Online-Einkaufsauktion bei der Schindler AG

13. August 2002



Schindler Aufzüge AG ist ein Tochterunternehmen des Schweizerischen Schindler Konzerns, dem weltweit zweitgrössten Anbieter für Aufzüge und Fahrtreppen. Auf der Suche nach Optimierungspotenzialen in der Beschaffung sammelte die Abteilung Strategische Beschaffung im Jahr 2001 erstmals Erfahrungen in der Durchführung einer Online-Einkaufsauktion. Für die webbasierte Verhandlung der Konditionen mit fünf Lieferanten für Antriebskomponenten wurden die Auktionsplattform und die Dienste von Conextrade eingesetzt. Die Konzeption, der Verlauf und die Erfahrungen mit dieser neuen Verhandlungsform sind Gegenstand dieser Fallstudie.


1. Das Unternehmen

Hintergrund
Die Gründung der heutigen Schindler Gruppe geht ins Jahr 1874 zurück. Aus dem damaligen kleinen Familienunternehmen ist der weltweit zweitgrösste Anbieter von 7 Aufzügen und Fahrtreppen entstanden, dessen Stimmenmehrheit noch heute in Familienbesitz ist. Die in der Schweiz domizilierte Schindler Aufzüge AG ist eine Tochtergesellschaft der in über 100 Ländern und auf allen Kontinenten aktiven Schindler-Gruppe. Der Konzern setzte im Jahr 2001 8.4 Mrd. CHF um und beschäftigt über 40'000 Mitarbeitende.


Schindler Aufzüge AG zählt 1'800 Mitarbeitende und produziert in Ebikon bei Luzern die Hochleistungsaufzüge für den ganzen Konzern, welche grösstenteils weltweit zum Einsatz gelangen. Gleichenorts befinden sich der Hauptsitz, die Forschung & Entwicklung des Konzerns, sowie das Trainings-Center und das 7x24h-Call Center.


Markt- und Beschaffungssituation
Schindler Aufzüge AG ist im Schweizer Markt der führende Anbieter von Aufzügen und Fahrtreppen. Das Geschäft umfasst die Beratung von Architekten, Generalunternehmern, Eigentümern und Liegenschaftsverwaltungen, sowie die Projektierung, Herstellung, Installation, Wartung und Modernisierung der Anlagen. Bei allen Projekten heissen die Maximen Sicherheit und Benutzerkomfort. Um den Markt effizient und kundennah zu bedienen, werden in der Schweiz 13 Geschäftsstellen geführt, die in die Regionen Ost, Mitte und West aufgeteilt sind.


Der weltweite Markt für Aufzüge und Fahrtreppen ist geprägt von starken Überkapazitäten, denen Schindler durch Innovation, straffes Kostenmanagement und eine solide Finanzstruktur begegnet. Unter dem Namen R03 sind im Konzern gezielte Projekte gestartet worden, welche die Profitabilität des Unternehmens nachhaltig steigern sollen. Die Beschaffungsabteilungen sollen durch Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen dazu beitragen. Der Einsatz von E-Procurement-Instrumenten ist eine Massnahme zur Erreichung dieser Ziele.


Beschaffungssituation
Das gesamte Beschaffungsvolumen der Schindler Aufzüge AG betrug im Jahre 2001 280 Mio. CHF für A- und B-Güter und etwa 70 Mio. CHF für C-Güter. 50 Mio. CHF vom Gesamtvolumen wurde in den oben erwähnten Regionen eingekauft. Bei den A-/B-Gütern handelt es sich um Rohmaterial, Komponenten, Systeme und Bestandteile für die Herstellung und die Reparatur von Aufzügen.
Die Abteilung strategischer Einkauf ist dem Leiter Supply Chain Management unterstellt. Die operativen Einkaufsaktivitäten sind stark dezentralisiert. Die Leistungen der Beschaffungsabteilung werden mittels einer bis auf den einzelnen Mitarbeitenden herunter gebrochenen Balanced Scorecard gemessen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Beschaffungsstrategie konsequent umgesetzt wird.


Lieferantenbeziehungen
Mit den strategischen Lieferanten beabsichtigt Schindler langfristige Partnerschaften einzugehen. Wichtige Zulieferer werden in die Entwicklungs- und Herstellungsprozesse einbezogen mit dem Ziel, Time-to-Market und Lieferfristen zu minimieren und die Logistikkosten zu reduzieren. Der Versorgungssicherheit und der Qualität werden gleichermassen ein hoher Stellenwert eingeräumt.
Durch gezielte und systematische Beschaffungsmarketing-Aktivitäten sollen die besten Zulieferer gefunden und die Beziehung zu bestehenden Partnern kontinuierlich verbessert werden. Die Leistungen der Zulieferer werden regelmässig gemessen, bewertet und, wo erforderlich, Verbesserungsmassnahmen definiert.


Unternehmensvision
Schindler verfolgt das Ziel, die führende Stellung im internationalen Aufzugs- und Fahrtreppengeschäft zu behalten und weiter auszubauen - "Leadership through Service". Hierfür setzt sie auf ihre weltweit vorhandenen Branchenkenntnisse, ihre jahrzehntelange Erfahrung und hat den festen Willen, die Kunden rund um die Uhr zuverlässig, vorbildlich und bedürfnisgerecht zu bedienen.


2. E-Business- bzw. E-Procurement-Strategie

Der Konzern will die bisher mehrheitlich lokalen E-Business-Aktivitäten künftig stärker koordinieren und vereinheitlichen. Im Einsatz von E-Procurement-Instrumenten hat die Schindler Aufzüge AG im Konzern bisher verschiedene Erfahrungen durch Pilotprojekte gesammelt.
Ihre wichtigsten, teilweise erst geplanten Initiativen sind:

  • Anbindung der internen Bedarfsträger und der drei Regionen an eine Buy-Side-Lösung für die Bestellung indirekter Materialien.
  • Elektronische Unterstützung weiterer Beschaffungsprozesse wie:
  • Beschaffungsmarketing: durch eigenen Internetauftritt der Abteilung
  • Passiv-Sourcing: Möglichkeit für Lieferanten, sich via Internet bei Schindler in eine Datenbank einzutragen
  • Supplier Relationship Management
  • Interne Plattformen für Kommunikation und Datenaustausch im Einkauf
  • Stärkere Einbindung von Lieferanten in die eigenen Prozesse:
  • Zugang zu Qualitätsindikatoren und Ãœbertragung der Verantwortung für kontinuierlichen Verbesserungsprozess an Lieferanten
  • Elektronische Prozess- und Systemintegration mit wichtigen Partnern
  • Lieferantenforecast (Extranet) für Lieferanten, mit denen sich keine Integration lohnt
  • Prüfung und Nutzung von neuen elektronischen Beschaffungsinstrumenten wie Ausschreibungen und Auktionen



Die Erfahrungen mit dem Einsatz einer Online-Einkaufsauktion werden in dieser Fallstudie näher beschrieben.


3. Procurement-Lösung: Online-Einkaufsauktion

Ausgangslage
Im Herbst 2001 beschloss die Abteilung Strategische Beschaffung der Schindler Aufzüge AG zu prüfen, ob sich Online-Ausschreibungen und Online-Auktionen für die Beschaffung von Konstruktionsteilen eignen. Mit Antriebswellen und Maschinenrahmen wurden Komponenten aus dem Top-Segment gewählt, die von mehreren Lieferanten gefertigt werden können und somit der Wettbewerb für diese Form der Verhandlung genügend spielen sollte. Die Erfahrungen sollten bei einem geplanten Redesign der Prozesse im Bereich des Sourcing genutzt werden.


Partner
Weil es sich um einen erstmaligen Versuch handelte, suchte Schindler eine Lösung, die marginale Vorinvestitionen erfordert, vom Dienstleister gut unterstützt wird und möglichst geringe Kosten verursacht. Unter diesen Voraussetzungen entschied man sich für das Angebot "Online-Einkaufsauktion" der Conextrade AG. Schindler wurde für die Pilotauktion Sonderkonditionen gewährt.


Conextrade AG - Procurement Service Provider
Die 100%-ige Tochtergesellschaft der Swisscom AG zählt etwa 75 Mitarbeitende und betreibt den führenden elektronischen Handelsplatz in der Schweiz. Conextrade verbindet Prozesse und Systeme zwischen Geschäftspartnern und stellt den Austausch von Daten unterschiedlichster Formate sicher. Abhängig vom vorhandenen Systemumfeld werden verschiedene Varianten der End-to-End-Integration bis zu ASP-Lösungen eingesetzt. Das Katalog- und Content Management als Basis elektronischer Handelslösungen gehört ebenso ins Dienstleistungsportfolio von Conextrade wie umfassende E-Services (z.B. Online-Einkaufs- & Verkaufsauktionen).


Prozesse, Rollen und Funktionen
Schindler (Auktionator) identifiziert den Bedarf, wählt Lieferanten (Bieter) aus und lädt diese zur Teilnahme an der Online-Einkaufsauktion ein. Conextrade (Administrator) betreibt die für die Durchführung der Auktion erforderliche Plattform und stellt den reibungslosen Ablauf sicher. Hierzu müssen die Teilnehmer auf der Plattform zugelassen und für die Durchführung geschult werden. Die Lieferanten geben während der Auktion ihre Gebote via Internet nach den zuvor bestimmten Regeln ab.


In Abb. 3.1 sind die involvierten Parteien und die beanspruchten Procurement-Funktionen ersichtlich. Diese werden in der skizzierten ASP-Lösung ausschliesslich vom Service Provider im Auftrag des Auktionators erbracht.

Abb. 3.1: Parteien und die wahrgenommenen Funktionen

Abb. 3.1: Parteien und die wahrgenommenen Funktionen



Grundtypen von Online-Einkaufsauktionen
Die Form der dynamischen Preisfindung wird massgeblich durch die Zahl der an der Verhandlung teilnehmenden Parteien bestimmt. Treffen mehrere Käufer auf mehrere Verkäufer spricht man von Börsen (Exchange). Bieten mehrere Käufer um das Angebot eines Verkäufers handelt es sich um eine Verkaufsauktion. Falls hingegen ein Käufer von mehreren Verkäufern Angebote erhält, wird dies als Einkaufsauktion bezeichnet. Diese ist im B2B-Bereich verbreitet. Die Einkaufsauktion interessiert speziell aus der Sicht der Beschaffung und soll deshalb hier mit ihren Typen näher vorgestellt werden.


Einkaufsauktionen mit sofortigem Zuschlag
Bei diesen Auktionstypen erhält der Bieter mit dem preisgünstigsten Angebot den sofortigen Zuschlag nach Auktionsschluss. Das eingesetzte System informiert den Gewinner nach zuvor definierten Regeln. Weil die Auktionatoren derzeit noch über zuwenig Erfahrungen im Umgang mit Auktion und Zuschlag verfügen, räumen sie sich oftmals das Recht ein, den definitiven Zuschlag um eine bestimmte Frist zu vertagen und nicht unbedingt das führende Angebot berücksichtigen zu müssen.


Zu diesen Auktionstypen können gezählt werden:

  • Englische Einkaufsauktion (Englisch Reverse Auction)

Bei der englischen Einkaufsauktion handelt es sich um den verbreitetsten Auktionstyp, was nicht heissen soll, dass er in allen Fällen ideal ist. Die Gebote müssen gleich tief oder tiefer sein als das führende Gebot. Am Ende der Auktion erfolgt der Zuschlag bei gleichen Geboten in der Reihenfolge Preis, dann Gebotszeitpunkt und schliesslich gebotene Menge. Der Typ English no ties ist eine Variante davon und erlaubt keine gleichen Gebote.


Eine weitere Variante ist die Yankee Einkaufsauktion (Yankee Reverse Auction). Der Zuschlag erfolgt jedoch in der Reihenfolge Preis, Menge und Gebotszeitpunkt. Diese Variante eignet sich speziell, wenn der Auktionator vorsieht, den zu verhandelnden Auftrag auf mehrere Lieferanten aufzuteilen (sog. Auftragssplitting).

  • Holländische Einkaufsauktion (Dutch Forward Auction)

Im Gegensatz zu allen anderen Auktionstypen handelt es sich um eine Vorwärts-Auktion (Forward Auction). Zu Beginn der Auktion wird ein unrealistisch tiefer Preis angesetzt, der in vordefinierten Zeit- und Preis-Intervallen gesteigert wird. Der Bieter, der zuerst auf den Preis eingeht, erhält den Zuschlag.

Abb. 3.2: Formen dynamischer Preisbildung und Grundtypen von Einkaufsauktionen

Abb. 3.2: Formen dynamischer Preisbildung und Grundtypen von Einkaufsauktionen



Auktionstypen mit verzögertem Zuschlag
Diese Auktionstypen ermöglichen den Lieferanten Gebote innerhalb ihrer Möglichkeiten kundzutun, was bei oben erwähnten Typen je nach Auktionsverlauf oft nicht möglich ist (wenn z.B. der erste Bieter bei einer englischen Einkaufsauktion einen starken Preissprung nach unten macht, sodass weitere Bieter nicht mehr in der Lage sind mitzubieten). Der Auktionator wählt diesen Typ, wenn er Transparenz über das Preisgefüge und über das Verhalten der Lieferanten erhalten möchte. Bei Auktionsschluss erfolgt kein direkter Zuschlag, weil der Auktionator die Resultate meist noch auswerten und qualitativ beurteilen will. Der Zuschlag wird dadurch nicht zwangsläufig an das beste Gebot erteilt und erfolgt innerhalb einer im Voraus definierten Entscheidungsfrist.

  • Offene Einkaufsauktion (Open Reverse Auction)

Bei diesem Typ bestehen für den Bieter keine Regeln bezüglich der Platzierung seiner Gebote. Er ist über die laufenden Gebote der Mitbewerber informiert.

  • Versiegelte Einkaufsauktion (Sealed Reverse Auction)

Die Regeln sind ähnlich wie bei der offenen Auktion, aber es werden keine Gebote der Mitbewerber angezeigt. Weil bei diesem Typ wenig Wettbewerb entsteht, wurde die Variante dynamisch versiegelt (dynamic sealed) entwickelt. Hier wird dem Bieter stets das führende Gebot gezeigt, er muss bei jedem Schritt jedoch lediglich sein eigenes, zuletzt abgegebenes Gebot schlagen. Damit kann er innerhalb seiner Möglichkeiten auf die Wettbewerbssituation reagieren.


Technische Spezialitäten
Der Einsatz von Informationstechnologie bei der Durchführung von Auktionen ermöglicht besondere Formen der Prozessunterstützung und Bewertung.

  • Stellvertretergebot / Proxy-Bidding

Bei Online-Auktionen besteht die Möglichkeit, dass das System für den Bieter bis zu einem festgelegten Betrag automatisch mitbietet.

  • Multi Variable Bidding

Bei dieser Auktionsform spezifiziert der Auktionator nicht nur den Preis als ausschlaggebendes Argument, sondern definiert weitere Attribute wie z.B. Qualitätsmerkmale, Transport- und Lieferkonditionen. Die Bewertung der Gebote kann durch eine Gewichtung der Merkmale oder durch eine definierte Rangfolge vorgenommen werden. Der Auktionator nutzt somit die Möglichkeit einer Nutzwertanalyse. Die spezifische Verhandlungssituation kann durch die Berücksichtigung zusätzlicher Beurteilungskriterien optimal elektronisch unterstützt werden.


4. Vorbereitung der Online-Einkaufsauktion

Erstellen des Bidder-Package
Statt direkt mit den Lieferanten in eine Online-Einkaufsauktion zu steigen, holte Schindler in einem ersten Schritt auf traditionellem Weg bei acht Lieferanten Offerten für je vier genau spezifizierte Typen von Antriebswellen und Maschinenrahmen ein. Die Zulieferer wurden darauf hingewiesen, dass Schindler sich das Recht vorbehalte, die offerierten Preise in einer Online-Einkaufsauktion nachzuverhandeln. Auf der Basis der günstigsten der eingereichten Angebote ergab sich ein Beschaffungsvolumen von rund 1 Mio. CHF. Die aus der Ausschreibung gewonnenen Erkenntnisse bildeten die Grundlage für die Erstellung des Bidder-Package. Dabei handelt es sich um ein Dokument, das die Details der Auktion klar regelt und den Teilnehmern vor der Veranstaltung zur Unterstützung zugestellt wird. Die wichtigsten Themenbereiche sind:

  • Spezifikation des Produktes bzw. der Leistung
  • Regeln für die geplante Online-Auktion
  • Konditionen für die Lieferung und allgemeine Bedingungen



Konkret wurde beispielsweise festgelegt, dass die acht verschiedenen Komponenten parallel verhandelt werden, dass die Mindestgebotsverringerung 1.- CHF beträgt und dass das erste Gebot dem Preis der schriftlich abgegebenen Offerte entsprechen und zudem in den ersten zehn Minuten erfolgen musste. Für die Auktion der ersten Komponente wurde eine Zeitspanne von 9.00 bis 10.00 Uhr bestimmt. Die Auktionen der weiteren Komponenten schliessen in einer vordefinierten Reihenfolge und um je fünf Minuten versetzt. Damit wird sichergestellt, dass alle Lieferanten bei allen Komponenten auch in der Schlussphase mitbieten können. Als Auktionstyp wurde aus folgenden Gründen dynamic sealed gewählt:

  • Der Lieferant erhält Aufschluss über seine preisliche Wettbewerbsfähigkeit, zumal er das führende Gebot sieht.
  • Der Lieferant kann innerhalb seines eigenen Spielraums bieten
  • Schindler profitiert von einer erhöhten Markttransparenz
  • Schindler kann aus dem Gebotsverlauf Rückschlüsse auf das Verhalten der einzelnen Lieferanten ziehen



Der Zuschlag durch Schindler erfolgt spätestens 14 Tage nach Auktionsschluss.


Einrichten der Einkaufsauktion
Conextrade setzte auf ihrer Plattform die Auktion analog der im Bidder-Package definierten Regeln auf. Anschliessend wurden die Bieter für den Zugang zu den einzelnen Auktionen registriert. Weil auch ein spanischer Lieferant mit von der Partie war, wurden die Benutzeroberfläche für die Bieter in Deutsch und Spanisch und als Währungen Schweizer Franken und Euro (zu einem fixen Umrechnungskurs) angeboten.


Um eine erfolgreiche Durchführung zu gewährleisten wurden die Lieferanten während je einer Stunde telefonisch von Conextrade geschult. Schindler, der Auktionator, erhielt vor Ort ebenfalls eine ausführliche Instruktion.


In der Woche vor der eigentlichen Online-Auktion wurde mit allen involvierten Parteien ein erfolgreicher Test-Event durchgeführt. Dieser diente der Überprüfung der organisatorischen und technischen Parameter. Um die reale Situation der Einkaufsauktion möglichst authentisch zu simulieren, wurde hierfür mit Ausnahme der Produkte das identische Auktionsdesign übernommen.


Technische Plattform
Sowohl beim Auktionator als auch bei den Lieferanten ist für die Durchführung der Auktion über die Plattform von Conextrade lediglich ein Internetzugang erforderlich. Die Mindestanforderungen sind ein 56kb Modem oder ISDN und für dynamische Anzeigen muss der Browser Java, Java-Script und Active-X-Elemente zulassen. Die Meldungen werden verschlüsselt übermittelt (128 Bit SSL).
Für die Abwicklung dieser Online-Auktion setzte Conextrade das Produkt Auction Services 4.1 von Commerce One ein. Die Datensicherheit wird durch den Einsatz einer redundanten Plattform gewährleistet.


5. Durchführung der Online-Einkaufsauktion

Verlauf
Am 11. Dezember 2001 um 9.00 Uhr starteten acht parallele Online-Auktionen für die ausgewählten Komponenten. Innerhalb der ersten zehn Minuten mussten die Bieter ihre in der schriftlichen Offerte abgegebenen Preise eingeben. Die von Conextrade für die Dauer der Verhandlung eingerichtete Hotline musste nur in einem Fall beansprucht werden, weil der Lieferant die Regel der Abgabe des Eröffnungspreises nicht beachtet hatte. Ansonsten lief die Auktion reibungslos ab. Zur Gewährleistung der einwandfreien Durchführung und für den Nachvollzug von Problemen wird die ganze Verhandlung protokolliert. Falls ein Bieter Probleme mit der Gebotsabgabe hat, können Gebote telefonisch über die Hotline von Conextrade platziert werden.

Screenshot Auktion



Die Beschaffungsabteilung von Schindler projizierte die Auktion auf eine Grossleinwand und lud interessierte Mitarbeiter zu diesem Anlass ein. Insgesamt entwickelten die einzelnen Verhandlungen, die Volumina zwischen 12'000.- CHF und 300'000.- CHF aufwiesen, etwas weniger Dynamik als erwartet. Nach dem Anfangsgebot war der Eingang der Gebote typischerweise gering und erhöhte sich gegen Auktionsschluss (vgl. Abb. 5.1). Damit die Bieter die Möglichkeit hatten, bei allen Auktionen mitzubieten und bei den Endphasen von allen vier Auktionen dabei zu sein, wurde ein gestaffelter Auktionsschluss festgelegt. Jede Verhandlung schloss frühestens fünf Minuten nach der vorhergehenden.


Nach der Auktion wertete Schindler die Ergebnisse gemeinsam mit Conextrade aus. Vor dem definitiven Zuschlag wurden die optimalen Lieferkombination aus den acht Auktionen berechnet sowie logistische als auch qualitative Aspekte berücksichtigt. Die Lieferanten wurden innerhalb von 14 Tagen über das Ergebnis informiert. Lediglich in zwei Fällen erhielt der Zulieferer mit dem tiefsten Preis den Zuschlag - ein Ausgang der eher untypisch ist und durch konstruktionsbedingte, logistische Vorteile eines Anbieters bedingt war. Dies wurde den Auktionsteilnehmern beim Entscheid auch offen kommuniziert.

Abb. 5.1: Verlauf der Gebote für eine der Komponenten

Abb. 5.1: Verlauf der Gebote für eine der Komponenten



Nutzen
Gegenüber den vor der Auktion schriftlich abgegebenen Offerten konnten je nach Komponenten weitere Einsparungen zwischen minimal 3 % und im besten Fall 19 % erzielt werden. Über das gesamte ausgeschriebene Volumen resultierte eine Preisreduktion von 6 %. Damit entsprach die Preisersparnis nicht ganz den Erwartungen von Schindler und Conextrade. Hingegen konnte der Verhandlungsprozess gegenüber dem traditionellen telefonischen oder schriftlichen Vorgehen wesentlich verkürzt werden.


Schindler erhielt zudem interessante Einblicke in die aktuelle Marktsituation für diese wichtigen Komponenten und in das Wettbewerbsverhalten ihrer Lieferanten.


Kosten
Die Durchführung der Auktion über einen Service Provider verursachte bei Schindler keine Informatik-Kosten. Die erste Auktion war noch mit relativ hohen internen Kosten verbunden, die sich mit zunehmender Erfahrung markant reduzieren lassen (z.B. Konzeption, Schulung, Aufsetzen des Bidder-Package).


Conextrade bietet verschiedene Preismodelle an. Zum Einen können Unternehmen, die sporadisch Auktionen durchführen möchten, ein Modell wählen, dem eine volumenabhängige Gebühr (2 %) zugrunde liegt. Zum Andern bestehen für die regelmässige Nutzung dieser Dienstleistung verschiedenen Pakete mit je einer bestimmten Anzahl Auktionen. Bei diesem Modell bezahlt das Unternehmen eine Jahresgrundgebühr und eine reduzierte volumenabhängige Service-Gebühr (diese kann bei einer hohen Anzahl Auktionen bis auf 0.5 % des Volumens sinken). Conextrade errechnet jeweils gemeinsam mit dem Auktionator das für dessen geplante Vorhaben optimale Preismodell.


Rentabilität
Der Leiter der strategischen Beschaffung rechnet damit, dass Online-Einkaufsauktionen für Produkte und Leistungen, die einem starken Wettbewerb ausgesetzt sind, mit einem entsprechenden internen Prozess-Redesign äusserst rentabel betrieben werden können. Deshalb sollen die Potenziale innerhalb des Unternehmens genauer untersucht werden.


6. Erfolgsfaktoren

Spezialitäten der Lösung
Die von Schindler gewählte ASP-Lösung für die Durchführung der Online-Einkaufsauktion basiert auf einem bewährten Software-Produkt (Commerce One) im Bereich des E-Procurement. Als Tochtergesellschaft der Swisscom und in der Rolle als neutraler Vermittler geniesst Conextrade die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen, das zum erfolgreichen Betrieb einer Auktionsplattform erforderlich ist.


Conextrade übernimmt als Administrator der Auktion eine neutrale Rolle und gewährleistet die effiziente und reibungslose Durchführung der Auktion - eine Aufgabe, die von Betreibern eigener Auktionslösungen vielfach unterschätzt wird.


Innerhalb des Beschaffungsprozesses deckt die vorgestellte Lösung heute vor allem die Vereinbarungsphase ab. Es sind jedoch Bestrebungen im Gange, durch Integration zusätzlicher Businesslogik und Unterstützung zusätzlicher Schnittstellen, die Informationsphase und die Abwicklungsphase ebenfalls abzudecken. So sollen z.B. Daten aus ERP-Systemen, Katalogen oder Ausschreibungen für die Auktion übernommen und deren Ergebnisse nach Möglichkeit für die operative Abwicklung des Einkaufs weiterverwendet werden können.


Veränderungen
Es steht zur Diskussion, Online-Einkaufsauktionen bei Schindler inskünftig verstärkt als Beschaffungsinstrument zu nutzen. In einem ersten Schritt wird überprüft, welche Produkte sich für diese Form der Verhandlungsführung eignen. Neben den Preiseinsparungen sieht Schindler auch ein beträchtliches Optimierungspotenzial in den Beschaffungsprozessen, insbesondere bei Verhandlungen mit Lieferanten, die über die ganze Welt verteilt sind.


Die Reaktionen der Lieferanten fielen unterschiedlich aus. Einzelne unter ihnen wollen sich mit diesem neuen Instrument nicht anfreunden und sehen sich eher zu dessen Nutzung gezwungen. Ihrer Meinung nach ist die Auktion nicht geeignet, um Aufträge mit derart kundenspezifischen Komponenten zu vergeben, da der damit verbundene Kundenservice, wenn überhaupt, zuwenig gewichtet wird. Dagegen argumentieren andere Bieter, dass sie aus der Auktion wertvolle Rückschlüsse auf ihre Wettbewerbsfähigkeit ziehen können. Zudem gestaltet sich der Offert- und Verhandlungsprozess auch für sie transparenter. Um seine im Vorfeld schriftlich abgegebene Offerte zu verbessern, lotete ein Bieter den gemeinsamen Spielraum mit seinen Vorlieferanten aus.


Lessons Learned
Die Durchführung der Online-Auktion durch einen neutralen Service Provider hat sich bewährt. Damit kann die Verantwortung für die Abwicklung an ein Unternehmen mit entsprechenden Kompetenzen abgetreten werden.


Der Aufwand für die Ausschreibung und die Aufbereitung der für die Durchführung der Auktion nötigen Informationen war noch zu gross. Insgesamt dauerte das Projekt etwa fünf Wochen. Der Aufwand und die Zeitspanne dürften mit zunehmender Erfahrung jedoch merklich gesenkt werden. Conextrade schätzt, dass eine Auktion künftig in einer Woche abgewickelt werden kann. Der Prozess könnte verkürzt werden, wenn die Lieferanten ohne vorgängiges Ausschreibungsverfahren direkt zur Teilnahme an einer Auktion aufgefordert würden oder die initiale Ausschreibung ebenfalls online erfolgte und die daraus resultierenden Daten direkt in die Online-Einkaufsauktion übernommen würden.


Schindler und Conextrade erwarteten eine stärkere Auktionsdynamik. Die Gründe dafür, dass dies nicht eintraf, liegen in der vorgängig durchgeführten Ausschreibung und in der unterschiedlichen Attraktivität der einzelnen Auftragsvolumen. Zudem war die Auktion für die meisten Lieferanten eine neue Erfahrung, was sie zu einem eher vorsichtigen Verhalten bewog. Aus dem Auktionsverlauf konnte gefolgert werden, dass sich einige Lieferanten keine gezielte Verhandlungsstrategie zurecht gelegt hatten. Es scheint deshalb angebracht, die Komplexität der Online-Auktionen vorerst gering zu halten, bis die Verhandlungsparteien über genügend Erfahrungen mit diesem dynamischen Instrument verfügen.


Der Einsatz einer Online-Auktion zur Nachverhandlung der mittels der konventionellen, papierbasierten Ausschreibung erzielten Konditionen hat eine weitere, aber eher geringe zusätzliche Einsparung gebracht. Für Schindler stellte sich die Frage, ob eine gezielte direkte Nachverhandlung mit den Lieferanten nicht zu einem ähnlichen Ergebnis geführt hätte. Andererseits hätten sich stärkere Prozesseinsparungen ergeben, wenn ganze Verhandlungsprozess online abgewickelt worden wäre. Online-Auktionen eignen sich speziell für Güter, die einem starken Wettbewerb ausgesetzt sind. Eine weitere Voraussetzung ist ein genügend hohes Bestellvolumen pro Auktion (min. 200'000 CHF) und genügend teilnehmende Lieferanten.


Fazit
Von neutralen Dienstleistern angebotenen Online-Einkaufsauktionen sind ein modernes Beschaffungsinstrument, das sich für grössere Bedarfe, die einem dynamischen Wettbewerb ausgesetzt sind, sinnvoll einsetzen lässt. Neben Preiseinsparungen führen sie zu einer bedeutenden Verkürzung des Verhandlungsprozesses, ohne Investitionen in die eigene IT-Infrastruktur zu erfordern. Weil alle Bieter die gleichen standardisierten Voraussetzungen haben, gewinnt der Auktionator einen transparenten Überblick über die herrschenden Marktverhältnisse.


Owner/s of the solution

Schindler Aufzüge AG
Boris Tomic, Leiter strategische Beschaffung
Industry: Engineering/Precision engineering, Elevators and escalators
Company size: large-scale enterpriseSchindler Aufzüge AG

Solution partner/s

Andreas Schwab, Projektleiter
Conextrade AG

Case study author/s

Christian Tanner
Fachhochschule beider Basel FHBB
Antoine Perruchoud
Haute École Valaisanne

13. August 2002
Tanner; Christian; Perruchoud; Antoine (2002): Fallstudie Schindler Aufzüge AG; in: Schubert; Petra; Wölfle; Ralf; Dettling; Walter (Hrsg.; Procurement im E-Business; S. 121-134; München; Wien: Hanser Verlag; 2002
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
2047
schindler
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/2047-schindler
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