E-Commerce-Lösung der Derendinger AG

01. septembre 2001



Die Derendinger AG, ein in der Schweiz etablierter Anbieter für Automobilersatzteile, hat mit seinem Online-Shop ottomobil.de einen neuen Vertriebsweg beschritten, der derzeit noch ausschliesslich auf den deutschen Markt ausgerichtet ist und - im Gegensatz zum Schweizer Heimatmarkt (B2B-Bereich) - ein anderes Kundensegment im B2C-Bereich anspricht. Beim Aufsetzen des neuen Internet-Vertriebskanals hatte Derendinger den grossen Vorteil, auf bestehende IT-Lösungen aus dem B2B-Bereich zurückgreifen zu können, sodass sich die erforderlichen Investitionen und die laufenden Kosten für den neuen Absatzkanal in Grenzen hielten. Sowohl die bestehende IT-Lösung als auch der darauf aufbauende neue Internetkanal wurden von der Derendinger AG selbst entwickelt. Im Bereich Fulfillment wurde durch die Expansion das Zusammenarbeiten mit neuen Partnern in den Bereichen Logistik, Zahlungsabwicklung und Bonitätsprüfung für den Deutschen Markt erforderlich.


1. Das Unternehmen

Die Derendinger AG ist der führende Anbieter für Automobilersatzteile in der Schweiz. Dort ist Derendinger im B2B-Bereich etabliert, nicht jedoch in Deutschland und Österreich.


Hintergrund
Das Unternehmen wurde 1930 gegründet und firmiert seit 1987 in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Im Jahr 2000 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 140 Millionen CHF. Neben der Zentrale in Dietlikon bei Zürich gibt es in der Schweiz 26 Filialen, die Kfz-Werkstätten im gesamten Land innerhalb von zwei Stunden mit Ersatzteilen beliefern. Zu diesem Zweck unterhält Derendinger eine Serviceflotte von 210 Fahrzeugen. Das Unternehmen beschäftigt derzeit etwa 650 Mitarbeiter.


Branche
Derendinger rechnet innerhalb der nächsten Jahre mit einer Stagnation der Nachfrage nach Automobilersatzteilen am Schweizer Markt. Die Anzahl an PKWs in der Schweiz wird nicht weiter wachsen, gleichzeitig steigt die Lebensdauer von Ersatzteilen. Zudem wird mit sinkenden Preisen gerechnet, weil die Preise für Ersatzteile in den EU-Nachbarländern niedriger sind als in der Schweiz. Diese prognostizierten Entwicklungen setzten bei Derendinger die Suche nach möglichen neuen Geschäftsfeldern in Gang.


Produkt
Derendinger vertreibt eine breite Palette von Verschleissteilen für Personenwagen (z.B. Auspuffe, Bremsen, Kupplungen, Scheibenwischerblätter, Stossdämpfer). Es werden über 100'000 Ersatzteile für 22'000 verschiedene Fahrzeugtypen angeboten. Derendinger legt Wert darauf, nur hochwertige Ersatzteile namhafter Anbieter (z.B. Bosch, Sachs, Valeo, Walker) anzubieten. Neben Ersatzteilen werden auch entsprechende Spezialwerkzeuge (z.B. Blechscheren) angeboten.


Neben dem reinen Ersatzteilvertrieb wird Derendinger auf Wunsch auch als IT-Dienstleister für die Werkstätten tätig: Mit dem internetbasierten "Derendinger-Net" (D-Net) haben die Werkstätten unter anderem die Möglichkeit, bei Derendinger Ersatzteile online zu ordern.


Zielgruppe
Zu den Kunden, die von Derendinger mit Ersatzteilen beliefert werden, zählen insbesondere freie Kfz-Werkstätten (oder "Garagen") ohne vertragliche Bindung zu einem bestimmten Automobilhersteller. Circa 10 % dieser Werkstätten sind bereits über das D-Net an Derendinger angeschlossen und haben die Möglichkeit, Ersatzteile online zu bestellen. Der grössere Teil der Werkstätten wird jedoch weiterhin vom "traditionellen" Vertrieb betreut. Privatkunden werden im Schweizer Markt von Derendinger nicht bedient.


Seit Mai 2000 ist die Online-Tochter der Derendinger AG, , in Betrieb. Im Gegensatz zur Schweizer Muttergesellschaft wird von ottomobil.de ausschliesslich der deutsche Endkunden-Markt bedient (B2C-Bereich). Dabei wird das Segment der preisbewussten Do-it-yourself-Kunden ("Bastler") besonders angesprochen. Laut einer Marktstudie der deutschen Automobiltreuhand können 15 % aller Endkunden diesem Segment zugerechnet werden (DAT-Veedol-Report 2000).


Im Vergleich zur Muttergesellschaft richtet sich der Online-Ableger also an eine andere Zielgruppe in einem anderen Land, vertreibt jedoch im Wesentlichen dasselbe Sortiment. Eine Ausweitung der Aktivitäten in den B2B-Bereich in Deutschland ist nicht geplant. Schweizer Kunden können über ottomobil.de nicht bestellen, wenn sie bei der Bestellung eine Schweizer Adresse angeben.
Deutschland wird von Derendinger als Testmarkt für den Direktvertrieb ausserhalb der Schweiz verstanden. Eine Expansion auf weitere europäische Länder, z.B. auf Österreich, wird momentan geprüft.


2. E-Business-Vision und E-Business-Strategie

Das E-Business-Konzept von Derendinger besteht darin, Automobilersatzteile für eine bestimmte Gruppe von Endkunden über das Internet zu vertreiben. Das Angebot von ottomobil.de ist darauf angelegt, alle Bedürfnisse der Zielgruppe der Do-it-yourself-Kunden rund ums Auto zu befriedigen. Neben dem Bestellen von Ersatzteilen wird den Kunden auch die Möglichkeit geboten, entsprechendes Werkzeug zu bestellen. Reparaturanleitungen und "Tipps & Tricks" sind Bestandteil des Internetangebots und bieten einen Mehrwert für die angesprochene Zielgruppe. Derendinger setzt dabei auf den First-Mover-Effekt und hofft darauf, dass es potenziellen Konkurrenten schwerfallen wird, das Konzept von ottomobil.de kurzfristig zu kopieren.


Die Vision von Derendinger ist es, mit ottomobil.de eine Marke aufzubauen, an die Do-it-yourself-Kunden im Bedarfsfall sofort denken.


Strategie
Ein wesentlicher Beweggrund für die Realisierung von ottomobil.de war die Chance, mit relativ geringem Aufwand mit einem neuen Vertriebskanal in einem neuen Markt tätig zu werden, ohne die bestehenden Geschäftsaktivitäten in der Schweiz zu beeinträchtigen.


E-Business-Konzept des Anbieters
ottomobil.de bezieht die Ersatzteile vom Hersteller und leitet sie direkt an den Endkunden weiter. Durch diesen direkten Weg werden Teile der herkömmlichen Wertschöpfungskette, in die Hersteller, Gross- und Einzelhändler, Werkstätten und Endkunden einbezogen sind, übersprungen (Disintermediation). Als Folge davon kann ottomobil.de dem Endkunden Ersatzteile um 20 bis 25 % günstiger anbieten als die Konkurrenz. Abbildung 2.1 veranschaulicht diesen Zusammenhang.

Abb. 2.1: Durch ottomobil.de veränderte Wertschöpfungskette
Abb. 2.1: Durch ottomobil.de veränderte Wertschöpfungskette



Leistungsumfang
Aus Sicht der Kunden ist ottomobil.de eine typische E-Commerce-Lösung. Im Rahmen eines Webshops können Automobilersatzteile aus einem Online-Katalog ausgewählt (auf den Teileidentifikationsprozess wird weiter unten genauer eingegangen) und in einem Warenkorb abgelegt werden. Bei der Bestellung der ausgewählten Artikel wird formularbasiert die Adresse des Kunden erfasst und die gewünschte Art der Zahlung angegeben. Die vom Kunden bestellten Artikel werden ab einem Bestellwert von 300 DM ohne Berechnung von Frachtkosten innerhalb von 48 Stunden (24 Stunden bei Express-Bestellung) ausgeliefert. Alle bestellten Artikel können ohne Berechnung von Frachtkosten zurückgegeben werden. Eine Bestellhistorie wird zwar angelegt, kann aber vom Kunden nicht eingesehen werden.


Partner
Sowohl das D-Net als auch der Internet-Auftritt von ottomobil.de sind vollständige Eigenentwicklungen von Derendinger. Im Bereich ERP und Internet arbeitet Derendinger nicht mit Partnern zusammen. Fulfillment-Partner werden nur in denjenigen Bereichen hinzugezogen, die Derendinger selbst nicht abdecken kann. Insbesondere wird in den Bereichen Logistik und Zahlungsabwicklung mit Fulfillment-Partnern zusammengearbeitet. Zu diesen gehören German Parcel, die CC-Bank, Fiducia sowie Quelle.


Die German Parcel Paket-Logistik GmbH & Co. OHG mit Sitz im hessischen Neuenstein ist 1989 als Verbund von 25 mittelständischen Spediteuren entstanden. Im Jahr 2000 wurden durch German Parcel 110 Millionen Pakete zugestellt, es wurde ein Umsatz von 780 Millionen DM erwirtschaftet. German Parcel bietet mit dem "Cash-Service" die von der Derendinger AG genutzte Möglichkeit, Sendungen innerhalb Deutschlands per Nachnahme zuzustellen. Der Cash-Service-Betrag darf den Wert des einzelnen Paketes (maximal 5'000 DM) nicht übersteigen.


Die 1957 gegründete CC-Bank AG mit Sitz in Mönchengladbach versteht sich als Beraterbank im Kfz-Bereich. Zu den Kunden der CC-Bank zählen mehr als 8'000 Kfz-Fachhandelsbetriebe, mit denen sie insbesondere bei der Finanzierung von Gebrauchtwagen zusammenarbeitet.
Die Fiducia AG ist ein IT-Dienstleister und bezeichnet sich als "grösste Rechenzentrale Deutschlands". Ein Schwerpunkt der Tätigkeit der Fiducia liegt im Bereich von Bankensoftware und der Bereitstellung dazugehöriger Geräte (z.B. Geldautomaten, Kontoauszugsdrucker).
Die Quelle AG ist einer der grössten deutschen Versandhändler und verfügt über einen umfangreichen Kundenstamm. Die Zusammenarbeit mit Quelle erstreckt sich auf die Bonitätsprüfung von Erstkunden, über die Derendinger noch keine Daten vorliegen hat und die gleichzeitig Quelle-Kunden sind.


Bei der Suche nach geeigneten Fulfillment-Partnern wurde Derendinger von der Schweizer Post und der DG-Bank beraten. Der Kontakt zu Quelle kam bei einer Tagung zustande.


3. Fulfillment-Lösung

Art der Fulfillment-Leistung


Logistik [Bestellprozess]
Sobald eine Bestellung über ottomobil.de eintrifft, wird sie elektronisch im Lagerinformationssystem von Derendinger erfasst. Das Sammellager von Derendinger liegt am Hauptsitz des Unternehmens in Dietlikon bei Zürich, weitere 26 Lager sind über die Schweiz verteilt. Alle Lager werden von Derendinger selbst verwaltet, es gibt also keinen Warehousing-Partner. Im Regelfall sind alle vom Kunden bestellten Artikel im Sammellager verfügbar; fehlende Artikel werden aus anderen Lagern beschafft. Derendingers Lagerinformationssystem ermittelt den schnellstmöglichen Weg der benötigten Artikel zum Sammellager. Der letzte eintreffende Artikel löst im Lagerinformationssystem die Erstellung des Lieferscheins (Barcode) aus. Abhängig von der Art der vom Kunden gewählten Zahlungsart werden weitere Dokumente erstellt und dem Lieferschein beigelegt.


Die für den Export nach Deutschland anfallenden Zollpapiere zur Abrechnung der Mehrwertsteuer werden von Derendinger erstellt und in Papierform der Sendung beigelegt. Eine Auflistung aller nach Deutschland gelieferten Sendungen wird monatlich in elektronischer Form an den Schweizer Zoll übermittelt.


Der Transport der Sendungen zum zentralen Verteilungslager der German Parcel in Neuenstein/Deutschland wird von der Schweizer Post übernommen. Zwischen der Schweizer Post und Derendinger gibt es keine elektronischen Schnittstellen. Vollständige Sendungen werden täglich um 13.00 Uhr von der Schweizer Post abgeholt. Wurde der Abtransport aus dem Sammellager ausgelöst, wird der Kunde über E-Mail darüber informiert (einschliesslich der Paketnummer von German Parcel). Die Auslieferung an den Endkunden wird in Deutschland von German Parcel übernommen.


Zahlungsabwicklung/Bonitätsprüfung [Zahlungslösung]
ottomobil.de bietet seinen Kunden vier verschiedene Möglichkeiten an, die bestellten Artikel zu bezahlen. Die gewünschte Art der Zahlung wird vom Kunden beim Absenden der Bestellung vermerkt:

  • Zahlung per Nachnahme ("Ware gegen Bezahlung"). Der Kunde bezahlt direkt an den Ãœberbringer von German Parcel. Ein entsprechender Zahlschein wird der Lieferung im Sammellager beigelegt. German Parcel überweist anschliessend den Rechnungsbetrag an Derendinger.
  • Zahlung über Kreditkarte (Visa-Card, Euro-/Mastercard). Fulfillment-Partner ist in diesem Fall die Fiducia. Ein entsprechender Hinweis für den Kunden wird dem Lieferschein beigefügt.
  • Bankkredit mit Ratenzahlung. Ab einem Einkaufswert von 500 DM können die Kunden den Gegenwert der Ware in monatlichen Raten bezahlen. Fulfillment-Partner ist in diesem Fall die CC-Bank, die auch die erforderliche Bonitätsprüfung der Kunden übernimmt.
  • Rechnung. Falls der Einkaufswert 200 DM nicht übersteigt, besteht die Möglichkeit, per Rechnung zu bezahlen. Bei der Bonitätsprüfung von Neukunden wird mit Quelle zusammengearbeitet. Die Kundendaten werden dazu elektronisch an Quelle übermittelt. Nach der Prüfung spricht Quelle eine Empfehlung aus, ob für den Kunden eine Zahlung per Rechnung zugelassen werden soll oder nicht. Quelle gibt nur die Empfehlung weiter und nicht die über den Kunden gespeicherten Daten.



In den letzten drei Fällen wird vom jeweiligen Fulfillment-Partner eine Bonitätsprüfung des Kunden durchgeführt. Notwendige Kundeninformationen werden jeweils über eine sichere https-Verbindung an die Partner übermittelt, die das Ergebnis der Bonitätsprüfung auf demselben Weg zurücksenden. Der Kunde erhält erst nach Zusicherung der Bonität durch den Fulfillment-Partner eine Auftragsbestätigung per E-Mail.


Die Dauer der Bonitätsprüfung fällt dabei unterschiedlich aus: Während die Fiducia mitunter innerhalb von Sekunden antwortet, kann die Bearbeitung durch die CC-Bank einen Zeitraum von wenigen Minuten, in Ausnahmefällen aber auch von einigen Tagen beanspruchen.


Lösung der Fulfillment-Partner
Für die Zahlungsabwicklung mussten von der Derendinger AG Schnittstellen zu den einzelnen Bonitätsprüfungssystemen der Partner (CC-Bank, Fiducia, Quelle) entwickelt werden.
German Parcel stellte Derendinger ein Programm zur Verfügung, das - basierend auf den Postleitzahlen der deutschen Kunden - die Routenplanung für German Parcel vorbereitet. Aus der Lieferadresse des Kunden wird eine Routennummer für German Parcel bestimmt und in elektronisch lesbarer Form (Barcode) dem Lieferschein beigefügt. Verlässt eine Sendung das Sammellager von Derendinger, so wird dies dem Kunden unter Bekanntgabe der Sendungsnummer per E-Mail mitgeteilt. Mit Hilfe dieser Sendungsnummer kann der Kunde über die Website von German Parcel jederzeit feststellen, wo sich seine Sendung gerade befindet ("Tracing & Tracking").


Kosten
Neben den Kosten für den laufenden Betrieb fielen für Derendinger Entwicklungskosten für die Implementierung des Webshops und für die Programmierung der Schnittstellen zu den Fulfillment-Partnern an. Alle zur Datenkommunikation mit den Fulfillment-Partnern benötigten Schnittstellen wurden von Derendinger selbst entwickelt.


Die bei der Zusammenarbeit mit den Fulfillment-Partnern anfallenden Kosten werden ausschliesslich transaktionsbasiert berechnet, d.h. je Bonitätsanfrage oder versendeter Lieferung stellt der jeweilige Partner einen bestimmten Betrag in Rechnung. Die Verrechnung der aufgelaufenen Kosten erfolgt später über eine monatliche Rechnung.


Für die Endkunden fallen im wesentlichen nur die Kosten für die Bestellung an. Bei einem Bestellwert unter 300 DM kommen zusätzlich Frachtkosten hinzu, bei Ratenzahlung (Fulfillment-Partner CC-Bank) entstehen Finanzierungskosten.


4. Implementierung

ottomobil.de und das zugrundeliegende Derendinger-Net sind Eigenentwicklungen der IT-Abteilung der Derendinger AG. Von Standard-Produkten, wie etwa einer Oracle-Datenbank und elementaren Programmier-Tools, abgesehen, wurde keine Fremdsoftware verwendet. Insbesondere der Webshop stellt eine Eigenentwicklung dar.
Die Datenbasis für die unterschiedlichen Vertriebskanäle Derendingers ist identisch: Der "traditionelle" Vertrieb, das D-Net und ottomobil.de greifen auf identische Daten zu, die Unterschiede liegen allein in der Benutzeroberfläche (GUI). Die Preise der Artikel für unterschiedliche Regionen (Schweiz oder Deutschland) und Kundengruppen (B2B oder B2C) sind in der gemeinsamen Datenbank abgelegt.


Prozessdesign
Beim Aufsetzen des neuen Vertriebskanals ottomobil.de hatte die Derendinger AG den Vorteil, nicht auf bestehende Prozesse im klassischen Vertrieb Rücksicht nehmen zu müssen. Die in der Lösung abgebildeten Prozesse sind weitgehend mit denen des bereits vorher existierenden D-Net identisch. Beginnend im Jahr 1992 wurde von der Derendinger AG ein Redesign ihrer Prozesse durchgeführt, was 1995 u.a. dazu führte, dass ein Elektronischer Produktekatalog die bisherigen papierbasierten Kataloge ablöste.


Systementwicklung
Im November 1996 wurde auf der Basis des entwickelten elektronischen Produktkatalogs das D-Net als internetbasiertes Bestellsystem für die freien Werkstätten in Betrieb genommen. Mit der Konzipierung der auf dem D-Net basierenden B2C-Lösung wurde im Januar 2000 begonnen. Nach Erstellen eines Businessplans und dem offiziellen Projektstart im Februar 2000 wurde innerhalb von vier Monaten die Lösung ottomobil.de realisiert. Die Implementierung erfolgte durch Mitarbeiter der IT-Abteilung von Derendinger.


Technische Plattform [Systemarchitektur]
Kernstück der Lösung ist eine Oracle-Datenbank mit etwa 900 Tabellen, die alle Produkt- und Kundendaten enthält. Fast alle Seiten von ottomobil.de werden dynamisch aus der Datenbank generiert. Die Datenbank läuft auf Hewlett-Packard- Rechnern unter dem UNIX-Betriebssystem.
Der eigentliche Webshop wurde innerhalb von vier Monaten durch vier Mitarbeiter realisiert. Verwendet wurde hierbei ein Apache-Server unter einer LINUX-Umgebung. Der Zugriff des Webservers auf die Kunden- und Produktdaten in der Oracle-Datenbank erfolgt durch einen Oracle Application Server 9i, der die benötigten Daten an den Apache-Server, auf dem der Webshop läuft, weitergibt. Die Zugriffe auf den Webserver sind durch eine Firewall geschützt. Sensible Daten werden mit den Fulfillment-Partnern über eine sichere https-Verbindung ausgetauscht. Kunden übermitteln vertrauliche Daten über eine SSL-128-Bit-Verschlüsselung.


Architektur
Die folgende Abbildung zeigt das Zusammenspiel der Hard- und Software-Komponenten. Der Zugriff auf die Produktdaten durch die Werkstätten im rechten oberen Teil, sei es direkt über das D-Net oder indirekt über den Derendinger-Vertrieb, ist nicht Bestandteil der Lösung ottomobil.de und wurde nur aus Gründen der Vollständigkeit aufgeführt.

Abb. 4.1: Architektur von ottomobil.de
Abb. 4.1: Architektur von ottomobil.de

5. Betrieb

Der zusätzliche Aufwand, der Derendinger durch den Betrieb von ottomobil.de entsteht, ist als gering zu betrachten. Eine wesentliche Besonderheit der Lösung ottomobil.de besteht darin, dass sie auf dem bereits existierenden D-Net aufsetzt.


Unterhalt
ottomobil.de wird - wie auch das D-Net - von Derendinger selbst unterhalten. Derendinger ist auch für die Pflege und Auswertung der Artikel- und Kundendaten sowie für das Einstellen von Zusatzinformationen für Kunden (z.B. Reparaturanleitungen) verantwortlich.


Rentabilität
Vor der Realisierung der Lösung wurde von Derendinger eine solide Finanzplanung vorgenommen. Die laufenden Kosten des Betriebs von ottomobil.de sind nach Angaben Derendingers zu vernachlässigen, weil die Infrastruktur des D-Net genutzt werden kann. Da Derendinger weder zu den tatsächlich getätigten Investitionen noch zum realisierten Umsatz Angaben machen möchte, sind Aussagen zur Rentabilität nicht möglich. Ein Rentabilitätspotenzial resultiert jedenfalls aus der bereits beschriebenen Disintermediation, also aus der Umgehung von weiteren Händlern und Werkstätten. Wie aus Abbildung 2.1 zu ersehen ist, wird nur ein Teil der Differenz zwischen "herkömmlicher" und "verkürzter" Wertschöpfungskette als Preisvorteil an den Endkunden weitergegeben. Der andere Teil der Differenz verbleibt Derendinger als Ertrag.


6. Erfolgsfaktoren

Spezialitäten der Lösung
Als Besonderheit der Lösung ist hervorzuheben, dass die Endkunden bei der Suche und beim Identifizieren des gesuchten Ersatzteils unterstützt werden. Kunden können ihr Bedürfnis häufig nicht klar genug artikulieren, da sie beispielsweise die genaue Bezeichnung des erforderlichen Ersatzteils nicht kennen. Die Lösung von ottomobil.de bietet hier entsprechende Hilfestellung: Durch die Angabe der Zulassungsnummer aus dem Fahrzeugschein kann ein Fahrzeug eindeutig identifiziert werden. Liegt die Zulassungsnummer nicht bereit, so wird der mögliche "Lösungsraum" beim TeileIdentifikationsprozess durch geeignete Fragen schrittweise reduziert. So wird nach Eingabe der Ersatzteilkategorie (z.B. Aussenspiegel) nach Typ und Baujahr des Fahrzeugs gefragt und die Anzahl der in Frage kommenden Artikel wird bereits stark eingegrenzt. Durch einige wenige weitere Fragen an den Kunden wird vom System schliesslich das gesuchte Ersatzteil identifiziert.


Bei der Lösung des D-Net, die auf der gleichen Datenbasis basiert, wird mit einer anderen Eingabemaske nach Ersatzteilen gesucht. Denn die dort angesprochene Zielgruppe der Kfz-Mechaniker ist besser mit den technischen Ersatzteil-Spezifikationen vertraut.


Unique Selling Proposition
Neben der einfachen Bestellung über das Internet, die den Besuch einer Kfz-Werkstatt oder eines anderen Teilelieferanten überflüssig macht, und dem in 1.6.1 angesprochenen TeileIdentifikationsprozess ist der günstige Preis, zu dem die Ersatzteile vom Kunden bezogen werden können, besonders hervorzuheben. Der Preis für die Ersatzteile liegt im Durchschnitt etwa 20 bis 25 % unter dem Listenpreis. Das Anbieten kundenspezifischer Zusatzinformationen wie Reparaturanleitungen ist ein weiterer relevanter Zusatznutzen.


Veränderungen
Da die Lösung ottomobil.de eine reine Internet-Lösung ist und das Endkundensegment von Derendinger zuvor nicht bedient wurde, entfällt für die Fallstudie die Beschreibung dieses Punktes. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass das D-Net, das ja die Grundlage für ottomobil.de ist, mittlerweile von einigen Werkstätten auf deren eigenen Wunsch als ausschliesslicher Bestellkanal genutzt wird.


Lessons Learned
Derendinger hat bei der Umsetzung von ottomobil.de durchaus positive Erfahrungen gesammelt:

  • Die IT-Lösung wurde planmässig in Betrieb genommen.
  • Die Kooperation mit dem Logistik-Partner German Parcel funktioniert reibungslos.
  • Jedoch wurden von Derendinger im Vorfeld der Umsetzung einige Umstände nicht bedacht oder Sachverhalte falsch eingeschätzt:
  • Obwohl deutsche Kunden im internationalen Vergleich eigentlich als versandhandelaffin gelten, wurde die Zurückhaltung der Kunden, Ersatzteile über das Internet zu bestellen, unterschätzt.
  • Insbesondere wurde das Problem, wie man mit einer Internet-Firma den relevanten Markt erreicht, unterschätzt. Die angesprochene Zielgruppe der Do-it-yourself-Kunden ist mit der Gruppe der Internet-Benutzer nur zu einem kleinen Teil deckungsgleich. So wurden kurz nach einem Artikel über ottomobil.de in der Zeitschrift "Computer Bild" viele Besuche der Website verzeichnet, die jedoch kaum zu Bestellungen führten. Andererseits wurden nach einem vergleichbaren Artikel in der Zeitschrift "Auto, Motor und Sport" zwar weniger zusätzliche Besuche auf der Website registriert, die Quote der daraus resultierenden Bestellungen war jedoch deutlich höher.
  • Bei der Konzipierung der Lösung ottomobil.de ging Derendinger anfangs von der Annahme aus, alle anfallenden Prozesse automatisiert und ohne manuelle Eingriffe umsetzen zu können; dies hat sich jedoch als nicht realistisch erwiesen. Insbesondere hat sich der Aufwand bei der Kooperation mit den Fulfillment-Partnern und der Definition von Schnittstellen zu diesen als komplexer als ursprünglich erwartetet herausgestellt.
  • Die grösste Herausforderung für Derendinger ist es, die Bekanntheit von otto-mobil.de im Internet ("brand recognition") zu erhöhen. Ziel ist es sicherzustellen, dass ein potenzieller Kunde im Bedarfsfall sofort an ottomobil.de denkt. Um diesen Punkt besser abzudecken, wurde mit einem bekannten Anbieter im Bereich Automobilzubehör eine Kooperation eingegangen, die Ende des 3. Quartals 2001 bekannt gegeben wird.

Exploitant(s)

Derendinger AG
Peiman Safiari, IT-Manager
Secteur: Commerce de gros et de détail
Taille de l'entreprise: Moyen entrepriseDerendinger AG

Auteur(s) de l'étude de cas

Sedat Güler
Universität Münster

01. septembre 2001
Güler; Sedat (2001): Fallstudie ottomobil.de; in: Schubert; Petra; Wölfle; Ralf; Dettling; Walter (Hrsg.; Fulfillment im E-Business - Praxiskonzepte innovativer Unternehmen; S. 203-216; München; Wien: Hanser Verlag; 2001.
PDF zur Fallstudie, wie diese in der eXperience Buchreihe erschienen ist.
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ottomobil
https://www.experience-online.ch/de/9-case-study/1809-ottomobil
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