MGM Group Corporation: ERP aus der Steckdose

23. August 2006



Die MGM Group Corporation ist ein Kleinunternehmen, das sich auf den Handel mit Gourmet-Produkten spezialisiert hat. Aufgrund der Besonderheiten des Lebensmittelhandels ergibt sich eine relativ hohe Komplexität bei den Geschäftsprozessen. Das ASP-Modell erlaubt es der MGM, sowohl in finanzieller als auch in organisatorischer Hinsicht eine komplexe ERP-Software zu nutzen. Dadurch ist es möglich, die internen Geschäftsprozesse transparent und nachvollziehbar abzuwickeln, was eine Voraussetzung dafür ist, effizient arbeiten zu können und den Anforderungen des Marktes zu entsprechen. Um dieses Modell erfolgreich umzusetzen, ist ein zum Unternehmen passender IT-Partner von zentraler Bedeutung.


1. Das Unternehmen

Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe
Die MGM Group Corporation ist ein Kleinunternehmen, das 1996 gegründet wurde. Derzeit beschäftigt es vier Mitarbeitende, wobei zwei weitere Stellen ausgeschrieben sind. Geschäftszweck ist der Import und Vertrieb von Gourmet-Produkten. Die gehandelten Produkte werden an Geschäftskunden vor allem in der Schweiz verkauft. Damit ist das Unternehmen dem Lebensmittel-Zwischenhandel zuzuordnen. Primäre Zielgruppe ist der Detailhandel. Daneben werden auch die Gastronomie und andere Unternehmen beliefert.
Die Lieferanten des Unternehmens sind überwiegend ausländische Produzenten von exklusiven und hochwertigen Spezialitäten im Lebensmittelbereich. Diese Produkte zeichnen sich vor allem durch eine qualitativ sehr hochwertige und naturnahe Verarbeitung aus und sind dem Premium- und Super-Premium-Segment zuzuordnen. Die Produkte kommen aus verschiedenen Ländern, wobei Spezialitäten aus Italien besonders umfangreich vertreten sind.

Neben dem reinen Vertrieb der gehandelten Produkte ist MGM auch im Geschenk-Business tätig. Für Unternehmen werden Geschenkpackungen an Geschäftspartner und Mitarbeitende zusammengestellt. Derzeit wird darüber nachgedacht, in der Zukunft Geschenkpackungen auch direkt an Endkunden zu verkaufen. Darüber hinaus führt MGM auch Spezialprojekte durch. Es handelt sich dabei etwa um Privat-Label-Konzepte sowie um die Beschaffung von Komponenten für verarbeitende Unternehmen.

Besonderheiten des Geschäfts ergeben sich einerseits aus der Natur der gehandelten Produkte und zum anderen aus der spezifischen Situation der Schweiz. Bei der Lebensmittelbranche handelt es sich um einen Bereich, der stark reguliert ist. Dazu gehört neben der Pflege des Mindesthaltbarkeitsdatums und der Chargenverwaltung die Rückverfolgbarkeit der gehandelten Produkte. Da die Hersteller vor allem im Ausland angesiedelt sind, müssen die zu verkaufenden Produkte zuerst in die Schweiz importiert werden. Durch die spezifische schweizerische Zollgesetzgebung, wie etwa die Verzollung nach Gewicht, entsteht zusätzlicher administrativer Aufwand.

Unternehmensvision
Als kleines Unternehmen mit einem sehr speziellen Produktprogramm verfolgt MGM eine ausgesprochene Nischenstrategie. Natürlich ist die Freude und Passion für das eigene Geschäft sowie die Identifikation mit den Produkten wesentlich: Gourmet-Produkte im Premium-Segment sind ein emotionales Gut, das kulturübergreifend und verbindend ist. Darüber hinaus folgt MGM einem Selbstverständnis, das sich an den Eckpunkten Innovation, Partnerschaften und Prozessexzellenz festmachen lässt.

MGM versteht sich nicht als ein Standard-Schweizer-KMU. Man will anders sein und eigene Wege gehen. Ein wichtiges Merkmal ist dabei Offenheit, die es erlaubt, sich immer wieder an neue Situationen anzupassen, die besten Wege dafür zu finden und spannende, eigenständige Lösungen zu entwickeln. Ein zentraler Grundsatz ist das Eingehen langfristiger Beziehungen und Partnerschaften. In die Partnerschaften wird viel Zeit investiert. Partner finden sich im gesamten Umfeld: Kunden, Hersteller, Banken, Logistikdienstleister, Hoster usw. Weiterhin wird angestrebt, möglichst effizient zu arbeiten. Dies ist eine besondere Herausforderung, da der Vertrieb von Lebensmitteln relativ aufwändig ist. Es gibt viele gesetzliche Regulatorien für den Import und Handel, wie Verpackungsdeklarationen, Mehrsprachigkeit usw. Dies alles in einem kleinen Markt, in dem die Aufwendungen überproportional hoch sind.

Stellenwert von Informatik und E-Business
Der Stellenwert der IT ist hoch. Sie wird als ein wichtiges Instrument für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und als Voraussetzung für ein organisches Wachstum gesehen. Das ERP-System ist das Herz der Unternehmung. Es ermöglicht Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Prozesse. Dies ist in der Lebensmittelbranche zwingend, um Anforderungen wie Rückverfolgbarkeit zu erfüllen. In diesem Sinne ist der Einsatz einer skalierbaren und den externen Einflüssen anpassbaren ERP-Lösung auch aus der Perspektive eines Kleinunternehmens sehr wichtig.

Das Bekenntnis zu einer leistungsfähigen IT wird auf eine pragmatische Weise umgesetzt. Es sollen nicht unnötig komplexe Lösungen realisiert werden. Das Unternehmen und seine Mitarbeitenden sollten möglichst wenig mit dem Betrieb von IT-Lösungen belastet werden. Dieser Leitgedanke führt fast selbstverständlich zu einer weitgehenden Ausgliederung der IT-Infrastruktur, wie er sich in folgender Aussage des Unternehmensleiters niederschlägt:


Wir konzentrieren uns auf das, was wir gut können und selbst machen müssen, den Rest übernehmen unsere Partner. Mit der ASP-Lösung haben wir Sicherheit auf der Ebene Verfügbarkeit, Wartung und Back-Up. Auch wenn uns jemand gratis einen Server hereinstellte und jemand würde das warten, so würde uns das nicht interessieren.


2. Der Auslöser des Projekts

Ausgangslage und Anstoss für das Projekt
Die betriebswirtschaftlichen Abläufe des Kleinunternehmens MGM mit seinerzeit nur zwei Mitarbeitenden waren über die Jahre organisch gewachsen. Die administrativen Prozesse wurden weitgehend papierbasiert abgewickelt. Mit einer professionellen ERP-Lösung sollten die operativen Geschäftsprozesse verbessert und die Mitarbeitenden von administrativen Tätigkeiten entlastet werden. Das Wunschsystem sollte leistungsfähig und ausbaufähig sein sowie eine langfristige Perspektive haben. Schon dazumal liebäugelte Herr Weinberg mit der ERP-Lösung von SAP, deren Leistungsfähigkeit und Zukunftssicherheit ihn überzeugten. Eine erste kurze Evaluation liess dieses System jedoch als zu gross, komplex und teuer erscheinen. Aufgrund der Verfügbarkeit der Software im Rahmen eines ASP-Modells entschloss er sich dann im Jahre 2000, diese in seinem Unternehmen einzuführen.

Vorstellung der Geschäftspartner
Implementierungspartner und Betreiber der Business Software
Im Zentrum der gegenwärtigen IT-Architektur steht eine ERP-Lösung von SAP, die im ASP-Modell betrieben wird. Seit 2005 wird die Lösung von der Firma atlantis it-solutions GmbH betrieben. Diese Firma mit Sitz im schweizerischen Wollerau, Kanton Schwyz, wurde 2001 gegründet und ist selbst ein KMU. Das Unternehmen unterstützt die Kunden bei der Verwirklichung von Geschäftsprozessen, die durch Standardsoftware von SAP unterstützt werden.

Um den spezifischen Bedürfnissen von KMUs entgegenzukommen, hat atlantis ein als Smart-Tools bezeichnetes Konzept zur Implementierung von SAP-Systemen entwickelt. Ausgangspunkt dieses Konzeptes ist ein modifiziertes ASP-Modell, das auf vordefinierten Templates basiert. Diese realisieren branchenspezifische Lösungen, welche die jeweils benötigten Geschäftsprozesse abbilden. Ausgehend davon beginnt die eigentliche Projektarbeit. Dabei werden die Kundenanforderungen mit den vordefinierten Prozessen verglichen und, sofern notwendig, Individualisierungen vorgenommen. Daraus entsteht ein kundenspezifisches System. Dieser Ansatz ermöglicht, das SAP-System inklusive Schulung in 10 bis 20 Tagen einzuführen, was eine Investition von etwa 50'000 CHF erfordert. Zudem strebt atlantis an, möglichst viele kleine Projekte abzuwickeln und in diesen mit nur maximal zwei bis drei Beratern tätig zu werden. So kann atlantis vergleichbare Leistungen deutlich günstiger anbieten als IT-Unternehmen, die eher auf Grossprojekte spezialisiert sind.


3. Unterstützung der Geschäftsprozesse mittels ASP

Geschäftssicht und Ziele
Das zentrale Anliegen des Projektes war es, eine integrierte ERP-Lösung mit transparenten und nachvollziehbaren Geschäftsprozessen zu verwirklichen. Dies wurde als eine Voraussetzung gesehen, um effizienter und strukturierter arbeiten zu können und die Mitarbeitenden von administrativen Aufgaben zu entlasten.

MGM betreibt Lagergeschäfte und Streckengeschäfte. Beim Lagergeschäft werden die Produkte entsprechend einer Bedarfsdisposition bei den Herstellern beschafft und beim Eintreffen vorerst eingelagert. Bei Vorliegen eines Kundenauftrages wird dieser prinzipiell vom Lager erfüllt. Beim Streckengeschäft werden die beschafften Produkte nicht eingelagert, sondern direkt an den Kunden versandt. Ein Streckengeschäft wird stets durch einen Kundenauftrag initiiert, der zu einer entsprechenden Beschaffung führt. Es handelt sich dabei um speziell für die Kunden produzierte Waren, die oft auch mit dem Label des Kunden ausgezeichnet werden (Private Label). Das Business Szenario in Abb. 1 zeigt die beteiligten Geschäftspartner beim Handelsprozess.

Abb. 1: Business Szenario MGM: Handelsprozess


Abb. 1: Business Szenario MGM: Handelsprozess

Im Handelsprozess sind bis zu vier Partner involviert: der Hersteller, der Kunde, der Logistikdienstleister und gegebenenfalls ein Verzollungsagent. Der Hersteller stellt je nach Vereinbarung die Ware bei sich oder an der Grenze zur Verfügung. Der Logistikdienstleister holt die Ware beim Hersteller respektive an der Schweizer Grenze ab und bringt sie an den gewünschten Zielort. Dies ist entweder ein Lager der MGM (Lagergeschäft) oder das Lager eines Kunden (Streckengeschäft). Bei einem Import in die Schweiz muss die Ware verzollt werden. Dies wird entweder vom Logistikdienstleister selbst vorgenommen, wie im Business Szenario unterstellt, oder es wird ein externer Verzollungsagent eingeschaltet.

Prozesssicht
Nachfolgend wird der Beschaffungsprozess sowohl für das Streckengeschäft als auch das Lagergeschäft beschrieben. Das Prozessdiagramm in Abb. 2 zeigt den Ablauf des Streckengeschäfts.

Der erste Akt beim Streckengeschäft ist der Auftrag vom Kunden (Customer Order). Dieser wird im System erfasst und daraus eine BANF generiert. Daraus lässt sich dann direkt ein Beschaffungsauftrag ableiten. Beim Lagergeschäft wird der Beschaffungsprozess durch eine Bedarfsdisposition ausgelöst. Der aus dem System generierte Beschaffungsauftrag (Purchase Order) wird ausgedruckt und zum Hersteller gesandt. Begleitet wird dieser Ausdruck durch ein Dokument, auf dem alle notwendigen Instruktionen bezüglich der Lieferung enthalten sind, etwa wer der Logistikdienstleister ist, wo und wann er die Ware abholen soll usw. Der Hersteller muss bestätigen, ob er entsprechend dieser Vorgaben liefern kann.

Wenn die Bestätigung erfolgt ist, geht ein Lieferauftrag (Shipping Order) an den Logistikdienstleister [Logistik]. Lieferaufträge erfolgen über E-Mail. Es handelt sich um vordefinierte Standardaufträge, auf denen alle relevanten Informationen enthalten sind. Bei Streckengeschäften wird zudem ein Lieferschein seitens der MGM generiert. Grundsätzlich ist ein Lieferschein im Streckengeschäft durch den SAP-Standard nicht vorgesehen. Im Hinblick auf die Abdeckung des MGM-spezifischen Bedürfnisses hat atlantis den vorgegebenen SAP-Standardprozess individuell ergänzt und angepasst.

Bei Lieferungen in die Schweiz muss eine Verzollung erfolgen. Parallel zum Lieferauftrag gehen dann Dokumente mit Verzollungsinformationen an den Logistikdienstleister oder den Verzollungsagenten. Für sämtliche Produkte wurden standardisierte Dokumente mit den benötigten Verzollungsinformationen erstellt, die auf den Auftrag angepasst werden können. Dies geschieht auf der Basis von Excel-Formularen. Im Materialstamm sind sämtliche relevanten Stammdaten hinterlegt, so dass jederzeit für das Material in einem Vertriebsauftrag und der daraus resultierenden Menge das entsprechende Gewicht, die Verpackungsabmessungen sowie ein EAN-Code ermittelt werden können.

Abb. 2: Streckengeschäft bei MGM


Abb. 2: Streckengeschäft bei MGM

Wenn die Ware bei einem Lagergeschäft ankommt, findet eine Wareneingangskontrolle statt. Ist alles in Ordnung, wird die Ware im System erfasst. Aus Gründen der Rückverfolgbarkeit wird mit Chargen gearbeitet und das Mindesthaltbarkeitsdatum aufgenommen. Auch dies ist im SAP-System abgebildet. Beim Streckengeschäft wird die Ware nicht in das Lager eingebucht, zumal auch Materialien betroffen sein können, die gar nicht als Lagermaterial erfasst sind. Nachdem die Ware beim Hersteller abgeholt wurde, wird beim Streckengeschäft eine Rechnung an den Kunden generiert.

Zum Abschluss des Beschaffungsprozesses treffen die Rechnungen vom Hersteller, dem Logistikdienstleister und allenfalls auch vom Verzollungsagenten ein. Diese Rechnungen werden wiederum im System erfasst und dort buchungstechnisch automatisch verarbeitet. Die Zahlung läuft derzeit noch manuell. Dieser Vorgang soll jedoch in Zukunft auch über das System abgewickelt werden.

Ein Vorteil des verwendeten ERP-Systems ist, dass viele Vorgänge buchungstechnisch vom System automatisch verarbeitet werden. Dies entlastet von der laufenden Buchführung. Ausserdem stehen die buchungsrelevanten Finanzdaten tagesaktuell zur Verfügung. Im Weiteren zeichnet sich das ERP-System vor allem auch für Controlling-Aufgaben wie z.B. die Analyse der Wirtschaftlichkeit auf Kunden-, Artikel- und/oder Herstellerebene aus.

Anwendungssicht
Die Abb. 3 zeigt eine Übersicht über die eingesetzten Anwendungen. Die zentrale Rolle bei der Unterstützung der Geschäftsprozesse von MGM nimmt die ERP-Lösung auf der Basis von SAP ein. Dieses System läuft im ASP-Modell, d.h. es wird nicht von der MGM selber betrieben, sondern von einem externen IT-Partner. In diesem Fall handelt es sich um die Firma atlantis. Diese garantiert eine 24-Stunden-Verfügbarkeit der Anwendung. Der Zugriff von MGM auf das ERP-System erfolgt über das Internet.

Eine zweite Anwendung ist der Webauftritt der MGM. Dieser hat im Augenblick keine zentrale Bedeutung, sondern unterstützt die Kommunikationspolitik des Unternehmens mit allgemeinen Informationen über die Firma und ihre Produkte. In einem geschützten Bereich sind noch spezielle Informationen für Geschäftspartner (Kunden) hinterlegt. Es handelt sich im Wesentlichen um Excel-Preislisten. MGM kann mit Hilfe von Macromedia Contribute auf den Webauftritt zugreifen und diesen ändern. In naher Zukunft wird zusammen mit der Webagentur Future Connection ein Relaunch der Website durchgeführt und bei dieser Gelegenheit auf das Content Management System Typo 3 gewechselt werden. Der Webauftritt wird von einem externen IT-Partner betrieben. Dabei handelt es sich derzeit um die Firma Netsolution.

Abb. 3: Anwendungsübersicht MGM


Abb. 3: Anwendungsübersicht MGM

Bisher existiert keine Integration der ERP-Lösung zu Systemen externer Partner, insbesondere Kunden oder Lieferanten. Allerdings ist in Abklärung, ob mit bestimmten Grosskunden eine Prozessintegration gemäss dem Konzept des Vendor Managed Inventory implementiert werden soll. Dies würde eine Anwendungsintegration der betreffenden Geschäftskunden mit dem ERP-System bedingen. Auch wird für den Fall eines zukünftigen Verkaufs über das Web über eine Anbindung eines Onlineshops an das ERP-System nachgedacht. Voraussetzung dafür ist die SAP-Plattform Net Weaver, die ca. Anfang 2007 eingeführt werden soll.


Technische Sicht
In Abb. 4 wird die technische Infrastruktur der Lösung dargestellt. Da die MGM ihre Anwendungssysteme von externen IT-Partnern betreiben lässt, ist die eigene IT-Infrastruktur vergleichsweise einfach. Jeder Mitarbeitende hat eine eigene PC-Workstation, auf der auch die üblichen Bürosysteme installiert sind. Die PCs sind durch ein LAN miteinander verbunden und erhalten über einen Router einen Anschluss an das Internet. Als ISP dient die Firma Cablecom mit einem Angebot für Geschäftskunden. Zum Schutz vor der Aussenwelt wird eine Firewall eingesetzt. Der Zugriff auf das ERP-System erfolgt über ein VPN, das für die Mitarbeitenden der MGM transparent ist.

Abb. 4: Technische Sicht MGM: Netzwerk und IT-Systeme


Abb. 4: Technische Sicht MGM: Netzwerk und IT-Systeme

Das Hosting des ERP-Systems erfolgt bei der Firma atlantis. Für die MGM stehen zwei IBM-Server mit RAID-Systemen im Einsatz, einer für die Testumgebung und einer für die Produktivumgebung. Diese Server basieren auf einem Unix-Betriebssystem. Zusätzlich werden die Daten des Produktivsystems auf einem räumlich separierten Back-Up-System gespiegelt.


4. Projektabwicklung und Betrieb

Projektmanagement und Entwicklung der Lösung
Das Projekt wurde im Jahr 2000 mit einem anderen IT-Partner initiiert. Dabei handelt es sich um ein grosses IT-Unternehmen, das unter dem Namen Connect&Go eine ASP-Lösung mit vorkonfigurierten Prozessen auf der Basis von SAP entwickelt hatte. Die Lösung wurde im Zeitraum 2000/2001 bei MGM eingeführt. Seitens MGM war die Projektorganisation recht einfach, da alle Unternehmensmitglieder direkt vom Projekt betroffen waren. Seitens des damaligen IT-Partners betreute es ein Projektleiter und etliche weitere Modul-Spezialisten wurden einbezogen. An einer zweitägigen Schulung wurden die MGM-Mitarbeitenden in die SAP-spezifische Terminologie und die grundsätzliche Funktionsweise eingeführt.

Im Verlaufe der Einführung und des Betriebs zeigte sich, dass die ursprüngliche ASP-Lösung trotz der vordefinierten Standardprozesse nicht ganz ausgereift war. MGM war einer der ersten Anwender dieser Lösung und musste einige „Kinderkrankheiten“ durchmachen. Einige Voreinstellungen waren aus der Sicht von MGM falsch, Prozesse waren nicht durchdacht und unterbrochen. Das wurde oft erst später entdeckt und erforderte einen erheblichen Korrekturbedarf. Zudem mussten spezifische Anforderungen von MGM berücksichtigt werden, wie z.B. die Chargenverwaltung.

Im Jahre 2003 kam es zu einem ungeplanten Wechsel des IT-Partners. Das grosse IT-Unternehmen zog sich aus diesem Geschäft zurück und übergab die ASP-Lösung und deren Kunden an eine andere Firma. Ab dem Jahr 2005 wurde die Betreuung der ASP-Lösung im allseitigen Einvernehmen durch den heutigen IT-Partner atlantis übernommen. atlantis hat die Connect&Go-Konfiguration weitgehend übernommen und nur einige geringfügige Anpassungen durchgeführt. Dafür wurden insgesamt ca. 10 Tage aufgewendet. Entsprechend dem oben beschriebenen Konzept von atlantis steht MGM eine eigenständige Implementation zur Verfügung. Dies hat verschiedene Vorteile: So kann etwa im Unterschied zur ursprünglichen ASP-Lösung ein individueller Release-Wechsel erfolgen.

Laufender Unterhalt
Der laufende Unterhalt ist weitgehend unproblematisch. Da die ERP-Lösung im ASP-Modell betrieben wird, liegt die Verantwortung für den störungsfreien Betrieb beim IT-Partner. Daneben erfolgt ein laufendes Fine-Tuning der Lösung. Neue Anforderungen ergeben sich aus geänderten Umweltbedingungen und dem Bestreben, die Möglichkeiten der verwendeten Anwendung immer weiter auszuschöpfen und zusätzliche Funktionen zu nutzen. In dieser Hinsicht erweist sich atlantis aus der Sicht von MGM als dynamischer und effektiver IT-Partner, dessen Mitarbeitende über ein breites Wissen verfügen und die verschiedenen Aspekte einer Problemstellung schnell erfassen. In Verbindung mit einer günstigen Kostenstruktur ermöglicht dies MGM, aktiv neue Projekte anzugehen.


5. Erfahrungen

Nutzerakzeptanz
Die Erfahrung mit der Nutzung des ERP-Systems ist positiv. Die Akzeptanz ist grundsätzlich gegeben. Auch neue Mitarbeitende konnten sich bisher ohne grössere Probleme in das System einarbeiten. Sobald man verstanden hat, wie das SAP-System funktioniert, erweist sich seine Bedienung als relativ logisch. Aufgrund der Komplexität werden nicht alle Funktionen vollkommen durchschaut. Der Unternehmensleiter vergleicht dies mit einem Mobiltelefon, bei dem man ja auch nicht alle Funktionen kenne, geschweige denn nutze.

Unzufriedenheiten sind zeitweilig bezüglich der Zusammenarbeit mit dem ursprünglichen IT-Partner aufgekommen. Im Zuge der notwendigen Anpassungsprozesse wurde offenbar, dass die Unternehmenskulturen von MGM und dem weltweit tätigen Anbieter nicht zusammen passten. Dieser konnte sich auf die spezifischen Bedürfnisse eines KMU nur unvollkommen einstellen. Aus Sicht der MGM waren zu viele Modul-Spezialisten involviert. Ein KMU kann es sich aber weder zeitlich noch finanziell leisten, seine Anliegen mit vielen unterschiedlichen Spezialisten zu klären. Es war somit nicht möglich, über ein Problem schnell und breit zu sprechen und dieses dynamisch zu lösen. Der erste Partnerwechsel, der durch den Rückzug des Anbieters bedingt war, führte auch nicht zu einer wirklich befriedigenden Situation. Mit dem Übergang der Betreuung auf atlantis hat sich die Lage verbessert. Da diese Firma auf die Betreuung von Kleinkunden spezialisiert ist, entspricht die MGM deren Kundenprofil offenbar viel besser. Seitens der MGM werden der leichte Zugang, die Flexibilität, die schnelle Umsetzung von Anforderungen und die günstige Preisstruktur positiv hervorgehoben.

Zielerreichung und bewirkte Veränderungen
Die mit der Einführung der ERP-Software angestrebten Ziele wurden erreicht, auch wenn sich manche Hoffnungen auf eine schnelle, problemlose Einführung nicht erfüllt haben. Tatsächlich konnte die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der wesentlichen operativen Prozesse hergestellt werden. Dies hat dazu beigetragen, den administrativen Aufwand bei der Durchführung der operativen Geschäftsprozesse zu begrenzen und somit ein organisches Wachstum zu ermöglichen.

Investitionen, Rentabilität und Kennzahlen
In den ersten Jahren war das System noch nicht so ausgereift und der Partner nicht der ideale. Die Lösung hat sehr viel gekostet, vor allem auch Zeit. Der mit Einführung, Betrieb und Änderungsbedarf anfallende Kostenblock war überproportional. Mit dem neuen Partner geht die Rechnung auch in finanzieller Hinsicht langsam auf. Die vier Lizenzen, mit denen MGM heute arbeitet, wurden am Ende eines Leasingvertrages erworben. Der laufende Betrieb der ASP-Lösung verursacht direkte Kosten in der Grössenordnung von 40'000.- CHF pro Jahr. In diesem Betrag sind auch punktuelle Anpassungen und Optimierungen bestehender und die Implementierung neuer Geschäftsprozesse enthalten. Auch die Netzanbindung ist mittlerweile sehr viel günstiger. Früher musste MGM für die VPN-Verbindung 1'000.- CHF pro Monat bezahlen und es handelte sich um eine sehr langsame Leitung. Mit der aktuellen Internetanbindung ist der 15-fache Durchsatz zu einem Viertel des Preises möglich. Diese Einsparungen resultieren vor allem aus der Preisentwicklung bei Breitbandanbindungen an das Internet.


6. Erfolgsfaktoren

Spezialitäten der Lösung
Bei der hier im Vordergrund stehenden ERP-Lösung handelt es sich um eine konfigurierbare Standardsoftware von SAP, die weltweit bekannt und verbreitet ist. Die Besonderheit besteht zum einen darin, dass diese im Umfeld eines ausgesprochenen Kleinunternehmens realisiert wurde und zum anderen, dass sie im ASP-Modell betrieben wird. Beim ASP-Ansatz wird idealtypisch unterstellt, dass alle Nutzer auf der gleichen Systemkonfiguration arbeiten. Der IT-Partner atlantis hat eine Vorgehensweise entwickelt, mit der die Standardvorgaben mit sinnvollem Aufwand in Teilbereichen modifiziert und auf die spezifischen Bedürfnisse des Kunden angepasst werden können. Somit ist die realisierte Lösung irgendwo zwischen einem reinen ASP-Ansatz und einer kundenindividuell konfigurierten Standardlösung einzuordnen. Dadurch wird ein gewisses Mass an Flexibilität möglich, die für KMU mit ihren spezifischen Anforderungen entscheidend sein kann, ohne die grundsätzlichen Vorteile einer kostengünstig zu realisierenden Lösung ganz Preis zu geben.

Reflexion der „Prozessexzellenz“
Das Thema der Verbesserung von Prozessen zieht sich wie ein roter Faden durch die Fallstudie. Es schlägt sich nieder in Begriffen wie Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Die Beherrschung von Prozessen und ihre Dokumentation werden als ein wesentliches Element der täglichen Arbeit deutlich. Die IT-Lösung ist ein wichtiges Werkzeug, um dies zu erreichen. Sie erlaubt es, auf standardisierte Geschäftsprozesse und ein umfassendes Prozess-Know-how zurückzugreifen, wie sie im Rahmen der SAP-Systemwelt zur Verfügung stehen. Die Automatisierung von Buchhaltungs- und Controllingprozessen im Zuge der Abwicklung der Geschäftsprozesse entlastet die Mitarbeitenden von administrativer Arbeit und erlaubt ihnen, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren.

Lessons Learned
Die Tatsache, dass ein Unternehmen klein ist, muss nicht notwendigerweise bedeuten, dass seine Geschäftsprozesse simpel sind. Auch Kleinunternehmen haben unter Umständen komplexe Anforderungen an ihre Geschäftsprozesse, deren angemessene Unterstützung eine leistungsfähige Software erfordert. Diese Anforderungen können aus der Komplexität des Umfeldes herrühren. In diesem Fall sind dies das breit gefächerte Geschäftsportfolio sowie komplexe Regulatorien, wie sie im Lebensmittelbereich und im Importgeschäft, speziell in der Schweiz, herrschen. Auch werden vom Markt immer öfter dieselben hohen Anforderungen an KMU gestellt, wie sie bei Grossunternehmen üblich sind.

Kleinunternehmen sind grundsätzlich in der Lage, komplexe IT-Lösungen einzuführen und sie entsprechend ihren Bedürfnissen angemessen zu nutzen. Dies gilt auch für die ERP-Anwendung von SAP, die im Markt den Ruf einer aufwändig und schwer zu implementierenden Lösung hat. Das Konzept des ASP ist dabei von grosser Bedeutung. Das ASP-Modell sollte so ausgelegt sein, dass im Grundsatz vordefinierte Geschäftsprozesse übernommen werden können und somit eine schnelle und kostengünstige Implementierung sichergestellt werden kann. Dabei soll das System aber so offen sein, dass sich punktuelle und kundenspezifische Anpassungen der Prozesse rasch und einfach realisieren lassen. Nur damit kann den spezifischen Anforderungen eines KMUs Rechnung getragen werden.

Der Auswahl des IT-Partners ist grosse Beachtung zu schenken. Dabei sollte nicht nur die eigentliche Sachkompetenz zählen, sondern auch die Frage gestellt werden, ob die Unternehmenskultur des IT-Partners zum eigenen Unternehmen passt. Ein IT-Partner, der vor allem auf Projekte mit Grosskunden ausgerichtet ist, kann für ein KMU problematisch sein. Der Fall zeigt, dass es unter Umständen besser ist, bei einem eher kleineren IT-Partner ein A-Kunde zu sein, als bei einem grossen und renommierten Unternehmen ein C-Kunde. Dabei ist es im vorliegenden Fall jedoch müssig darüber zu spekulieren, wie das Projekt verlaufen wäre, wenn man von Anbeginn mit dem passenden IT-Partner gearbeitet hätte. Dazumal hatte es nur diese eine Option gegeben und die Entwicklung des Unternehmens wäre ohne diese Lösung trotz aller Probleme so nicht möglich gewesen.


Owner/s of the solution

MGM-Group Corporation
Matti Weinberg, CEO
Industry: Wholesale & retail trade
Company size: Very small enterpriseMGM-Group Corporation

Solution partner/s

Thomas Steinmann, Projektleiter und Mitglied der Geschäftsleitung
atlantis it-solutions GmbH

Case study author/s

Thomas Myrach
Universität Bern

23. August 2006
Myrach; Thomas (2006): Fallstudie MGM Group Corporation; in: Wölfle; Ralf; Schubert; Petra (Hrsg.): Prozessexzellenz mit Business Software; S. 247 - 260; München; Wien: Hanser Verlag; 2006
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
2015
mgm-atlantis
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/2015-mgm-atlantis
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