Musik Hug: Standortübergreifende Musikalienvertriebsunterstützung

15. August 2007



Die Musik Hug Gruppe hat mit einer geschickten Erweiterung ihrer Informatiklösung im Geschäftsbereich Musikalien die Auskunfts- und Lieferbereitschaft sowie den Lagerumschlag erhöht. Der Musikalienbestand befindet sich einerseits in einem zentralen Lager in Bülach und anderseits vor Ort in den Verkaufsräumlichkeiten der einzelnen Filialen. Durch die informatikbasierte Abbildung eines virtuellen Lagers, welches standortübergreifend die Sicht auf den aktuellen Gesamtbestand (Zentral- und Filiallager) ermöglicht, können die privaten Kunden sowohl in den Filialen als auch auf dem Webshop einfacher und schneller zu den gewünschten Musiknoten gelangen. Die Musikaliendatenbank der Musik Hug Gruppe wird zudem auch von Musikalien-Händlern in der Schweiz und weltweit als Referenzdatenbank für die Suche nach und die Bestellung von Musikalien genutzt.


1. Das Unternehmen

Im Jahre 1807 engagierten sich der Pfarrer Jakob Christoph Hug und sein Bruder Caspar zur Absicherung gewährter Darlehen in der Geschäftsleitung der Musikalienhandlung Hans Georg Nägeli & Comp. in Zürich, die 1817 unter der Bezeichnung Gebrüder Hug weitergeführt wurde. Zum 200-Jahr-Jubiläum findet sich unter dem Dach der Gruppe Musik Hug eine Reihe von Unternehmungen, die im Laufe der Zeit durch Akquisition hinzugekommen sind. Die letzte Übernahme betraf das Musikhaus Jecklin gegen Ende des Jahres 2003.

Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe
Die Gruppe ist heute im Instrumenten-, Tonträger-, High-End HiFi- und Musikalienhandel auf Gross- und Detailhandelsstufe sowie im Musikverlagsgeschäft tätig. Der Umsatz beläuft sich auf rund 90 Mio. CHF. Die Filialen finden sich schweizweit mit einem Schwergewicht im östlichen Mittelland um den Grossraum Zürich. Aufgerechnet auf Vollzeitstellen sind gegen 325 Mitarbeitende für die Gruppe tätig (in den Filialen ergeben sich typischerweise viele Teilzeitbeschäftigungen). Bemerkenswert ist die Pflege des Nachwuchses mit rund 60 Auszubildenden. Die Geschäftstätigkeit erfordert es, dass sich darunter immer zwischen 15-20 Klavier- bzw. Instrumentenbauer-Lernende finden. Den Rest bilden vor allem Detailhandelsverkaufs- (35-40) und einige kaufmännisch Lernende.

Im Geschäftsbereich Musikalien liegen die Zielgruppen in den unabhängigen Musikalienhändlern (mit einem Fokus auf die Schweiz, aber auch einem weltweiten Geschäftskundenstamm) und im Privatkundensegment, welches aktiv Instrumente spielt und Notenblätter nachfragt. Über den Filialverkauf liegt auch hier der Schwerpunkt in der Schweiz, über den Webshop ergeben sich aber auch Verkäufe an Privatkunden auf der ganzen Welt.

Unternehmensvision
„Musik zu den Leuten!“ Mit dieser Losung ist die Mission der Unternehmensgruppe trefflich umschrieben. Neben den kommerziellen Zielsetzungen, die aus den betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen abgeleitet sind, umfasst dies seit der Gründung des Familienunternehmens auch eine stark kulturell orientierte Grundhaltung für die Sparte Musik. Dies zeigt sich auch in nebengelagerten Aktivitäten wie der Stiftung „Kind und Musik“, die das Unternehmen anlässlich seines 175-Jahr-Jubiläums errichtete. Dass bei der Aufgabe, die Musik den Leuten näherzubringen, jeweils auch auf zweckdienliche aktuelle Technologien gesetzt wird, kann hier in der Folge auch am Beispiel des Geschäftsbereichs Musikalien (einem stark traditionsbehafteten Wertschöpfungssystem mit einer Vielzahl an traditionsreichen und teilweise auch traditionsverhafteten Marktpartnern) exemplarisch dargelegt werden.

Stellenwert von Informatik und E-Business
Über alle Geschäftsbereiche hinweg gesehen, ist die Bedeutung eines umfassenden IT-Einsatzes zurzeit noch relativ gering. Im Instrumentenhandel gibt es weiterhin Karteikarten und ähnliche Hilfsmittel. Die einzelnen Produkte (also im Grunde jedes hochwertige Exemplar eines Instrumentes) haben oft einen sehr ausgeprägten Einzelstückcharakter. Trotzdem soll in naher Zukunft ein Warenwirtschaftssystem eingeführt werden, das auf diese besonderen Umständen angepasst ist. Ganz anders verhält es sich bei Tonträgern und Musikalien, wo die Geschäftsabwicklung ohne intensive IT-Unterstützung kaum mehr vorstellbar ist. Für das Musikaliengeschäft, auf das sich die folgenden Ausführungen konzentrieren, gilt deshalb Folgendes:


Musik Hug möchte die weltweit führende Datenbank für Musikalien zur Verfügung stellen, die auch für jedes einzelne Instrument (und sei es noch so selten) die Erschliessung von Musiknoten ermöglicht. Zu diesem umfassenden Bestand gehören auch Partituren, Arrangements und dergleichen mehr. Der weltweite Zugriff soll für Geschäfts- und Privatkunden webgestützt möglich sein.




Hier spielt Hug weltweit eine Vorreiterrolle mit der informatikgestützten, höchsten Präzision bei der Suche nach bestimmten Titeln. Notwendige Bausteine dazu sind beispielsweise umfangreiche Thesauri mit der Einpflege von Instrumentenabkürzungen in jeder Sprache. Der Webshop ist in den Sprachen Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch verfügbar und bietet auch für Privatkunden erweiterte Suchfunktionen mit hohem Detaillierungsgrad. Aus den Logdateien ist ersichtlich, dass die Musikaliendatenbank weltweit zu Nachschlagezwecken verwendet wird, nicht zuletzt auch von anderen Musikalien-Händlern.
Im Übrigen sollten auch alle Tagesgeschäftsfunktionen bei der Beratung und der Suche nach Musikalien in den Filialen im Zuge der Ablösung der ehemaligen proprietären Anwendungen über eine einheitliche Weboberfläche abgewickelt werden.


2. Der Auslöser des Projekts

Hauptauslöser war die Einsicht in die Notwendigkeit der Ablösung der branchentypischen „Karteikasten- und Zettelwirtschaft“ durch eine geeignete Abbildung mit Hilfe von Informatikmitteln. Dies sollte klare Fortschritte hinsichtlich der Informationsintegrität, der Kontroll- und Steuerungsparameter bei den Geschäftsprozessen und der Auskunftsbereitschaft und damit der Verkaufsproduktivität des Personals bringen. Letztendlich schuf die Summe an Qualitätsverbesserungen bei der Leistungserstellung auch die Voraussetzung, um ein für den Kunden erkennbar höheres Nutzenniveau erreichen zu können.

[Partnerwahl] Anlässlich der Orbit 1992 gab Musik Hug verschiedenen Anbietern von ERP-Systemen ein Pflichtenheft für ein Warenwirtschaftssystem ab, das aufgrund seiner branchentypischen und in den einzelnen Geschäftsfeldern unterschiedlichen Mengen und Häufigkeiten als anspruchsvoll galt. Der folgende Ausschnitt aus den Basiswerten dient der Illustration der umfangreichen Anforderungen: Weltweit wird der Gesamtbestand an Noten auf rund 1.2 Mio. Notenhefte geschätzt. Bereits ein Viertel davon ist bei Musik Hug auf der Datenbank über Artikel-Query-Funktionen erschliess- und bestellbar. Dies entspricht über 90 % der in der Schweiz nachgefragten Notenhefte. Gefordert war eine akkurate Abbildung der Preisschemen auf den Musikalien-Artikelstamm, dessen Skalierungsmöglichkeit von den damaligen 120'000 Artikeln auf heute deutlich über 300'000 Artikel gewährleistet sein musste. Im Grosshandelsgeschäft wurde eine Auftragsbearbeitungsmöglichkeit gefordert, die auch Händler-Bestellungen im Umfang von mehreren hundert Positionen pro Tag handhaben kann.

Daneben waren andere Geschäftsbereiche wie der Instrumentalhandel (im Gegensatz zum Massengeschäft stehen hier typischerweise Individualartikel und Einzelstücke mit Seriennummernbewirtschaftung im Vordergrund) und das gruppeneigene Verlagsgeschäft (Produzentenrolle) ebenfalls durch diese integrierte Lösung abzudecken. Nach einem intensiven Auswahlprozess fiel die Wahl auf Opacc.

Ausgangslage und Anstoss für das Projekt
Auch ein Marktführer kann sich dem Marktdruck und den Marktstrukturänderungen nicht entziehen. In der Händlerrolle besteht fortlaufend die Gefahr einer teilweisen oder gänzlichen Disintermediation durch das Aufkommen einer stärkeren Nutzung von elektronischen Plattformen, wovon auch das Musikaliengeschäft betroffen werden könnte. Die Notenblätter „für Elise" liegen mit einer simplen Volltextsuche bei einer weltweit führenden Suchmaschine drei Clicks entfernt zum Herunterladen bereit. Im Musikalienbereich ist bereits Vieles – wenn oft auch rudimentär – frei über das Internet verfügbar. Entsprechend verschärfen sich die Anforderungen an einen kommerziell auf diesem Gebiet handelnden Akteur. Differenzierung gegenüber den Konkurrenzangeboten und das Erarbeiten von Mehrwerten für den Kunden sind für den Fortbestand einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit ausschlaggebend.
Dass Notenhefte für Piccolos eher im Grossraum Basel als in La Chaux-de-Fonds und Hackbrettliteratur eher in der Gegend von St. Gallen und Appenzell als in Lausanne nachgefragt werden, ist einsichtig. Eine Kundensegmentierung aufgrund der Instrumentierung ist teilweise möglich und wird bei ausgewählten Segmenten auch durchgeführt. Dies gibt der jeweiligen Standortfiliale die Möglichkeit, sich zu spezialisieren und damit vor Ort eine höhere Kompetenz (Sortimentsbreite und –tiefe, Auskunftsbereitschaft, Lieferbereitschaft) aufzubauen. Diese spezialisierte Leistungserstellung wird zum Konkurrenzvorteil, wenn die Kunden eine Nutzensteigerung durch die verbesserte Bedürfnisabdeckung wahrnehmen.
Mit der Einführung der standortübergreifenden Warenbewirtschaftung wurden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die regional ausgerichteten tiefen Sortimente (Blasmusik, Piccolo, Schwyzerörgeli) sind durch die Zusammenlegung in das virtuelle Lager als regionale Schwerpunkte schweizweit abrufbar. Damit wird bis zu einem gewissen Grad auch die beschriebene spezialisierte Filialkompetenz im Bedarfsfall der gesamten Verkaufsorganisation zugänglich und für die Vermarktung nutzbar. Die spezialisierte und kundenorientierte (weil nachfragegetriebene) Sortimentspflege erhöht den Gesamtwert der Musikaliendatenbank der Hug Gruppe.

Vorstellung der Geschäftspartner
Opacc als Anbieter der Business Software und Implementierungspartner
Die 1988 gegründete Opacc Software AG aus Kriens bei Luzern ist Entwicklerin der Standard-ERP-Software OpaccOne. Diese Softwareumgebung wird bei Musik Hug für die Abwicklung der zentralen Warenbeschaffung und verteilung, die standortübergreifenden Prozesse und als E-Shop eingesetzt. Musik Hug hat OpaccOne und Vorläufer davon bereits seit 1993 im Einsatz. Auf Basis der von Opacc implementierten und in Betrieb stehenden ERP-Software für die Musikalien entstand gemeinsam mit dem Kunden Musik Hug das Konzept für erweiterte E Business-Anwendungen mit der anschliessenden Realisierung der entsprechenden Lösung durch Opacc.


3. Filialübergreifende Auskunfts- und Lieferbereitschaft

Geschäftssicht und Ziele
Die Musik Hug Gruppe spielt im Bereich Musikalien auf der ganzen Klaviatur der Geschäftsmodelle, indem sie gleichzeitig ein Musikverlagsunternehmen (Produzentenrolle), ein Grosshandelsunternehmen (Grossistenrolle unter dem neutralen Namen Musica Viva AG) und ein Detailhandelsunternehmen (Detailhändlerrolle mit Filialketten sowohl unter den Marken Musik Hug als auch Jecklin) betreibt (vgl. Abb. 1). Es gilt also, sorgfältig auf die Vermeidung von Konflikten in den Absatzkanälen zu achten. Dies betrifft vor allem die übrigen, von der Hug Gruppe unabhängigen, Musikalienhändler in der Schweiz, die oft eine starke lokal-regionale Verwurzelung und Ausstrahlung haben (wie beispielsweise das Musikhaus Krompholz in Bern).

Abb. 1: Produzenten-, Grosshandels- und Detailhandelsrolle der Musik Hug Gruppe


Abb. 1: Produzenten-, Grosshandels- und Detailhandelsrolle der Musik Hug Gruppe

Dem marktpsychologischen Umstand, dass man nicht gerne „beim Konkurrenten bestellt“, wird durch eine unverfängliche Bezeichnung des Grossistengeschäfts (Musica Viva AG) begegnet. Diese Sorgfalt lässt man auch gruppenintern walten. So erhalten allfällige Postlieferungen aus einer Musik Hug-Filiale an einen Jecklin-Kunden auf allen Briefschaften und Adressklebern direkt angedruckte Elemente des Jecklin-Corporate-Designs (Logos, Schriftbilder, Adressen).

Kernstück der Ablauforganisation im Filialverkauf von Musikalien ist der Abfrageprozess für vom Kunden verlangte, in der jeweiligen Filiale aber nicht vorhandene Notenblätter. Das Verkaufspersonal kann nun durch die Sicht auf das „virtuelle“ Lager (unter Einbezug aller Filialen und dem Zentrallager) dem Kunden direkt eine umgehende Auslieferung nach Hause anbieten, indem es eine Freigabeanfrage per E-Mail aufgibt oder eine Nachbestellung einleitet. Auch ein Privat-Kunde, der über den Webshop zugreift, hat die Sicht auf den ganzen „virtuellen“ Lagerbestand mit einer Verfügbarkeitsanzeige und entsprechender Bestellmöglichkeit.

Prozesssicht
[Lagermanagement] Aus Sicht der Prozesse im Musikalienhandel ist hier der abgestufte Vorgang von Interesse, der auf Basis der IT-Infrastruktur letztendlich zur Herausbildung des standortübergreifenden „virtuellen Lagers“ führt (vgl. Abb. 2). Ist ein vom Kunden gewünschter Artikel in der betreffenden Filiale nicht vorrätig, erfolgt eine Suchanfrage über alle Filialen, wobei diejenige Filiale, die den gewünschten Artikel am längsten am Lager hatte, per E-Mail um eine Freigabe für den Versand an den Kunden angefragt wird. Innerhalb einer Frist, welche vom Anfragezeitpunkt bis 17:00 Uhr des folgenden Werktages dauert, kann diese Anfrage angenommen oder abgelehnt werden (verstreicht die Frist, wird dies vom System wie eine Ablehnung behandelt). Bei Annahme versendet die Filiale mit dem vorrätigen Artikel die Bestellung direkt an die vom Kunden angegebene Adresse, wobei durch eine ausgeklügelte Druckersteuerung alle Informationen auf den beigelegten Briefschaften mit den Logos, Vermerken und Hinweisen der ursprünglich vom Kunden aufgesuchten Filiale versehen werden. Für den Kunden erscheint die bestellte Ware wie von seiner "Stamm"-Filiale ausgeliefert.

Abb. 2: Musikalienerschliessungs- und Bestellprozesse in der Musik Hug Gruppe


Abb. 2: Musikalienerschliessungs- und Bestellprozesse in der Musik Hug Gruppe

Auf der Beschaffungsseite wird im Zentrallager Bülach werktäglich um 13:00 Uhr systemgestützt ein automatisierter Bestellvorschlag aufbereitet, der alle bis dahin eingegangenen Bestellungen, die nicht ab Lager bedient werden können, umfasst. In der Zeitspanne zwischen 13:00 Uhr und 14:00 Uhr besteht für den disponierenden Einkaufssachbearbeiter die Möglichkeit, manuell in den erstellten Bestellvorschlag einzugreifen. Das System arbeitet den Bestellvorschlag um 14:00 Uhr ab, indem die entsprechenden Bestellung an die jeweiligen Musikverlage systemgestützt entweder über einen automatisierten E-Mail-Versand (und angehängter PDF-Datei mit den Bestellungen), systemgenerierte Fax-Schreiben oder (bei immer noch zwei Verlagen) mittels systemgestützt ausgedruckten Bestellschreiben mit anschliessendem Briefversand erfolgt.

Anwendungssicht
Abb. 3 zeigt die Anwendungssicht für die Musik Hug Gruppe. Die spezifische Bedienung der verschiedenen Kundengruppen erfolgt über unterschiedliche Zugangsadressen. Für die Geschäftskunden bietet das Portal musicaviva.ch mit einem Login den Zugang zum Musik-Hug-Händler-Extranet, das dann händlerindividuell die Bestellungen mit den jeweiligen Rabattstrukturen verknüpft und darstellt. Die Händler erhalten im Sinne eines Management-Informationssystems auch ein Set an für sie relevanten statistischen Daten. Die privaten Kunden greifen über die ihnen bekannten Marken (musikhug.ch; jecklin.ch) auf den Webshop mit der Musikaliendatenbank zu.
Gruppenintern sind PC-basierende Terminals im Einsatz, auf denen insyde-Clients (DOS-Applikationen) und OpaccOne-Clients (Windows-Applikationen) installiert sind. Citrix Metaframe ist auf den gruppeninternen PCs ebenfalls vorhanden. Anhand dieser Terminals wird in den Verkaufsräumen auch die Kundenberatung unterstützt, wobei im Bedarfsfall zudem noch auf das Internet zugegriffen werden kann.

Abb. 3: Anwendungsübersicht im Musikalienvertrieb der Musik Hug Gruppe


Abb. 3: Anwendungsübersicht im Musikalienvertrieb der Musik Hug Gruppe


Technische Sicht
Die Musik Hug Gruppe hat ihren gruppeninternen Informationsfluss zwischen dem Zentrallager in Bülach und den verschiedenen Filialen über eine VPN-Logik organisiert. Opacc spielt in dieser Auslegeordnung die Rolle eines Hosting-Service-Anbieters [Application Service Providing] und bedient mit ihren Serverfarmen die Schnittstelle zur Geschäfts- und Privatkundenwelt von Musik Hug: Die Kunden greifen über das Internet auf den Webserver mit dem Musikalienangebot zu.

Wie in Abb. 4 skizziert, werden im Zentrallager von Musik Hug insgesamt 12 Server betrieben: drei OpaccOne Applikationsserver (4), ein Datenbankserver (5) und acht Metaframe Server (6). Alle Server laufen auf dem Betriebssystem Windows. Auf dem Metaframe Server läuft sowohl die Middleware Citrix Metaframe 1.8 als auch der OpaccOne Client.

Abb. 4: Standortübergreifende Systemlandschaft bei Musik Hug



Abb. 4: Standortübergreifende Systemlandschaft bei Musik Hug

Tab. 1 zeigt Spezifikationsmerkmale der wichtigsten Systemkomponenten im Hosting Center in Kriens.
Tab. 1: Spezifikationen und Merkmale

Tab. 1: Spezifikationen und Merkmale


4. Projektablauf und Betrieb

Investitionsentscheidung
Hauptziel des Projektes des „virtualisierten, standortübergreifenden Lagers“ war die Gewährleistung einer höheren Lagerverfügbarkeit. Deshalb stand eine detaillierte Berechnung von Plankennzahlen (wie etwa eine ROI-Projektion) nicht im Vordergrund. Aufgrund einer Projekteingabe mit der Darstellung der Kosten und des erwarteten Nutzens kam es im April 2004 zur Budgetfreigabe mit einem Investitionsrahmen für mehrere Jahre. Die Arbeitsaufnahme erfolgte im direkt im Anschluss daran.

Projektmanagement und Changemanagement
Für die Projektrealisierung wurde aufgrund von Erfahrung aus Vorprojekten ein Projektleiter auf Seiten von Opacc bestimmt. Eine erste Planung sah bereits Schulungen des Personals für die Einführung der neuen Lösung im Jahre 2005 vor. Kapazitätsengpässe, die von einem parallelen Projekt im Geschäftsbereich Tonträger herrührten, erforderten eine zeitliche Aufschiebung. Quasi „hinter den Kulissen“ wurde gleichzeitig an den nötigen Voraussetzungen für die standortunabhängige Auslieferungsabwicklung gearbeitet: Erforderlich war eine komplexe Entscheidungstabelle für die Druckersteuerung (Direktdruck von Logos und Informationen der „bestellenden“ Filiale auf den Briefschaften durch alle betroffenen Drucker an allen Standorten) und die Handhabung von Verrechnungen zwischen „bestellender“ und „ausliefernder“ Filiale. Wichtig war hierbei der Grundsatz, dass die Gruppengesellschaften der Musik Hug Gruppe alle gegenseitigen Rechnungen verbuchen und bezahlen. Es gibt kein laufendes Saldieren von Forderungen und Verbindlichkeiten.

Entstehung und Roll-out der Softwarelösung
Im Jahre 1995 wurde die informatikunterstützte Warenwirtschaft bei den Musikalien standortbezogen in den einzelnen Filialen eingeführt. Darauf folgte 2001 die Ergänzung mit der zentralen Warenwirtschaft für die Musikalien in Bülach und die Einführung entsprechender Terminalzugriffe in den Filialen für die Sicht auf das Zentrallager. Im Mai 2004 konnte die Arbeit im hier betrachteten Projekt mit der standortübergreifenden Gesamtsicht auf das virtuelle Lager (Zentrallager- und Filiallagerbestand) und der gegenseitigen Anfrage- und Lagerbestandsfreigabeprozedur zwischen den Filialen aufgenommen werden. Ab Oktober 2006 wurde die erste Filiale mit dieser Gesamtsicht aufgeschaltet. Ab diesem Zeitpunkt waren also erstmals über das Zentrallager (MusicaViva) hinausgehende Abfragen möglich. Bis Ende April 2007 wurden Zug um Zug weitere Zusammenschlüsse gemacht und die letzten Filialen aufgeschaltet.

Laufender Unterhalt
Die Erweiterungen im vorliegenden Projekt konnten auf die bestehende IT-Infrastruktur aufgesetzt werden. Insofern ergaben sich zu den bereits etablierten Unterhaltsprozessen keine wesentlichen Änderungen. Alle Prozesse, die mit dem Zugriff über einen Browser zusammenhängen (also von Dritten kommen) werden von Opacc (in ihrem Hosting Center) abgehandelt und bei Erweiterung der Anforderung auch weiterentwickelt. Die IT-Abteilung der Musik Hug Gruppe kümmert sich um Betrieb und Unterhalt desjenigen Teils der IT-Infrastruktur, der die „internen“ Terminals (OpaccOne- und insyde-Clients) umfasst. An der Schnittstellte zwischen der physischen Welt und deren Informatik-Abbildung davon erhöhte sich aber die Anforderung an die Genauigkeit der Lagerbestandsinformationen. Differenzen zwischen dem effektiven physischen Bestand und der in der Datenbank verzeichneten Bestände können gerade in Bereichen, bei denen der Kunde selbst Zugriff auf die Artikel hat (also im Verkaufsraum der jeweiligen Filiale) nie ganz ausgeschlossen werden (beispielsweise infolge von Ladendiebstahl). Das Verkaufspersonal muss diesem Umstand vermehrt Rechnung tragen, indem der physische Bestand in den Filialen auf (durch unachtsame Kunden verursachte) Falschsortierungen überprüft und mittels händischem Eingriff wieder in die gewünschte Bereichsaufteilung mit korrekter Einreihung gebracht werden muss („aufräumen“).


5. Erfahrungen

Nutzerakzeptanz
Die Akzeptanz der neuen Lösung in den einzelnen Filialen ist gut. Die Einführung gestaltete sich unproblematisch. Das Verkaufspersonal erkennt in der verbesserten Sicht auf die Musikalienbestände der gesamten Gruppe zusätzliche Verkaufschancen und nutzt aus diesem Grunde die Möglichkeiten intensiv.

Ganz offensichtlich fällt die erweiterte Sicht auf einen grösseren Bestand an Musikalien auch bei den Webshop Kunden auf fruchtbaren Boden. Dies drückt sich in höheren Umsätzen über diesen Vertriebskanal aus, was hausintern durch die breitere Sortimentsdarstellung verbunden mit einer grösseren Durchdringung an sofort lieferbaren Lagerartikeln erklärt wird.

Zielerreichung und bewirkte Veränderungen
Über alles gesehen, ergibt sich ein hoher Grad an Zielerreichung in diesem schlanken Projekt. Musik Hug stellt seit der Einführung einen erhöhten Lagerumschlag fest. Auch Kunden mit sehr spezifischen Wünschen lassen sich durch die neue „Sicht auf die Dinge“ zum Kauf anregen. Sogar Altware wird jetzt verstärkt gekauft. Die Darstellungsmöglichkeiten des Sortiments konnten durch die Lager-Virtualisierung vergrössert und verbessert werden. Die Einbindung der Filiallager erlaubt nun die direkte Sicht auf einen im Vergleich zum reinen Zentrallager verdoppelten Lagerbestand. Neben den rein quantitativen Aspekten ergaben sich auch positive Veränderungen in der Qualität der Leistungserstellung: Die auf regionale Besonderheiten ausgerichteten Kompetenzzentren mit ihren Spezialisierungsmöglichkeit in den jeweiligen Filialen konnten wie gewünscht realisiert werden und stehen nun bei Bedarf auch allen anderen Filialen der Gruppe mit ihrem differenzierten Angebot zur Verfügung.
Die verbesserte Sortimentspflege durch Spezialisierungsmöglichkeiten im Verbund mit allen Filialen bringt für die Mitarbeitenden nun eine einheitlichere Sicht und damit eine verbesserte Identifikation auf die Gesamtunternehmung der Musik Hug Gruppe. Dies führt auch zu einer erwünschten Ablösung des früher stärker vorhandenen „Filial-Denkens“, das aus Sicht der Gesamtgruppe dem erforderlichen Einklang der strategischen und operativen Massnahmen nicht immer förderlich war.

Investitionen, Rentabilität und Kennzahlen
Die Investition für das Projekt „virtuelles Lager für Musikalien“ im Rahmen des kontinuierlichen Aufbaus der gesamten informatikgestützten Warenwirtschaft in der Musik Hug Gruppe beliefen sich auf 26'000.- CHF für die Einrichtung der standortübergreifenden Warenwirtschaft und 42'000.- CHF für die Bereitstellung der Funktionalitäten zur gegenseitigen Freigabe zwischen den Filialen mit der netzübergreifenden Druckersteuerung für das standortunabhängige filialspezifische Drucken der Rechnungen.

Da die Freischaltung der letzten Filialen erst Ende April 2007 vorgenommen werden konnte, wäre eine Aussage zu allfälligen Umsatzsteigerungen und damit einer Verbesserung der Wettbewerbsposition in einem gesättigten Marktumfeld noch verfrüht. Kanalspezifisch konnten im Webshop Umsatzsteigerungen registriert werden. Alle Zeichen deuten auch auf einen konsolidierten Mehrumsatz über alle Kanäle des Musikalienhandels in der Musik Hug Gruppe hin. Eine endgültige Bestandesaufnahme zu dieser Frage ist aber erst nach Ablauf eines gesamten Geschäftsjahres möglich.


6. Erfolgsfaktoren

Spezialitäten der Lösung
Die neue Lösung zeichnet sich durch ein aufeinander abgestimmtes Set von Verbesserungen in der Leistungserstellung aus, das in seiner Summe zu einem Alleinstellungsmerkmal führt und die starke Marktstellung untermauert. Dazu gehört das kundenorientierte breite und tiefe Sortiment, das mit regionalen Zusätzen angereichert wird. Die filialübergreifende Abfragemöglichkeit erhöht gegenüber dem Kunden die Verfügbarkeit einer grossen Zahl an Musikalien. Diese hohe Verfügbarkeit wiederum führt in der kompakten Ablauforganisation zu einer sehr schnellen Auslieferung an den Kunden. Dies gilt auch bei nicht vorrätigen und deshalb nachbestellten Titeln, die trotzdem im besten Fall bereits am nächsten Tag beim Kunden sind.

Reflexion der „Business Collaboration“
Gerade in einer auf den ersten Blick recht heterogenen Gruppenstruktur sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die zu einer einheitlichen Unternehmenskultur führen. Früher selbständige und renommierte Firmen(-Marken), die im Zuge der Zeit durch Akquisition zur Unternehmensgruppe hinzukamen, müssen über geeignete Massnahmen eingebunden werden. Übergreifende Prozesse, die bisher getrennte Einheiten jetzt wie aus einem Guss erscheinen lassen, zählen dazu. Das vorliegende Beispiel des standortübergreifenden virtuellen Lagers (der früher konkurrierenden Filialketten Jecklin und Musik Hug) zeigt auf, wie ein an sich sachlich gegebener Einsatz von Informatikmitteln auch auf der Ebene der „weichen“ Faktoren Resultate zeitigen kann. Mit einer sich gegenseitig unterstützenden Informations- und Auslieferungshandhabung ergab sich eine Organisationsentwicklung in Richtung einer verbesserten Identifikation der Belegschaft mit dem Gesamtunternehmen, die auf Kundenseite zu einem verwertbaren Mehrwert führt.

Lessons Learned
Für dieses eher schlanke Teilprojekt wurde der zeitliche Aufwand unterschätzt und die Planung der Arbeiten zu optimistisch vorgenommen. Da rund 90 % des geplanten Aufwands beim IT-Partner Opacc und nur rund 10 % beim Auftraggeber lagen, war die Einsatzdisposition des externen Spezialisten der limitierende Faktor. Der Auftraggeber hätte sich im Nachhinein eine bessere Abstützung auf mehrere Köpfe statt der Konzentration auf den Projektleiter des IT-Partners gewünscht. Eine weitere Aufteilung von Arbeiten in der Projektumsetzungsphase wäre letztlich vor allem kostentreibend gewesen.


Owner/s of the solution

Musik Hug AG
René Widmer, IT-Manager
Industry: Wholesale & retail trade
Company size: large-scale enterpriseMusik Hug AG

Solution partner/s

Silvio Garovi, Projektleiter
Opacc Software AG

Case study author/s

Rolf Gasenzer
Berner Fachhochschule

15. August 2007
Gasenzer; Rolf (2007): Fallstudie Musik Hug; in: Wölfle; Ralf; Schubert; Petra (Hrsg.): Business Collaboration Standortübergreifende Prozesse mit Business Software; S. 85 - 98; München: Hanser Verlag; 2007
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
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musikhug-opacc
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/2029-musikhug-opacc
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