AKW Leibstadt: Verwaltung von Fremdpersonal

10. November 2005



Das Kernkraftwerk Leibstadt (KKL) hat am 15. Dezember 1984 den Dauerbetrieb aufgenommen. Nach Beznau I, Beznau II, Mühleberg und Gösgen ist Leibstadt das fünfte und grösste Kernkraftwerk der Schweiz.
Die Verwaltung des Fremdpersonals erfolgte bisher auf einer eigen entwickelten Stand-Alone Lösung. Die Applikation verarbeitet die Zeit- und Begehungsdaten der externen Mitarbeiter, die im Auftragsverhältnis im KKL arbeiten, und generiert einen Stundenrapport, der als Arbeitsnachweis für die erbrachte Leistung dient. Der Prozess Fremdpersonalverwaltung ist gekennzeichnet durch Medienbrüche und manuelles Zusammenführen der Daten, was zeitaufwändige Arbeiten und unnötige Fehlerquellen bedeutet.

Diese Fallstudie beschreibt die Einführung und Funktionen der neuen, automatisierten Lösung.


1. Das Unternehmen

Das Kernkraftwerk Leibstadt (KKL) hat am 15. Dezember 1984 den Dauerbetrieb aufgenommen. Nach Beznau I, Beznau II, Mühleberg und Gösgen ist Leibstadt das fünfte und grösste Kernkraftwerk der Schweiz.
Seit der Inbetriebnahme von Leibstadt hat die Kernenergie einen Anteil von rund 40% an der Elektrizitätserzeugung unseres Landes; das KKL allein leistet einen Beitrag von rund 15% oder jährlich 9 Mrd. Kilowattstunden.
Leibstadt ist ein Partnerwerk. Jeder Partner wie z.B. NOK, ATEL, EGL, CKW etc. bezieht den Strom aus dem Kernkraftwerk entsprechend seiner Aktienbeteiligung. Das KKL hilft den Partnern, ihren Versorgungsauftrag gegenüber den Konsumenten zu erfüllen. Im Auftrag der Partner besorgt die NOK, als Tochter der AXPO Holding AG, welche ihrerseits Mehrheitsaktionär ist, die Geschäftsleitung des KKL.
Das Kernkraftwerk Leibstadt feiert dieses Jahr seinen 20 Geburtstag und hat in dieser Zeit 150’000'000'000 kWh CO2 freien Strom ins Netz eingespiesen. Verglichen mit einem Kohlekraftwerk wurden dabei 130'000'000'000 kg CO2 eingespart.


2. Ausgangslage

Im Kernkraftwerk Leibstadt werden ca. 3500 Bestellungen pro Jahr ausgelöst. Diese lassen sich wie folgt kategorisieren:

  • Material Lieferungen, ca. 2500 Bestellungen
  • Werkvertragliche Leistungen (Investitionen und Unterhalt), ca. 500 Bestellungen
  • Personal und Dienstleistungen, ca. 500 Bestellungen mit einem Wert von ca. CHF 12 Mio.
  • ca. 800 externe Mitarbeiter für die Jahreshauptrevision für Instandhaltungsarbeiten mit einer Einsatzdauer von 4-8 Wochen
  • ca. 200 externe Mitarbeiter für ca. zwei bis vier Kurzeinsätze während dem Jahr

3. Problemstellung

Die bestehende Applikation (SINS) musste altershalber ersetzte werden. Die Verwaltung des Fremdpersonals erfolgte auf einer eigen entwickelten, stand-alone Lösung. Die Applikation verarbeitet die Zeit- und Begehungsdaten der externen Mitarbeiter, die im Auftragsverhältnis im KKL arbeiten, und generiert einen Stundenrapport, der als Arbeitsnachweis für die erbrachte Leistung dient. Die Stundenrapporte mussten als Original der Rechnung beigelegt werden. Aufgrund der Stundenrapporte erstellten die Lieferanten innerhalb 1 bis 6 Monate die Rechnung. Pro Jahr fielen ca. 3200 - 4200 Belege an, die manuell geprüft und in das bestehende ERP System gebucht werden mussten. Der Prozess Fremdpersonalverwaltung ist gekennzeichnet durch Medienbrüche und manuelles Zusammenführen der Daten, was zeitaufwändige Arbeiten und unnötige Fehlerquellen bedeutet.


4. Lösung

Die FPERS-Lösung ist im Prozess der Dienstleistungsabwicklung des Standards von SAP R/3 integriert und gewährleistet den automatisierten Durchlauf des Prozesses Fremdpersonalverwaltung. Die FPERS-Lösung greift ab dem Zeitpunkt, wo Begehungsdaten des Fremdpersonals entstehen und zieht sich bis zur Abnahme der Leistungserfassungsblätter durch. Für die Steuerung und somit die Konzeption der FPERS-Lösung wird jedoch bereits der Beschaffungsprozess für Fremdpersonal berücksichtigt, da die Beschaffungsdaten (Bestellung, Leistungsdaten) einen massgeblichen Input und die Basis für die Folgeprozesse der FPERS-Lösung darstellen. In der Bestellung wird festgelegt, welcher externe Mitarbeiter auf welche der bestellten Leistungen gebucht werden kann. Diese Zuordnung stellt die Prozesssteuerung dar, da die Erfassung von Leistungen resp. Begehungszeiten von der Zuordnung Bestellung, Leistung und Person abhängig ist.

Abbildung 1: Workflow Fremdpersonal



Abbildung 1


Abgrenzung/ Prozess
Das Projekt FPERS bezieht sich auf die Erfassung der Leistungserbringung von Fremdpersonal und deren Verarbeitung. Die Erfassung der Daten erfolgt in der Zeitkontrolle (ZK) welche mittels Schnittstellen ins SAP R/3 HR und von da ins MM (Materialmanagement) zur weiteren Verarbeitung und Abrechnung übermittelt wird.

Grundlage und Anstoss für den Prozess FPERS bildet der Bedarf, die Beschaffung und Abrechnung von Fremdleistungen. Die vom Prozess FPERS betroffenen Bereiche sind die Zeitkontrolle (ZK) und im SAP R/3 die Module HR und MM.

  • ZK: Begehungsdaten externe Mitarbeiter
  • SAP R/3 HR: Personaldaten externe Mitarbeiter
  • SAP MM: Beschaffungsdaten und Zuordnung externe Mitarbeiter



Der Prozess FPERS gliedert sich in nachstehende Subprozesse:

  • Eintritt Fremdpersonal
  • Austritt Fremdpersonal
  • Wiedereintritt Fremdpersonal
  • Integrationsablauf Fremdpersonal


Mit vorliegendem Konzept werden die massgebenden Prozessschritte aus Sicht der Beschaffung (MM) und deren Integration im gesamten Prozess FPERS definiert. Im Konzept wird die Beschaffung von Fremdleistungen beginnend mit der Bestellung und endend mit dem Arbeitsvorrat für die Rechnungsprüfung abgegrenzt, da sich in dieser Prozessschrittspanne das Beschaffungshandling FPERS von der üblichen Beschaffung des KKL unterscheidet.

Abbildung 2: Projektabgrenzung FPERS



Abbildung 2


Schnittsellen
Für die FPERS-Lösung wurde der Standard für die Dienstleistungsabwicklung von SAP genutzt, welche ausschliesslich die Datenaufbereitung aus dem HR in der Übernahmetabelle HRMMSRVIF vorsieht. Mit der FPERS-Lösung wird der Standard entsprechend nachfolgendem Schema (Abbildung 3) erweitert.

Abbildung 3. Schnittstellen FPERS



Abbildung 3

Abbildung 3 zeigt den Datenfluss der Begehungsdaten die aus dem Zutrittskontrollsystem (ZK) mittels Filetransfer über Kommunikationsuser (RFC) ins SAP-System übermittelt werden. Zudem ist in dieser Abbildung die SAP interne Verarbeitung der Begehungsdaten aufgezeigt. Die Daten werden über das Modul HR (Human Ressource) an die Zeitabrechnung (Infotyp 2002) und von da an die Materialwirtschaft zur automatischen Leistungserfassung und Rechnungsprüfung übergeben.

Legende:

FPERS Legende

5. Prozessoptimierung

Beschaffung
Die erfassten Zeiten werden wöchentlich verarbeitet und von Zeitdaten in Leistungen umgerechnet. Somit werden die erbrachten Leistungen wöchentlich abgebucht. Durch diese Verarbeitung ist sichergestellt, dass die IST-Kosten wochengenau sind. Die Arbeiten für die Quartals- oder den Jahresabschluss sind mit massgeblich weniger Aufwand zu erledigen und können präziser erfolgen.

Auswertungen
Alle Fremdpersonaldaten sind in einem System und können für Auswertungen oder Mengengerüste für allfällige Ausschreibungen aus dem System gezogen werden. Die Überwachung für das Einhalten der gesetzlichen Arbeitszeitregeln ist sichergestellt.

Leistungserfassung
Die erfassten Zeiten werden wöchentlich maschinell verarbeitet und von Zeitdaten in Leistungen umgerechnet. Somit wird die Basis für eine wareneingangsbezogene Rechnungsprüfung automatisch erstellt. Manuell werden nur noch Leistungen wie Km-Geld und Deplacement [anm. der Redaktion: Spesenabrechnungen] erfasst.

Rechnungsprüfung
Der Prozess Rechnungsprüfung wird massgeblich vereinfacht und beschleunigt. Die Rechnungsstellung für Personalleistungen erfolgt mittels Leistungserfassungsblätter, auf denen die Rechnungsbeträge ausgewiesen sind. Somit entfallen aufwendig Kontrollen der Rechnungen.


6. Nutzen

Allgemein
Mehraufwendungen für die Erfassung und Pflege der Personendaten sind vor allem Initialaufwendungen, da ca. 60 % des Personales wiederkehrend ist.

Beschaffung
Quartal / Jahresabschluss: 4 mal pro Jahr
Anzahl Bestellpositionen: 1000 Stück
Prüfaufwendungen alt: 10 Minuten pro Bestellposition
Prüfaufwendungen neu: 2 Minuten pro Bestellposition

Zeitaufwandseinsparungen: 532 Stunden


Erfassung der Leistungen
Anzahl Rechnungen: 3200 Rechnungsposition
Prüfaufwendungen alt: 15 Minuten pro Rechnung und Position
Prüfaufwendungen neu: 5 Minuten pro Rechnung und Position

Zeitaufwandseinsparungen: 533 Stunden


Rechnungsprüfung
Anzahl Rechnungen: 3200 Rechnungsposition
Prüfaufwendungen alt: 20 Minuten pro Rechnung und Position
Prüfaufwendungen neu: 2 Minuten pro Rechnung und Position

Zeitaufwandseinsparungen: 960 Stunden


Total Nutzen
Beschaffung: 532 Stunden
Erfassung der Leistungen: 533 Stunden
Rechnungsprüfung: 960 Stunden
Total Nutzen: 2025 Stunden

Bei einem Stundsatz von CHF 80 ergibt dies einen monetären Nutzen von CHF 162'000.
Für die Investition (125’000) konnte somit ein ROI von 0.77 (ca. 9 Monate) erreicht werden.


Owner/s of the solution

Kernkraftwerk Leibstadt
Dominik Suter, Leiter Materialwirtschaft
Industry: Energy and water supply
Company size: large-scale enterpriseKernkraftwerk Leibstadt

Solution partner/s

Michael Nauser
SBS Consulting Group AG

Case study author/s

Dominik Suter
Kernkraftwerk Leibstadt

10. November 2005

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1690
leibstadt-sbs
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1690-leibstadt-sbs
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