Online spenden bei der Caritas
Die Fallstudie zeigt, wie die Caritas auf den stagnierenden Spendenmarkt reagiert. Die Branche entwickelt sich zu einem Verdrängungsmarkt. Die Caritas muss sich deshalb nach Massnahmen umsehen, um neue Zielgruppen anzusprechen. Mit den Online-Spenden hat sie ein solches Instrument gefunden. Dieses unterstützt die anderen Marketingmassnahmen der Caritas wie Mailings, Plakate, Kampagnen etc.
1. Caritas: das Hilfswerk
Die Caritas Schweiz engagiert sich in der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe, in der Flüchtlings- und Asylarbeit sowie in der sozialen Hilfe im Inland. Sie gehört zu den bekanntesten Hilfswerken in der Schweiz. Sie wurde 1901 gegründet und ist Mitglied des internationalen Caritas-Netzwerks, das weltweit 154 Organisationen umfasst. Das Hilfswerk arbeitet mit den regionalen Caritas-Stellen zusammen, die gegen die Armut in der Schweiz kämpfen. Die Jahresrechnung der Caritas schloss 2002 mit einem Umsatz von 102,3 Mio. Franken. 40,7 Mio. Franken sind öffentliche Mittel. 28,5 Mio. Franken stammen von Beiträgen der Glückskette und anderer Hilfswerke aus dem internationalen Caritas-Netz. Der Spendenanteil liegt bei 18,2 Mio. Franken. Andere Erträge machen 14,9 Mio. Franken aus. Sie stammen aus Warenverkäufen, Erträgen für Dienstleistungen und Zinserträgen.[1]
(André Simonazzi, Caritas Schweiz, Leiter der Abteilung Information)
2. Der Spendenmarkt Schweiz
Nach einem Spendenrekord im Jahr 2001 ist das Spendenvolumen im Jahr 2002 deutlich zurückgegangen. Das Gesamtvolumen in der Schweiz sank von 930 Mio. Franken auf 760 Mio. Franken. Der Anteil der spendenden Haushalte ging von 72% auf 68% zurück. Auch die durchschnittliche Spendensumme eines Haushaltes sank von 540 auf 467 Franken. Der Rückgang ist vor allem auf die verschlechterte Wirtschaftslage zurückzuführen.[2]
Bei den Spendern ist zudem ein Trend zur Pluralisierung der Spendenzwecke spürbar. Durchschnittlich wurde für 3,07 Zwecke gespendet. Die Spender geben jedoch nicht mehr, sondern verteilen ihre Beträge auf mehrere Hilfsorganisationen. Der Hauptanteil der Spenden geht in die Krankheitsbekämpfung (43%). Für Arme in der Welt werden 22%, gegen den Hunger auf der Welt 17% und für die Entwicklungshilfe 13% gespendet. Bei den letzten zwei Spendenzwecken sind die Tendenzen rückläufig.
Die Untersuchung der Kontaktkanäle hat gezeigt, dass direkte Konfrontationen wie telefonische oder persönliche Kontaktaufnahme nicht beliebt sind. Auch E-Mails werden als unsympathisch empfunden.
3. Die Caritas nutzt verschiedene Kanäle
Die Caritas macht die Bevölkerung über verschiedene Kanäle auf Menschen in Not aufmerksam und motiviert sie zum Spenden: Mit Zeitungsinseraten, Fernsehspots, direkten Mailings an potentielle und bestehende Spender, im Internet, mit Medienarbeit und in eigenen Publikationen.
Die Spender, die auf die Mailings reagieren, werden kontinuierlich über die Aktivitäten der Caritas informiert. Die Caritas kontaktiert sie durchschnittlich sechs Mal pro Jahr. Nach dreimaligem Spenden entsteht eine Vertrauensbeziehung zwischen der Caritas und dem Spender. Dieses bietet die Basis für eine längerfristige und regelmässige Unterstützung durch den Spender.
4. Online spenden
Die erhöhte Konkurrenz zwang die Caritas, neue Spendenzielgruppen anzusprechen: Sie setzte zu diesem Zweck neue Informations- und Kommunikationstechnologien als Spendeninstrumente ein. Seit 2001 kann der Spender seine Spenden auch online abgeben. Der Spendenaufruf erfolgt im Kontext einer Kampagne für einen Katastrophenfall wie den Irak- oder den Kosovokrieg. Im Katastrophenfall implementiert die Caritas gemeinsam mit der Zeitgeist Group eine Produktion bspw. in Form einer Diashow. Damit kann sich der Interessierte online über die Katastrophe informieren und auch gleich spenden. Durch den direkten Bezug zur Kampagne weiss der Spender, wohin sein Geld fliesst. Der Spender kann einen Betrag ab 50 Franken wählen und per Rechnung oder per Kreditkarte bezahlen. Die Abrechnung über die Kreditkarte übernimmt ein Billing-Anbieter. Wünscht der Spender einen Einzahlungsschein, erhält er diesen von der Caritas.
Kampagnen um. Mit der visuellen Unterstützung der Informationen etwa in
Form von Diashows gelingt es uns, eine Nähe zwischen dem Besucher und
dem Schicksal zu schaffen.“
(André Simonazzi, Caritas Schweiz, Leiter der Abteilung Information)
Spender reagieren auf ein Thema oder eine Krisensituation, die sie betroffen macht. Sie wollen aktiv werden und den Menschen in Not mit einer Spende helfen. Entscheidet sich der Spender wiederholt für die Caritas, ist das die Basis für eine längerfristige Vertrauensbeziehung. Caritas fördert dieses Vertrauen mit kontinuierlicher Information und Kommunikation.
Abbildung 1: Caritas Kampagne zur Irakkrise
5. Neue Zielgruppe im Internet
Über das Internet spricht die Caritas eine neue Zielgruppe an, die ein Spendenpotential aufweist. Gemäss aktuellen Internetstatistiken der Wemf sind 60% der Internetsurfer erwerbstätig und 35% haben ein Einkommen zwischen 4’000 und 8’000 Franken. 80% der Online-Spender sind neue Spender. Sie hatten vorher noch nie an die Caritas gespendet.
6. Effektivität und Effizienz
Die Verknüpfung des Spendenaufrufs mit einer Kampagne im Internet hat erste Erfolge gezeigt: 2% der Spenden für den Irakkrieg gingen über das Internet bei der Caritas ein. Im Vergleich zur Kosovokrise konnte der Anteil Online-Spenden verdoppelt werden. Obwohl dieser Anteil noch marginal ist, erkennt André Simonazzi das Potential hinter den Online-Spenden. Da 80% der Online-Spender neue Spender sind, konkurrenziert die Caritas mit den Online-Spenden bestehende Kanäle kaum. André Simonazzi hat sich das Ziel gesetzt, in den nächsten fünf Jahren 5% der Spenden durch das Internet zu generieren.
Neben den Online-Spenden ermöglicht der Internetauftritt eine aktuelle und umfassend Information für alle Interessierten. Im Gegensatz zu Mailings lässt sich der Inhalt der Website tagesaktuell anpassen. In der Irakkrise wurde im Internet beispielsweise alle zwei Tage über den Fortschritt der Unterstützungsleistungen informiert. Es kommt regelmässig vor, dass Grossspender oder Firmen sich über das Internet informieren und später eine Spende über einen anderen Kanal machen.
Gleichzeitig bietet das Internet direkte Interaktionsmöglichkeiten mit den Interessenten. Anfragen werden nicht mehr durch eine Postzustellung verzögert, sondern gelangen elektronisch zur Caritas. Interessierte können dadurch schneller mit den gewünschten Informationen versorgt werden.
7. Herausforderungen
Die Caritas verfolgt mit ihren Internetaktivitäten drei Ziele:
- Informationen über ihre Projekte bereitstellen
- Zeigen, wie flexibel und aktualitätsorientiert und letztlich vertrauenswürdig das Hilfswerk ist
- Neue Zielgruppen ansprechen
Die Öffentlichkeit nutzt die Website von Caritas intensiv: Im Zeitraum zwischen dem 1. Mai 2002 und dem 30. April 2003 besuchten 50'000 Unique Visitors die Website der Caritas. Dies zeigt die Akzeptanz in der Bevölkerung. Unterdessen liegt der Schwerpunkt in der Optimierung der Website für Teilöffentlichkeiten wie Medienschaffende oder Personen, die sich für einen Freiwilligeneinsatz interessieren. Sie sollen verstärkt auf das Angebot der Caritas aufmerksam gemacht werden.
Die Interaktion mit den Interessenten im Internet will die Caritas ebenfalls ausbauen. So kann bspw. der Antrag für eine Kinderpatenschaft online übermittelt werden.
8. Fazit
Die Caritas unterstützt auf dem Internet zwei Formen der Spendenentscheidung, indem sie den potentiellen Spender im Moment seiner Betroffenheit abholt und ihm auch gleich eine Spendemöglichkeit bietet: High-Involvement-Entscheidungen und Low-Involvement-Entscheidungen. Die Psychologie des Kaufverhaltens lässt sich sinngemäss auf das Spendenverhalten übertragen:
Das Kaufverhalten ist abhängig vom Involvement einer Person. Das Involvement bezeichnet den Grad der emotionalen Einbezogenheit eines Käufers in die Kaufentscheidung. Während manche Güter ein hohes Involvement des Konsumenten mit sich bringen, ist bei anderen das Involvement kaum ausgeprägt. Je nach Grad des Involvements ist der Verlauf der Zahlungsbereitschaft unterschiedlich: Bei einem hohen Involvement sammelt der potentielle Kunde intensiv Informationen (vgl. Abbildung 2). Dies senkt seine Zahlungsbereitschaft, weil er erfährt, dass das Produkt nicht genau seinen Vorstellungen bezüglich Preis und Ausstattung entspricht. Deshalb lässt er die Entscheidung liegen. Erst beim physischen Kontakt mit einem Verkäufer, der ihm die Vorteile des Produkts aufzeigt, steigt die Zahlungsbereitschaft wieder.
Abbildung 2: High Involvement
Der Spontaneinkauf mit geringem Involvement ist meist auf einen Reiz wie ein Werbeplakat zurückzuführen. Der Reiz steigert im Moment die Zahlungsbereitschaft. Ist jedoch keine Kaufgelegenheit vorhanden, geht das Bedürfnis schnell wieder vergessen (vgl. Abbildung 3).
Abbildung 3: Low Involvement
Die Caritas steigert das Involvement der potentiellen Spender im Internet durch die Vermittlung von Informationen und Emotionen in einer Kampagne. Das Internet ist besonders dazu geeignet, die Informationstiefe den Bedürfnissen des Kunden anzupassen. Durch Informationen und Bildmaterial wird der potentielle Spender näher an das Schicksal der Betroffenen geführt. Ohne Zeitverzögerung und Medienbruch hat er in der Kampagne die Möglichkeit sich mit einem Spendenbeitrag zu engagieren. Dies zeigt das Potential des Internets im Spendenprozess. Anders als bei anderen Medienträgern gibt es beim Internet keinen Medienbruch zwischen der Informationsphase und der Spendenmöglichkeit.
[1] Diese Fallstudie basiert auf einem Gespräch zwischen den Autoren und André Simonazzi sowie Mischa Blank am 14. August 2003.
[2] GfS Spendenmonitor 2002.