Verbesserung des Anfrageprozesses der Brose Fahrzeugtechnik GmbH & Co. KG

01. February 2003



Die Brose Fahrzeugtechnik GmBH & Co. KG liefert Fensterheber, Türschlösser, Türsysteme und Sitzverstellungen an die Automobilindustrie. Sie realisierte einen kooperativen Anfrageprozess mit ihren externen Zulieferern und ihren drei internen in die Beschaffung involvierten Bereiche (Zentraleinkauf, Kundenteameinkäufer und Werkseinkauf). Die Anfragen gehen von den internen Bereichen elektronisch an die potentiellen Lieferanten. Im Gegensatz zu früher besitzen alle internen Bereiche vollständige Transparenz über den Status und den Inhalt der Anfrage bzw. der Angebote. Manuelle Erfassungen konventioneller Angebote entfallen.


1. Unternehmen

Die Brose GmbH und Co. KG mit Sitz in Coburg ist ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie mit den Geschäftsbereichen Fensterheber, Türschlösser, Türsysteme und Sitzverstellungen. Der in diesen Geschäftsbereichen welt- bzw. europaweite Marktführer hat Tochterunternehmen und Zweigniederlassungen in 17 Ländern.

Brose Fahrzeugtechnik GmbH & Co. KG
Gründung 1919 als Metallwerk Max Brose und Co.
Firmensitz Coburg
Branche Automobilzulieferindustrie
Geschäftsfelder
  • Fensterheber
  • Türsysteme
  • Sitzverstellungen
  • Schliesssysteme (per 01.11.2002 von Bosch gekauft)
Firmenstruktur Gegliedert in 3 (neu 4 Geschäftsfelder) mit weltweit 17 Produktions-, Entwicklungs.- und Vertriebsgesellschaften und 3 Lizenznehmern
Homepage www.brose.de
Umsatz 2001: 1'450 Mio. Euro (+3,6 %)
Marktanteil
  • Fensterheber :20% Welt, 55% Europa (Marktführer weltweit)
  • Türsysteme: 41% Welt, 38% Europa
  • Sitzverstellungen:44% Europa (Marktführer Europa
Mitarbeiter 2001: 4'476 (+0,1%)
Kunden Alfa Romeo, Audi, Bertone, BMW, Citroën, DaimerCrysler, ECA, Faurecia, Fiat, Ford, General Motors , Honda, Jaguar, Johnson Controls, Karmann, Keiper, Lancia, Land Rover, Lear, Matra, MCC, Mitsubishi, Opel, Peugeot, Pininfarina, Porsche, Renault, Rover, Saab, Scania, SEAT, Skoda, Toyota, Vauxhall, Volvo, VW
Kooperationsprozess(e) Customer Life Cycle
Subprozess(e) Anfrageprozess (Request for Quotation)
Softwarelösung mySAP PLM (C-Folder, Dokumentenmanagement)


Abbildung 1: Kurzportrait der Brose Fahrzeugtechnik GmbH & Co. KG

Herausforderungen im Wettbewerb
Die Automobilindustrie hat einen hohen Kostendruck und hohe Flexibilitätsanforderungen, die sie an die Zulieferer weitergibt. Wirtschaftlichkeit, Schnelligkeit und Unabhängigkeit sind für Automobilzulieferer deshalb wesentliche Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg in diesem Umfeld. Brose strebt die Marktführerschaft in allen Geschäftsbereichen an. Dazu soll das Geschäftsvolumen jährlich um 10% gesteigert werden.


Der Einkauf hat wesentlichen Einfluss auf die Erreichung dieser Ziele, da die Materialkosten etwa 68% der Produktkosten ausmachen. Brose kauft unter anderem Spritzgussteile, Stanzteile, Motoren und Elektriken ein. Der Zentraleinkauf koordiniert die Beschaffung von Produktionsmaterial und Rohstoffen. Die zentralen Einkaufsfunktionen für Elektronikbauteile nimmt aus technischen Gründen der Bereich "Zentrale Elektronik" wahr.


Brose platziert jährlich etwa 2000 Anfragen. Die Lieferanten für Produktionsmaterialien werden üblicherweise für ganze (Automobil-)Serien ausgewählt und liefern ihre Produkte über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Daraus ergibt sich die hohe Bedeutung von Qualität und Liefertreue bei der Lieferantenauswahl. Nicht zuletzt deshalb reduziert Brose die Lieferantenanzahl von 350 weltweit tätigen Zulieferern auf etwa 150 "bewährte" Serienlieferanten.

Abbildung 2: Anfrageprozess und Lieferantenauswahl bei Brose


Abbildung 2: Anfrageprozess und Lieferantenauswahl bei Brose



Die Verantwortung für den Einkaufsprozess nehmen, bedingt durch die globale Struktur des Unternehmens, verschiedene Bereiche mit unterschiedlichen Zielen gemeinsam wahr (s. Abbildung 2):

  • Die Geschäftsbereiche sind in Kundenteams organisiert, die alle Projekte mit einem Automobilhersteller bearbeiten. Die Einkäufer der Kundenteams sind für den projektbezogenen Einkauf von Materialien verantwortlich. Der Fokus ihrer Tätigkeit liegt in der Umsetzung der Kundenvorgaben.
  • Der Werkseinkauf in den weltweit verteilten Produktionswerken ist für den Werksbedarf zuständig. In seinem Interesse liegt die Einbindung regionaler Lieferanten.
  • Der Zentraleinkauf koordiniert den Einkauf für Materialgruppen über die einzelnen Projekte hinaus und ist für das Lieferantenmanagement zuständig. Zu seinen Aufgaben gehört es, neue Lieferanten zu erschliessen und das Potential bestehender Lieferanten weiterzuentwickeln.

2. Ausgangssituation

Strategie
Brose stellte projektbezogene Anfragen an die einzelnen Lieferanten. Zentraleinkauf und Werkseinkauf brachten ihre Ziele und Interessen in die gemeinsame Auswahlentscheidung ein.

Abbildung 3: Kurzcharakteristik

Abbildung 3: Kurzcharakteristik


Prozess
Der Kundenteam-Einkäufer startete den Anfrageprozess per e-Mail mit den entsprechenden Unterlagen an mögliche Lieferanten. Dabei stand ihm eine "Inquiry-Liste" des Zentraleinkaufs zur Verfügung, die etwa 150 "bewährte" Brose-Lieferanten enthielt. Er informierte die Verantwortlichen aus Werkseinkauf und Zentraleinkauf per Mail und bekam dann gegebenenfalls weitere Kandidaten für den Anfrageprozess vorgeschlagen. Die Lieferanten erhielten die Anfrage per e-Mail. Nach Eingang der Angebote erstellte der Kundenteam-Einkäufer manuell einen Angebotsspiegel in Microsoft EXCEL, der als Grundlage für die Lieferantenauswahl diente. Vor der Entscheidungssitzung stimmten sich die Einkäufer aus dem Kundenteam, dem Werk und der Zentrale ab. Ergaben sich dabei neue Sachverhalte (z.B. zusätzliche Aufnahme von neuen Lieferanten in den Anfrageprozess, geänderte technische Rahmenbedingungen, Notwendigkeit von Nachverhandlungen etc.), wurde der Anfrageprozess in Schleifen wiederholt. Die Lieferantenauswahl fiel in Entscheidungssitzungen unter Beteiligung von Werkseinkauf und Zentraleinkauf und der Leitung des Zentraleinkaufes. Der Anfrageprozess dauerte je nach Komplexität der Anfrage zwischen sechs Wochen und sechs Monaten.


Systeme
Brose kommunizierte mit seinen Lieferanten wie auch intern über e-Mails und versandte im Anhang Dateien verschiedener Formate (MS Office, Adobe Acrobat etc.). Zur Terminverfolgung dienten EXCEL-Tabellen.


Leidensdruck
Broses Anfrageprozess war ineffizient:

  • Der Versand von E-Mails erlaubte es nicht, den Anfrageprozess nachzuvollziehen. Insbesondere konnten die Einkäufer nicht umfassend beantworten, welche Lieferanten angefragt worden waren und wer dort das Angebot bekommen hatte sowie welcher Lieferant sein Angebot bereits zurückgeschickt hatte. Dies lang unter anderem daran, dass die Lieferanten ihre Angebote an jede der drei beteiligten Stellen (Kundenteam-Einkauf, Werkseinkauf und Zentraleinkauf) schicken konnten.
  • Die manuelle Ãœbertragung der verschiedenen Angebote in den Angebotsspiegel war zeitaufwändig und fehleranfällig.
  • Das lokale Abspeichern der Anfrageunterlagen garantierte nicht, dass alle Beteiligten über den gleichen Stand an Dokumenten verfügten und diskutierten.
  • Die Terminverfolgung mit EXCEL-Tabellen war umständlich und erforderte ein manuelles Nachhalten und Nachfragen.
  • Der Entscheidungsprozess war langwierig und durchlief oft mehrere Schleifen (z.B. wegen Neuaufnahme von Lieferkandidaten oder Nachverhandlungen). Die gewollten Zielkonflikte zwischen den Einkäufern konnten durch den Entscheidungsprozess nicht angemessen kanalisiert werden. So wurden gelegentlich erst kurz vor der Entscheidungssitzung von einem der Beteiligten neue Angebote den anderen Entscheidungsträgern bekanntgegeben.

3. Projekt

Ziele
Brose entschied sich 1999 für die Einführung von SAP R/3, um die durch die Expansion immer heterogener gewordenen Systemlandschaft zu konsolidieren, die den Datenaustausch zwischen den Standorten stark behinderte. Man entschied sich, zunächst die Logistik in den Werken im SAP R/3 abzubilden. Schnell war jedoch klar, dass die alleinige Abbildung der Logistik hierzu nicht ausreichte.


Die ehrgeizigen Unternehmensziele (jährliches Wachstum des Geschäftsvolumens um 10% sowie Marktführerschaft durch Wirtschaftlichkeit, Schnelligkeit und Selbständigkeit) führten zwangsläufig zur Suche nach Synergiepotentialen im für Brose so wichtigen Einkaufsbereich. Die Einkaufsleitung lancierte deshalb ein eigenes Projekt im Rahmen des "SPEED"-Projektes
[1]
, das die Verbesserung des Einkaufs durch den Einsatz von SAP untersuchen sollte.


Anfang des Jahres 2000 wurden für die nächsten zwei Jahre (bis Ende 2002) gemeinsam mit der IT-Abteilung verschiedene Themenpakete definiert, zu denen auch die Optimierung des Anfrageprozesses gehörte. Mit dem Teilprojekt "BROFIS" sollten vor allem der Anfrage- und Angebotsprozess mit den Lieferanten im SAP-System abgebildet werden.


Durchführung
Der verantwortliche Projektleiter stellte ein achtköpfiges Projektteam mit Mitarbeitern aus allen relevanten Fachbereichen zusammen. Dazu gehörte neben je einem Vertreter des Zentraleinkaufs und des Werkseinkaufs aus jedem Brose-Geschäftsbereich ein Kundenteam-Einkäufer. Aus der IT-Abteilung arbeiteten zwei Vertreter im Projekt mit.
Das Projekt "BROFIS" startete im November 2001 mit der Evaluierung von Alternativen für die Gestaltung eines elektronischen Anfrageprozesses. Dazu gehörte der Test der bestehenden Marktplätze Covisint und SupplyOn gemeinsam mit den Lieferanten.


Marktplätze hielt Brose zum damaligen Zeitpunkt für nicht geeignet, weil sie nur Standardprozesse abbilden konnten und die Integration des Anfrageprozesses in das ERP-System fehlte. Die Test-Lieferanten bemängelten die umständliche Bedienung, die administrativen Hürden beim Zugang und die von den Marktplätzen erhobenen Gebühren. Brose ist aber weiterhin "Associate Member" bei SupplyOn, um die Entwicklung zu beobachten.


Mit der Entscheidung für die Umsetzung des Anfrageprozesses mit SAP im Februar 2002 wurde das Konzept zunächst auf die Funktionalitäten der ausgewählten Software angepasst und anschliessend bis Juli 2002 die neue Lösung implementiert. Auch in dieser Phase wurden alle Lieferanten persönlich angesprochen und um ihr Feedback gebeten. Akzeptanzprobleme gab es nicht, da sich der Prozess für die Lieferanten zunächst nur wenig änderte.


Das Projekt wurde gemeinsam mit SAP als Pilotprojekt durchgeführt. Dies gewährte Brose direkten Zugriff auf die SAP-Mitarbeiter in der Entwicklung, die ihrerseits Anpassungen im Umfang von etwa 15-20 Personentagen vornahmen.


Als technische Herausforderungen erwiesen sich die Firewall von Brose, die für die nun möglichen Systemzugriffe der Lieferanten konfiguriert werden musste, und die Schaffung der systemtechnischen Voraussetzungen bei den Lieferanten. Etwa die Hälfte der 70 eingebundenen Lieferanten konnte problemlos über Webbrowser auf die neue BROFIS-Lösung zugreifen, bei den anderen Lieferanten waren beispielsweise veraltete Browserversionen zu aktualisieren, Firewalls zu konfigurieren oder Lotus Notes einzubinden.


Die Schulung der Lieferanten lief über elektronische Schulungsunterlagen, mit deren Hilfe eine Testanfrage durchgespielt werden konnte. Für die Einkäufer, deren Prozess sich nun wesentlich geändert hatte, fanden Trainingsworkshops statt, welche die ca. 60 Teilnehmer auch befähigen sollten, in Zukunft ihren Lieferanten Hilfe bei der Bedienung von BROFIS zu gewähren. Bis Ende September 2002 stand eine Hotline zur Verfügung, die komplexe Anfragen an das Projektteam weiterleitete (Second-Level-Support).


Kritische Erfolgsfaktoren
Zu den kritischen Erfolgsfaktoren gehören für den verantwortlichen Projektleiter die Transparenz des Projektes gegenüber den Mitarbeitern und die offene Unterstützung des Projektes durch die Einkaufsleitung.


Um Interessenkonflikte zwischen den verschiedenen Fachbereichen im Projekt genügend berücksichtigen zu können und die Akzeptanz aller Fachbereiche zu erreichen, ist es darüber hinaus notwendig, alle Interessensgruppen in das Projekt einzubinden. Für BROFIS wurden deshalb Einkäufer aus allen Einkaufsbereichen in das Projektteam zusammengezogen.


Die enge Zusammenarbeit mit dem Softwarehersteller SAP im Rahmen eines Pilotprojektes im Automobilzulieferbereich erwies sich als ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor. Da der im ersten Release des C-Folders angebotene Standard die Anforderungen der Automobilzulieferindustrie nicht umfassend abdeckte, übernahm SAP Weiterentwicklungen, die für die gesamte Automobilindustrie erforderlich waren. Die Weiterentwicklungen übertrug SAP anschliessend in seinen Standard. Brose ermöglichte diese Zusammenarbeit, Anforderungen direkt an die Entwickler zu kommunizieren und sehr kurzfristige Unterstützung zu erhalten.


Die Umsetzungsgeschwindigkeit ist für den Projektleiter ebenfalls erfolgskritisch. Für BROFIS war eine schnelle Realisierung nach der fast viermonatigen Konzeptionsphase wichtig. Allgemein empfiehlt er, Projekte nach Möglichkeit in überschaubare Teilprojekte herunterzubrechen und sequentiell abzuarbeiten.


Brose setzte zur Projektsteuerung des Gesamtprojektes "Speed" die ASAP-Methodik (Accelerated SAP) ein. Der notwendige Administrationsaufwand lohnt sich nach Ansicht von Hoffmann, wenn die Methodik konsequent angewendet wird und zeitnah Entscheidungen des Auftraggebers (hier der Einkaufsleitung) eingeholt werden. Dazu gehörte beispielsweise die Vorstellung und Genehmigung des Konzepts in Form eines Business-Blueprints. Dies verhindert unnötige Schleifen während der Implementierung. (Zum Nutzen der ASAP-Methode s. auch die Fallstudien in [Dolmetsch et al. 1998].)


4. Neue Lösung

Strategie
Brose behält die Strategie bei, Lieferaufträge pro Serie zu vergeben. Lieferantenanfragen und -entscheidungen werden weiterhin durch ein Einkaufsteam mit dem Rollen Kundenteam-Einkaufs, Werkseinkauf und Zentraleinkauf vorgenommen.

Abbildung 4: vergleichende Kurzcharakteristik

Abbildung 4: vergleichende Kurzcharakteristik


Prozess
Der Standardanfrageprozess besteht aus einem zweistufigen Verfahren (s. Abbildung 4). Der Kundenteam-Einkäufer erstellt die Anfrage und wählt gemeinsam mit Werkseinkauf und Zentraleinkauf potentielle Lieferanten für die jeweilige Anfrage aus. Diese bekommen über eine elektronische Plattform die Anfrageunterlagen zur Verfügung gestellt und geben ein Angebot ab. Das Angebot kann entweder die technische Spezifikation der Anfrage abdecken oder Alternativvorschläge beinhalten. Alle Angebote werden vom Kundenteam-Einkäufer systemgestützt in einem Angebotsspiegel zusammengestellt und automatisch verglichen. In einem "Pre-Meeting" werden von den Einkaufsverantwortlichen die Lieferanten ausgewählt, die zur Teilnahme an der zweiten Runde eingeladen werden. Die Teilnehmer der zweiten Runde aktualisieren ihr Angebot auf Grundlage eines ggf. neuen technischen Stands und geben in einer Qualitätsvorausplanung (QVP) Auskunft, wie die Lieferqualität sichergestellt werden soll. Der Qualitätsplaner im Kundenteam prüft die QVP-Dokumente potentieller Lieferanten. Den Anstoss erhält er dabei durch einen SAP Workflow.


Der aktualisierte Angebotsspiegel ist Grundlage für die Lieferantenauswahl in der Entscheidungssitzung. Der Zentraleinkauf schliesst den Vertrag mit dem Lieferanten ab. Nachträgliche Änderungen werden vom Kundenteam-Einkäufer verhandelt und benötigen die Genehmigung des Zentraleinkaufs.

Abbildung 5 Neuer Prozess


Abbildung 5 Neuer Prozess


Systeme
Für die Realisierung des neuen Anfrageprozesses in "BROFIS" integrierte Brose SAP C-Folder und die Dokumentenverwaltung von SAP. Die Auswahl dieser Variante anstelle der ebenfalls evaluierten Szenarien E-Mail-Anfrageprozess (wie bisher), Datenaustausch via Electronic Data Interchange (EDI) sowie Nutzung von Marktplätzen als Kommunikationsplattform fiel aufgrund der Möglichkeit, den Anfrageprozess über die Dokumentenverwaltung mit anderen internen Prozessen zu verknüpfen. Über SAP R/3 können sämtliche Anfrageunterlagen für alle intern Beteiligten in der aktuellen Version zentral zur Verfügung gestellt werden. Das Ändern des Bearbeitungsstatus stösst automatisierte Workflows an, etwa die Benachrichtigung von Lieferanten und beteiligten Einkäufern.


Für die Anfragen ist ein eigener Dokumententyp in SAP definiert worden. Dieser kann bei Bedarf mit anderen Objekten verknüpft werden (z.B. zum Materialstamm, zu Verträgen und zu Projektdaten). Nach Fertigstellung einer Anfrage wird (durch Statuswechsel) den eingeladenen Lieferanten ein temporärer Zugriff auf das C-Folder-System eingerichtet, in dem die Anfrageunterlagen zum Download via Webbrowser bereitgestellt werden. Über die Anfrage und die Zugriffsinformationen (URL, Login und Passwort) informiert den Lieferanten eine automatisch im C-Folder-System generierte E-Mail. Die Kontaktdaten dazu sind im SAP-Lieferantenstamm hinterlegt. Eine Übersicht über die
Systemarchitektur liefert Abbildung 6.

Abbildung 6: Systemarchitektur der BROFIS-Lösung


Abbildung 6: Systemarchitektur der BROFIS-Lösung



Die Lieferanten füllen die Excel-Templates der Anfrage (u.a. Kosten, Rabatte, Ausbringungsmenge, Material, Logistik und Termine) aus und laden die entsprechenden Dateien ins BROFIS. Von dort können die Daten in die SAP-Dokumentenverwaltung importiert und im Angebotsspiegel zusammengeführt werden. Dieser Angebotsspiegel ist im SAP für alle intern Beteiligten einsehbar.

Die Lese- und Schreibrechte der Lieferanten in den Postfächern werden statusabhängig verändert, so dass alle Veränderungen verfolgt werden können. Nach Beendigung des Anfrageprozesses werden die Zugriffe automatisch wieder gelöscht. Die automatische Einrichtung von temporären Zugriffen mit separatem Login pro Anfrage auf dem C-Folder-System verursacht kaum Administrationskosten und macht eine Loginverwaltung bei Brose überflüssig.


Kosten und Nutzen
Brose konnte durch die Unterstützung des kollaborativen Anfrageprozesses mit BROFIS die Prozesszeiten, d.h. den effektiven Arbeitsaufwand, um 25% reduzieren. Die Zeiteinsparungen sind vor allem bei der Terminverfolgung, der Prüfung eingehender Anfragen und deren Zusammenstellung in einem Angebotsspiegel möglich. Diese Einsparungen führen zu einer hohen Akzeptanz der Lösung unter den Einkäufern.


Gleichzeitig ermöglicht die höhere Prozesstransparenz eine bessere Vorbereitung der Entscheidungssitzungen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (August 2002) kann jedoch noch nicht abgeschätzt werden, in welchem Umfang sich die Durchlaufzeiten reduzieren werden.


Für die Zulieferer vereinfacht der neue Anfrageprozess mit vorbereiteten Templates die Angebotserstellung. Gleichzeitig können sie von einer zeitnahen Information über die Entscheidungen bei Brose profitieren.


Dem Nutzen stehen Projektaufwände von ca. 200 Personentagen (s. Abbildung 7) gegenüber, davon knapp die Hälfte für die Schulung der zukünftigen Nutzer. Für den Betrieb der Lösung ist im Bereich Administration und Support kein Aufwand geplant, allerdings steht noch ein Releasewechsel beim SAP C-Folder aus.


Geplante Weiterentwicklungen
Geplant ist die Ausweitung von BROFIS auf andere Einkaufsbereiche (z.B. die Beschaffung von Elektronikkomponenten). Der dafür notwendige Anpassungsaufwand wird als relativ gering eingeschätzt und beinhaltet vor allem die Definition zusätzlicher Prozesspunkte (Status). Erste Untersuchungen lassen erwarten, dass die Unterschiede in den Prozessen geringer sind als ursprünglich angenommen.


Brose möchte die mit BROFIS abgedeckten Prozesse schrittweise erweitern. Dazu gehören der elektronische Austausch von Normen und die Unterstützung einer Zusammenarbeit im Produktdesign mit SAP C-Folder.

 
Ãœberblick BROFIS
Aufwand:
Projekt
Laufzeit
  • Konzeptionsphase
  • Implementierung
9 Monate (11/01-07/02)
  • 4 Monate
  • 5 Monate
  • Projektteam
  • Business (inkl. Projektleiter)
  • IS
  • dazu Unterstützung von Entwicklern der SAP
  • 7 Personen
  • 2 Personen
Projektaufwand (Personentage)
  • interne Projektaufwendungen (Business und IT)
  • Abstimmung Kontakt mit SAP (IT)
  • Test
  • Erstellung Schulungsunterlagen
  • Einkäufer Schulungen (Tagesworkshops)
. davon durch Projektteam
. davon durch Teilnehmer (ca. 60)
  • Hotline in Einführungsphase
. davon durch Ferienkraft
. davon 2nd-Level-Support durch Projektteam
  • Aufwendungen durch SAP
insgesamt ca. 170-190 PT
  • ca. 45 PT
  • 15-20 PT
  • 10-15 PT
  • 6-8 PT
  • 70 PT
. ca. 10 PT
. ca. 60 PT
  • ca. 50 PT
. ca 40 PT
. ca. 9 PT
  • 15-20 PT
Projektkosten k.A.
Betrieb
Support Kein gesonderter Aufwand erforderlich
Durch den Brofis realisierte Potenziale:
Prozesse
Reduktion der Prozesszeiten 25%
Reduktion der Prozessdurchlaufzeiten noch keine Aussage möglich
Verknüpfung mit anderen internen Prozessen Erreicht durch Nutzung einer integrierten Softwarelösung
Verbesserte Prozessqualität Erreicht durch integrierte Dokumentenverwaltung und automatisierte Workflows bei Statuswechsel
Transparenz Erreicht durch Zugriffsmöglichkeit für alle Beteiligten
Mitarbeiter
Reduktion von Routinetätigkeiten (z.B. bei Erstellung des Angebotsspiegels) Erreicht durch Templates und Importmechanismen



Abbildung 7: Anfrageprozess mit BROFIS - Aufwand und realisierter Nutzen


5. Erkenntnisse

Brose kann alle im Rahmen des Anfrageprozess entstehenden Daten in Echtzeit allen Prozessbeteiligten zur Verfügung stellen. Der Nutzen liegt in der Verkürzung von Prozesszeiten und der Erhöhung der Prozesstransparenz. Die Automatisierung bzw. Teilautomatisierung bisher manuell ausgeführter Aktivitäten, wie Terminverfolgung und Erstellung von Angebotsspiegeln reduziert den für einen Anfrageprozess notwendigen Zeiteinsatz drastisch.


Die Transparenz des Anfrageprozesses erhöht sich durch eine gemeinsame Datenbasis für alle beteiligten Einkäuferrollen. Dies ermöglicht eine frühzeitige Abstimmung der von den Rolleninhabern zu vertretenden Interessen und verhindert damit zeitaufwendige Schleifen innerhalb des Entscheidungsprozesses und die bewusste Schaffung von Informationsvorsprüngen zur Durchsetzung rollenspezifischer Ziele. Die Verknüpfung mit verwandten Prozessen wie der Vertragsverwaltung schafft Transparenz über den einzelnen Prozess hinaus und verbreitert damit die Entscheidungsbasis um Wissen aus anderen Prozessen. Voraussetzung dafür ist eine Integration der verwendeten Informationssysteme.


Der Nutzen für den Lieferanten liegt in der einfachen und kostengünstigen Datenübermittlung und in der zeitnahen, automatisierten Information über Anfragen und Entscheidungen.

  • Zur Verbesserung des Anfrageprozesses nutzt „BROFIS“ das bestehende ERP-System und kann damit Synergien generieren. Die Verlinkung mit Dokumenten anderer Prozesse stellt das darin enthaltene Wissen über den einzelnen Prozess hinaus zur Verfügung (Content Management).
  • Markplatzlösungen wurden zum Entscheidungszeitpunkt wegen unzureichender Unterstützung des Anfrageprozesses und fehlender Integrationsmöglichkeiten verworfen. Die wesentlichen Nutzenpotentiale konnte Brose im internen Kooperationsprozess der verschiedenen Einkäufer-Rollen erzielen. Die dafür notwendige Abdeckung des speziellen Anfrageprozesses war durch die Standardprozesse der Marktplätze ebenso wenig möglich wie die Integration des Anfrageprozesses in das ERP-System.
  • Die enge Zusammenarbeit mit dem Softwarehersteller im Rahmen eines Pilotprojektes war ein wesentlicher Erfolgsfaktor für BROFIS. Die kooperative Weiterentwicklung der Software, d.h die Anpassung an die branchenspezifischen Besonderheiten und anschliessende Ãœbernahme in die Standardsoftware, schaffte Nutzen für SAP und Brose.

[1] Unter dem Projektnamen "SPEED" fasst Brose alle Projekte zur SAP-Einführung im Unternehmen zusammen.

Literatur

[Dolmetsch et al. 1998]

Dolmetsch, R., Huber, T., Fleisch, E., Österle, H., Accelerated SAP: 4 Case Studies, Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen, St. Gallen, 1998


Owner/s of the solution

Brose Fahrzeugtechnik GmbH & Co. KG
Günther Hoffmann, Projektleiter "Speed"
Industry: Vehicle construction/Aviation/Shipping
Company size: large-scale enterpriseBrose Fahrzeugtechnik GmbH & Co. KG

Case study author/s

Enrico Senger, Hubert Österle
Universität St. Gallen

01. February 2003
Senger; E.; Österle; H.: Fallstudie: Verbesserung des Anfrageprozesses der Brose Fahrzeugtechnik GmbH & Co. KG; Institut für Wirtschaftsinformatik; Universität St. Gallen; St. Gallen; 2003

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2180
brose
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/2180-brose
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