbarung sind die Konfektionierung der Verkabelungssysteme sowie weitere Dienstleistungen.
Prozesssicht:
Der Prozess der Kabelkonfektionierung, wie er in Abbildung 3.2 dargestellt ist, wird dadurch angestossen, dass die von den Schindler-Vertriebsorganisationen erfassten Auftragsmerkmale online in einen zentralen Konfigurator gelangen. Zu wichtigen Auftragsmerkmalen zählen beispielsweise die Art und Grösse einer Aufzugsanlage sowie die Masse des Aufzugsschachts. Der Konfigurator generiert aus diesen Daten technische Produktspezifikationen. Mit diesen Spezifikationen ist Kaved in der Lage, die Komponenten und Systemteile zu konfektionieren.
Abbildung 3.2: Der Wertschöpfungsprozess von Schindler und Kaved
Aufträge werden von Schindler zusammen mit der technischen Spezifikation per EDI an Kaved übermittelt. Aus der Spezifikation ermittelt Kaved die zur Konfektionierung der bestellten Produkte (Schachtinstallation, Hängekabel, Maschinenraum-Verkabelung, etc.) benötigten Materialien und reserviert diese für den Auftrag. Pro Auftrag werden bis zu einige hundert Positionen benötigt.
Auf Basis der benötigten Materialien und der erforderlichen Arbeitsschritte führt Kaved eine Preiskalkulation durch. Stimmt die Kalkulation mit dem von Schindler übermittelten Preis überein, wird anschliessend eine Auftragsbestätigung in elektronischer Form an Schindler verschickt. Bei Preisabweichungen sind Abklärungen und manuelle Eingriffe erforderlich. Nach der Auftragsbestätigung werden ferner die für die Fertigung benötigten Ressourcen (Material, Maschinen, Personal) disponiert.
Nach Empfang der Auftragsbestätigung kann Schindler den Auftrag freigeben. Sobald die Auftragsfreigabe erfolgt, übernimmt Kaved den Auftrag in das Tagesprogramm und bucht das benötigte Material vom Lagerbestand ab. Für die Fertigung werden die vom Konfigurator übermittelten Produktspezifikationen weiterverarbeitet. Aus ihnen werden Informationen für die Maschinensteuerung (Einstellungen, Abläufe), für die Qualitätskontrolle (Prüfmerkmale), für die Kennzeichnung der konfektionierten Komponenten (Barcode) und für den Versand generiert.
[Qualitätssicherung] Kaved konfektioniert die Verkabelungssysteme in Nullfehlerqualität. Laufende Messungen während der Produktion stellen sicher, dass die Komponenten den Spezifikationen entsprechen.
Während bei Kaved der Fertigungsprozess abläuft, liefert Schindler die Steuerung an. Diese wird gemeinsam mit den konfektionierten Kabelsystemen und weiteren Drittprodukten zu einem kompletten Installations-Set baustellenfertig verpackt. Innerhalb von 48 Stunden nach der Auftragsfreigabe liefert Kaved das Installations-Set per Spedition an die verschiedenen Ländergesellschaften aus.
Zum Abschluss des Auftrags werden die Produktionsdaten ins ERP-System zurückgelesen. Für jede konfektionierte Komponente wird eine Qualitätsdatei erstellt, die sämtliche qualitätsrelevanten Daten enthält. Die Qualitätsdateien werden gemeinsam mit den Auftragsdaten archiviert. Die Rechnungsstellung an den Auftraggeber erfolgt anschliessend in konventioneller Form.
Anwendungssicht:
Die Basis der E-Business-Lösung von Kaved bildet das ERP-System IN:ERP. Kaved nutzt die ERP-Basismodule Einkauf, Verkauf, Warenwirtschaft sowie die erweiterten ERP-Module Produktionsplanung und -steuerung (PPS), Produktdatenmanagement (PDM) und Betriebsdatenerfassung (BDE).
Für die Integration von Geschäftspartnern kommt ausserdem das Standard-Modul IN:BOS zum Einsatz, das einen Applikationsserver für ERP-Webservices darstellt. IN:BOS beinhaltet die vollständige Geschäftslogik des ERP-Systems und macht sie für systembasierte Zugriffe von aussen zugänglich. Dabei werden die Zugriffsberechtigungen kontrolliert. IN:BOS unterstützt weiterhin die interne Integration und ermöglicht die Benutzung des ERP-Systems über einen HTML-Browser. Aufträge oder Artikel beispielsweise lassen sich damit eröffnen.
[CIM] Die Produktkonfiguratoren von Schindler übertragen die generierten Produktspezifikationen in Dateien (sog. Flat Files). Im Vorfeld mussten dazu viele verschiedene Dateiformate definiert werden. Für die Verarbeitung der eingehenden elektronischen Dokumente steht bei Kaved der so genannte „CIM-Connector“ zur Verfügung. Dieser wurde speziell für Kaved entwickelt. Die von den Konfiguratoren übersandten Aufträge werden in einer E-Business-Datenbank zwischengespeichert. Dort werden die Aufträge per manuellem Eingriff „abgeholt“ und anschliessend im CIM-Connector automatisch weiterverarbeitet (vgl. Abbildung 3.3).
Der CIM-Connector enthält eine eigene Geschäftslogik. Diese beinhaltet für jede Produktlinie den Auftragstyp, die Auftragslogik und eine Reihe von Regeln. Damit werden aus den eingehenden technischen, terminlichen und kommerziellen Produktmerkmalen Preiskalkulationen, Fertigungsstücklisten und Fertigungsaufträge generiert. Indem Daten und Regeln im Vorfeld definiert werden, können für jeden Kunden die Produkte festgelegt werden, die über die Lösung abgewickelt werden sollen. Auf diese Weise lassen sich weitere Kunden integrieren.
Für die Weiterverarbeitung der administrativen Auftragsdaten steht die B2B-Admin-Anwendung zur Verfügung. Sie ist Bestandteil des CIM-Connectors und stellt den Auftragseingang und die Resultate der Prüfung der eingegangenen Aufträge dar. Anschliessend erstellt B2B-Admin Auftragsbestätigungen. Mit der Auftragsbestätigung eröffnet IN:BOS die Produktionsaufträge mit den zugehörigen Dokumenten (Fertigungsstücklisten, Maschinendaten, Qualitätsdateien, etc.) im ERP-System zur Reservierung des Materials. In Abhängigkeit von den Terminplänen bei Schindler erfolgt von dort die definitive Produktionsfreigabe.
Eine interne Integration besteht bei Kaved zwischen dem CIM-Connector und der Steuerung der Fertigungsanlagen (Abbildung 3.1). Die von den Konfiguratoren eingehenden technischen Dateien werden nach der Auftragsfreigabe unverändert der Maschinensteuerung übergeben. Diese interpretiert die Informationen in den Dateien und setzt sie in Informationen zur Maschineneinstellung und in konkrete Montageanweisungen um. Die Mitarbeiter in der Fertigung erhalten diese Anweisungen über Monitor und werden in ihrer Tätigkeit dadurch Schritt für Schritt angeleitet. Dies vereinfacht die Maschinenbedienung und die Koordination der manuellen Handgriffe erheblich. So lässt sich auch bei der Herstellung von Unikaten eine hohe Fertigungsproduktivität erzielen. Gleichzeitig dient die präzise Steuerung der Arbeitsschritte der in den Produktionsablauf integrierten Qualitätssicherung.
Nach Abschluss der Produktion erfolgt die Kommissionierung des Installations-Sets, die vom ERP-Basismodul Warenwirtschaft gesteuert wird. Die Warenwirtschaft unterstützt die Logistik im gesamten Materialfluss. Die produzierten Verkabelungssysteme werden zunächst einzeln verpackt und mit Barcode-Etiketten versehen, die jeweils nach Abschluss der Produktion ausgedruckt werden. Die Packungseinheiten laufen über ein Rollenband zur eigentlichen Kommissionierungsstation, wo sie mit der just in time angelieferten Steuerung von Schindler und gegebenenfalls weiteren Komponenten von Dritten zusammentreffen. Durch das „Abschiessen“ des Barcodes werden die einzelnen Komponenten für den Auftrag als kommissioniert erfasst und anschliessend für die Spedition vorbereitet. Ein Auftrag kann erst abgeschickt werden, wenn alle Auftragsbestandteile auf diese Weise erfasst worden sind.
Technische Sicht [Systemarchitektur]:
Die E-Business-Lösung von Kaved basiert auf dem mehrsprachigen ERP-System IN:ERP mit 3-Tier-Architektur. Die Geschäftslogik kann technologieunabhängig modelliert werden. Dazu stehen Business Objects und eine Workflow Komponente zur Verfügung. Die Programmierung erfolgte in der objektorientierten Programmiersprache SmallTalk.
Weitere Ebenen beinhalten die Datenhaltung und die Präsentation. Jede Ebene ist unabhängig von anderen Ebenen an Kundenbedürfnisse anpassbar, ohne die Releasefähigkeit von IN:ERP zu beeinträchtigen. Für den Zugriff auf die Datenbank existiert ein Zwischenlayer, so dass die Business Objects nicht direkt auf die Datenbank zugreifen und neben Oracle weitere Datenbanksysteme unterstützt werden können.
Von unternehmensinternen Arbeitsplätzen aus wird IN:ERP mit sogenannten Fat Clients über ein lokales Netzwerk genutzt (vgl. Abbildung 3.3). Auf jede Funktion und jede Information, die im ERP-System verfügbar ist, kann auch über eine SOAP/XML-Schnittstelle zugegriffen werden (z.B. für die Unterstützung einer HTML-Browseroberfläche oder für B2B- und EAI-Integrationen). Die Kommunikation mit dem SAP-System von Schindler erfolgt über Flat Files, die im CIM-Connector in XML-Dateien konvertiert werden und umgekehrt.
IN:ERP und IN:BOS arbeiten auf einer WINTEL-Plattform (Windows-Betriebssysteme mit INTEL-Prozessoren), das Oracle-Datenbanksystem kann unter Windows oder LINUX betrieben werden. Wegen der komplexen Auftragsstrukturen wurde IN:BOS für Kaved um eine individuelle Applikation, den CIM-Connector, erweitert. Der CIM-Connector enthält das Modul B2B-Admin, das die Preisberechnung und die Auftragsprüfung übernimmt (vgl. Abbildung 3.3).
Abbildung 3.3: IT-Architektur der E-Business-Lösung
4. Implementierung
Im Jahre 1995 wurde für den Aufbau der Wertschöpfungspartnerschaft mit Schindler ein neues ERP-System benötigt, das unternehmensübergreifend kommunizieren konnte. Das Vorläufersystem (der ERP-Klassiker Nixdorf Comet) sollte komplett abgelöst werden. Zur Vorbereitung der Systemeinführung erstellte Kaved im Rahmen eines Vorprojekts ein Pflichtenheft. Auf der Basis dieses Pflichtenhefts wurde eine Evaluation von ERP-Systemen und deren Anbietern durchgeführt. Nach mehreren Auswahlrunden mit Präsentationen und Gesprächen entschied sich Kaved für die Lösung von Informing. Neben dem ERP-System wurden auch die Wertschöpfungsprozesse und die Fertigungsanlagen von Grund auf neu konzipiert und entwickelt.
Zur Führung der IT-Projekte richteten Kaved und Informing einen Lenkungsausschuss ein, der sich aus Kadermitgliedern der involvierten Unternehmen zusammensetzte. Die operative Steuerung des Projektteams oblag einem Projektleiter. Das Projektteam bestand aus Mitarbeitenden von Kaved und Informing.
5. Betrieb
Unterhalt:
Das ERP-System, die ergänzenden Kommunikationskomponenten (CIM-Connector, Webserver) und die Maschinensteuerung werden bei Kaved betrieben. Zur Pflege der Anlagen steht ein Systemadministrator zur Verfügung, der diese Funktion im Nebenamt ausführt. Informing sorgt für die Wartung und berät bei Bedarf. Hardware und Netzwerke werden von der Informatik-Abteilung der Dätwyler Kabel+Systeme AG betreut.
Kosten und Nutzen:
Die integrierte E-Business-Lösung von Kaved erzielt vielfältige Nutzeneffekte. Davon sind die Folgenden im Hinblick auf die Geschäftsstrategie von besonderer Bedeutung:
- Niedrige Kosten werden vorwiegend durch die hohe Produktivität der maschinellen Kabelkonfektionierung und die niedrigen Logistikkosten erzielt. Auch die integrierte Auftragsbearbeitung und die medienbruchfreie Übernahme der technischen Produktspezifikationen in die CIM-Fertigung tragen wesentlich zur günstigen Kostenstruktur bei.
- Die kurze Durchlaufzeit der Aufträge lässt sich nur aufgrund der integrierten Auftragsabwicklung und der CIM-Fertigung realisieren. Der administrative Aufwand für die Abwicklung eines Auftrags beträgt dank Integration nur rund 15 Minuten. Der gesamte Fertigungs- und Kommissionierungsprozess zwischen der Auftragsfreigabe durch den Kunden und der Auslieferung des kompletten Installations-Sets dauert nur 48 Stunden.
- Die hohe Qualität bei der Konfektionierung der Kabelsysteme wird durch laufende Kontrollmessungen während des Fertigungsprozesses ermöglicht. Bereits im Jahr 1996 konnten mehrere tausend Aufträge in Nullfehlerqualität abgewickelt werden.
Ein Vergleich der Nutzeneffekte mit dem Zustand vor der Einführung des integrierten Wertschöpfungsprozesses ist nicht möglich, weil die Kabelsysteme zuvor nicht bei Kaved konfektioniert wurden. Mit einer manuellen Auftragsabwicklung und einer herkömmlichen Fertigungssteuerung wäre eine maschinelle Konfektionierung von Kabelsystemen aber kaum wirtschaftlich. Allein die administrative Abwicklung eines Auftrages würde schätzungsweise mehrere Stunden dauern.
Der finanzielle Aufwand für den Aufbau der Gesamtlösung betrug sieben Mio. CHF. Darin eingeschlossen sind die Kosten für Produktionsanlagen, Maschinensteuerung, ERP-System inklusive CIM-Connector, Hardware, Beratung, Engineering und Schulung.
Die Kosten des laufenden Betriebs der E-Business-Lösung werden durch einen Standard-Wartungsvertrag mit Festpreis abgegolten. Die im CIM-Connector gespeicherten Daten erfordern einen erhöhten Pflegeaufwand, um die Datenqualität zu sichern und Fehler in der automatischen Abwicklung der Aufträge zu vermeiden.
Rentabilität:
Mit der Einführung der extern und intern integrierten E-Business-Lösung wurden sowohl die strategischen als auch die operativen Ziele erreicht. Kaved konnte bei Schindler ihre Position als strategischer Partner für Kabelsysteme sicherstellen. Strategische Vorteile resultieren hauptsächlich aus dem erhöhten Kundennutzen: Für den Kunden reduziert sich der administrative Bearbeitungsaufwand für eine Bestellung auf weniger als ein Drittel. Die Reduktion der Fertigungstiefe spart Fixkosten und senkt die Durchlaufzeiten.
Die Investitionen von Kaved wurden über die Mindestlaufzeit der Kooperationsvereinbarung abgeschrieben und amortisierten sich in diesem Zeitraum. Trotz des wechselhaften Umfeldes hat sich die Investition gelohnt. Sie erlaubt Kaved eine nachhaltige Entwicklung im entsprechenden Geschäftsfeld. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Software-Hersteller kann das im Bereich Supply Chain Management aufgebaute Know-how nun auch für die Gewinnung neuer Kunden genutzt werden.
6. Erfolgsfaktoren
Spezialitäten der Lösung:
Die E-Business-Lösung von Kaved zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
- In den Auftragsabwicklungs- und Produktionsprozessen lässt sich ein sehr hoher Automatisierungsgrad realisieren.
- Aufgrund eines hohen funktionalen Deckungsgrades werden die Bedürfnisse von Schindler und Kaved in hohem Masse erfüllt.
- Die Lösung basiert überwiegend auf Standardkomponenten der ERP-Software und ist voll releasefähig. Der Anteil individueller Programmierung ist sehr gering (nur eine zusätzliche ERP-externe Komponente).
- Die Lösung ist für die Zukunft und für weitere Partner offen.
Lessons Learned:
Für die Durchführung des Projekts zur Einführung der E-Business-Lösung stand eine Einführungszeit von nur drei Monaten zur Verfügung. Dies war eine grosse Herausforderung. Der knappe Zeitrahmen wurde von Schindler gesetzt. Die Projektbeteiligten ziehen heute das Fazit, dass ein gesunder Zeitdruck in solchen Projekten der Zielerreichung förderlich sei.
Eine weitere Herausforderung bestand im Management des Know-hows für die sehr komplexen Produktstrukturen. Die Formulierung der Regeln zur Berechnung der technischen und kommerziellen Daten eines Auftrags war sehr anspruchsvoll.
Die Datei-Definitionen für die Übertragung der technischen und auftragsbezogenen Daten wurden zwar schriftlich festgehalten. Im Nachhinein kam es aber zu häufigen Änderungen, deren Kostenfolgen zuvor nicht berücksichtigt wurden. Die vielen Modifikationen führten zu Kostenüberschreitungen zu Lasten von Kaved. Für solche Fälle sollten im Vorfeld auch die finanziellen Auswirkungen geregelt werden.
Ein Projekt-Controlling wird im Nachhinein als sehr wichtig empfunden, um die Zielerreichung laufend verfolgen zu können. Dies ist besonders wichtig, wenn sich die Ziele im Zeitablauf verändern.
Sehr positive Auswirkungen auf den Projektverlauf ergaben sich daraus, dass das Projekt bei Kaved und bei Informing auch auf der Führungsebene oberste Priorität genoss. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten basierte sehr stark auf Vertrauen. Vieles geschah auf Zuruf, nur das Wichtigste wurde vertraglich fixiert.
Eine Voraussetzung für diese Vorgehensweise besteht in der Auswahl der richtigen Projektpartner. Von zentraler Bedeutung ist auch der Aufbau eines möglichst kleinen, entscheidungsfähigen und kompetenten Projektteams. Dabei kommt es auch auf die „Chemie“ im Team an.
Abschliessend bleibt festzuhalten, dass Wertschöpfungspartnerschaften wie die zwischen Kaved und Schindler nur mit Investitionen in eine ausgereifte E-Business-Unterstützung zu den geforderten Produktivitätseffekten führen. Die Fallstudie ist ein Musterbeispiel dafür, wie Informationstechnik die Gestaltung von Wertschöpfungsprozessen verändern kann.