RUTRONIK GmbH: EDI-Kopplung über E-Mail
Die RUTRONIK Elektronische Bauelemente GmbH ist seit über 30 Jahren im Wachstumsmarkt für elektronische Bauteile tätig und gehört zu den führenden Broadline Distributoren Europas. Zu den Kunden zählen namhafte europäische Technologieunternehmen, die sowohl mit Standardbauteilen als auch mit Hightech-Produkten beliefert werden. RUTRONIK bietet Full Service und unterstützt die Kunden mit individuellem Supply Chain Management. Ein mandantenfähiges ERP-System, das mit den ERP-Systemen der Kunden und Lieferanten über Electronic Data Interchange (EDI) integriert ist, schafft die technische Basis für zuverlässige und schnelle Lieferfähigkeit. Mit der Lösung „edim@il“ für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die aus Kostengründen über keine eigene EDI-Infrastruktur verfügen, wird eine günstige und einfache EDI-Lösung zur Verfügung gestellt.
Table of Contents
1. Das Unternehmen2. Der Auslöser des Projekts
3. EDI-Anbingung als Service für KMU-Kunden
C-Artikel, Geschäftskonzept, Beschaffung, Konsignation, Prozess, Auftrag, Anwendungssicht, Datenaustausch, Technische Sicht
4. Projektablauf und Betrieb
Realisierung
5. Erfahrungen
Projektaufwand
6. Erfolgsfaktoren
E-Collaboration
1. Das Unternehmen
Das folgende Kapitel beschreibt das Unternehmen RUTRONIK Elektronische Bauelemente GmbH in ihrer Rolle als Betreiber der Business-Software-Lösung. Die in Kapitel 3 dargestellte Lösung der Realisierung einer EDI-Koppelung zwischen den IT-Systemen von RUTRONIK und ihren Kunden soll dadurch aus einem übergeordneten Unternehmenskontext heraus verständlich werden.
Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe
Die RUTRONIK Elektronische Bauelemente GmbH, mit Sitz in Ispringen bei Pforzheim, ist ein inhabergeführtes, mittelständisches Unternehmen, das 1973 von Helmut Rudel gegründet wurde. In den letzten 30 Jahren hat sich das Unternehmen von einem Einmann-Betrieb zu einem der führenden Distributoren für elektronische Bauteile in Europa entwickelt. RUTRONIK ist derzeit in 25 Ländern in Europa mit eigenen Niederlassungen aktiv und erwirtschaftet mit rund 1'200 Mitarbeitenden einen Jahresumsatz von mehr als 500 Mio. Euro. Kunden aus der Automobil-, Telekommunikations-, Konsumgüterindustrie und Industrieelektronik werden sowohl mit Standard- als auch mit Hightech-Produkten beliefert. Zum Service des Unternehmens, das heute zu den drei größten europäischen Broadline Distributoren für elektronische Bauelemente zählt, gehört auch die Unterstützung seiner Kunden mit einem individuellen Supply Chain Management in deren Logistikkette. RUTRONIK bietet ihren Kunden hier umfassende Zusatzleistungen an – von der Einrichtung eines von RUTRONIK betriebenen Konsignationslagers beim Kunden vor Ort über Ship-to-Line-Belieferung bis hin zu Beratungsdienstleistungen zur Optimierung der logistischen Prozesse des Kunden. Diese Form der Betreuung wird von RUTRONIK als „intelligente Distribution“ bezeichnet. Durch die ausgeprägte Servicefokussierung ist es RUTRONIK gelungen, in den letzten Jahren permanent stärker zu wachsen als der Markt, der von einem Verdrängungswettbewerb charakterisiert ist.
Unternehmensvision
In der Unternehmensphilosophie von RUTRONIK hat Kundenorientierung höchste Priorität. Bei RUTRONIK wird dieses Prinzip unter dem Motto „Überzeugen durch Leistung“ zusammengefasst und mit dem Anspruch verbunden, für die Kunden mit einem umfassenden Angebot aus Produkten, Beratung, Service und logistischer Unterstützung als ein zentraler Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Auf der Website des Unternehmens heißt es dazu:
Unser Anspruch ist es, unseren Kunden all das zu liefern, was sie brauchen. Egal, ob Standard- oder Hightech-Lösungen – der Kundennutzen steht dabei stets im Vordergrund. Denn wir verstehen uns nicht nur als Lieferant, sondern als Partner unserer Kunden. Ein Partner, der mitdenkt, versteht und auch individuellste Wünsche erfüllt. Entsprechend breit gefächert ist unser Produktspektrum, das in dieser Branche seinesgleichen sucht. Und natürlich immer die passende Lösung bereithält. (Quelle: http://www.rutronik.com)
Dabei steht auch die Garantie von Verfügbarkeit und Liefersicherheit im Vordergrund – eine der Aufgaben eines Distributors. Auch in „schwierigen Zeiten“, also in Phasen von Lieferengpässen bei bestimmten Produkten, steht die Belieferung der Kunden an erster Stelle, auch wenn bei Produktknappheit die Lagerbestände zu höheren Preisen anderweitig absetzbar wären. Ein weiteres Ziel von RUTRONIK ist es, seinen Kunden mit umfassenden Logistikdienstleistungen zu höherer Effizienz bei Einkauf und Beschaffung zu verhelfen
Stellenwert von Informatik und E-Business
Die Dienstleistungen, die RUTRONIK im Bereich der Logistik für seine Kunden erbringt und die als maßgeblicher Faktor für den geschäftlichen Erfolg von RUTRONIK wahrgenommen werden, können nur über durchdachte IT-Lösungen realisiert werden. Dies ist vom Unternehmen erkannt worden, dementsprechend hoch ist auch der Stellenwert der IT im Unternehmen. Das ERP-System wird als das Nervensystem des Unternehmens angesehen. Alle 60 Standorte, die das Unternehmen in 25 Ländern betreibt, werden in Bezug auf Informationstechnologie vom Hauptsitz Ispringen aus koordiniert. Die Informationstechnologie wird als eigene Abteilung im Unternehmen geführt und umfasst derzeit 25 Mitarbeitende, davon zwei Auszubildende. Entgegen dem in dieser Branche wahrgenommenen Trend wird bei RUTRONIK kein Outsourcing der IT betrieben, sondern es wird versucht, das wertvolle Wissen über Prozesse und Systeme im Unternehmen zu belassen. Das Bekenntnis zur eigenen IT-Abteilung zeigt sich auch darin, dass RUTRONIK seit zehn Jahren kontinuierlich in diesem Bereich ausbildet mit der klaren Zielsetzung, die Auszubildenden anschließend auch zu übernehmen. Aufgrund des Stellenwerts der logistischen Dienstleistungen, die RUTRONIK für seine Kunden erbringt, hat der effiziente Datenaustausch mit Kunden und Lieferanten über EDI eine besondere Bedeutung.
2. Der Auslöser des Projekts
Im Folgenden wird beschrieben, warum RUTRONIK als Dienstleistung für seine Kunden aus dem Segment der KMUs ein auf E-Mail basierendes EDI System entwickelt hat.
Ausgangslage und Anstoss für das Projekt
Logistische Dienstleistungen, die unter zeitkritischen Umständen erbracht werden müssen, erfordern eine weitgehende Optimierung der internen Prozesse, um einen reibungslosen Ablauf garantieren zu können. Die damit verbundene Automatisierung der Abläufe benötigt ein Kommunikationsmittel, das eine effiziente, zwischenbetriebliche Kommunikation ohne manuelle Eingriffe in die Systeme von Kunden und Lieferanten erlaubt [Picot et al. 2003]. Electronic Data Interchange (EDI) stellt den Industriestandard für diese Anforderung dar. RUTRONIK setzt bereits seit über zwölf Jahren EDI zum Datenaustausch mit Lieferanten und größeren Kunden ein, die über eine eigene EDI-Infrastruktur verfügen. Aufgrund des Anspruchs, für die eigenen Kunden umfassende Dienstleistungen zu erbringen, die auch deren Abläufe optimieren, entschloss man sich im Jahr 2002 bei RUTRONIK, auch kleineren Kunden, die aus Kostengründen nicht in der Lage sind, eine eigene EDI-Umgebung aufzubauen, hier eine Lösung zu schaffen. Dabei wurden intern unterschiedliche Realisierungsalternativen diskutiert, u.a. auch die Erbringung der EDI-Koppelung der KMU-Kunden durch einen externen Dienstleister. Da es allerdings zum damaligen Zeitpunkt auf dem Markt keine fertige Lösung gab, die die von RUTRONIK gewünschte Flexibilität bot und diese Flexibilität auch bei der Beauftragung eines Dienstleisters nach Ansicht der Verantwortlichen nicht gewährleistet war, entschloss man sich, eine Lösung mit den Ressourcen der internen IT-Abteilung zu schaffen. Dies hat den gewünschten Nebeneffekt, dass man auch hier für die Kunden als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Die im Projekt erarbeitete Lösung edim@il erfüllte die gestellten Anforderungen, Kunden ohne eigene EDI-Infrastruktur an das ERP-System von RUTRONIK anzubinden und wurde komplett intern entwickelt.
Vorstellung der Geschäftspartner
Da die Lösung edim@il eine EDI-Koppelung zum ERP-System alpha.px2 der RUTRONIK aufbaut, ist die Firma Bison, der Hersteller von alpha.px2, ein wichtiger und langjähriger Partner der Informatikabteilung von RUTRONIK.
Das eingesetzte ERP-System alpha.px2 wurde von Bison entwickelt. Bison zählt zu den führenden Schweizer IT-Unternehmen. Sie beschäftigt über 340 Mitarbeitende an insgesamt vier Niederlassungen in der Schweiz und in Deutschland und erzielte im Jahr 2006 einen Umsatz von umgerechnet rund 38 Mio. Euro. Bison ist spezialisiert auf die Entwicklung und Einführung technologisch führender betriebswirtschaftlicher Informatiklösungen für Handel, Industrie und Dienstleistung.
3. EDI-Anbingung als Service für KMU-Kunden
Als breit aufgestellter Distributor vertreibt RUTRONIK Artikel unterschiedlicher Wertigkeit, die nach der Methode der ABC-Analyse in drei Kategorien aufgeteilt sind. Sogenannte C-Teile [C-Artikel] zeichnen sich durch große Stückzahlen bei sehr geringem Warenwert aus. Bei RUTRONIK fallen in diese Kategorie z.B. Widerstände und andere geringwertige elektrotechnische Bauteile, die im Produktionsbetrieb der Kunden in hohen Stückzahlen verfügbar sein müssen. Die Prozesskosten, die mit der Beschaffung dieser geringwertigen Waren verbunden sind, übersteigen häufig den eigentlichen Warenwert um ein Vielfaches. Aus diesem Grund wird beim C Teile-Management vom traditionellen preispolitischen Denken Abstand genommen. Anstatt den Preis bis auf die letzte Kommastelle zu verhandeln, wird vielmehr versucht, die Prozesskosten zu senken.
Geschäftssicht und Ziele
Die Optimierung der Prozesskosten für C-Teile ergibt ein erheblich höheres Einsparungspotenzial als die Optimierung des Warenpreises. Da diese C-Teile bei RUTRONIK einen großen Teil des Umsatzes ausmachen, wird folgerichtig eine Verringerung der Prozesskosten angestrebt. Dabei verfolgt man die Strategie, „Normalkunden“, die auf dem klassischen Weg bestellen (Bestellung – Bestellbestätigung – Lieferung – Lieferschein – Rechnung), zu „Systemkunden“ zu machen. Der Beschaffungsprozess [Beschaffung] soll dabei so optimiert werden, dass sowohl beim Lieferanten als auch auf Kundenseite Kosteneinsparungen erzielt werden. Wichtige Eigenschaften des Beschaffungsprozesses sind mit einer Rahmenvereinbarung festgelegt, bei der der genaue Ablauf des Beschaffungsprozesses, das Produktspektrum und die Konditionen beschrieben sind. Aus dem Prozess entfallen dann Marktsondierung, Angebotseinholung und vergleich, Bestellschreiben und viele andere weitere Prozessschritte, was die Kosten auf Kundenseite erheblich senkt. In den folgenden Kapiteln werden der Ablauf des Beschaffungsprozesses und die Übertragung der Daten mittels edim@ail am Beispiel eines Konsignationssystems gezeigt. Hierbei wird von RUTRONIK ein Konsignationslager direkt am Standort des Kunden betrieben, aus dem dann die benötigten Teile entnommen werden können.
Entscheidet sich ein Kunde für die Einrichtung eines Konsignationslagers, finden im Vorfeld zunächst einige grundlegende Entscheidungen statt (gestrichelter Kasten in Abb. 1). In Beratungsgesprächen mit RUTRONIK-Aussendienstmitarbeitenden werden die Parameter festgelegt, wie das Konsignationslager betrieben werden soll. Zu den festzulegenden Rahmenbedingungen gehören unter anderem folgende Punkte:
- durch welche Partei erfolgt die Bewirtschaftung des Konsignationslagers
- vorgehaltene Artikel im Konsignationslager (Sortimentsbestimmung)
- in welchen Intervallen wird das Konsignationslager durch RUTRONIK befüllt
- wann werden Planzahlen über den Materialbedarf geliefert (Forecasting)
- wie weit in die Zukunft greifen die Planzahlen und
- welche Dokumente werden beim Betrieb ausgetauscht und in welchen Formaten werden diese übermittelt
Die vom Kunden zu liefernden Planzahlen bilden dann die Grundlage für die weitere Disposition bei RUTRONIK. Eine Entnahme des Kunden aus dem Konsignationslager bildet den Auslöser für die Fakturierung der Ware durch RUTRONIK. Zeitlich unabhängig vom Entnahmevorgang findet durch RUTRONIK eine Auffüllung des Lagers statt, die sich nach den im Vorfeld festgelegten Kriterien richtet und z.B. aus logistischen Gründen einmal im Monat oder aus Kapazitätsgründen viermal im Monat stattfindet.
Abb. 1: Business Szenario: Betrieb eines Konsignationslagers durch RUTRONIK
Prozesssicht
Der Prozess der Auftragsannahme [Auftrag] wird in Abb. 2 vorgestellt. Er stellt dar, wie per E-Mail eingehende EDI-Nachrichten vom E-Mail-Server angenommen und nach einer Gültigkeitsüberprüfung an das ERP-System übermittelt werden. RUTRONIK hat für die Zustellung von EDI-Aufträgen ein eigenes Mailkonto eingerichtet, an das verschiedene Arten von EDI-Nachrichten übermittelt werden können. Der genaue Nachrichtentyp (z.B. Auftrag, Rechnung oder Konsignationsentnahme) wird neben Angaben zum Typ der angehängten Datei und Kunden- bzw. Lieferantennummer über einen 20-stelligen Zahlenschlüssel im Betreff der E-Mail-Nachricht kodiert. Zunächst wird vom E-Mail-Server (Lotus Domino) die eingehende E-Mail auf Gültigkeit überprüft. Im Fehlerfall wird eine Fehlermeldung an den Absender versandt. Ist der Betreff der Nachricht gültig und ein Anhang vorhanden, erhält der Absender eine Meldung über die erfolgreiche Zustellung. Ein Prozess auf dem Mailserver extrahiert daraufhin den Anhang und plaziert diesen in einem kunden- und auftragsspezifischen Eingangsordner auf dem Server. Der Übergang in das ERP-System erfolgt durch einen Polling-Prozess (Aufruf), der die Eingangsverzeichnisse überprüft, ob neue Aufträge eingegangen sind und die relevanten Inhaltsdaten über eine einheitliche Schnittstelle ins ERP-System alpha.px2 übergibt.
Abb. 2: Prozess edim@ail Verarbeitung
Im ERP-System werden die Daten den gleichen Plausibilitätsprüfungen wie bei einer manuellen Erfassung unterzogen. Im Erfolgsfall erhält der Sachbearbeiter auf Kundenseite ein Verbuchungsprotokoll, im Fehlerfall ein Fehlerprotokoll.
Anwendungssicht
Nachdem die Prozesssicht den Ablauf der E-Mail Verarbeitung durch edim@ail veranschaulicht, wird im Folgenden der Datenaustausch zwischen den einzelnen Systemen näher vorgestellt. Je nach eingesetztem Anwendungssystem wird von den Kunden eine Datei generiert, in der der eigentliche Inhalt der Nachricht kodiert ist. Im Regelfall wird die Datei, die dann z.B. einen Auftrag, Forecast oder eine Information über die Entnahme aus dem Konsignationslager beinhaltet, durch das ERP-System des Kunden generiert. Alternativ kann die Datei auch durch gängige Büroanwendungen wie Tabellenkalkulationsprogramme oder einen Texteditor manuell generiert werden. Als Dateiformate lässt RUTRONIK verschiedene gängige Formate zu (u.a. XML, CSV, DIF). Diese Datei wird dann als Anhang an ein E-Mail hinzugefügt und an die definierte edim@ail-Adresse von RUTRONIK versandt. Damit beim Empfang auf Seiten von RUTRONIK eine korrekte Zuordnung der Datei möglich ist, muss im E-Mail-Betreff ein Schlüssel mit einer Länge von 20 Zeichen verwendet werden. In diesem Schlüssel sind die Mandantennummer, die Kunden- oder Lieferantennummer, genauere Spezifikationen der Inhaltsart (z.B. Konsignationsentnahme), das Dateiformat und vom Standard abweichende Inhalte (Variantenkennung) enthalten (vgl. Abb. 3).
Abb. 3: Struktur des Schlüssels im Betreff des E-Mails
Die unterstützten Inhaltsarten, Dateitypen und Variantenkennzeichnungen sind mit ihren Wertzuordnungen in Abb. 4 aufgeführt und in die Stellen 15-20 des zwanzigstelligen Schlüssels einzutragen.
Abb. 4: Auflistung der unterstützten Nachrichtenschlüssel
In Abb. 5 ist die Verbindung der beteiligten Informationssysteme dargestellt. Auf Kundenseite werden die Auftragsdaten meist aus dem ERP-System generiert, per E-Mail an RUTRONIK verschickt und dort nach dem beschriebenen Mechanismus extrahiert und an das ERP-System von RUTRONIK übermittelt.
Abb. 5: Anwendungsübersicht und Integrationsschema
Technische Sicht
Abb. 6 zeigt den technischen Hintergrund der Lösung. Im Rechenzentrum der RUTRONIK am Standort Ispringen sind die zentralen Serversysteme untergebracht. Der Mailserver wird basierend auf Windows unter Lotus Domino 6.5.3 betrieben. Das ERP-System alpha.px2 läuft auf einer IBM iSeries unter dem Betriebssystem OS/400.
Auf Kundenseite ist die Möglichkeit zum E-Mail-Versand die Minimalvoraussetzung für den Betrieb der Lösung. Verfügt der Kunde über ein ERP-System, ist dieses in der Regel der Ursprung für die anzuhängenden Dateien. Alternativ können die Anhänge auch mit üblichen Büroanwendungen erzeugt werden.
Abb. 6: Technische Sicht: RUTRONIK Rechenzentrum und Kundenstandorte
4. Projektablauf und Betrieb
Projektmanagement und Changemanagement
Vor dem Projektstart stand die Grundsatzentscheidung, wie die gewünschte Lösung einer EDI-Anbindung von KMU-Kunden realisiert werden sollte. Ein Standardprodukt, das die gewünschten Eigenschaften aufwies, war zu dem Zeitpunkt auf dem Markt nicht verfügbar. Gegen die Realisierung durch einen externen Dienstleister hatte man sich entschieden, da dies nicht das Mass an Flexibilität versprach, das man sich bei RUTRONIK von der Lösung erwartete. Somit entschloss man sich, mit den eigenen Ressourcen der IT-Abteilung eine Lösung zu entwickeln.
Der ERP-Anbieter Bison hat bei der Konzeption der edim@il Verarbeitung Rutronik in beratender Funktion und als Sachverständige der Import /Export-Schnittstellen des ERP-Systems unterstützt. Die Entwicklung wurde dann durch Rutronik selbst durchgeführt.
Entstehung und Roll-out der Softwarelösung
Zunächst wurde die Realisierung der gewünschten Funktionalität auf zwei Teilaufgaben heruntergebrochen: die Verarbeitung der eingehenden Mails mit Anhängen und die Übergabe der extrahierten Daten an das ERP-System alpha.px2. Die folgenden Fragestellungen mussten im Bereich der E-Mail-Verarbeitung u.a. gelöst werden: Wie können eingehende Mails ohne Benutzereingriff vollautomatisch abgearbeitet werden und wie werden die Anhänge behandelt, so dass die Daten maschinell in die richtigen Zielverzeichnisse auf dem Server gespeichert werden?
Die Teilaufgabe der E-Mail-Verarbeitung wurde von einem Team aus Infrastrukturspezialisten übernommen, das auf der Basis des Mailsystems Lotus Notes die beschriebene Funktionalität implementierte. Ein zweites Team aus dem Bereich „Daten und Prozesse“ nahm sich der Problematik an, wie verschiedenste Datenformate mit unterschiedlichen Verarbeitungslogiken zugelassen werden können bei gleichzeitiger Übernahme ins ERP-System über ein standardisiertes Verfahren. Dabei sollte grundsätzlich jeder Ablauf, der von der Logistik vorgegeben wurde, unterstützt werden und gleichzeitig keine Festlegung auf ein bestimmtes Dateiformat erfolgen. So wird die gewünschte Flexibilität über kundenindividuelle Programme realisiert, die die Daten im mit dem Kunden abgestimmten Format aufbereiten. Die Vereinheitlichung der Datenformate in Richtung des ERP-Systems erfolgt durch Programme, die eine Vorschnittstelle zum ERP-System darstellen und die aufbereiteten Daten an Import-Schnittstellen von alpha.px2 weitergeben. Nach einer Plausibilitätsprüfung werden die Daten im ERP-System verbucht.
Laufender Unterhalt
Die Anbindung eines neuen Kunden kann in Betrieb gehen, nachdem kundenindividuell im Rahmen von Projektgesprächen spezifiziert worden ist, welche Daten und in welcher Form die Daten vom Kunden übergeben werden können. Dies ist typischerweise davon abhängig, wie das ERP-System, das der Kunde einsetzt, Daten exportiert. RUTRONIK passt daraufhin die Konvertierung der Daten auf das Datenformat des Kunden an. Die komplette EDI-Anbindung inklusive notwendiger Anpassungen bietet RUTRONIK seinen Kunden kostenlos als Service an.
Das beschriebene EDI-System wird von RUTRONIKs interner IT-Abteilung betrieben. Zum Betrieb wurden bereits vorhandene Rechnersysteme genutzt. Laufende Kosten fallen beim Betrieb für Administration des Systems und Support im Fehlerfall an. Die Höhe der Kosten liegt dabei ähnlich wie beim Betrieb vergleichbarer EDI-Systeme.
5. Erfahrungen
Nutzerakzeptanz
Mit einer Anzahl von über 300 Kundenanbindungen durch edim@ail – weit mehr als die Anzahl der Anbindungen von mittelständischen Kunden durch klassische EDI-Koppelung – wird die hohe Akzeptanz durch die Kunden deutlich. Die bequeme Einrichtung des Systems durch RUTRONIK hat sogar dafür gesorgt, dass auch größere Kunden, die über eigene EDI-Systeme verfügen, die Anbindung trotzdem über edim@ail realisieren lassen. Als Grund für dieses Phänomen wird angenommen, dass die Einkaufsabteilung seitens des Kunden es oftmals als problematisch ansieht, die eigene Informatikabteilung für die EDI-Anbindung zu beauftragen, da man hier lange Projektzeiten befürchtet. So übernimmt hier in vielen Fällen das E Business-Team von RUTRONIK die Anbindung dieser Kunden, auch wenn sie nicht zur ursprünglichen Zielgruppe der Lösung gehören.
Zielerreichung und bewirkte Veränderungen
Das übergeordnete Ziel, den Anteil der Systemkunden bei RUTRONIK zu erhöhen, ist im Segment der kleinen und mittleren Kunden voll erfüllt worden. Auch im Segment der größeren Kunden hat sich aufgrund der Unkompliziertheit und des einfachen Einstiegs in die Lösung eine Erhöhung des Anteils der Systemkunden ergeben. Der notwendige Aufwand wird bei RUTRONIK als gerechtfertigt angesehen, da eine höhere Kundenbindung und eine Reduktion der Prozesskosten erreicht werden.
Investitionen, Rentabilität und Kennzahlen
Die Entwicklungskosten des Basissystems belaufen sich auf rund 10'000.- Euro. Hierbei waren sowohl interne als auch externe Spezialisten involviert. Eine Investition in die Hardware-Infrastruktur war nicht notwendig, da alle verwendeten Systeme bereits vorhanden waren. Für die Anbindung der Kunden an das System muss eine individuelle Anpassung durchgeführt werden. Der Aufwand ist abhängig vom Umfang der Anpassungen und ggf. schon bestehender, ähnlicher Umsetzungen für andere Kunden. Bei einer vollständigen Neuanpassung belaufen sich die Kosten laut RUTRONIK auf maximal 700.- Euro. Dadurch, dass bei weiteren Kunden auf bestehende Anpassungen als Vorlagen zurückgegriffen werden kann, sind die Kosten pro Neukunde mit der Zeit stark gesunken. Eine komplette Neuanpassung ist aufgrund der vorhandenen Vorlagen aus abgeschlossenen Projekten nur noch in jedem dritten Kundenprojekt notwendig.
6. Erfolgsfaktoren
Spezialitäten der Lösung
Die wesentlichen Erfolgsfaktoren von edim@ail sind die Einfachheit des Systems für die Kunden und die Tatsache, dass RUTRONIK die Einrichtung des Systems und der Konvertierungsfilter komplett als Service übernimmt. Da aufgrund von Rahmenvereinbarungen zwischen RUTRONIK und dem Kunden viele Parameter des Bestellvorgangs bereits a priori festgelegt sind, sind nur sehr wenige Daten zu übertragen, z.B. nur die Artikelnummer und die benötigte Menge. Auch die Tatsache, dass der Kunde bei der Wahl des Datenformats alle Freiheiten hat, da die Konvertierung ins Zielformat bei RUTRONIK erfolgt, wirkt sich positiv auf die Akzeptanz dieser Lösung aus. Insgesamt betrachtet liegt der Aufwand, der mit der Einrichtung und dem Betrieb der Lösung verbunden ist, eindeutig auf der Seite von RUTRONIK.
Reflexion der „Business Collaboration“
Die standortübergreifende Integration über EDI ermöglicht einen hohen Automatisierungsgrad, der insbesondere im kostensensitiven C-Teile-Management zu einer signifikanten Senkung der Prozesskosten beiträgt. Durch die auf maximale Flexibilität angelegte Architektur der Lösung und durch die Tatsache, dass beim Kunden kein technisches Wissen zu EDI im Haus vorhanden sein muss, wird sichergestellt, dass die EDI-Koppelung ohne unnötige Schwierigkeiten realisiert werden kann.
Lessons Learned
In der Vergangenheit war der übliche Projektverlauf bei RUTRONIK, dass Informatikprojekte durch die Logistikabteilung initiiert wurden und die Informatikabteilung diese Projekte dann technisch umgesetzt hat. Nachteilig war bei dieser Vorgehensweise, dass die Informatikabteilung in den ersten Designphasen des Projekts nicht immer involviert war. Seit dem edim@ail-Projekt ist die IT auch in den frühesten Projektphasen eingebunden und kann auf implementierungsrelevante Faktoren Einfluss nehmen, wie z.B. die Strukturierung der Formate. Es hat sich gezeigt, dass der zusätzliche Aufwand, einen Mitarbeitenden aus der IT bei Projektgesprächen mit Kunden hinzuzuziehen, sich auszahlt. Durch die Einbindung von IT-Spezialisten können technische Fallstricke häufig gleich im Vorfeld vermieden werden.