Hohe Kundenzufriedenheit mit automatisierter Dokumentenverarbeitung beim Steueramt der Stadt Luzern

01. March 2004



Am 1. Januar 2001 wurde auch in Luzern von der zweijährigen auf die einjährige Steuerveranlagung gewechselt. Das Steueramt der Stadt Luzern nahm dies zum Anlass, die gesamten Prozesse umfassend zu überprüfen und zu reorganisieren. Durch die Unterstützung der Prozesse mit Informations- und Kommunikationstechnologien konnten viele Prozessschritte automatisiert, vereinfacht und transparenter gestaltet werden. Die Papierakte wurde durch die elekronische Akte ersetzt, d.h. alle Steuerformulare werden gescannt und sind danach für jeden Mitarbeiter innert Sekunden an seinem Arbeitsplatz abrufbar. Das wichtigste Merkmal der heutigen Organisation ist die Trennung von Kundenbetreuung und Backoffice-Bereich. Für den Kunden bedeutet dies, dass es für ihn eine Anlaufstelle gibt - den Kundendienst - wo alle seine Anliegen behandelt werden können. Diese Trennung ist nur dadurch möglich, dass alle notwendigen Informationen überall elektronisch verfügbar sind.


1. Einleitung

Am 1. Januar 2001 wurde in über 20 Kantonen der Schweiz von der zweijährigen auf die einjährige Steuerveranlagung gewechselt. Im administrativen Bereich bedeutete das für die Steuerämter der Gemeinden eine Verdoppelung der Akten und einen Mehraufwand von rund 60% bei der Veranlagung der Steuern. Luzern ist die achtgrösste Stadt der Schweiz. Mit dem System der einjährigen Veranlagung werden rund 1 Mio. Seiten Akten pro Jahr bearbeitet. Die Anzahl Dossier pro Jahr beträgt ca. 40'000 und die Mitarbeitenden am Kundendiensttelefon bearbeiteten im Jahr 2003 neben der gesamten Korrespondenz über 54'000 telefonische Kundenanfragen. Das Steueramt der Stadt Luzern arbeitet heute mit gleich vielen Stellenprozenten wie im Jahr 1998 (5000 Stellenprozente für Registerführung, Veranlagung und Inkasso).

Im folgenden Beitrag wird aufgezeigt, wie dieser Mehraufwand dank einer umfassenden Prozessreorganisation und mit dem Einsatz von modernsten Informatikmitteln ohne Personalausbau aufgefangen werden konnte.


2. Datenerfassung per Computer

Stichproben von Veranlagungen haben ergeben, dass rund 60% unserer Kunden ihre Steuererklärung korrekt ausfüllen. Unsere Einschätzenden veranlagen diese Fälle genau so, wie sie die Kunden eingereicht haben. Der grösste Aufwand bei diesen Fällen ist das Übertragen der Daten von der meist handschriftlich ausgefüllten Steuererklärung in das Veranlagungsprogramm. Im Kanton Luzern konnten die Steuerformulare scanntauglich ausgestaltet werden. Dabei diente das Musterformular der Schweizerischen Steuerkonferenz als Vorlage, lediglich die Zahlenfelder wurden mit Kästchen in einer Dropout-Farbe hinterlegt. Dank diesen scanntauglichen Formularen können Daten auf den Steuererklärungen in Luzern automatisch digitalisiert werden. Mit der Software océ werden die handschriftlichen Ziffern einzeln und in Feldern erkannt. Mit Schwellwerten kann die Qualität der Zeichenerkennung und damit auch der manuelle Aufwand für Nachprüfungen festgelegt werden. In Luzern kommen rund 6% der Felder in die manuelle Nachprüfung.

Die Daten von Steuererklärungen, welche per Computer ausgefüllt werden (rund 20%), werden beim Ausdruck der Steuererklärungen in einen 2D-Barcode (PDF417) umgewandelt. Diese Barcodes werden dann auf dem Steueramt mit einer Laserpistole eingelesen und über die gleiche Schnittstelle wie bei der Handschriftenerkennung in die Veranlagungssoftware eingespiesen. Dank diesen Anstrengungen konnte die Routinearbeit „Datenerfassen“ dem Computer übertragen werden.


3. Papierarmes Büro dank elektronischer Aktenverwaltung

Der Hauptaufwand im alten Steueramt war die Verwaltung der (Papier-)Akten. Jede Akte durchwanderte beim alten Prozess mindestens sieben verschiedene Stationen: die Akte war gleichzeitig der Prozesstreiber. Im Steueramt waren für diese Aufgabe rund 7 Mitarbeitende beschäftigt. Heute kennen unsere Akten zwei Stationen: vor Scanning und nach Scanning. Die gesamte Verwaltung der Akten wurde elektronifiziert. Die Steuererklärungen werden von der Post an das Scanncenter geliefert. Dort werden sie vorbereitet und gescannt. Nach dem Scanning werden die Akten direkt in das Endarchiv gebracht und lagern dort während 4 Jahren. Die restlichen 6 Jahre der vorgeschriebenen Archivierungszeit erfolgt nur noch in elektronischer Form.

Die einzelnen Seiten einer Akte werden entweder über vorgedruckte Barcodes (bei denjenigen Formularen, welche wir selbst versenden) oder über eine automatisierte Erkennung (z.B. bei Rentenmeldungen oder Lohnausweisen) mit Namen bezeichnet. Die Akten werden zudem - wo notwendig mit Trennblättern in einzelne Bereiche aufgeteilt. So wird die Durchsicht der Akten beim Einschätzenden erleichtert. Heute kann in Luzern jeder Mitarbeitende jede Akte innert Sekunden auf dem Bildschirm einsehen. Dies ist ein riesiger Vorteil gegenüber dem früheren System, wo man auf eine Akte aus dem Archiv manchmal durchaus ein bis zwei Tage warten musste.

Die doppelte Anzahl von Akten wird heute mit 4.5 Mitarbeitenden, welche für die Arbeiten im Frühjahr durch insgesamt 120 Stellenprozente (auf ein Jahr umgerechnet) unterstützt werden, bewältigt.


4. Automatisierte Veranlagung

Da rund 60% der Steuererklärungen korrekt ausgefüllt sind, bräuchten wir eigentlich nur 40% der Veranlagungen zu überprüfen und zu korrigieren. Nur: wer findet diese 40% aus allen Fällen? In Luzern kommt für diese Aufgabe ein Regelwerk zur Anwendung. Das Regelwerk ist so einfach, dass jeder Mitarbeitende genau nachvollziehen kann, welche Prüfungen vom Regelwerk vorgenommen wurden. Dies ist für die Akzeptanz des Instrumentes sehr wichtig. In dieser Einfachheit des Regelwerkes kommt aber auch die grundsätzliche Philosophie beim Einsatz von Informatikmitteln in Luzern zum Vorschein. Der Computer übernimmt in Luzern die Routinearbeiten ohne Ermessensspielraum. Sobald zwischen mehreren Möglichkeiten gewählt werden muss oder ein Sachverhalt nicht auf den ersten Blick klar ist, übernimmt ein qualifizierter Mitarbeitender den Fall. Das Regelwerk soll also den Menschen nicht ersetzen, sondern von rechnerischen Arbeiten entlasten und bei der Auswahl der Prüffälle unterstützen.

Von den Veranlagungen 2002 wurden rund 20% vollautomatisiert erstellt. Dabei handelte es sich vor allem um Rentner sowie um Erwerbslose wie Studenten und Schüler. Aber auch von den Angestellten konnten rund 15% automatisiert veranlagt werden. Die automatisierten Veranlagungen weisen alle einen unterdurchschnittlichen Steuerertrag auf: es werden also erwartungsgemäss vor allem niedrige Einkommen und Vermögen automatisiert verarbeitet. Die höheren Einkommen werden von den Einschätzenden veranlagt. Ein automatisierter Fall kann innert drei Arbeitstagen vollumfänglich bearbeitet werden. Das Verfahren ist also sehr rasch und die Kunden haben die fertige Veranlagung schneller als bisher im Hause.


5. Effizienter Kundendienst

Bevor die Informatikmittel eingesetzt wurden, fand eine umfassende Überprüfung der Prozesse im Steueramt statt. Die bestehenden Prozesse mussten alle neu gestaltet werden, da ja der bisherige Prozesstreiber, nämlich die Papierakte, nicht mehr zur Verfügung stand. Dank der neuen Informationstechnologie konnten zudem alle Informationen zeitgleich in allen Büros zur Verfügung gestellt werden: dies eröffnete neue Möglichkeiten, welche genutzt werden sollten. Das wichtigste Merkmal der heutigen Organisation ist die Trennung zwischen der Kundenbetreuung und den Arbeiten im Backoffice.

Für die Betreuung der Kunden wurde ein eigener Kundendienst eingerichtet. An drei Diskretschaltern werden die Anliegen der Laufkundschaft bearbeitet. Im Callcenter können bis zu 17 Telefonapparate aufgeschaltet werden. Der Post- und der Faxeingang sind im Kundendienst und ebenso werden die (in der Anzahl stetig steigenden) Anfragen per eMail von den Mitarbeitenden im Kundendienst beantwortet. Die Mitarbeitenden verfügen alle über eine hohe Kommunikationskompetenz und sind vom Typ her extrovertiert; dies im Gegensatz zu den Einschätzenden, welche eher introvertiert sind und den Kundenkontakt eigentlich nicht sehr schätzen. Das Steuerfachwissen der Mitarbeitenden im Kundendienst beschränkt sich auf den Inhalt der Wegleitung plus einige wenige Spezialthemen. Dies reicht aus, um rund 80% der Kundenanliegen eigenständig und sofort zu erledigen. Für vertieftere Auskünfte werden die Mitarbeitenden im Kundendienst durch den Tageseinschätzer unterstützt; immer jeweils eine Woche lang verlegt ein Einschätzender seinen Arbeitsplatz in das Büro des Kundendienstes und bearbeitet dort die schwierigeren Fachprobleme der Kunden. Sollte einmal ein bestimmter Mitarbeitender für die Beantwortung von Fragen oder Anliegen notwendig sein, so wird dieser an den Schalter gerufen: der Kunde wird nicht mehr im Steueramt herumgeschickt, sondern wir kommen zu unseren Kunden. Diese Aufteilung zwischen Backoffice und Kundendienst ist nur möglich, weil alle notwendigen Informationen elektronisch einsehbar sind. Die Mitarbeitenden können von jedem Arbeitsplatz aus alle Verarbeitungen erledigen.


6. Elektronischer Informationsaustausch innerhalb und ausserhalb des Steueramtes

Noch verfügt der Kanton Luzern nicht über eine vollelektronische Steuererklärung. Zwar wird den Kunden eine CD mit einem Programm zum Ausfüllen der Steuererklärung gratis abgegeben (das Programm kann auch von der Homepage auf den PC geladen werden). Aber der Datentransfer erfolgt noch auf Papierform über den ausgedruckten 2D-Barcode. Es ist eine Frage der Zeit, bis auch in Luzern die Steuererklärung elektronisch abgegeben werden kann. Zu lösende Probleme sind noch die Verifizierung und die Authentizität sowie das Handling der notwendigen Beilagen (Lohnausweise usw.).

Dennoch werden bereits heute einige Geschäftsfälle über Internetformulare abgewickelt. So können zum Beispiel Einzahlungsscheine und CDs über Internet bestellt, Fristverlängerungen und Ratenzahlungen beantragt und allgemeine Informationen bezogen werden. Technisch gesehen werden diese Anträge in Form von eMails auf einfachste Art in eine Outlook-Mailbox gestellt und dort bearbeitet. Mit solchen Mailboxen oder elektronischen Anschlagbrettern werden auch interne Aufträge übermittelt. So werden z.B.Änderungen bei den Stammdaten intern ausgelöst. Andere Steuerämter können über eine spezielle eMail-Adresse Akten und Informationen bei uns bestellen. Die elektronischen Anschlagbretter dienen aber auch zum Austausch von Informationen oder News. Im DMS werden die fachlichen Nachschlagewerke, welche nicht auf dem Internet verfügbar sind (jeder Mitarbeitende verfügt in Luzern über einen Internetanschluss), abgelegt. Dazu gehören beispielsweise Kurslisten der vergangenen Jahre oder interne Schulungsunterlagen.

Die neuen Prozesse werden in einer Prozesslandkarte dargestellt. Die Prozesse der wichtigsten Geschäftsfälle können in einer PowerPoint-Präsentation Schritt für Schritt verfolgt werden. Diese Präsentation steht selbstverständlich auch allen Mitarbeitenden zur Verfügung und ist von jedem Arbeitsplatz aus einsehbar. Damit wurde das vormalige System der Einzelkämpfer durch ein System von Teamplayern mit einer sehr hohen Transparenz abgelöst. Dies gilt auch für den Bereich des Controllings und der Leistungsmessung. So sind die wichtigsten Auswertungen über den Fortschritt der Arbeiten für alle Mitarbeitenden zugänglich. Darunter gehört auch die Auswertung über die Anzahl erledigter Fälle pro Mitarbeitenden. Eine solche Offenheit bedingt eine gute Führungsarbeit und Kommunikation der Teamleiter. Die interne Zusammenarbeit muss geprägt sein von einem hohen gegenseitigen Respekt und von einer grossen Toleranz gegenüber Leistungsunterschieden. Durch die grosse Transparenz werden die Mitarbeitenden automatisch zu wichtigen Partnern im Bereich der Prozessoptimierung; da jeder den gesamten Prozess kennt, kann er auch seinen Teilschritt sehr gut einordnen und Verbesserungsmöglichkeiten erkennen.


7. Wirtschaftlichkeitsrechnung

Im Jahre 1998 gab es für die Weiterentwicklung des Steueramtes zwei Szenarien für die Bewältigung der einjährigen Veranlagung: der bestehende Prozess wird beibehalten und der Personalbestand wird um 10 bis 15 Personen aufgestockt, oder der Prozess wird grundlegend neu gestaltet und der Personalbestand bleibt gleich. Das erste Szenario hätte pro Jahr rund 1,5 Mio. Franken Mehraufwand gebracht. Das zweite Szenario wurde realisiert und kostete insgesamt rund 3 Mio. Franken. Heute arbeitet das Steueramt zu den gleichen Kosten wie 1998 (teuerungsbereinigt). Damit konnte nicht nur der Personalaufwand stabil, sondern auch die Gesamtkosten konstant gehalten werden, obwohl die Investitionskosten zu Lasten des laufenden Budgets des Steueramtes abgeschrieben werden müssen. Die Fallkosten sind um 40% gesunken. Die Investitionen konnten gegenüber dem Szenario „Personalausbau“ innert zwei Jahren amortisiert werden.


8. Lessons Learned

Lehren für spätere Projekte Interne Prozesse verändern!
In allen Anleitungen zur Einführung von eGovernment steht an prominenter Stelle, man müsse vor der Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien die Prozesse reorganisieren. Dies haben wir in Luzern umfassend gemacht. Die neuen Informatikinstrumente eröffnen ganz neue Möglichkeiten der Prozessgestaltung. Diese können nur dann effizient genutzt werden, wenn man bereit ist, die alten manuell gesteuerten Prozesse vollumfänglich neu zu gestalten. Es ist auch nicht möglich, die alten und die neuen Prozesse nebeneinander weiterzuführen. In Luzern wurde vollumfänglich auf die elektronische Aktenverwaltung umgestellt. Es gibt keine Ausnahmen: auch die Dossiers von Einzelfirmen werden gescannt.

Standardlösungen einsetzen!
Für die Weiterentwicklung der Informatikinstrumente ist es wichtig, dass Standardlösungen eingesetzt werden. Eine Stadt wie Luzern kann es sich nicht leisten, eigenständige Lösungen zu entwickeln und zu unterhalten. Erst die Weiterverbreitung der Lösungen führt zu einem wirtschaftlichen Einsatz und auch zu einer ständigen Verbesserung der Produkte. Die Scanninglösung von Luzern wird mittlerweile auch in anderen Gemeinden oder Städten erfolgreich eingesetzt: so z.B. in Winterthur. Die Veranlagungslösung mit dem Regelwerk wird mittlerweile in rund 15 Gemeinden im Kanton Luzern und auch in anderen Kantonen eingesetzt. Der grosse Vorteil ist, dass die Weiterentwicklungskosten geteilt werden können und dass die Lösung mit zunehmender Anzahl von Kunden auch über immer breitere Funktionalitäten verfügt. Der erfolgreiche Einsatz von solchen Standardlösungen bedingt, dass man bereit ist, die eigenen Prozesse immer wieder zu überprüfen und wo notwendig, an die neuen Möglichkeiten der Lösung anzupassen.

Mut und Konsequenz!
Der Finanzdirektor dankte an der Medienkonferenz zur Information über die neue Lösung dem Steueramt für den Mut und die Konsequenz bei der Umsetzung des Projektes. Das Projekt Steueramt Luzern war darum erfolgreich, weil keine halben Sachen gemacht wurden. Das neue System wurde konsequent umgesetzt ohne Kompromisse an die alten Abläufe. Es wurde einiges gewagt und einiges weniges musste wieder verworfen werden. Während der Projektdauer liess sich das Team von einem Satz mit zwei Mottos leiten: Mach es einfach! Nämlich: Mach es einfach (gute Lösungen sind immer auch einfache Lösungen!) und mach es einfach (es gibt immer tausend Gründe, warum etwas nicht geht: wir machen es trotzdem!). eGovernment eröffnet viele neue und effiziente Möglichkeiten zur Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen: Machen Sie es einfach!


Owner/s of the solution

Steueramt Stadt Luzern
Esther Müller, Leiterin des Steueramtes der Stadt Luzern
Industry: Public authorities/Social insurance/Police/Armed forces
Company size: Small enterpriseSteueramt Stadt Luzern

Solution partner/s

Richard Cop, CEO
Interact Consulting AG

Case study author/s

Esther Müller
Stadt Luzern

01. March 2004
Dr. Esther Müller (2004): Steueramt Stadt Luzern: Das modernste Steueramt der Schweiz; in: eGov Präsenz; 01/2004; S. 19 - 21.

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