Beschaffungslösung für regelmässige Bedarfsgüter der Stadt Lörrach

01. September 2002



Die Stadt Lörrach hat einen externen Dienstleister mit dem Betrieb einer Beschaffungslösung für regelmässige Bedarfsgüter beauftragt. Die Bedarfsträger aus Verwaltungen, Schulen, Bädern und weiteren kommunalen Einrichtungen können ortsunabhängig via Browser und Internet auf die jeweils für sie vereinbarten Sortimente zugreifen und bei den Lieferanten gebündelte Bestellungen auslösen. Die in der Region von einem Start-up-Unternehmen betriebene und am regionalen Steinbeis-Transferzentrum programmierte Lösung zeichnet sich durch ihr innovatives und pragmatisches Vorgehen aus.


1. Lörrach - eine Stadt im Aufbruch



Die südbadische Stadt Lörrach ist ein moderner Industrie- und Dienstleistungsstandort im Zentrum des Dreiländerecks Deutschland - Frankreich - Schweiz. Mit 46'000 Einwohnern bietet die grosse Kreisstadt rund 18'500 Arbeitsplätze und eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur. Viele namhafte Firmen produzieren in Lörrach. Wichtige Wirtschaftszweige sind: Metall- und Maschinenbau, Automobilzulieferindustrie, Textilindustrie, Medizintechnik, Zahngesundheit, Solartechnik, Süsswarenindustrie, Brauereien, Holz- und papierverarbeitende Industrie und Einzelhandel.

Der Strukturwandel führte auch in Lörrach zu Umwälzungen. Die Stadt versucht diese aktiv zur Erneuerung zu nutzen, dabei vermittelt die von der amtierenden Oberbürgermeisterin formulierte "Vison Netzwerk Lörrach 2000" Orientierung [Heute-Bluhm 2002]:


Das elektronische Netzwerk stellt neue Kanäle für Kommunikation und Dialog zur Verfügung. Es verbindet Lörrach mit der Welt, ist Rückgrat des internationalen wie des lokalen und regionalen Informations- und Datenaustausches - eine unverzichtbare Bedingung erfolgreichen Wirtschaftens.¨


Das kulturelle Netzwerk Ein lebendiges kulturelles Netzwerk ist das wirksamste Mittel, um der in der "electronic society" drohenden Spaltung in "Netz-Leser" und "Netz-Analphabeten" sowie anderen negativen Begleiterscheinungen der Multimedia-Gesellschaft zu begegnen.


Das soziale Netzwerk Auch in Lörrach konnten nicht für alle Verlierer des wirtschaftlichen Strukturwandels neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die neuen wirtschaftlichen Ressourcen halfen, ein soziales Netzwerk zu schaffen.





Kommunale Dienstleistungen
Die Stadt Lörrach versteht sich als moderne kommunale Dienstleistungsorganisation mit dem Anspruch, den breiten Leistungsauftrag gegenüber den zahlreichen Anspruchsgruppen professionell zu erfüllen. Erschwerend ist der eingeschränkte Gestaltungsspielraum, der durch die Arbeitsteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden in Deutschland hingenommen werden muss. Davon betroffen ist die Definition von Art und Umfang der Leistungen sowie die Erschliessung von Finanzmitteln. In der Folge ist die Finanzlage zahlreicher Städte und Gemeinden äusserst angespannt


1999 wurde in Lörrach eine Verwaltungsreform beschlossen, die durch die Schaffung neuer Verwaltungseinheiten eine Verbesserung der Dienstleistungsqualität bei gleichzeitiger Effiziensteigerung zum Ziel hat. Mit der Orientierung an Wertschöpfungsprozessen sind einschneidende organisatorische und kulturelle Veränderungen verbunden. Ausserdem entstehen neue Anforderungen an Informations- und Kommunikationsmittel sowie an Führungsinstrumente. In Lörrach geht die Verwaltungsreform einher mit der Einführung von SAP R/3 im Finanzwesen.


2. E-Government-Strategie



Der Begriff E-Government deckt aus der Sicht einer kommunalen Verwaltung vier Bereiche ab [Gisler/Spahni 2000]:

  • den demokratischen Kommunikations- und Beteiligungsprozess
  • die Beziehungen zu den Anspruchsgruppen aus der Öffentlichkeit
  • die verwaltungsinternen Beziehungen und Prozesse zur Erbringung der Leistung
  • die Beziehungen zu Lieferanten und anderen vorgelagerten Wertschöpfungspartnern.



Diese Fallstudie beschreibt die Beschaffung regelmässiger Bedarfsgüter für verschiedene Fachbereiche, Eigenbetriebe und stadtnahe Institutionen der Stadt Lörrach. Weitere von der Stadt Lörrach initiierte E-Government-Projekte sind:

  • die Einführung eines Gemeinderats-Informations-Systems mit dem der demokratische Kommunikations- und Beteiligungsprozess verbessert werden soll
  • das "virtuelle Rathaus", das eine Verbesserung des Bürgerservice durch Online-Antragsformulare zum Ziel hat und bei dem sich die Stadt an Pilotprojekten auf Landesebene beteiligt
  • der Einsatz des Internets im kulturellen Bereich (Internet-Bibliothek, multimediales Museum, Buchungssystem für Kurse der Musik- oder Volkshochschule)
  • die Gemeinschaftsinitiative der Energiedienst GmbH und der Stadt Lörrach "@ Multimedia an Lörracher Schulen"



Ausgangslage in der Beschaffung, Ziele und IT-Umfeld
Die örtlich und organisatorisch verschiedenen Verwaltungsstellen haben regelmässig Bedarf an Bürobedarf, Hygieneartikeln, Verpackungsmaterial etc. Abb. 2.1 verdeutlicht die Ausgangslage der Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Demnach pflegten viele städtische Bereiche mit zahlreichen Lieferanten eigene Beziehungen. Bestellungen wurden ohne EDV-Unterstützung durchgeführt, mögliche Vorteile aus der Bündelung der Nachfrage nicht genutzt. Darüber hinaus gab es in der Stadtverwaltung ein "Lager im Keller", das von einer Mitarbeiterin alle 2 Wochen geöffnet wurde. Zu diesen Zeiten konnte man dort Material abholen. Übersichten über Bestände oder Verbrauchsmengen waren nicht verfügbar.

Abb. 2.1: Ausgangslage in der Beschaffung der Stadt Lörrach

Abb. 2.1: Ausgangslage in der Beschaffung der Stadt Lörrach



Ziele
Diese Ausgangslage wurde einhellig als unbefriedigend empfunden, die Anforderungen an eine neue Lösung waren:

  • Beschleunigung der Bestelldurchlaufzeiten
  • Reduktion der Prozesskosten einer Bestellung
  • Reduktion der Direktkontakte zwischen Lieferanten und Mitarbeitenden
  • Günstigere Einkaufspreise
  • Aufgabe von Tätigkeiten, die nicht in der Kernkompetenz der Stadt liegen



Als im Jahr 2000 die Gründer des im Innocel Innovations-Center Lörrach einziehenden Start-Up TEK-Service GmbH ein Konzept präsentierten, wie der Einkauf internetgestützt optimiert werden kann, erhielten sie spontane Zustimmung. Das Konzept sieht vor, dass die Stadt Lörrach eine durch den Dienstleister betriebene, individuelle Beschaffungsapplikation ohne IT-Vorinvestitionen nutzen kann, wobei alle Bedarfe auf dieser Plattform gebündelt und alle Kommunikationsbeziehungen auf eine Stelle reduziert werden können. Dadurch verändert sich die Konstellation zwischen Bedarfsträgern und Lieferanten gemäss Abb. 2.2.:

Abb. 2.2: Soll-Konzept der Beschaffung in Lörrach

Abb. 2.2: Soll-Konzept der Beschaffung in Lörrach



IT-Umfeld der E-Procurement-Lösung
Parallel zum Projekt E-Procurement wird im Finanzwesen auf das ERP-System SAP R/3 umgestellt. Die ersten Module wurden im Dezember 2001 in Betrieb genommen, die Funktionalitäten werden schrittweise ausgebaut. Betroffen sind die SAP-Bereiche

  • Haushaltplanung, Bewirtschaftung, Stadtkasse,
  • Anlagebuchhaltung und Mittelbindung,
  • Kosten- und Leistungsrechnung, daraus abgeleitet Finanzcontrolling,
  • Führungsinformationen, Budgetierung etc.



Partner des E-Procurement-Projektes


Die Stadt Lörrach
Die Stadt Lörrach als Pilotkunde ist die rechtliche Betreiberin der E Procurement-Lösung, in ihrem Namen wird eingekauft.


Der Procurement-Service-Provider: TEK-Service GmbH
TEK-Service betreibt die Server und erbringt informationsbasierte Dienstleistungen. Nach der Gründung im Jahr 2000 arbeiten Mitte 2002 fünf eigene und zwei externe Mitarbeitende am Standort Innocel Innovations-Center Lörrach.


Der Informatik-Partner und Software-Entwickler: STZ IT-BC, Lörrach
Das Steinbeis-Transferzentrum IT-Business-Consulting an der Berufsakademie Lörrach wurde 1992 gegründet. Es hat die vorgestellte Software entwickelt. Die 15 Mitarbeitenden sind auf ERP-integrierte E Business-Lösungen spezialisiert.


3. Procurement Lösung



Der Beschaffungsprozess
Mit Hilfe der E Procurement-Lösung können die Bedarfsträger dezentral an ihrem Arbeitsplatz via Internet Bestellungen auslösen und verwalten. Abb. 3.1 zeigt die Prozessschritte in der Übersicht.

Abb. 3.1: Ablauf einer Bestellung aus Sicht des Bedarfsträgers

Abb. 3.1: Ablauf einer Bestellung aus Sicht des Bedarfsträgers

 

  • Nach der Anmeldung im E-Procurement-System wählt der Bedarfsträger den oder die Artikel aus dem gewünschten Artikelkatalog aus. Die verschiedenen Kataloge sind ein organisatorisches Hilfsmittel zur Sortimentsgliederung, sie können aus mehreren Lieferantenkatalogen zusammengestellt sein. Die Personalisierung des Systems bewirkt, dass der Benutzer bis auf Artikelebene nur das angezeigt bekommt, was für ihn bzw. seine Gruppe gedacht ist. Die für die Stadt Lörrach verhandelten Preise werden ebenfalls angezeigt. Die Artikelauswahl wird dem Benutzer durch mehrere Suchmöglichkeiten vereinfacht. Für wiederkehrende Bestellungen kann er sich individuelle Warenkörbe anlegen, die er dann später nur noch aufrufen, anpassen und bestellen muss.
  • Ist ein benutzer- oder gruppenspezifisches Bestellbudget hinterlegt und wird dieses überschritten, wird ein Online-Bestellgenehmigungsverfahren in Gang gesetzt. Die Freigabe erfolgt ohne Medienbruch.
  • Abschliessend erfolgt die Buchung der Bestellung im System. Der Besteller kann den Status seiner Bestellungen online verfolgen und Reklamationen erfassen. Durch die Reklamation wird die Bezahlung der Leistung unterbunden.
  • Die erfassten Bestellungen werden bei TEK-Service täglich ausgelesen. TEK bündelt die Anforderungen, bereitet die Daten für die Lieferanten entsprechend den Lieferanforderungen auf und leitet sie in einer Datei periodisch weiter. Die Lieferanten führen die Direktbelieferung der Organisationseinheiten zu festen Terminen durch. Alle auswertungsrelevanten Daten werden bei TEK gespeichert und der Stadt Lörrach zur Verfügung gestellt. Die Verbrauchszahlen werden bei Ausschreibungen für die Folgeperiode verwendet.



Elektronischer Produktkatalog

Abb. 3.2: Erstellung personalisierter Sichten aus einem zentralen Multilieferantenkatalog

Abb. 3.2: Erstellung personalisierter Sichten aus einem zentralen Multilieferantenkatalog



Im Zentrum der Lösung steht ein Multilieferantenkatalog. Abb. 3.2 zeigt, dass diese Applikation aus dem Artikelstamm aller Lieferanten zahlreiche benutzerdefinierte Katalogsichten zur Verfügung stellt.


Eine Hosted-Buy-Side-Lösung
Abb. 2.2 hat gezeigt, dass die Verbindung zwischen Bedarfsträgern und Lieferanten über einen zentralen Dienstleister erfolgt. Dieser Procurement-Service-Provider betreibt die technische Plattform der Beschaffungslösung und erbringt dafür erforderliche Dienstleistungen. Wir sprechen hier von einer Hosted-Buy-Side-Lösung, denn der Dienstleister betreibt die Applikation im Namen des Käufers. Er ist kein Intermediär in der Handelsbeziehung, weil er nicht Empfänger der Bestellungen der Stadt Lörrach ist und seitens Lieferanten keine Provisionen auf die Verkäufe bezieht. Die Lösung stellt auch keinen Marktplatz dar, weil die für Lörrach zugeschnittenen Kataloge und Funktionen nicht für Dritte zugänglich sind. Technisch gesehen laufen auf der Plattform weitere Lösungen für andere Kunden von TEK-Service, Querverbindungen zwischen diesen bestehen in der Regel aber nicht.


Die Applikation erfordert zahlreiche Funktionen, Abb. 3.3 zeigt eine Übersicht. Die linke Hälfte der Grafik repräsentiert die Stadt Lörrach - sie handelt die Rahmenverträge mit den Lieferanten aus. TEK-Service erbringt im Auftrag von Lörrach die Funktionen, die auf der linken Seite weiss dargestellt sind. Die rechte Hälfte stellt die Lieferantenseite dar, von dort kommen die Katalogdaten. Für die Pflege der Katalogdaten (Content Management) und für Übermittlungsdienste nehmen die Lieferanten teilweise ihrerseits das Angebot von TEK-Service in Anspruch, aber für ihre Belange und auf eigene Rechnung.

Abb. 3.3: Funktionsverteilung in der E-Procurement-Lösung der Stadt Lörrach

Abb. 3.3: Funktionsverteilung in der E-Procurement-Lösung der Stadt Lörrach



Die zentralen Funktionen aus Abb. 3.3 werden nachfolgend erläutert:

  • Rahmenverträge und Reporting: Ihrer Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung der Eigenbedarfe kann die Stadt erst mit wirksamen Reporting-Tools sinnvoll nachkommen. Auf Basis des Verbrauchs in der Vorperiode werden die einzelnen Sortimente regelmässig ausgeschrieben und Rahmenverträge für eine definierte Folgeperiode abgeschlossen. Ausschreibungen und Vertragswesen liegen bei der Stadt Lörrach, die Reportingdaten werden von TEK-Service geliefert.
  • Benutzerverwaltung: Die Benutzerverwaltung wird von TEK-Service nach den Anweisungen der Stadt vorgenommen.
  • Content Management Katalog:

Das Einbringen und Pflegen von Katalogdaten beinhaltet u.a.:

  • Ãœberführen der Daten in ein elektronisches Katalogformat:

Liegen die Lieferantenkataloge elektronisch im XML-basierten Format BMEcat nach eCl@ss sortiert vor, so können sie direkt in das Procurement-System eingelesen werden. Meist werden von den Lieferanten aber Excel-Dateien übergeben, die erst nach Bearbeitung über eine ASCII-Schnittstelle eingelesen werden.

  • Normalisierung und Rationalisierung der vorhandenen Artikeldaten:

Noch vor der Formatkonvertierung muss eine Sprachvereinheitlichung und Klassifizierung der Artikeldaten erfolgen, damit die Sortimentszuordnung und die Suchfunktionen gewährleistet sind.

  • Bilder und Zusatzdokumente (technische Merkblätter etc.):

Bilder sind in der Datenbank gespeichert und werden idealerweise bereits beim Einlesen übertragen, BMEcat unterstützt diesen Vorgang. Andernfalls müssen sie manuell zugewiesen werden. Zusatzdokumente (beliebige Dateien) werden separat gespeichert und per Verweis im Artikelstamm verknüpft. So können sie per Click herunter geladen bzw. geöffnet werden.

  • Katalogmanagement:

Lieferanten haben keinen direkten Zugriff auf den freigeschalteten Artikelstamm. Aktualisierungen werden als Datei übermittelt und von TEK-Service nach technischer und inhaltlicher Qualitätskontrolle (Übereinstimmung mit dem Rahmenvertrag) übernommen.

  • Bestellprozessunterstützung: Die Artikelauswahl wird durch verschiedene Suchmöglichkeiten untersützt, Abb. 7.6 zeigt den Screenshot einer Schnellsuche. Der Benutzer kann sich sich beliebig viele Warenkörbe zusammenstellen und diese bei Bedarf für wiederkehrende Bestellungen einsetzen. Bei Ãœberschreitung von Bestelllimiten wird automatisch ein Online-Genehmigungsworkflow angestossen. Budgetlimits können sowohl für Einzelpersonen als auch für Personengruppen (z.B. Abteilungen) hinterlegt werden. Nach dem Absenden des Warenkorbs erfolgt eine Auftragsbestätigung. Wird der anschliessende Wareneingang nicht innerhalb einer bestimmten Zeit über das ebenfalls vorhandene Reklamationssystem als fehlerhaft gemeldet, so gilt die Bestellung als ordnungsgemäss angekommen.

 

Abb. 3.4: Schnellsuche von Artikeln

Abb. 3.4: Schnellsuche von Artikeln

 

  • Reporting / Analyse des eigenen Einkaufsverhaltens: Die Stadt Lörrach hat erheblichen Bedarf an bestell- und controllingrelevanten Informationen aus dem System. Da die eingesetzte E-Procurement-Lösung die OLAP-Technologie unterstützt können auf einfache Weise nahezu beliebige Einkaufsdaten in beliebigen "Würfeln" (Cubes) ausgewertet und dargestellt werden. Die Ãœbertragung in eine multidimensionale Datenbank erfolgt hierbei in der Regel durch automatische Ãœberführung der OLAP-Würfel. Von dort kann über den Pivot-Bereich von Excel so zugegriffen werden, als arbeite man mit einer speziellen BusinessIntelligence-Software. Unter Verwendung der Daten aus dem Reklamationswesen können auch Lieferantenbewertungen vorgenommen werden.

4. Implementierung



Redesign der Prozesse [Prozess Redesign]
Die Stadt Lörrach vollzog eine fundamentale Veränderung von verschiedenen zentralen Bestellsystemen hin zur einheitlichen Bestellung vieler einzelner Mitarbeiter am Arbeitsplatz. Dementsprechend mussten die Bestell- und Anlieferprozesse einem kompletten Redesign unterworfen werden. Gleichzeitig war eine Überarbeitung des Konzeptes der Bestellberechtigungen notwendig, was letzlich auch mit neuen Genehmigungsverfahren für Limitüberschreitungen verbunden war.


Im Zuge der inhaltlichen Aufbereitung der Kataloge war eine Bereinigung der Produktevielfalt erforderlich. In diesem von TEK-Service unterstützten Vorgang musste Beleg für Beleg durchgegangen werden, um herauszufinden, welches Produkt in welcher Menge eingekauft wurde und welche gleichartigen Produkte ggf. unter anderen Bezeichnungen bei anderen Lieferanten bezogen wurden.


Erschwerend kam hinzu, dass das Projekt in seinem Einsatzbereich laufend ausgedehnt wurde und schliesslich nahezu alle Bereiche der städtischen Verwaltung erreichte: Sämtliche Fachbereiche (wie z.B. Schulen, Grundstücks- und Gebäudemanagement, Zentrale- und Bürgerdienste, Gärtnerei und Friedhof, Feuerwehren, Kultur und Bildung, Wirtschaftsförderung) sowie Eigenbetriebe (z.B. Stadtwerke, Abwasser, Werkhof) und das Innocel Innovations-Center Lörrach.


Vor der Einführung der Software wurden zunächst ca. 60 Mitarbeitende geschult. Aufgrund der Einfachheit des Systems gab es keine wesentlichen Schwierigkeiten bei den Anwenderinnen und Anwendern.


Nach der Basiseinführung wurde und wird auch der Sortimentsbereich Zug um Zug ausgeweitet. Für die Schulen der Stadt hat TEK-Service 2001 ein erstes Mal den gemeinsamen elektronischen Einkauf von Schulbüchern ermöglicht und einen Standardartikel-Katalog für Schulbedarf erarbeitet. Er umfasst über 3'000 Artikel, vom Tafellappen bis zum Reagenzglas. Auch in den Schulen verringert sich so der Bestellaufwand, und als Einkaufsgemeinschaft profitieren die 18 Schulen der Stadt Lörrach von günstigeren Preisen.


Für die Mitarbeiterin in der ehemaligen Materialausgabe wurde eine neue Aufgabe gefunden.


Technische Plattform, Software-Architektur [Systemarchitektur]


Entstehungsgeschichte der Software
Die Anfänge der E-Procurement-Lösung fielen zusammen mit der Gründung des Innocel Innovations-Center Lörrach zur Förderung der Ansiedlung von Firmen aus den Bereichen Biotechnologie und Informationstechnologie. Dort hatten sich die Gründer der Firma TEK-Service mit ihrer Idee vorgestellt und um Unterstützung gebeten. Daraus resultierten erste Gespräche mit dem ortsansässigen Steinbeis-Transferzentrum IT-BusinessConsulting, das sich als ERP-Experte mit der Verbindung von E-Business und ERP-Systemen beschäftigt und TEK anbot, das Vorhaben konzeptionell und durch Softwareentwicklung zu unterstützen. Diese wurde dann Grundlage einer Diplomarbeit von Herrn Tobias Andrae, damals Student des Steinbeis-Transferzentrums Lörrach an der Berufsakademie Lörrach.


Das E-Procurement-Zusatzmodul wurde als Erweiterung zum Basissystem Navision Axapta entwickelt, Abb. 4.1 zeigt die Architektur der Lösung.

Abb. 4.1: Architektur der TEK-Lösung mit ERP-System

Abb. 4.1: Architektur der TEK-Lösung mit ERP-System



Microsoft Navision Axapta als Basissystem
Das integrierte ERP-System Navision Axapta von Microsoft Business Solutions stellt das Herzstück der Software dar. Axapta hat folgenden Funktionsumfang:


Finanzbuchhaltung, Kostenrechnung, Anlagenbuchhaltung, Bankwesen, Warenwirtschaft, Logistik/Warehousemanagement (SCM), Projektmanagement, Produktionsplanung, Produkt- und Variantenkonfiguration, Shop Floor Control (SFC), Customer Relation Management (CRM), Marketing Management, Human Ressource, Knowledge Management, Web-Applications, Commerce-Gateway, Fragebogen, Management-Informationen über OLAP-Technologie.
Die Software ist objektorientiert. Da die volle ERP-Business-Logik auch über Web-Applikationen genutzt werden kann, ist sie für E-Business-Anwendungen wie E-Procurement geeignet. Das Modul "Commerce Gateway" schafft eine Ausgangsbasis für die Verzahnung von Geschäftsprozessen über mehrere Unternehmenspartner hinweg. Durch seine moderne n-tier-Architektur ist Navision Axapta verteil- und skalierbar. Als Datenbanken sind Microsoft SQL-Server sowie Oracle einsetzbar, als Betriebsysteme werden Microsoft-Produkte vorausgesetzt.


5. Betrieb



Unterhalt und Beschaffungsvolumen
Das System wurde in Lörrach im November 2000 produktiv geschaltet. Seither wurden Einsatzbereiche und Funktionen kontinuierlich ausgebaut. TEK-Service beschäftigt heute 5 Personen mit der Aufrechterhaltung des Betriebs und der Aktualisierung der Kataloge. Der Ausbau der IT-Plattform ist mit dem benachbarten STZ IT-BC auch ohne eigene IT-Ressourcen jederzeit möglich.


Etwa 5'000 Artikel, vom Bürobedarf bis zum Feuerwehrschlauch, sind heute auf der E Procurement-Plattform bestellbar. Im Jahr 2001 betrug das so abgewickelte Einkaufsvolumen der Stadt Lörrach kumulierte ca. 270'000 Euro.


Nutzen, Kosten, Rentabilität
Zwanzig Monate nach ihrer Einführung findet der Nutzen der Lösung breite Anerkennung. Jeder Artikel wird heute ausgeschrieben, wodurch jeweils der günstigste Lieferant gewählt werden kann. Bestellungen können gebündelt und die grösseren Mengen preiswerter beschafft werden. In den vergangenen Monaten haben sich Gemeinden im Umland der Lösung von Lörrach angeschlossen und bilden so eine kommunale Einkaufsgemeinschaft.


Die vorgestellte Lösung erforderte nur geringe Initialinvestitionen. Als Pilotkunde hat die Stadt Lörrach mit TEK-Service Pauschalgebühren vereinbart.


Das jährliche Einsparvolumen im Bereich Personalkosten beträgt nach Abzug der Gebühren für TEK-Service mindestens 30'000 Euro. Weitere Einsparungen ergeben sich durch den Wegfall des Lagers und Preisreduzierungen von bis zu 20 %. Der durchschnittliche Zeitaufwand für eine Bestellung konnte nach Berechnungen von TEK-Service von 160 Minuten auf 40 Minuten gesenkt werden.


6. Erfolgsfaktoren



Erfolgsfaktoren und Spezialitäten der Lösung
Zum Erfolg des Lörracher E-Procurement-Projektes haben vor allem beigetragen:

  • Die Wertung des Vorhabens als "strategisches" Netzwerkprojekt der Stadt, hinter dem Oberbürgermeisterin und Bürgermeister persönlich stehen und dem sie jederzeit Rückendeckung geben.
  • Die Kompetenz, Motivation und Begeisterungsfähigkeit des Start-Ups TEK-Service und deren Bereitschaft, stets auf die sich ändernden Bedürfnisse der Stadt Lörrach einzugehen.
  • Eine E-Procurement-Software, die auf einem soliden ERP-System aufbaut, sowie die Beziehung zum IT-Partner STZ, mit dem immer wieder auf relativ einfache Weise neue Anforderungen realisiert werden konnten.



Veränderungen
Neben den bereits beschriebenen technischen und organisatorischen Veränderungen, hat die E Procurement-Lösung auch externen Beteiligten Anstösse gegeben. Erste Lieferanten ergreifen die Initiative, um neben der Stadt mit weiteren Geschäftspartnern B2B-Geschäfte abzuwickeln. Insofern erfüllt das Projekt eine Vorreiterrolle für moderne Formen der internetbasierten Zusammenarbeit von Firmen untereinander.


Nach der Stadt Lörrach haben sich weitere Organisationen für den Einsatz der geschilderten E Procurement Lösung entschieden:

  • Kommunen: Schönau, Inzlingen, Schliengen, Tübingen, Reutlingen, Sigmaringen, Remseck.
  • Weitere Bereiche: Gemeindeverwaltungsverband Schönau, Landratsamt Ebersberg, Landratsamt Saarlouis.

 


Owner/s of the solution

Stadt Lörrach
Edgar Mohring, Bürgermeister Lörrach
Industry: Public authorities/Social insurance/Police/Armed forces
Company size: Medium-sized enterpriseStadt Lörrach

Solution partner/s

Monika Schmidt, Marketing-Leitung
TEK Service AG
Tobias Andrae
STZ IT Business Consulting

Case study author/s

Jürgen Treffert
STZ IT Business Consulting
Ralf Wölfle
Fachhochschule beider Basel FHBB

01. September 2002
Treffert; Jürgen; Wölfle Ralf (2002): Fallstudie Stadt Lörrach; in: Schubert; Petra; Wölfle; Ralf; Dettling; Walter (Hrsg.; Procurement im E-Business; S. 105-119; München; Wien: Hanser Verlag; 2002
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
1718
loerrach
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1718-loerrach
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